Ausgabe als PDF herunterladen - Evangelischer Pfarrverein in

Mitteilungsblatt des Evangelischen Pfarrvereins in Baden e. V.
www.pfarrverein-baden.de
August
2015
September
| 9/2016
Aus dem Inhalt:
Dass ich meines getreuen
Heilandes Jesu Christi eigen bin –
Taufe, Kirchenmitgliedschaft, Kirchenaustritt
Taufe und Kirchenmitgliedschaft –
Perspektiven auf ein spannungsreiches Verhältnis
Baptizatus sum. – Ich bin getauft!
Zur Begründung und Praxis der Taufe
Zur Diskussion
Nach dem „Segnungsbeschluss“ –
Einige biblische Blitzlichter
Überrascht – verwundert – irritiert –
Broschüre „Glaube ist keine Privatsache“
Aus der Landeskirche
Konvent der Pfarrerinnen und
Pfarrer mit Schwerbehinderung
Aus dem Pfarrverein
Aus der
Pfarrvertretung
Buchbesprechungen
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser!
B
ei den meisten Arten von Bindungen
geht es ums Zusammenhalten, man
denke nur an die Sicherheit garantierenden
Skibindungen oder an die Spiralbindung
bei Buchkopien, die wir früher als Studierende gemacht haben.
Dem Bindungsverhalten der Kirche haben
wir die vorliegende Ausgabe der Pfarrvereinsblätter gewidmet. So können Sie auf
den folgenden Seiten zwei interessante Artikel zur Taufe lesen, aber auch drei durchaus spannende Diskussionsbeiträge, die
sich um verschiedene Arten von Ver-Bindungen drehen. Dazu gesellen sich Zeilen
von drei mit unserem Beruf verbundenen
„Organen“. So können Sie im Heft auch Informatives aus der Pfarrvertretung, von
den Pfarrfrauen und vom Konvent der
Schwerbehinderten in unserer Kirche lesen. Schließlich runden wie fast immer
sehr lohnenswerte Rezensionen, die uns
an die Lektüre von Büchern sanft binden
wollen, unsere aktuelle Nummer der Pfarrvereinsblätter ab.
Vielleicht bringen unsere Beiträge Sie auf
eine Spur einer Art „Bindungstheorie der
Kirche“, wo über engere und losere Bindungstypen, die kirchlichen Bindungsstörungen wie ihre charmanten Bindungsqualitäten, die verborgenen Bindungsmuster
und bejammerte Bindungslosigkeit nachzudenken wäre.
Bei all dem wäre irgendwie gut protestantisch auch unbedingt die Freiheit als Bindungsziel auch für Kirchenmitglieder ein354
Pfarrvereinsblatt 9/2016
zutragen und daran zu denken, dass biblisch das vollkommene Band die Liebe ist.
Und die ist eine besondere Art des Zusammenhaltens.
Bei allem, woran Sie beruflich am Tempo
aufnehmenden September gebunden sind,
wünschen wir Ihnen das Gefühl, als Pfarrerinnen und Pfarrer nicht ausgerechnet
die letzten Freigelassenen der Schöpfung
zu sein.
Für das Tandem in der Schriftleitung
Ihr
Hinweis auf die übernächste Ausgabe
Die übernächste Ausgabe 11-12/2016
dokumentiert den Tag der badischen
Pfarrerinnen und Pfarrer in Pforzheim.
Weitere Beiträge senden Sie bitte
am besten als Word-Datei
bis spätestens zum
10. November 2016
an die Schriftleitung.
Die kommende Ausgabe 10/2016 zum
Thema „Trauertage, Trauerzeiten in
Gottesdienst und Seelsorge“
befindet sich bereits in Vorbereitung.
Thema
Taufe und Kirchenmitgliedschaft
Perspektiven auf ein spannungsreiches Verhältnis
❚ Die Leiterin der Arbeitstelle Gottesdienst
hang mit Taufanfragen begegnet. Daran
wird deutlich, dass die in allen kirchlichen
Ordnungen grundlegende Verbindung
zwischen Taufe, Gemeindegottesdienst
und Kirchenmitgliedschaft kompliziert geworden ist. Individuelle und lebensgeschichtliche Motive treten selbstverständlich neben überlieferte Traditionen.
Die Gründe dafür sind vielfältig: Die gewachsene Distanz zu Institutionen spielt
ir möchten unser Kind gern taufen
dabei ebenso eine Rolle wie der Wunsch,
lassen. Aber in der Kirche sind wir
dem eigenen Leben eine individuelle Genicht.“ „Mein Cousin ist aus der Kirche ausstalt zu geben; manchmal mögen finanzigetreten. Er kann doch sicher trotzdem Paelle Gründe relevant sein und häufig die
te werden!?“ „Wir wohnen
gewachsene Mobilität.
Dabei zeigt sich eine vielderzeit in Hannover, ich
Eine Ablehnung der
schichtige Pluralisierung
bin aber in Karlsruhe aufGottesbeziehung, wie
heutiger Taufpraxis. Hinter
gewachsen, und meine
sie der Titel „Suche Seder Pluralität der Praxis ist
Eltern leben hier. Deshalb
gen ohne Gott“ eines
eine Pluralität der Motivation Beitrags der Wochenzeiwürden wir gern unsere
zur Taufe zu vermuten.
Tochter hier taufen lastung „Zeit“ über neue Risen. Sie soll aber Mitglied
tuale jenseits der Kirche1
vermuten lässt, ist wohl eher selten ausin der Gemeinde in Hannover werden, wo
schlaggebend.
sie auch schon in den Kindergarten geht.
