Ich wäre ein bisschen wie Elmar Ledergerber

Region
Stefan Ritz
Sabine Rock
«Ich wäre ein bisschen
wie Elmar Ledergerber»
Er würde neue Bus- und Velorouten schaffen und die Stadt
familienfreundlicher machen,
sagt der parteilose Stefan Ritz.
Was die Rosenstadt brauche,
sei ein «Systemwechsel».
Es gibt kaum einen Bereich,
der Stefan Ritz fremd ist. Zum
Hochbauzeichner ausgebildet,
arbeitete er in den 1990er-Jahren
als Bauführer, bevor er zwischen
2004 und 2006 für die UGS
(unabhängig, grün, sozial) im
Gemeinderat Jona sass. Später
liess er sich zum soziokulturellen
Animator ausbilden, arbeitete
als Kinder- und Jugendbeauftragter in der Stadt Dübendorf,
wo er mithalf, die Verwaltung
umzubauen, und erwarb ein
Fachhochschuldiplom in Leadership. Daneben ist der Joner auch
noch Fitnessinstruktor. All
diese Erfahrungen fliessen heute
in seine Arbeit als Projektleiter
der katholischen Jugendseelsorge ein. Und diese «breite
Wahrnehmung», wie Stefan Ritz
es ausdrückt, würde ihm auch als
Stadtpräsident zugutekommen.
«Es braucht Visionen»
Dass ein breiter Rucksack für
diese Führungsposition nicht
ausreicht, weiss Ritz. Der lebhaft
wirkende Anfangsvierziger, der
in bunten Bildern spricht, aber
im Gespräch auch gut zuhören
kann, sagt: «Ein Stadtpräsident
muss vor allem entwickeln können.» Der Vorsteher der Exekutive müsse Visionen haben. «Es
ist wichtig, zu wissen, wo die
Stadt hin will.» Soll Rapperswil-Jona dereinst 30 000 oder
40 000 Einwohner zählen? Ritz
würde als Stadtpräsident das
Wachstum zu bremsen versuchen. «Ab einer gewissen Grösse
entstehen in einer Stadt neue
Probleme, das sieht man bei Uster, das anonymer geworden ist.»
Eng verknüpft mit der Grösse
ist für Ritz die Frage der sozialen Durchmischung einer Stadt.
Heute würden viele Familien
wegziehen, weil sie die Mieten
nicht mehr bezahlen könnten.
«Es braucht mehr Wohnungen
für die untere Mittelschicht mit
Mietpreisen zwischen 1500 und
2000 Franken», sagt Ritz. Auch
die Wohnbaugenossenschaften
müssten gestärkt werden. Heute
ziehe Rapperswil-Jona viele
Doppelverdiener an, und die
Stadt sowie die Eigentümer passten sich dieser Situation an. Ritz
plädiert deshalb dafür, Häuser
aus den 1980er-Jahren zu renovieren, anstatt sie abzureissen.
«Das wären genau die Wohnungen, die Familien sich leisten
könnten.» Die Stadt könnte mit
den Hauseigentümern reden, findet Ritz, und «Gegensteuer geben». In diesem Bereich passiere
viel zu wenig. Seit dem Jahr 2005
bestehe zwar ein Masterplan.
«Doch er liegt in der Schublade.»
Nicht auf den Tunnel warten
Die Siedlungsplanung ist in
den Augen des Jüngsten der vier
Kandidaten das drängendste Problem von Rapperswil-Jona. «Den
Verkehr kann man erst verbessern, wenn geklärt ist, in welche
Richtung die Stadt sich entwickeln soll.» Er könne keine ideale
Lösung für das Verkehrsproblem
aus dem Hut zaubern, sagt Ritz.
Aber er ist dagegen, auf den Tunnel zu warten. Von den ausgearbeiteten Varianten überzeugt
der durchgehende Tunnel ihn am
meisten, denn dieser verbanne
den Transitverkehr aus der Stadt.
Doch bis der Tunnel gebaut
werde, dauere es noch drei bis
fünf Jahre, glaubt Ritz. «Bis dahin
versinken wir im Stau.» Es
brauche schon im nächsten Jahr
zwingend weitere Buslinien und
die Einführung des 10-MinutenTakts. «Sinnvoll wäre auch eine
Ringstrasse für den Bus, damit
eine Fahrbahn nach Rapperswil
für den öffentlichen Verkehr frei
bleibt.» Der Stadtrat müsse die
Alternativen zum Auto — also
Velo, Bus und innerstädtische
S-Bahn — attraktiver machen,
und zwar bald. Auch MobilityPricing findet er einen «spannenden Ansatz».
