FAS T N O R M A L Von Tom Kitt und Brian Yorkey FAS T NOR M A L Musik von Tom Kitt Buch und Gesangstexte von Brian Yorkey D E U T S C H VO N Titus Hoffmann O R I G I N A L -B R OA DWAY P R O D U K T I O N VO N DAV I D S T O N E , J A M E S L . N E D E R L A N D , B A R B A R A W H I T M A N , PAT R I C K C AT U L L O A N D S E C O N D S TAG E T H E AT R E DI A NA DA N GA BE N ATA L I E H E N RY DR . F I N E / DR . M A DDE N Carolin Fortenbacher Robin Brosch Elias Krischke Alice Hanimyan Jan Rogler Tim Grobe PI A NO G I TA R R E V IOL I N E , SY N T H E SI Z E R BA S S S C H L AG Z E U G , P E R C U S S I O N Matthias Stötzel/Mathias Weibrich Henrik Kolenda/Sönke Rust Dana Anka Lars Hansen Helge Teschner R EGI E AU S S TAT T U N G M USI K A L ISCH E L EI T U NG E I N S T U D I E RU N G , 2 . M U S I K A L I S C H E L E I T U N G D R A M AT U R G I E R EGI E A S SIST E NZ AU S S TAT T U N G S A S S I S T E N Z R E G I E H O S P I TA N Z Harald Weiler Lars Peter Matthias Stötzel Mathias Weibrich Anja Del Caro Jonas Werminghausen Nele Richter Celine Fortenbacher-Poplawska, Alexandra Hilpert, Natascha Weigang L ICH T TON Gerald Timmann Matthias Koehl T ECH N ISCH E L EI T U NG PRODU K T IONSL EI T U NG BÜ H N E N M EIST ER R EQU ISI T E M A SK E S T E L LW E R K L I C H T S T E L LW E R K T O N B Ü H N E N B AU I NSPI Z I E NZ S T E L LW E R K KO S T Ü M W E R K S TAT T A N K L E I DE R I N N E N Steffen Rottenkolber Sandra Eßmann Martin Piemeyer Anika Kopka, Daniela Dalvai Biljana Ristić-Hippler und Maskenteam Kammerspiele Maik Merkel, Ralf Strobel Jan Mark Behrens, Matthias Koehl Thorsten Förster, Steffi Müller, Dobrin Tomov, Conny Winter Anika Kopka Maik Merkel, Ralf Strobel Britta Broers, Laura Loehning Joke Kühnert, Diana Möller, Feline Reisberg *P R E M I E R E A M 4 . S E P T E M B E R 2 016 I N D E N H A M B U R G E R K A M M E R S P I E L E N AU F F Ü H RU N G S R E C H T E : Musik und Bühne Verlagsgesellschaft mbH, Wiesbaden AU F F Ü H RU N G S DAU E R : ca. 2 Stunden, 15 Minuten inkl. Pause Die Premiere in New York wurde produziert vom Second Stage Theatre, New York, im Februar 2008, Carole Rothmann, A R T I S T I C D I R E C T O R Ellen Richard, E X E C U T I V E D I R E C T O R . N E X T T O N O R M A L wurde anschließend im November 2008 von Arena Stage produziert. Entwickelt am Village Theatre, Issaquah, WA (Rob Hunt, E X E C U T I V E P R O D U C E R , Steve Tomkins A R T I S T I C D I R E C T O R ). Eine frühere Version wurde 2005 beim New York Musical Theater Festival produziert. Die Entwicklung von N E X T T O N O R M A L wurde durch die Jonathan Larson Foundation unterstützt. TOM K I T T – MU S I K FA S T N O R M A L (N E X T T O N O R M A L ) Der US-amerikanische Komponist, geboren 1974 in Oceanside, New York, arbeitet seit 2002 als Dirigent und Arrangeur am Broadway und komponierte darüber hinaus u. a. die Musicals High Fidelity und Bring it on sowie die Musik für die New Yorker Public Theatre in the ParkProduktion von Das Wintermärchen. Außerdem kreiert er Kompositionen für Fernsehserien und Musiker, wie Greenday, und ist Gründer und Pianist der Tom Kitt Band. Zusammen mit Brian Yorkey erarbeitete er Bühnenstücke wie If/Then und In your eyes. 2010 erhielten beide den Pulitzer Preis 2010 für Drama sowie den Tony Award 2009 für die Beste Musik für Fast normal – Next to normal. 