Das ist doch sicher möglich?“ „Ich denke
Was bedeuten diese Erfahrungen
schon länger darüber nach, mich taufen zu
für die künftige Taufpraxis in der
lassen. Aber das ist eine Sache zwischen
evangelischen Kirche?
mir und Gott; Kirchenmitglied will ich nicht
Zunächst referiere ich einige statistische
werden.“ „Unser Kind kommt bald in die
Beobachtungen, die die skizzierten PraSchule, und wir möchten es nun gerne tauxiserfahrungen bestätigen. Dabei zeigt
fen lassen. Kann die Taufe auch am See
sich eine vielschichtige Pluralisierung
stattfinden?“ „Würden Sie unseren Sohn
heutiger Taufpraxis. Hinter der Pluralität
am 60. Geburtstag seines Großvaters in
der Praxis ist eine Pluralität der Motivation
seinem Garten taufen, Frau Pfarrer?“
zur Taufe zu vermuten. Deshalb soll der
Frage nach der Tauf-Motivation von TaufDiese kleine Sammlung deutet an, was
eltern und Täuflingen nachgegangen werPfarrerinnen und Pfarrern im Zusammen-
unserer Landeskirche Pfarrerin Ulrike
Beichert geht der vielschichtigen Pluralisierung heutiger Taufpraxis- und motivation nach und sieht in einer „kontextuellen
Tauftheologie“, die konkrete Lebenssituation und dem Reichtum christlicher
Tradition sensibel verbindet, Wegweisendes für eine erneuerte Taufpraxis.
„W
Pfarrvereinsblatt 9/2016
355
den. Dabei möchte ich einige Perspektiven für die Weiterentwicklung unserer
Taufpraxis entwickeln.
1. Statistische Beobachtungen
zum Tauf-Verhalten
Matthias Kreplin hat die statistischen
Befunde der fünf Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen der EKD seit 19722 zum
Thema Taufe mit der Bevölkerungs- und
Taufstatistik verglichen und kommt dabei
zu interessanten Erkenntnissen:3
• Die Bereitschaft evangelischer Kirchenmitglieder, ihr Kind taufen zu lassen, ist
in den vergangenen vier Jahrzehnten
insgesamt von 82% (1972) auf 89 %
(2012) gestiegen, auch wenn der höchste Wert von 2002 (95% West und 87%
Ost) nicht gehalten wurde.
• Dabei ist ein Auseinandertreten zwischen der Gruppe der mit der Kirche (in
unterschiedlichem Maß) „Verbundenen“
einerseits und der Gruppe der wenig bis
gar nicht mit der Kirche „Verbundenen“
andererseits zu verzeichnen: Während
die Taufbereitschaft der ersten Gruppe
kontinuierlich auf sehr hohem Niveau
bleibt, bricht die der zweiten Gruppe
2012 gegenüber früheren Untersuchungen dramatisch ab.
• Noch ausgeprägter ist diese Entwicklung bei den Konfessionslosen, die seit
der KMU 3 ebenfalls erhoben wird. Der
deutliche Rückgang ihrer Taufbereitschaft
zwischen 1992 (21%) und 2012 (11%)
lässt vermuten, dass es in der Zukunft
noch schwieriger sein wird, diese Gruppe
für die Taufe ihrer Kinder zu gewinnen.
• Bei den 20- bis 29-jährigen Kirchenmitgliedern ist die Taufbereitschaft deut356
Pfarrvereinsblatt 9/2016
lich niedriger als bei den höheren Altersgruppen: Inzwischen (2012) wollen
20% von ihnen ihr Kind nicht taufen
lassen; unter den kaum oder gar nicht
mit der Kirche Verbundenen sind es
sogar 50%. Hier zeigt sich ein alarmierender Traditionsabbruch gerade in der
Generation potentieller Taufeltern.
• Bei einer Bevölkerungsentwicklung von
knapp 58 Millionen (1963) auf gut 80
Millionen Personen (nach 1991) sank
der Anteil evangelischer Kirchenmitglieder von 29 Millionen (1963) auf 23 Millionen (2013), also von fast 50% auf gut
28% der Gesamtbevölkerung (was
auch, aber nicht nur mit der anderen
kirchlichen Situation in den neu hinzugekommenen Bundesländern zu
erklären ist).
• Bei einer Entwicklung der Geburten von
1,05 Millionen (1963) zu ca. 680.000
(2005, inklusive der neuen Bundesländer) ging die Zahl der Taufen von
480.000 (1963) auf gut 180.000 pro
Jahr zurück. Der Anteil der Kinder,
die evangelisch getauft wurden, ging
von 45% im Jahr 1963 auf 27% im
Jahr 2013 zurück.
• Der Anteil evangelisch getaufter Kleinkinder (bis zum Alter von einem Jahr),
deren Eltern beide Mitglieder einer
evangelischen Landeskirche waren,
sank von 78,6% (1963) auf 39% (2013).
Die Zahl evangelisch getaufter Kleinkinder, bei denen ein Elternteil katholisch
war, stieg im gleichen Zeitraum von
15% auf ca. 20%. Der Anteil evangelisch getaufter Kleinkinder, bei denen
ein Elternteil einer nichtchristlichen Religion angehört oder konfessionslos
war, wuchs in dieser Zeit von unter 2%
auf ca. 20%. Die Wahrscheinlichkeit
konfessioneller und religiöser Vielfalt
unter Taufgesellschaften wächst also
ebenso wie die Wahrscheinlichkeit, dass
evangelisch getaufte Kinder nicht in rein
evangelischen Milieus aufwachsen.
• Von den Kindern, bei denen mindestens
ein Elternteil evangelisch ist, werden
seit den 1960-er Jahren konstant ca.
76% im ersten Lebensjahr evangelisch
getauft. War in den 1960-er Jahren bei
praktisch allen evangelisch getauften Kindern mindestens ein Elternteil evangelisch, so gilt dies heute noch für ca. 95%
der evangelisch getauften Kinder. Die Bereitschaft von evangelischen Eltern, ihre
Kinder evangelisch taufen zu lassen, ist
also nach wie vor hoch; eine Bereitschaft
zur evangelischen Taufe ihrer Kinder
kommt inzwischen auch vermehrt unter
nichtevangelischen Eltern vor.
• In den 1960-er Jahren waren die Eltern
von ca. 3,5% der evangelisch getauften
Kleinkinder nicht miteinander verheiratet; heute gilt dies für ca. 10%. Allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass bei den Geburten der Anteil
unverheirateter Kindseltern sehr viel
deutlicher gestiegen ist, nämlich auf etwa ein Drittel. An dieser Diskrepanz ist
abzulesen, dass sich Eltern, die nicht
miteinander verheiratet sind, signifikant
weniger zur Taufe ihrer Kinder entscheiden als miteinander verheiratete Eltern.
