■ Unternehmenswachstum Interview „Bei den Wachstumszielen auf quantitative und qualitative Kriterien setzen“ Dr. Micha Bergsiek, Professor an der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) Paderborn und Leiter des Deutschen Zentrums für nachhaltiges Wirtschaften und Fachkräftesicherung, über das Wachstum von Unternehmen, mögliche Gefahren und Alternativen. H err Professor Bergsiek, woran lässt sich Wachstum im Unternehmen festmachen? Welche Rahmenbedingungen fördern das Wachstum? Micha Bergsiek: Grundsätzlich wird Wachstum in Unternehmen in quantitativen Größen gemessen, zum Beispiel über eine Umsatzerhöhung innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Seltener wird Wachstum über den Anstieg der Mitarbeiteranzahl oder die Steigerung des Gewinns gemessen. Wachstum wird prinzipiell durch die allgemeine Wirtschaftslage gefördert. So ist es im Rahmen eines wirtschaftlichen Aufschwungs in der Regel einfacher, entsprechende Wachstumsraten zu erzielen. Die Marktanteile von heute bestimmen die Marktposition von morgen. Vor diesem Hintergrund: Welche Rolle spielt hierbei das Unternehmenswachstum? Micha Bergsiek: Auch Unternehmen mit heutigen hohen Marktanteilen können zukünftig verdrängt werden, wenn sie nicht innovativ sind. Es ist allerdings wichtig, in wachsenden Märkten mindestens so stark wie die Wettbewerber zu wachsen, also den eigenen Marktanteil zu halten oder zu vergrößern. Nimmt später das Marktwachstum ab oder kommt es ganz zum Erliegen, so hat man sich dann eine möglichst gute Ausgangsposition geschaffen. In gesättigten Märkten zu wachsen, ist deutlich schwieriger als in wachsenden Märkten und erfolgt dann nur über Verdrängung. » Professor Micha Bergsiek: „Unternehmen, die sich ausschließlich auf das quantitative Wachstum konzentrieren, geraten nicht selten in den Konflikt mit Anforderungen an eine nachhaltige Unternehmensführung.“ « 14 markt & wirtschaft 9 / 2016 Unternehmen, die wachsen, benötigen professionelle Strukturen. Was bedeutet das für die Führung und das Management? Micha Bergsiek: Unternehmen benötigen nicht unbedingt professionelle Strukturen, wenn sie wachsen. Viele innovative Unternehmen haben trotz wenig durchdachter Strukturen ein eindrucksvolles Wachstum bewiesen. Allerdings sind professionelle organisatorische Strukturen und Regelungen eindeutig wachstumsfördernd. Speziell im Bereich Führung spielt zum Beispiel das Setzen realistischer Zielvorgaben eine zentrale Rolle. Gerade kleine innovative und wachsende Unter- nehmen haben das Problem, in kurzer Zeit ihre Mitarbeiterzahl deutlich erhöhen zu müssen. Dann spielt die strukturierte Einarbeitung der neuen Mitarbeiter und die Auswahl der passenden Führungsinstrumente eine zentrale Rolle. In dieser Situation sieht sich die Unternehmensleitung mit einem dauerhaften Change Management konfrontiert, um die Organisation dem Umsatzwachstum anzupassen. » Unternehmen, die sich ausschließlich auf das quantitative Wachstum konzentrieren, geraten nicht selten in den Konflikt mit Anforderungen an eine nachhaltige Unternehmensführung. « Wo liegen mögliche Gefahren, wenn Unternehmen sich ausschließlich auf ihr Wachstum konzentrieren? Bei welchen Anzeichen sollten sie auf die Wachstumsbremse treten? Micha Bergsiek: Wenn der wirtschaftliche Erfolg von Unternehmen gemessen wird, werden häufig quantitative Größen wie zum Beispiel Gewinn oder Umsatz herangezogen. Qualitative Größen wie beispielsweise die allgemeine Lebensqualität oder speziell die Zufriedenheit der Mitarbeiter oder der Grad der erreichten Work-Life-Balance der Mitarbeiter treten dabei eher in den Hintergrund. Unternehmen, die sich ausschließlich auf das quantitative Wachstum konzentrieren, geraten nicht selten in den Konflikt mit Anforderungen an eine nachhaltige Unternehmensführung. So führt rein quantitatives Wachstum naturgemäß dazu, dass mehr Ressourcen auf Kosten der Natur verbraucht werden. Ziel eines nachhaltigen Wirtschaftens sollte es sein, nur so viel Ressourcen zu verbrauchen, wie auf natürliche Weise wieder neu entstehen können, um nachfolgende Generationen nicht zu belasten. Wie der Begriff Work-Life-Balance andeutet, sollten im Sinne von Nachhaltigkeit nicht nur die ökologischen Grenzen, sondern auch die sozialen Komponenten berücksichtigt werden. Gibt es eine Alternative für Wachstum? Micha Bergsiek: Die Alternative heißt, sich bei den Wachstumszielen nicht nur auf quantitative, sondern auch auf qualitative Kriterien zu stützen. Dies hat gleichzeitig mehrere Vorteile: Erstens werden ökologische Belastungen reduziert und nachhaltige Innovationen im Unternehmen gefördert; zweitens wird das Unternehmen attraktiver für aktuelle und potenzielle Mitarbeiter, was vor dem Hintergrund der aktuellen demographischen Herausforderungen von hoher Bedeutung ist. Drittens achten Kunden immer stärker auch auf nachhaltige Aspekte des Produktes beim Kauf, wodurch das Wachstum von nachhaltigen Unternehmen wiederum verstärkt wird. n
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