2014 wurde Tom Kitt der Emmy Award für seine Komposition Bigger, Neil Patrick Harris' Eröffnungsnummer der Tony Award Zeremonie 2013, verliehen. B R I A N YO R K E Y – BUCH & GESANGSTEX TE FA S T N O R M A L (N E X T T O N O R M A L ) Der US-amerikanische Autor, geboren 1970 in Omaha, Nebraska, nahm mit Tom Kitt am berühmten BMI Lehman Engel Musical Theater Workshop in New York City teil. Er schreibt und entwickelt TV-Serien und Drehbücher u.a. für Universal und Warner Brothers und hat Musicals, wie Funny Pages (1993), Making Tracks (2002), The Wedding Banquet (2003) oder Play it by Heart (2005) kreiert. Mit Sting erarbeitete er ein Musiktheaterstück, das auf dem Album The Soul Cages des britischen Musikers aufbaut. Für Fast normal – Next to normal erhielt Yorkey zusammen mit Tom Kitt den Pulitzer Preis 2010 für Drama und den Tony Award 2009 für die beste Musik. Ende 2016 ist mit dem Musical Freaky Friday die Weltpremiere einer erneuten Zusammenarbeit der beiden geplant. Auch eine Musical-Adaptation des US-Films Magic Mike ist für 2016/17 angekündigt. T I T U S H O F FM A N N – Ü B E R S E T Z E R FA S T N O R M A L (N E X T T O N O R M A L ) Titus Hoffmann studierte an der Guildford School of Acting in London Schauspiel, Tanz und Gesang und war zehn Jahre als freischaffender Schauspieler in ganz Europa unterwegs. Als Resident und Associate Director und Übersetzer zeichnete er 2008 verantwortlich für die deutsche Produktion von The Producers im Wiener Ronacher und Berliner Admiralspalast. Zudem ist er maßgeblich an den Dauerbrennern Heiße Zeiten – Die Wechseljahre-Revue und Wir sind mal kurz weg – eine musikalische Midlife-Crisis beteiligt. Seit 2012 spielt seine feinsinnige Tragikomödie Pu Pu Pidu um Stilikone Marylin Monroe am Stadttheater Gießen. Im Oktober 2015 Jahres übersetzte er das Broadway Musical Next to normal und inszenierte dessen Deutschsprachige Erstaufführung am Stadttheater Fürth. FA S T N O R M A L – N E X T T O N O R M A L K L E I N E AU F F Ü H R U N G S G E S C H I C H T E Im Oktober 2013 fand die Deutschsprachige Erstaufführung am Stadttheater Fürth statt. Diese Produktion gastierte auch in der Wiener Stadthalle. 2014 brachte das Theater für Niedersachsen Fast normal in Hildesheim heraus. Im gleichen Jahr fand die Österreichische Erstaufführung am Landestheater Linz statt. 2015 produzierte das Renaissance Theater in Berlin Fast normal. Von Berlin aus gastierte diese Produktion in München am Deutschen Theater. Ebenfalls 2015 spielte es das Stadttheater Lüneburg. 2016 lief Fast normal am Opernhaus in Dortmund. I N T E RV I E W MI T H A R A LD W E I LE R ZU FAS T NOR M A L Was war dein erster Eindruck beim Lesen des Stückes/Librettos? Das ist ein Geschenk! So eine aufregende Musik; eine sehr spannende Geschichte mit einem für ein Musical sehr untypischen Ende. Und beim Hören der Musik? Die Musik hat wirklich alles, was ein gutes Musical braucht. Sehr emotionale Songs und auch immer wieder sehr rockige Nummern. Die Musik macht etwas mit dem Zuschauer und treibt die Geschichte sehr voran. Vielleicht kann man sagen, dass sie einen sogar verführt. Worin unterscheidet sich für dich Fast normal von anderen dir bekannten Musicals? Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich, mit wenigen Ausnahmen, bis jetzt einen eher spärlichen Umgang mit dem Genre Musical hatte. Die Musicals, die ich gesehen hatte, waren alle laut, bunt, viele Kostüme, große Bühne mit vielen Effekten – eher eine Show als ein Theaterstück. Als mir die Regie für Fast normal angeboten wurde, war ich natürlich sehr gespannt auf das Stück. Beim Lesen war ich ziemlich schnell begeistert. Alle Figuren haben eine Tiefe. Sie gehen einen wirklich an. Ein Musical zu schreiben, dessen Hauptfigur eine Bipolare Störung hat, ist ungewöhnlich und sehr mutig. Trotz dieser scheinbaren Schwere können wir erstaunlich leicht und manchmal fast humorvoll damit umgehen. Durch die Krankheit der Hauptfigur Diana wird die Ehe mit ihrem Mann Dan auf eine harte Probe gestellt. Ja, das stimmt. Und dennoch gibt es sogar darin, selbst in den akuten Phasen von Dianas Krankheit, große Momente der Zusammengehörigkeit und Vertrautheit. Das Paar kämpft wirklich um die Beziehung, um den Erhalt der Familie. Und das möchten wir auch zeigen. Die Tochter Natalie steckt mitten in der Pubertät und fühlt sich von ihrer Mutter oft nicht gesehen, wie unsichtbar. Diana ist durch den sehr frühen Tod ihres Sohnes Gabe stark traumatisiert. Gabe wächst quasi in Dianas Kopf und in ihrem Herzen im Familienverbund mit heran. Diana lebt und kommuniziert weiterhin mit ihm – das geht auf Kosten von Natalie. Das Schöne ist, dass diese Situationen und Konflikte bei aller Tiefe fast mit Humor gezeichnet sind. Im Grunde so, wie sich das Leben oft zeigt. Dieses Musical ist nicht schwarz oder weiß. Hast du schon mal ein Musical inszeniert? Ja, ich habe 2011 Das Orangenmädchen von Jostein Gaarder als Musical im Altonaer Theater inszeniert. Übrigens mit Carolin Fortenbacher in der Hauptrolle. Siehst du Unterschiede im Inszenieren eines Musicals im Gegensatz zu einem Schauspiel? Die Musik ist im Gegensatz zum Schauspiel vorgegeben. Das hat Vorteile. Aber manchmal zwingt die Musik einen auch in ein Korsett, von dem man sich befreien muss. Bei Fast normal ist die Musik allerdings so genial geschrieben, dass sie die Figuren trägt und ihnen immer einen emotionalen Teppich bereitet. Im Musical werden ja die Emotionen einer Figur durch die Musik sehr vergrößert; das ist für den Zuschauer sofort spürbar. Wenn Situation und Musik stimmen, kann man sich nicht entziehen. Das gibt eine tolle Energie auf der Bühne. Was machst du anders? Das weiß ich gar nicht so genau. Ich inszeniere das Stück so, wie ich ein Schauspiel inszenieren würde. Ich suche den Konflikt in einer Szene. Ich versuche, die Figuren erlebbar zu machen und achte darauf, dass die Schauspieler nicht schlauer sind als ihre Figuren. Nur, dass sie hier ihren Text singen. Das ist der einzige Unterschied zum Schauspiel. Gibt es etwas, was du ganz bewusst NICHT so machst, wie es vielleicht ein (typischer) Musical-Regisseur machen würde? Ich versuche auf jeder Probe, die Szene, die wir arbeiten, sehr genau zu analysieren. Wer will in der Szene was von wem? Das hört sich vielleicht kompliziert an, ist es aber nicht. Das sind für mich immer die wichtigsten Fragen in einer Szene: Was will ich von meinem Gegenüber? Wie bekomme ich das, was ich will? Wenn wir das geklärt haben, versuchen wir es mit Hilfe des Textes bzw. der Musik herauszufinden und zu klären. Ich lasse die Schauspieler also aufeinander los und sage ihnen nicht, wo sie stehen sollen und wie sie eine Szene spielen sollen. Das finden sie selber heraus. DA S I N T E RV I E W F Ü H R T E A N J A D E L C A R