• Der Anteil der Spättaufen (zwischen
dem ersten und 14. Lebensjahr) an der
Gesamtzahl der Taufen ist von 7,4%
(1963) auf inzwischen über 35% gestiegen, wobei der Anteil der Taufen anlässlich der Konfirmation seit 1983 mit ca.
7% konstant geblieben ist. Der Anteil
der Erwachsenentaufen ist von 1% in
den 1960-er Jahren seit einigen Jahren
auf einen Wert von konstant ca. 10%
gestiegen. Das Taufalter – insbesondere
zwischen dem ersten und dem 14. Lebensjahr – wird also vielfältiger.
In diesen Zahlen spiegelt sich eine Pluralisierung in unterschiedlicher Hinsicht wider:
2. Religiöse Pluralisierung
Zunächst ist an der Taufstatistik die religiöse Pluralisierung unserer Gesellschaft
und eine recht gute Präsenz der evangelischen Kirche in dieser zu beobachten:
Der höhere Anteil von Konfessionslosen
und Angehörigen nichtchristlicher Religionen unter den Taufeltern weist einerseits
auf die Auflösung traditioneller konfessioneller Milieus hin.
Andererseits ist eine recht stabile Bereitschaft evangelischer Eltern (auch in religiös oder konfessionell gemischten Familien) zu erkennen, ihre Kinder evangelisch taufen zu lassen. Hier zeigt sich eine erfreuliche Akzeptanz evangelischer
Taufe, auch über die eigenen Mitglieder
hinaus. Gleichzeitig gibt die abnehmende
Taufbereitschaft der Generation der unter
30-jährigen dazu Anlass, die Hochschätzung der Taufe aktiv zu pflegen – auch
durch eine Kultur des Willkommens und
des Respekts gegenüber den nichtevangelischen Mitgliedern von Taufgesellschaften
in unseren Taufgottesdiensten.
Für eine zukunftsorientierte Taufpraxis ist
außerdem zu berücksichtigen, dass bereits etwa jedes zwanzigste evangelisch
getaufte Kind kein evangelisches Elternteil hat. Deutlich wird hier, wie wichtig für
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357
evangelische Erziehung im Sinn des
nachgeholten Taufunterrichts neben der
familiären Sozialisation die religionspädagogische Arbeit der evangelischen
Kirche in Gemeinden, Kindertagesstätten
und Schulen ist. Dennoch brauchen Kinder auch in diesen sozialen Formen individuelle Begleiter, Gesprächspartnerinnen und Menschen, mit denen sie ihre
Erlebnisse teilen können.
evangelischen Sozialisation ihrer getauften Mitglieder den Paten eine immer
höhere Bedeutung für die christliche Erziehung zugeschrieben hat. Gerne wird
die Patenschaft gegenüber den Tauffamilien in diesem Zusammenhang auch als
ein kirchliches „Amt“ bezeichnet. Andererseits wird bisher wenig von der evangelischen Kirche dafür getan, Patinnen
und Paten für dieses „Amt“ zuzurüsten.4
Dabei ist es für eine von der Reformation
Hier kommen die Paten in den Blick, degeprägte und sich auf sie berufende Kirnen schon bisher – insbesondere bei
che durchaus angemessen, die Patennicht-evangelischen Taufeltern – eine
schaft als Ausübung des allgemeinen
wichtige Bedeutung für die christliche ErPriestertums zu verstehen und auszubilziehung zugeschrieben wurde. Es wird
den: Nicht eine Weihe, sondern Taufe
aber immer deutlicher, wie schwierig es
und Glaube legen den Grund dafür, dass
ist, evangelische (manchmal überhaupt
die Christin oder der Christ einen Bruder
kirchlich gebundene) Paten zu finden.
oder eine Schwester von der Taufe an
Dies gilt naturgemäß insbesondere dann,
auf ihrem und seinem Glaubensweg bewenn die Eltern nicht in traditionell evangleiten kann und soll. Die christliche Pagelischen Milieus beheimatet sind. Die
tenschaft als geschwisterliche Begleitung
bisher gern angebotene Lösung dieser
auf dem Taufweg steht als der allgemeiProblematik durch von der Gemeinde
ne, „private“ Gebrauch des allgemeinen
vermittelte Paten funktioniert häufig nicht
Priestertums der Ordination ins Amt der
(mehr), weil sowohl Tauffamilien als auch
Verkündigung als dem öffentlichen GeGemeindeglieder der Taufe meist vor albrauch des allgemeinen Priestertums
lem familiär-biografischen Charakter zugleichrangig zur Seite. Das erfordert
schreiben; die Stiftung einer Beziehung
aber, dass die Zurüstung zur Patenschaft
zwischen bisher Fremden zum Zweck
ebenso ernst genommen
der christlichen Erziehung
wird wie die Ausbildung von
würde an dieser Stelle von
Hier zeigt sich die
Menschen, die ins öffentlibeiden Seiten als ÜberforNotwendigkeit, neu
derung und Bevormundung
über die Patenschaft che Amt der Verkündigung
ordiniert werden sollen. Im
erfahren.
nachzudenken.
Sinn einer auf der Taufe aufbauenden, konsequent reformatorisch
Hier zeigt sich die Notwendigkeit, neu
geprägten Ekklesiologie ist der Konfirüber die Patenschaft nachzudenken. Es
mandenunterricht dann nicht nur als
liegt ja eine gewisse Hilflosigkeit darin,
nachgeholter Taufunterricht, sondern als
dass die evangelische Kirche mit abnehZurüstung zur Patenschaft und die Konmender Selbstverständlichkeit einer
358
Pfarrvereinsblatt 9/2016
firmation als Segnung für diese Aufgabe
zu verstehen und zu konzipieren.