Stefan Ritz wirkt wie ein
Macher, wie einer, dem es
Spass macht, sich mit anderen
auszutauschen und Ideen zu
entwickeln. «Ich stehe gerne
im Scheinwerferlicht», sagt der
Joner. Sein Führungsstil liege
irgendwo «zwischen autoritär
und Kuschel-Führung», sagt er
und lacht. «In jedem Fall muss
man nach aussen stark auftreten», ist er überzeugt. «Ich würde
die Stadt pushen, sie weiterbringen», sagt er selbstbewusst.
Denn Rapperswil-Jona seien
viele Vorteile in die Wiege gelegt
worden, doch auf diesem «Bonus» dürfe man sich nicht ausruhen, sondern müsse das Potenzial ausschöpfen. «Als Stadtpräsident wäre ich wohl ein bisschen
wie Elmar Ledergerber.»
Als dessen Bruder im Geiste
ist Stefan Ritz gute Kommunikation sehr wichtig. «Die richtige Mischung ist elementar. Als
Stadtpräsident muss man transparent sein, aber auch sagen,
wenn ein Projekt noch nicht präsentiert werden kann.» Kommuniziere man zu wenig, entstehe
bei den Bürgern ein Gefühl
der Unsicherheit, weil sie nicht
wüssten, wohin es gehe. Genau
diese Situation sei in «seiner»
Stadt eingetreten, sagt Ritz.
Und genau deswegen hätten
Bekannte und Freunde ihn zu
einer Kandidatur ermuntert. Er
ist überzeugt, dass dieses Gefühl
der Unsicherheit entscheidend
sein werde für diese Wahlen.
Kampf für «Systemwechsel»
Für seine Wahlkampagne hat
der vielseitige Joner sich mit
den anderen «Sprengkandidaten» Bruno Hug und Felix Hof
zusammengetan — zumindest
auf dem Plakat. Und dies, obwohl
die drei parteilosen Kandidaten unterschiedlicher nicht
sein könnten. «Das gemeinsame
Plakat ist sicher untypisch», sagt
Ritz. Doch weder dieser Wahlkampf noch die politische Situation in Rapperswil-Jona seien
gewöhnlich. «Die Parteien wollen
keinen Wahlkampf, sondern ihre
Macht im bestehenden System
erhalten». Das sei seit 20 Jahren
so. Und das könne man nur
ändern, wenn man einen «grossen Hebel» ansetze. Denn die
Bürger sollen sich entscheiden
können, ob es in der Stadt weitergehe wie bisher, oder ob es «frischen Wind» brauche – in Form
eines Stefan Ritz.
Eva Pfirter
Bruno Hug
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Patrick Gutenberg
«Etwas zu gestalten,
macht mir Freude»
Verleger Bruno Hug
will es selbst in die Hand
nehmen: Nach jahrelangem
publizistischem Wirken steigt
der Parteilose ins Rennen
um die Macht im Stadthaus.
Sein Büro liegt mitten in der Altstadt, Schritte vom See entfernt,
vom Fenster aus überblickt
man den Rapperswiler Hauptplatz. Ein Ort, an dem es sich
gut arbeiten lässt. Doch nun will
Bruno Hug, Verleger der «Obersee-Nachrichten», ins Stadthaus
einziehen. Beschäftigt habe der
Gedanke ihn seit Ende letzten
Jahres. Entschieden habe er sich
erst kurz vor Ablauf der Frist zur
Einreichung der Kandidatur. Als
mit Stefan Ritz und Felix Hof
zwei Parteilose bekannt gegeben
hätten, den amtierenden Stadtpräsidenten Erich Zoller (CVP)
herauszufordern. «Da dachte ich,
wenn du jetzt auch kommst, dann
gibt es einen richtigen Wahlkampf», sagt Hug. Er klingt überlegt dabei. Unter dieser Oberfläche aber spürt man den Eifer,
der ihn bisweilen ergreift.
Doch wäre ein politisches Amt
überhaupt das Richtige für den
umtriebigen Unternehmer Hug?
Kompromisse zu machen, sei
nicht nur eine Eigenheit der Politik, sie gehöre auch zum Unternehmertum, sagt er. «Man kann
heute kein Unternehmen mehr
führen, indem man den Patriarchen spielt.» Mit einem guten
Team ausgleichend und zielgerichtet gemeinsame Wege zu suchen, die vertretbar seien für alle –
so lautet für ihn das Erfolgsrezept.
Mühe mit Zwängen
Angst vor Gegnern hat er nicht,
in der Öffentlichkeit zu stehen,
ist er sich gewohnt. Eine Frage
habe er bisher aber nicht für sich
beantworten können, räumt Hug
ein: «Wie käme ich zurecht
mit den vielen Zwängen, die
durch Sitzungen und Termine auf
einer Verwaltung entstehen?»
Für einen, der bereits Mitte
zwanzig selbstständiger Unternehmer war und in seiner
Wochenzeitung schreiben kann,
was er will, scheint das tatsächlich abschüssiges Terrain zu sein.