O BIP OL A RE S TÖRUNGE N – E I N E E RK R A N KU N G MI T Z W E I G ES I C H T E RN Was sind Bipolare Störungen? Bei Menschen, die an Bipolaren Störungen leiden, kommt es zu völlig übersteigerten Stimmungsschwankungen, die sich zwischen himmelhoch jauchzend (manisch) und zu Tode betrübt (depressiv) bewegen und durchaus sehr verschiedene und individuelle Ausprägungen sowie Verläufe haben können. Typischerweise treten sie entweder ohne einen entsprechenden Anlass auf oder sie bleiben nach einer bestimmten Lebenssituation wie z.B. dem Verlust eines nahestehenden Menschen auch dann weiter bestehen, wenn die auslösende Situation eigentlich keine Belastung mehr darstellt. Die Stimmungsschwankungen entwickeln also eine Eigendynamik, die nicht mehr mit äußeren Umständen erklärbar ist. Es handelt sich um keine klar umschriebene Erkrankung wie man es etwa vom Bluthochdruck oder Diabetes mellitus kennt, sondern um eine in Episoden verlaufende psychische Erkrankung, die das ganze Spektrum der menschlichen Stimmungszustände widerspiegeln kann. […] Die Dauer der Krankheitsepisoden kann zwischen einigen Tagen, mehreren Monaten und einigen Jahren variieren. Bipolare Störungen sind »richtige Krankheiten«, die nicht nur unsere Stimmung betreffen, sondern auch Auswirkungen auf unser Denken, unsere Gefühle, unseren Körper und unsere Fähigkeit zur Lebensbewältigung haben. Patienten, die an einer Bipolaren Störung leiden, sind genauso krank wie Menschen mit einem Herzleiden. Die Erkrankung ist weder ihre eigene Schuld, noch haben die Betroffenen eine schwache Persönlichkeit. Bipolare Störungen sind behandelbare Erkrankungen, die jeden von uns betreffen können. Welche Symptome gibt es bei Bipolaren Störungen? Bei einer Bipolaren Störung schwankt die Stimmung des Erkrankten zwischen den Phasen der Hochstimmung und der Niedergeschlagenheit. Dazwischen können immer wieder Phasen einer ausgeglichenen Stimmung liegen. Im klassischen Verlauf wechseln die Betroffenen während Ihrer Erkrankung immer wieder zwischen folgenden Zuständen: Der Manie, Hypomanie, Depression und einer als besonders einschränkend empfundenen Mischform zwischen Manie und Depression. Manische Episoden (Manie) Eine manische Episode oder Manie ist gekennzeichnet durch ein intensives Hochgefühl, eine übersteigerte und häufig unbegründete gute Laune sowie erhöhte persönliche Leistungsfähigkeit. Die Betroffenen empfinden sich selbst als außergewöhnlich leistungsstark, kreativ und schöpferisch. Darüber hinaus haben sie nur ein sehr geringes Schlaf- und Erholungsbedürfnis. Maniker empfinden Schlaf als Zeitverschwendung und Unterbrechung ihres (oft ziellosen) Tatendrangs. Diese Stimmungslage kann allerdings schnell in einen Zustand der Euphorie übergehen, die unter anderem durch eine mangelnde Einschätzung der Realität gekennzeichnet ist. […] Menschen, die sich gerade im Zustand der Manie befinden, leugnen hartnäckig, dass sie in irgendeiner Art und Weise Probleme hätten und reagieren oft gereizt, wenn sie von anderen auf offensichtliche Schwierigkeiten hingewiesen werden. Aus diesem Grund ist es auch beinahe unmöglich die Patienten davon zu überzeugen, dass sie krank sind. Deshalb müssen die Betroffenen in der akuten Krankheitsphase häufig gegen ihren Willen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses behandelt werden. Depressive Episode (Depression) Obwohl die