Nach dem Wegfall der didaktischen Plausibilität des Konfirmandenunterrichts als
Vorbereitung auf den Eintritt ins Erwachsenenleben (durch die zeitliche Trennung
vom Ende der Schulzeit) oder als Vorbereitung zur Abendmahlszulassung (durch
die Einladung von Kindern zum Abendmahl) brauchen Konfirmandenunterricht
und Konfirmation ja offensichtlich eine
neue, nicht an biografischen Daten orientierte Plausibilität. Die inhaltliche Zuspitzung als Vorbereitung auf die Ausübung
der christlichen Aufgabe als Patin oder
Pate könnte dem Konfirmandenunterricht
nicht nur zu einer für viele Jugendliche
attraktiven Perspektive, sondern auch zu
einer an ganz konkreten Kompetenzen
orientierten didaktischen Konzeption verhelfen: Wie teile ich das, was ich vom
christlichen Glauben erlebt und verstanden habe, mit einem Kind, dessen Patin/
Pate ich werde? Welche Aufgaben kann
ich übernehmen, um Eltern ganz konkret
zu unterstützen? Was kann ich zusammen mit meinem Patenkind in der Gemeinde und darüber hinaus unternehmen? Das wären Fragestellungen, mit
denen Konfirmandinnen und Konfirmanden im Gespräch und in praktischer
Übung sich auf ihre Aufgabe vorbereiten
könnten. Zu einer solchen Neukonzeption der Patenschaft würde es meines Erachtens auch gehören, seine zeitliche
Begrenzung durch die Konfirmation des
Patenkindes klar zu vermitteln. Das würde es Konfirmierten erleichtern, solche
Patenschaften zu übernehmen und wohl
auch sonst die Hürde für die Übernahme
einer Patenschaft deutlich senken. Dass
sich daraus eine bleibende Freundschaft
entwickelt, ist damit natürlich nicht in Frage gestellt.
3. Pluralisierung des Taufalters
Die zweite wichtige Pluralisierung, die
an der Taufstatistik erkennbar ist, betrifft
das Taufalter. Sie weist darauf hin, dass
die Verbindung zwischen Geburt und Taufe zwar noch eine Plausibilität hat, aber
nicht mehr als zwingend erlebt wird. Es ist
zu vermuten, dass die Plausibilität der
Taufe nicht mehr in ihrer Notwendigkeit für
das Überleben des Kindes in der Welt und
für sein Heil in der Ewigkeit besteht. Offenbar treten heute andere religiöse Plausibilitäten an die Stelle dieser aus der
Tauflehre Augustins abgeleiteten und bis
in die Neuzeit wirksamen Vorstellung.
Welche religiöse Plausibilität heute Täuflinge und Taufeltern zum Taufbegehren
bewegen, muss seelsorglich und theologisch ergründet werden, um in Taufgottesdiensten in Gebeten, Liedern, Ritualen
und Auslegungen Ausdruck zu finden.
Taufgespräche spielen hier eine wichtige
Rolle. Denn in postsäkularer Zeit muss
mit dem Bedürfnis nach Authentizität in
religiösen Fragen gerechnet werden:
Menschen sind bereit zu glauben, was
ihnen glaubhaft erscheint, so Lutz Friedrichs zustimmend zu dem oben zitierten
Zeit-Artikel. Er fordert daher eine elementare und kommunikative liturgische
Taufpraxis, die als kooperatives Projekt
gemeinsam mit den Tauffamilien zu gestalten ist.5 Denn Authentizität ist auch im
Hinblick auf die Gestaltung des Taufgottesdienstes wichtig: Die Taufe ist liturPfarrvereinsblatt 9/2016
359
gisch gesehen eine Kasualie, also auf
meinschaft der Gläubigen“ (81%), „Zudie Lebenswirklichkeit der Teilnehmengehörigkeit zur Kirche“ (83%), „Begründen bezogen.
dung christlicher
Er fordert daher eine elementare und
Erziehung“ (75%)
kommunikative liturgische Taufpraxis,
Schwieriger als die
zeigen, dass es
die als kooperatives Projekt gemeinsam der evangelischen
allgemeine Taufbemit den Tauffamilien zu gestalten ist.
reitschaft ist aber
Kirche gelingt, die
die konkrete MotiKenntnis des instivation für ein Taufbegehren zu ermitteln.
tutionellen Bezugs der Taufe zu vermitGrethlein erkennt hier einen Verbund von
teln. Die hohe (und wachsende) ZustimMotiven aus Traditionsleitung, Schutz,
mung zu den Tauf-Zuschreibungen „BeGenerationenvorsorge, Integration und
ginn eines Lebensweges“ (77%) und „FaChristwerdung, die in der Regel vielfältig
milienfeier“ (67%) zeigt aber auch, dass
miteinander verflochten sind.6 Die Befraindividuelle, lebensgeschichtliche Zugung der KMU über die Gründe für die
schreibungen an Bedeutung gewinnen.
Taufe gibt über die Motivation des TaufAls solche kann auch das einzige Glaubegehrens nur bedingt Auskunft: Erfragt
bensmotiv, das der Taufe mit hoher Zuwurde in allen fünf Befragungen die Zustimmung zugeschrieben wird, „die Unstimmung zu „verschiedene(n) Meinunterstellung unter Gottes Schutz“ (81%)
gen darüber, weshalb ein Kind getauft
gedeutet werden.
wird“. Die Zustimmung zu einer Meinung
ist aber noch keine Motivation: Wenn
Hier wird eine methodisch bedingte
2012 85% der Kirchenmitglieder der MeiGrenze der KMU deutlich: Sie dokumennung zustimmen, dass ein Kind getauft
tiert nur die Zustimmung zu solchen Bewird, „damit es zur Kirche gehört“, und
deutungszuschreibungen zur Taufe, die
75% die Meinung teilen, dass ein Kind
als Antwort vorgegeben sind, kann aber
getauft wird, „damit es christlich erzogen
nicht diejenigen Zuschreibungen ermitwerden kann / weil es christlich erzogen
teln, die die Befragten selbst vornehmen
werden soll“, heißt das noch lange nicht,
würden. Welche Taufmotivationen bei
dass die so Antwortenden ihr Kind in eine
Taufeltern und Täuflingen wirklich entstechristliche Kirche hinein taufen lassen,
hen, kann nur im Gespräch ermittelt werum es christlich zu erziehen. Die Zustimden. Dies ist im Rahmen der Forschung
mung ist eher als Zuschreibung denn als
nur möglich in individuellen Interviews –
eigene Motivation zu verstehen. Ähnliin der Praxis geschieht es regelmäßig in
ches gilt für alle anderen Antworten: Sie
Taufgesprächen. Hier muss meines Erzeigen das Maß an, mit dem die Bedeuachtens angesetzt werden, um die relitungszuschreibungen zur Taufe bekannt
giöse Plausibilität, die die Taufe nach wie
sind – nicht ob und warum man selber eivor in beeindruckender Breite hat, mit der
ne Taufe begehren würde. Aber immerchristlichen Tradition ins Gespräch zu
hin: Die hohe Zustimmung zu den Taufbringen. Im Gespräch mit Täuflingen und
Zuschreibungen „Aufnahme in die GeTaufeltern gilt es eine „kontextuelle Theo360
Pfarrvereinsblatt 9/2016
logie“ zu entwickeln, um auf dieser Basis
die „Kunst des Taufens“ (Regina Sommer)7 so zu weiterzuentwickeln, dass die
Taufe ihre Kraft, Leben einzuräumen angesichts des Todes, in großer Breite entfalten kann.