Seine journalistische Arbeit
kommt unweigerlich zur Sprache. Hug schreibt gegen alles an,
was er als Mauschelei, Halbwahrheit oder Pfuscherei wahrnimmt.
Ihn beschäftige die Situation der
«normalen Menschen». Dadurch
kann es ihm passieren, dass er
sich in die Schicksale der Menschen hineinziehen lässt. Dann
kann er in Feuereifer geraten.
Er sei offen und transparent, wolle ehrlich leben – so lautet Hugs
Selbstbeschreibung. «Ich habe
meine Berichte nie aus Kalkül
gemacht, sondern immer, weil
ich der Meinung war, sie müssten
sein, das Thema gehöre an die Öffentlichkeit.» So wie etwa der Beitrag über die Zufriedenheitsumfrage in der Stadtverwaltung.
Akten und Aussagen
Den Vorwurf, seine Berichte
über die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) Linth
seien einseitig, weist er zurück.
Sie beruhten auf Akten und den
Aussagen der Betroffenen, betont
er einmal mehr. «Diesen Menschen eine Stimme zu geben, ist
der Sinn der Artikel. Und dass
die Kesb sich hinterfragt.»
Was ihn nun in die Politik zieht:
Eine Stadtverwaltung zu leiten,
sei eine gestalterische Aufgabe,
sagt Hug. «Das würde mir Freude
machen.» Er sei neugierig, innovativ, habe Ideen und entwickle
gerne etwas. Das attestieren ihm
durchaus auch seine Gegner.
Was also würde sich verändern,
wenn Bruno Hug in RapperswilJona am Ruder wäre? Seine
Antwort kommt, bevor die Frage
fertig formuliert ist. «Eine sehr
wichtige Aufgabe ist es, sofort ein
sehr gutes Verhältnis zwischen
Stadtrat und Stadtverwaltung
herzustellen», sagt Hug. Es müsse klare Regeln und eine deutliche Abgrenzung geben zwischen
Stadtrat und Stadtverwaltung.
Ein starkes Sekretariat wäre ihm
ebenfalls wichtig. Und dann wolle
er schnellstmöglich einen guten
Geist einkehren lassen. Transparenz, Ehrlichkeit und eine Politik
der offenen Türen sind Stichworte, die man von Bruno Hug
in diesem Zusammenhang hört.
«Reden mit den Leuten, mit-
ziehen und begeistern – das sind
die Aufgaben eines Chefs.»
Hug gilt als vielseitig und geistig beweglich. Es interessieren
ihn viele Themen. Verkehr beispielsweise. Auch hier hat Hug
klare Ideen. Um RapperswilJona vom Verkehr zu entlasten,
brauche es einen Tunnel. Das
müsse ein Binnentunnel sein,
mit Anschlüssen in Jona und im
Hülistein. Wachstum und Stadtplanung sind weitere Themen,
denen er sich widmen würde.
Als Publizist, Verleger und
Zwillinge-Geborener ist die Sprache seine Domäne. Der Erfolg in
vielen Dingen liege in der Kunst
der Kommunikation, sagt Hug.
Man müsse klare Ansagen machen, «dann verstehen einen
auch die Gegner». Das ist unter
anderem, was er an Erich Zoller
kritisiert: das Ausweichen und
Verschleiern von Sachverhalten.
Delikat ist die Tatsache, dass
Hug für ein Amt kandidiert, das
ihm die Macht geben würde, auf
eine Klage gegen seine Zeitung
und seine Person Einfluss zu nehmen. Unter Erich Zoller hat die
Stadt Anfang August eine Klage
gegen die «Obersee-Nachrichten» und Bruno Hug eingereicht.
Hugs Berichterstattung zur Kesb
Linth sei ehrverletzend, wird
argumentiert. Auf den Vorwurf,
seine Zeitung verbreite Unwahrheiten, reagiert er ungehalten.
Und zeigt auf die zahlreichen
Bundesordner in den Regalen.
Klage fallen lassen
Wie würde Hug mit dieser Situation umgehen, falls er tatsächlich
gewählt wird? Seine Antwort
kommt umgehend. Er halte die
Klage für sehr unklug. Sie sei risikoreich für die Stadt. Ein derartiger Rechtsstreit lähme die Stadt
und ziehe sie in Probleme hinein,
die eigentlich Sache der zehn SeeGaster-Gemeinden seien. Wenn,
dann hätte sich Kesb-Linth-Präsident Walter Grob wehren müssen. Was wäre mit der Klage,
wenn er nun Stapi werden sollte:
«Ich würde versuchen, im Stadtrat eine Mehrheit dafür zu finden, sie zumindest vonseiten
der Stadt sofort fallen zu lassen.»
Patrizia Kuriger