meisten Menschen den Begriff Depression mit Traurigkeit gleichsetzen, ist eine Depression mehr als nur ein Gemütszustand. Eine Depression ist eine Krankheit, die sowohl unser psychisches Gleichgewicht als auch unser Denken, unser Handeln und unseren Körper betrifft. […] Charakteristisch für depressive Menschen ist nicht, dass sie traurig sind, sondern dass ihre Gefühlswelt erloschen ist. Auf der einen Seite sind sie nicht in der Lage, sich zu freuen. Andererseits können sie aber bei einer traurigen Lebenssituation, wie dem Verlust eines Angehörigen auch nicht weinen. Depressive Menschen wirken oft nicht nur wie versteinert, sie sind es auch, jedenfalls was ihr Gefühlserleben betrifft. Wie wird eine Bipolare Störung diagnostiziert? Obwohl Bipolare Störungen »richtige« und vor allem auch ernst zu nehmende Erkrankungen sind, gibt es zurzeit keinerlei Möglichkeiten, die Diagnose mithilfe von Laboruntersuchungen oder anderen Untersuchungsmethoden zu stellen. Die Diagnose kann nur im Rahmen einer intensiven Befragung des Erkrankten, manchmal auch der nächsten Angehörigen, eruiert werden. Wesentlicher Bestandteil der Diagnosefindung ist ein genauer Bericht der Lebensgeschichte und der Probleme des Erkrankten. Der behandelnde Arzt wird in diesen Gesprächen versuchen, bestimmte für Bipolare Störungen charakteristische Symptome zu finden. Im schlechtesten Fall können vom Auftreten der ersten Symptome, beispielsweise einer depressiven Phase, bis zur korrekten Diagnose bis zu 15 Jahre vergehen. Wie können Bipolare Störungen entstehen? Die Entstehung Bipolarer Störungen ist im Sinne einer anlagebedingten Verletzlichkeit des Nervensystems zu verstehen, die von vielen weiteren äußeren Faktoren beeinflusst wird. Ob ein Lebensereignis eine Bipolare Störung auslöst, hängt also von der individuellen Disposition ab. Folgende Faktoren werden als ursächlich angesehen: Genetische Faktoren In Zwillings-, Familien-, und Adoptionsstudien konnte gezeigt werden, dass bei Verwandten ersten Grades von Patienten mit Bipolaren Störungen eine Häufung solcher Erkrankungen auftritt. Biologische Faktoren Bei Patienten mit Bipolaren Störungen sind Veränderungen im Neurotransmitterhaushalt festgestellt worden. Unter Neurotransmittern versteht man chemische Botenstoffe, die an der Weiterleitung von Nervenimpulsen beteiligt sind. So fand sich bei Depressiven ein Mangel an den Neurotransmittern Noradrenalin und Serotonin. Inzwischen wird davon ausgegangen, dass nicht einzelne Veränderungen der Neurotransmitter, sondern eine Störung des Gleichgewichts verschiedener Transmitter ursächlich ist. Außerdem ist bei Depressiven die Empfindlichkeit und Dichte der Rezeptoren, auf welche die Neurotransmitter einwirken, verändert. Neurotransmitter scheinen auch bei der Entstehung der Manie eine Rolle zu spielen. Bei dieser Störung liegt eine erhöhte Konzentration der Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin vor. Welche Behandlungsmethoden werden bei Bipolaren Störungen eingesetzt? Grundsätzlich werden in der Behandlung Bipolarer Störungen verschiedene Behandlungsmethoden eingesetzt. Neben der medikamentösen Therapie, die die meisten Patienten den Rest ihres Lebens begleitet, kommen auch Verfahren der Psychotherapie sowie Wach- und Elektrokrampftherapie zum Einsatz. Welche Therapiemethoden eingesetzt werden, hängt sowohl von der Schwere der Erkrankung als