ein solcher Reichtum und eine solche
Tiefe kontextueller Tauftheologien entwickeln lassen, dann sollte dies auch zur
Offenheit für eine Vielfalt in der Gestaltung von Taufgottesdiensten ermutigen.
Dabei ist nicht zu befürchten, dass es
durch Offenheit geDabei muss danach
Im Gespräch mit Täuflingen und
genüber den Anliegefragt werden, wie
Taufeltern gilt es eine „kontextuelle
gen von TauffamiliMenschen heute
Theologie“ zu entwickeln, um
en zur Überlagerung
Taufgottesdienste
auf dieser Basis die „Kunst des
des eigentlichen
erleben und was ihTaufens“ (Regina Sommer)
Taufaktes kommt:
nen die Taufe beso weiterzuentwickeln.
Wie die von Regina
deutet. Dass solche
Sommer dokumenim Gespräch zwischen konkreten Letierten und ausgewerteten Interviews mit
benswirklichkeiten und christlicher TradiTaufeltern zeigen, stellen bei allen Betion entwickelten kontextuellen Tauftheofragten Elemente aus dem Kern der Tauflogien vielgestaltiger und tiefgründiger
handlung (bestehend aus dem Heraussind, als der Verdacht, hier allenfalls zu
treten aus der Gemeinde an die Taufstelschöpfungstheologischen Konzeptionen
le, dem Wasserritus mit dem Taufvotum,
zu kommen, es nahelegt, zeigt Sommer
dem Taufsegen und dem Kreuzzeichen
eindrücklich, indem sie aus Taufeltern-Inüber dem Täufling) die für sie bedeutterviews die Bedeutungen der Taufe als
samsten und am meisten anrührenden
„Herrschaftswechsel“ 8, als „GnadenzeiMomente der Taufe dar. Es wird also –
chen“ 9, und – im Anschluss an Römer 6 –
bei aller Offenheit für individuelle Zugänals Eröffnung eines neuen Lebensrauge – darauf ankommen, gerade den Kern
mes im Angesicht des Todes10 erhebt. In
der Taufhandlung so zu inszenieren, dass
der Untersuchung eines von Regina
er in seiner Bedeutung mit allen Sinnen
Sommer veröffentlichten Taufeltern-Interwahrgenommen werden kann. Taufen etwies kommt Friedrichs außerdem zu dem
wa außerhalb von Kirchengebäuden an
Schluss, dass die Taufe als „Resonanzbesonderen Orten der Natur oder des örtraum letzter Anerkennung“ erfahren werlichen Lebens müssen dabei ebenso weden und so ein lebenserschließendes
nig ausgeschlossen werden wie die Taufe
Potenzial entfalten kann.11 Um solche
durch Untertauchen etwa im Wasser eines
kontextuellen Tauftheologien zu entSees oder in einem Schwimmbad.
wickeln, sind weitere empirische Studien
4. Pluralisierung der
über die Taufmotivation (nicht nur von
Familienkonstellation
Taufeltern, sondern auch von Täuflingen
Eine weitere Pluralisierung betrifft den
jenseits des Kleinkindalters) und deren
sozialen Status der Taufeltern und die Fatheologische Auswertung erforderlich.
milienkonstellation: Einerseits gibt es
Wenn sich im Gespräch mit Taufeltern
Pfarrvereinsblatt 9/2016
361
deutlich mehr unverheiratete Taufeltern
tauften und ihrer Familien zu feiern. Die
und (auch wenn dies anhand der
Gottesdienstgemeinde dieser Tauffeszitierten Untersuchungen nicht erhoben
te wird weniger von der Kultur einer
werden kann) sicher auch solche, die mit
Kerngemeinde geprägt als vom Setting
ihren Kindern in nicht-konventionellen Faeines großen gottesdienstlichen Events
milienkonstellationen leben. Andererseits
im Freien. Damit verbindet sich die Hoffliegt die Taufquote bei
nung, dass der ZuKindern unverheirateDie Gottesdienstgemeinde dieser gang zu einem solter Eltern deutlich nieTauffeste wird weniger von der
chen Setting für Mendriger als bei verheiraKultur einer Kerngemeinde
schen in nicht-konteten Eltern. (Ob dies
geprägt als vom Setting eines
ventionellen Familiauch für Kinder in
großen gottesdienstlichen
ensituationen oder in
nicht-konventionellen
Events im Freien.
prekären LebenssiFamilienkonstellatiotuationen leichter ist
nen gilt, müsste untersucht werden.)
als zu einem traditionellen TaufgottesRegina Sommer kommt in ihrer Untersudienst. Es spricht einiges dafür, dass diechung außerdem zu dem Schluss, dass
se Hoffnung sich erfüllt, statistisch muss
eine prekäre Lebenssituation von Taufeles allerdings erst noch nachgewiesen
tern sich deutlich in der Bedeutung niederwerden. Wichtig scheint mir allerdings eischlägt, die sie der Taufe zuschreiben.12
ne Erkenntnis, die Regina Sommer aus
Diesen Tatsachen gilt es Rechnung zu traihren Interwies mit Eltern aus sozial
gen und Taufgottesdienste so zu gestalschwachen Milieus gewonnen hat: Geraten, dass sie nicht diskriminierend wirken.
de ihnen war die Deutung der Taufe als
„Sakrament der Gemeinschaft“ wichtig,
Neben anderen Gründen hat auch dies in
insofern sie ihren Kindern soziale Zuden vergangenen Jahren zur Entwickgehörigkeit vermittelt: zur Institution Kirlung der Tauf-Feste geführt, die in der
che, zu deren sozialethischen Prinzipien
Regel nicht in einer Kirche, sondern in
die Unterstützung der Schwachen
der Natur oder an öffentlichen Orten mit
gehört; zu einer Gemeinschaft, in der eieinem Gewässer stattfinden und oft von
ne für die andere eintritt; und zu Gott, der
mehreren Gemeinden gemeinsam veralle Getauften unabhängig von ihrem soanstaltet werden. Zu solchen Anlässen
zialen Status als seine Kinder annimmt.13
Wenn die evangelische Kirche die sozialwerden evangelische Eltern ungetaufter
ethische Bedeutung der Taufe als BeKinder eingeladen, sich für die Taufe ihgründung einer Geschwisterschaft, die
rer Kinder zu entscheiden. Mit der gottesnicht durch die soziale Herkunft, sondern
dienstlichen Taufhandlung wird das Andie Zugehörigkeit zu Christus bestimmt
gebot eines anschließenden Festes verist, ernst nimmt und Tauffeste als niederbunden, das es den teilnehmenden Faschwelligen Zugang auch für Menschen
milien ermöglicht, ihre Taufe ohne hohen
aus prekären Milieus gestaltet, dann
finanziellen und organisatorischen Aufkann der Aspekt der Aufnahme in die Gewand in der Gemeinschaft der Neuge362
Pfarrvereinsblatt 9/2016
meinschaft der Kirche zwar vielleicht anders gestaltet werden als in „normalen“
gemeindlichen Taufgottesdiensten; er
darf aber auf keinen Fall in seiner Bedeutung unterschätzt oder vernachlässigt
werden. Die Erklärung der Aufnahme in
die Gemeinde, die Fürbitte der Gemeinde für die Getauften und ihre Familien
und die Einladung der getauften Kinder in die gemeindlichen „Institutionen“
(Krabbelgottesdienst, Kindergottesdienst,
Jungschar, Kindertagesstätte, Religionsunterricht etc.) muss ebenso deutlich zum
Ausdruck kommen wie bei konventionellen Taufen; ja beides ist vielleicht gerade
hier noch wichtiger.
Entscheidung für die Taufe ihrer Kinder
einzuladen. Da dies von einer Gemeinde allein in der Regel nicht zu leisten ist,
sind regionale Konzepte hier besonders
wichtig.
• Tauffeste können im Kontext vielgestaltiger Familienkonstellationen einen Beitrag zu einer nicht-diskriminierenden
Taufpraxis leisten, wenn der Aspekt der
Aufnahme in die Gemeinschaft der Kirche und Gemeinde deutlich zum Ausdruck kommt.
• Wenn Taufeltern unterschiedlicher Milieus dem Kern des Taufrituals (Wasserritus, Votum, Segen, Kreuzzeichen) die
höchste emotionale und religiöse Dichte
zuschreiben, sollte die Gestaltung von
5. Fazit: Perspektiven für die
Taufgottesdiensten das Kernritual so in
Weiterentwicklung der Taufpraxis
Szene setzen, dass es seine Bedeu• Taufe genießt immer noch unter evantung entfalten kann.
gelischen Eltern eine hohe Akzeptanz
• In der Praxis sollte die konkrete Taufund hat eine positive Ausstrahlung über
motivation zum Ausgangspunkt der Entdie Mitglieder der evangelischen Kirche
wicklung einer kontextuellen Tauftheohinaus. Sie ist aber nicht selbstverlogie und zur gemeinsamen Gestaltung
ständlich, sondern erfordert in jedem
von Taufgottesdiensten werden.
Einzelfall eine Entscheidung. Je jünger
• Da durch die konfessionelle und religiöund weniger mit der Kirche verbunden
se Pluralisierung der Tauffamilien nicht
Eltern sind, desto offener ist das Ergeb(mehr) mit einer evangelischen Sozialinis dieser Entscheidung. Für ihren Aussation getaufter Kinder in ihren Familien
gang sind nicht nur religiöse Einstellungerechnet werden kann, liegt hier eine
gen, sondern oftmals konkrete Lehohe Verantwortung bei der Kirche. Diebenssituationen ausse sollte neben der Bilschlaggebend. Eine
dungsarbeit in GemeinEine große Offenheit für die
große Offenheit für
de, Kindertagesstätten
Situationen und Anliegen von
die Situationen und
und Religionsunterricht
Taufeltern ist darum hilfreich.
Anliegen von Taufelauch eine Stärkung der
tern ist darum hilfreich. Eine Vielfalt der
Patenschaft als des „privaten“ GeGestalt von Taufgottesdiensten ist ratbrauchs des allgemeinen Priestertums
sam. Sinnvoll ist es sicher auch, beson(im Unterschied zum öffentlichen Gedere Anlässe für die Taufe zu schaffen
brauch im ordinierten Amt) umfassen.
und junge Eltern aus diesem Anlass zur
Die Konfirmandenzeit könnte als
Pfarrvereinsblatt 9/2016
363
praktische Zurüstung zu dieser Aufgabe konzipiert werden.
• Die bis heute bestehende hohe religiöse Plausibilität und die konkrete Motivation zur Taufe sollte weiter wissenschaftlich untersucht werden. Dazu
könnten dokumentierte Taufgespräche
und Taufgottesdienste herangezogen
werden.