auch vom Verlauf ab. AU S Z Ü G E AU S D E R I N F O R M AT I O N S S C H R I F T DER DEU TSCHEN GESELL SCH A FT FÜ R BIPOL A R E S T Ö RU N G E N E .V. F Ü R PAT I E N T E N U N D A N G E H Ö R I G E DU BIS T E I N SC H AT T E N Du bist ein Schatten am Tage Und in der Nacht ein Licht; Du lebst in meiner Klage Und stirbst im Herzen nicht. Wo ich auch nach dir frage, Find ich von dir Bericht, Du lebst in meiner Klage Und stirbst im Herzen nicht. Wo ich mein Zelt aufschlage, Da wohnst du bei mir dicht; Du bist mein Schatten am Tage Und in der Nacht mein Licht. Du bist ein Schatten am Tage Und in der Nacht ein Licht; Du lebst in meiner Klage Und stirbst im Herzen nicht. F R I E D R I C H RÜ C K E R T, 1 83 4 E R IS T F O RT DA N Er ist fort… Er ist fort. Schatz, er ist nicht da. Du wünschst dir, er wär hier. Schatz, es ist nicht wahr. Warum lässt du ihn nicht los? Trauerst oder träumst du bloß? Begreif doch, was geschah. Er ist tot, schon seit Jahr'n. Liebling, schau, er ist fort. WAS W E IS S T DU? DI A N A Wird das Aufstehen jeden Morgen dir zur allergrößten Not? Liest du, wer gestorben ist und bist ganz neidisch auf den Tod? Man steht immer nah am Abgrund und weiß nie, ob man springt… Was weißt du? Was weißt du, wenn man um sein Leben ringt? Es verblasst alles, was bunt war, in schwarzweiß versinkt dein Glück. Deine Zukunft wird zum Schrecken, doch du stirbst, blickst du zurück. Was weißt du? Ich weiß, nichts weißt du. Du sagst, dass du leidest. Und lässt es nicht zu. Was weißt du? Es schmerzt geradezu, wenn du sagst, gib Ruh. Doch ich frag: was weißt du? …vom Gefühl nur noch zu schreien, doch du bleibst mucksmäuschenstill …und vom immer tiefer Fallen, doch du triffst nie auf dein Ziel – alles rast dir nur entgegen, Tag für Tag für Tag für Tag… Was weißt du? Was weißt du von den Qual'n, die ich ertrag? Wie getrieben renn' ich weiter, denn sonst bringt es mich noch um, wenn's mich einholt, wird's mich töten und ich weiß nicht mal, warum. B RI E FE AUS D EM WO LK E N KUC KUC KS H E IM Mein lieber Matz, nun bin ich schon eine Weile hier, und erst jetzt verstehe ich so langsam, was in den letzten Wochen und Monaten alles passiert ist und warum ich schließlich hier gelandet bin. Ja genau. Gelandet, wie ein Raumschiff. Zuerst ist es mir auch wirklich wie ein anderer Planet vorgekommen. Ich war ja so schnell in der letzten Zeit. Wie ein Raumschiff bin ich durchs Leben geflogen. So schnell, dass ich vieles gar nicht mehr sehen konnte. Ja, vor allem auch Dich. Das tut mir leid und war für Dich bestimmt sehr schwer. Damit ich wieder langsamer werden kann, brauche ich Hilfe von speziellen Ärzten, mit spezieller Medizin. Vielleicht hat Dir jemand gesagt: »Dein Papa ist in der Klapsmühle«. So hat man den Ort, wo ich gerade bin, früher tatsächlich genannt. Da kamen eben alle hin, die einen Klaps hatten. Früher sagte man auch Irrenhaus oder Irrenanstalt. Heute heißt das psychiatrische Klinik. Das kann man kaum aussprechen, und es klingt irgendwie unheimlich. Darum habe ich mir überlegt, vielleicht nenne ich es einfach Wolkenkuckucksheim. Was meinst Du? Das Wort kommt aus einem Theaterstück, das ein alter Grieche vor langer Zeit geschrieben hat. Darin übernehmen die Vögel die Weltherrschaft und erbauen eine eigene Stadt im Himmel. Und die heißt Wolkenkuckucksheim. Das passt gut. Man sagt doch auch: Du hast einen Vogel! Oder: Du