6. Kontextuelle Tauftheologie –
ein gemeinsames Projekt der evangelischen Landeskirche in Baden
und der Theologischen Fakultät der
Universität Heidelberg
Wenn das postmoderne Bedürfnis
nach Authentizität in religiösen Fragen
(Friedrichs) und die große Bereitschaft
zu positiver Bedeutungszuschreibung
zur Taufe (Sommer) ernst genommen
werden, dann besteht die Möglichkeit, in
Gesprächen mit Taufeltern und Taufbewerbern jeweils aktuell an ihrer Lebenswirklichkeit orientierte kontextuelle Tauftheologie zu entwickeln. Wie dies bereits geschieht und welche weitern Potentiale darin erschlossen werden können, soll ab Frühjahr 2017 in einem gemeinsamen Projekt der Evangelischen
Landeskirche in Baden und der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg untersucht werden. Dabei sollen
unter anderem Taufgespräche und Taufgottesdienste dokumentiert und ausgewertet werden. Eine enge Zusammenarbeit von wissenschaftlicher Theologie
und „Praktikerinnen und Praktikern“ im
Pfarramt gehört zum Konzept des Projekts. Pfarrerinnen und Pfarrern können
als Praxis-Fachleute dabei mitwirken.
Wenn Sie Interesse an der Mitwirkung
364
Pfarrvereinsblatt 9/2016
haben, melden Sie sich gerne bei der
Arbeitsstelle Gottesdienst.14
❚ Ulrike Beichert, Karlsruhe
1 Die Zeit, Suche Segen ohne Gott, 14. Juni 2014, 62
2 KMU 5, Heinrich Bedford-Strohm / Volker Jung (Hg.),
h Vernetzte Vielfalt: Kirche angesichts von Individualisierung und Säkularisierung: die fünfte EKD-Erhebung über
Kirchenmitgliedschaft, Gütersloh, 2015, S.196
3 Die Untersuchung wurde vorgestellt bei einer Fachtagung
l zur Taufe am 11. Und 12. April 2016 in Heidelberg und
wird demnächst in einem Tagungsband veröffentlicht.
Inzwischen ist sie einzusehen unter http://www.godiorg.de/Theol_Mat/index.php?user=gastzugang&schluessel=0000000000&thema=OF_8&fe_0=374841298945
4 Schön gestaltete und mit einigen Informationen und Anregungen angereicherte Patenscheine sind ein Hinweis
auf die Wertschätzung dieses Amtes, reichen aber bei
weitem nicht aus, um Menschen darauf vorzubereiten.
5 So Lutz Friedrichs in seinem (noch unveröffentlichten)
Beitrag zur Fachtagung Taufe in Heidelberg am 11. Und
12. April 2016, der ebenfalls in dem angekündigten
Tagungsband veröffentlicht wird.
6 Christian Grethlein, Grundinformation Kasualien. Kommunikation des Evangeliums an Übergängen des
Lebens, Göttingen 2007, S. 124-125
7 Vgl. dazu Regina Sommer; Kindertaufe – Elternverständnis und theologische Deutung, Stuttgart 2009, S. 217 ff.
8 Regina Sommer, S. 311 ff.
9 Regina Sommer, S. 313
10 Regina Sommer, S. 314 ff.
11 So Lutz Friedrichs im Anschluss an Hartmut Rosa (Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung, Frankfurt am
Main 2016), unveröffentlichtes Manuskript zur Fachtagung Taufe am 11.-12. April 2016
12 Regina Sommer, S. 240 ff.
13 Regina Sommer, S. 240-242
14 Geschäftsführend: Ulrike Beichert (Kontakt: [email protected] oder telefonische unter 0721 9175 303)
Thema
Baptizatus sum. – Ich bin getauft!
Zur Begründung und Praxis der Taufe
❚ Dr. Adelheid M. von Hauff, ist seit 2007
Dozentin für Ev. Theologie / Religionspädagogik an der PH Heidelberg.
Diskussionen und Beratungsgespräche
mit den Studierenden aus freikirchlichen
Gemeinden sowie der „neue Atheismus“
haben sie veranlasst, die Taufe in Form
eines Vortrags eingehender in den Blick
zu nehmen, da sie Anfrage an Sinn und
die Berechtigung der Säuglingstaufe sind,
auf die Martin Luther sich selbstverständlich beruft. Im Folgenden drucken
wir diesen Vortrag ab, der ergänzt wird
durch einige praktische Fragen zur
landeskirchlichen Taufpraxis.
gegenüber Jesus, den ich gehen will und
gehen muss.“ Wir sehen uns seither hin
und wieder auf dem Flur und freuen uns
über die Begegnung. Von der mittlerweile
vollzogenen „Wiedertaufe“ ist die Studentin nach wie vor überzeugt.
Weil immer mehr freikirchlich sozialisierte Studentinnen und Studenten das
staatliche Lehramt für den evangelischen
Religionsunterricht anstreben, müssen
die Pädagogischen Hochschulen in ihren
Einführungsveranstaltungen darauf hinweisen, dass wiedergetaufte Personen
keine Vocatio erhalten.2
Hinführende Gedanken
Dieser Hinweis führt in den EinführungsVor einigen Semestern kam meine daveranstaltungen häufig zu mehr oder wemalige Tutorin, eine sehr engagierte Stuniger heftigen Diskussionen unter den
Studierenden. Nur wenidentin 1 an der Pädage können verstehen,
gogischen Hochschule
Wiedergetaufte Personen
weshalb die evangeliHeidelberg, in meine
erhalten keine Vocatio.
sche Landeskirche in
Sprechstunde und inforBaden diesen für sie „unverständlichen
mierte mich über ihren geplanten FachMaßstab“ an den Erwerb der Vocatio anwechsel. Auf meine erstaunte Frage, weslegt. Die Diskussionen und nachfolgenhalb gerade sie das Fach Evangelische
den Beratungsgespräche mit den StudieTheologie gegen das Fach Kunst taurenden veranlassten mich, die Taufe zum
schen wolle, teilte sie mir mit, sie wolle
Thema eines an der Hochschule gehaltesich im Verlauf der anstehenden Semesnen Vortrags zu machen. Dieser Vortrag
terferien taufen lassen. Die Taufe an sich
bildet den ersten Teil des hier vorgelegwäre kein Grund, das Fach zu wechseln.
ten Aufsatzes. Der zweite Teil greift einiWeil die Studentin aber schon als Säugge praktische Fragen zur landeskirchling getauft worden war, ist die erneute
lichen Taufpraxis auf.