hast ’ne Meise! Siehst Du, und diese Spezialärzte hier, die nenne ich Meisendoktoren. Die sollen mir helfen, meine »Meise« einzufangen. Du fragst dich jetzt bestimmt, wie ich die Meise überhaupt bekommen habe. Wo ich doch Dich und Mami habe. Das ist nicht so leicht zu beantworten. Selbst ganz schlaue Forscher haben darauf noch keine Antwort gefunden. Einige sagen, es sei Vererbung. Das heißt, jemand in der Familie hat es schon gehabt, und so ist es immer ein bisschen weitergegeben worden. Bei mir ist das die Familie von Omi Frauke. Sie hatte einen Onkel, der hieß auch Matz. Über den gibt es sehr lustige Geschichten. Und weil der mir durch diese Geschichten vertraut und lustig, aber auch unbegreiflich vorkam, wollte ich, dass Du seinen Namen trägst. Frag Omi mal danach. Eine Cousine von ihr, Tante Marion, die hat das auch. Und mein Cousin Georg in Amerika. Das, was wir haben, nennen die Ärzte nicht Meise, sondern: bipolar. Klingt nach Nordpol, finde ich. Polarforscher. So bin ich mir auch ein wenig vorgekommen. Ein Forscher, der die Pole auskundschaftet. Ich meine damit, die Endpunkte. Oben und unten. Da, wo es nicht mehr weitergeht. gibt es einen langen Flur, von dem gehen die Zimmer ab. Meistens Zweierzimmer. In der Mitte des Flurs gibt es ein Extra-Zimmer für die Ärzte und Pfleger und Schwestern. Um Punkt acht Uhr abends gibt es für alle die Medizin. Da muss ich jetzt hin. Ich schreibe wieder. Versprochen. Ich hab Dich lieb. Papa […] Lieber Matz, Zum Nordpol muss man eine weite Strecke zurücklegen. Das habe ich auch getan. Ich bin zwar nicht an die Grenzen der Erde gestoßen, aber an meine Grenzen. Und an Mamis und Deine. Nur, dass ich das gar nicht gemerkt habe. So, wie wenn Du Geburtstag hast, und Du hast alle Deine Freunde zu Besuch, und es gibt den ganzen Tag nur Süßes, und abends siehst Du sogar noch einen Film. Dann willst Du unbedingt, dass es immer so weitergeht. Mehr Geschenke. Mehr Freunde. Mehr Süßes. Mehr Spaß. Und auf einmal werden die Freunde abgeholt, und Du kannst nicht verstehen, dass nun alles vorbei sein soll. So ein Gefühl hat man sonst nur, wenn man noch ein Kind ist. Wenn man älter wird, freut man sich zwar noch, aber es fühlt sich nicht mehr so stark an. Die Erwachsenen sagen, sie haben ihre Gefühle im Griff. Das stimmt. Im Würgegriff. Weil sie das so, wie die Kinder fühlen, gar nicht mehr aushalten würden. So. Und eines Tages vor vier Monaten, kurz nach Deinem Geburtstag, bin ich aufgewacht und habe wieder so starke Gefühle gehabt. Das hat sich erst mal toll angefühlt, wie ein Zaubertrank. heute hat mich Onkel Hans besucht. […] Wir saßen am Eingang, auf der Bank gegenüber der Pförtnerschranke, und haben stundenlang geredet und geraucht. Ich habe ganz viel weinen müssen, weil mir klar geworden ist, wie viel ich kaputt gemacht habe. Das ist so, so, so scheiße. Entschuldigung. Ein Euro in die Schimpfwortkasse. Aber stimmt doch. Guck mal. Eigentlich sollte ich jetzt mit Dir auf dem Spielplatz sein. Oder Eis essen. Oder Dir vorlesen. Oder mit Dir spielen. Ich verstehe jetzt erst, wenn die Leute sagen, man habe »die Beherrschung verloren«. Ich versuche sie wieder zu erlangen. Das ist schwierig, weil ich immer schneller abwechselnd ganz glücklich und im nächsten Moment todtraurig bin. Das ist eben die Krankheit. Du wirst jetzt vielleicht denken: Aber warum geht das nicht weg, wo er doch die Medikamente bekommt? Es dauert eine Weile, bis die wirken und bis die richtige Dosis eingestellt ist. Bei einem Rennwagen dauert es schließlich auch sehr lange, bis er so läuft, wie man sich das wünscht. Und wenn er läuft, dann muss man ihn weiter gut beobachten, weil er so empfindlich ist. Ich werde also noch von den Ärzten getestet. Aber ich bin auf dem Weg. Auf dem Weg zurück zu Dir. Ja, so war das. Ich muss jetzt Schluss machen. Es ist Zeit für die Medizin. Hier im Krankenhaus Ich liebe Dich. Papa […] Hey, Matz, ich kann es gar nicht erwarten. Das ist für mich so aufregend wie Geburtstag, Ostern und Weihnachten an einem Tag! Auf der Station herrscht schon seit Tagen Aufbruchstimmung. Jeden Tag ist jemand anderes verabschiedet worden. […] Auch wenn sie am Ende alle sehr nett waren, ich möchte hier nicht wieder rein. Nicht weil es hier so schlimm ist (ich habe für Mami sogar einen Seidenschal angemalt!), sondern weil ich will, dass die Meise gefangen bleibt. Ich habe es geschafft. Dank des Lithiums, dank der Ärzte und Schwestern, dank Mami, dank der Omis und Onkels und Tanten, dank Darian und Peer, dank Wolfgang. Aber das wäre alles nichts gewesen, wenn es Dich nicht gegeben hätte, mein lieber Matz. Der Gedanke an Dich hat mir immer wieder Kraft gegeben, wenn ich am liebsten aufgegeben hätte oder vor Traurigkeit verschwunden wäre. Tatsächlich warst Du in dieser schweren Zeit für mich, was ich sonst für Dich sein will. Die Orientierung in der Not. Dafür danke ich Dir. So. Jetzt möchte ich Dir erst mal keine Briefe mehr schreiben. Jetzt beginnt mein zweites Leben. Alles beim Alten. Alles neu. Ich liebe Dich. Los geht’s. Papa SEBASTI A N SCHLÖSSER Die Kammerspiele noch entspannter erleben! LI T E R AT U RN AC H W E IS E Friedrich Rückert, Kindertodtenlieder, Insel Verlag, 1993 Sebastian Schlösser, Lieber Matz, Dein Papa hat ’ne Meise, Ullstein Buchverlage Berlin, 2011 www.zeit.de/2010/37/Briefe-an-den-Sohn www.dgbs.de/fuer-angehoerige/ Einige Texte und Überschriften wurden zum Teil redaktionell bearbeitet, gekürzt und der neuen Rechtschreibung angepasst. Wir danken Sebastian Schlösser, den Ullstein Buchverlagen und dem Insel Taschenbuchverlag für die freundliche Genehmigung des Nachdrucks ihrer Texte. Impressum H E R AU S G E B E R : Hamburger Kammerspiele I N T E N DA N T: Axel Schneider G E S C H Ä F T S F Ü H R E R : Holger Zebu Kluth R E DA K T I O N : Anja Del Caro G E S TA LT U N G : Felix Wandler T I T E L F O T O : Anatol Kotte P R O B E N F O T O S : Bo Lahola D RU C K : kleinkariert medien Sie möchten eine Vorstellung in den Kammerspielen von Anfang an genießen und nicht nach einem Parkplatz suchen? Dann nutzen Sie gerne die Annehmlichkeiten unserer Tiefgarage mit 500 Stellplätzen und starten Sie sorglos in den Abend. Die Kammerspiele sind von uns fußläufig in 10 Minuten zu erreichen. Als stimmungsvollen Ausklang des Tages empfehlen wir Ihnen einen Besuch in unserer Brasserie Flum mit französischer Küche bis 23:30 Uhr oder einen ausgefallenen Drink in der Bourbon Street Bar. Elysée Hotel AG Hamburg I Rothenbaumchaussee 10 I 20148 Hamburg T +49 (0) 40 41 41 2-0 I [email protected] I www.grand-elysee.com HAMBURGER KAMMERSPIELE H A RT U N G S T R A S S E 9 -11 I 2 014 6 H A M BU RG 0 4 0 - 4 1 3 3 4 4 0 W W W. H A M B U R G E R-K A M M E R S P I E L E . D E
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