Taufe sehr wohl ein Grund. Mein Bedauern und meine interessierte Nachfrage be„Baptizatus sum“. Mit diesen Worten hat
antwortete sie mit den Worten: „Die geMartin Luther sich in Zeiten der Anfechplante Taufe ist ein Gehorsamschritt
Pfarrvereinsblatt 9/2016
365
tung selbstbewusst auf seine Taufe berusind auf seinen Tod getauft; sie sind mit
fen und der darin empfangenen Zusagen
ihm in der Taufe begraben und auferGottes vergewissert. Die Taufe gehört für
standen.“
Martin Luther neben dem Abendmahl zu
Wenn Luther in dem Sermon vom Sakraden christlichen Riten, die er – entgegen
ment der Taufe dann weiter ausführt: „[...]
dem Sakramentsverständnis der rödarum ist kein größerer Trost auf der Ermisch-katholischen Kirche – nach evande als die Taufe, durch die wir in das Urgelischem Verständnis für Sakramente
teil der Gnade und Barmherzigkeit trehielt. Über die Taufe spricht er im Besonten“ 6, dann liegt sein Ausspruch „Baptizatus sum“ in diesem Taufverständnis bederen in: „Ein Sermon von dem heiligen
gründet. Die Taufe versetzt die Täuflinge
hochwürdigen Sakrament der Taufe“ 3.
Seine dortigen Ausin den Stand der Gnaführungen leitet er mit
„[...] darum ist kein größerer Trost de und Barmherzigfolgenden Worten ein:
keit Gottes. Worauf
auf der Erde als die Taufe, durch
Luther sich bei seinen
die wir in das Urteil der Gnade
„Taufe heißt auf grieAnfechtungen grünund Barmherzigkeit treten“.
chisch baptismus, auf
dete, was ihm Halt
M. Luther
lateinisch mersio, das
und Zuversicht gab
ist, wenn man etwas ganz ins Wasser
und ihn aus den Tiefen der Depression
taucht, das über ihm zusammenschlägt.
herausriss, hat für manche Menschen eiUnd wiewohl an vielen Orten der Brauch
nen Bedeutungsverlust erlitten.
nicht mehr ist, die Kinder in das Taufwasser ganz hineinzutauchen, sondern man
Im April 2009 berichtete der Spiegel von
begießt sie allein mit der Hand aus dem
getauften Personen, die sich dem „neuen
Taufwasser, so sollte es doch so sein und
Atheismus“ zugewandt haben und ihrer
wäre recht, dass man nach Wortlaut des
Taufe entledigen, sich „enttaufen“ wollen.
Wörtleins Taufe das Kind oder einen jeIch zitiere dazu einen dem Internet entden, der getauft wird, ganz ins Wasser
nommenen Text:
senkt und tauft (= taucht) und wieder her„Mehr als 100.000 britische
auszieht.“ 4
Luther gibt mit diesen
Bedeutungsverlust der Taufe Bürger wollen mit einer
Worten zugleich eine
Erklärung ihrer Taufe
Anweisung, wie getauft werden soll: Die
widersprechen. Dafür hat eine atheTäuflinge sollen möglichst ganz ins Wasistische Vereinigung im Internet ein
ser getaucht und nicht nur mit der Hand
Formular zum Ausdrucken vorbereitet. [...]
mit dem Taufwasser benetzt werden. DaAus Sicht der Anglikaner kann eine Taufe
hinter steht die Bedeutung der Taufe als
nicht rückgängig gemacht werden. Es
ein „Sterben oder Ersaufen der Sünde“ 5.
würde jedoch einen Ausweg über den
Luther nimmt Bezug auf Römer 6,4 f, wo
Widerruf der Taufe geben. Dazu müsste
Paulus von der Taufe schreibt, „dass alle,
man dies im Taufregister vermerken
die in Jesus Christus getauft sind, die
lassen.“
366
Pfarrvereinsblatt 9/2016
Die Antwort der Anglikanischen Kirche
glingstaufe, auf die Martin Luther sich
ist gewiss ein Versuch, auf das Ansinnen
selbstverständlich beruft, zur Diskussion.
der britischen Bürger zu reagieren. Ob
Eine angemessene Diskussion kann wisdas jedoch eine theologisch durchsenschaftlich redlich aber nur dann gedachte und für die „neuen Atheisten“ zuführt werden, wenn der Ursprung der Taufriedenstellende Antwort ist, bleibt zu
fe, ihr historischer Kontext und die Anfraklären. Welche Antworten hat die christgen der Gegenwart in einen sachgemäliche Theologie, wenn die Tatsache „geßen Zusammenhang gebracht werden.
tauft zu sein“ von einer Gruppe von Menschen nicht mehr
Die Taufe hat ihren
als Segen, sondern
Welche Antworten hat die christliche Ursprung in der Bials Last empfunden
Theologie, wenn die Tatsache
bel. Deshalb frage
wird?
„getauft zu sein“ von einer Gruppe
ich zunächst nach
von Menschen nicht mehr als Segen, der biblischen und
In einer Mail habe
sondern als Last empfunden wird?
frühchristlichen Beich diese Frage an
gründung der Taufe.
den ehemaligen Heidelberger DogmatiDaran schließt sich ein Nachdenken über
ker Wilfried Härle gerichtet und folgende
die Taufe als Sakrament oder BekenntnisAntwort erhalten: „Wir sind theologisch
akt an. Fragen zur gegenwärtigen Taufauf solche Fragen noch nicht gut genug
praxis fordern zum Nachdenken heraus.
vorbereitet, da wir als Theologen über
Zur biblischen und frühchristlichen
lange Zeit nicht genötigt waren, darüber
Begründung der Taufe
nachzudenken. Mein Antwortversuch
Auch wenn Martin Luther die Taufe belautet: Ein ‚enttaufen’ ist nicht möglich, da
reits mit der alttestamentlichen GeGottes mit der Taufe über einen Menschichte von Noah und der Sintflut in Beschen gesprochenes Ja vom Menschen
ziehung bringt9, so liegt der Ursprung der
durch nichts aufgehoben werden kann.“ 7
christlichen Taufe doch vorrangig im
Nach Härle steht die Theologie – hier insNeuen Testament begründet. Rituelle
besondere die Dogmatik – vor der AufWaschungen, von denen im Alten Testagabe, neu über die Taufe nachzudenment an mehreren Stellen berichtet wird,
ken. Die Theologie muss aber nicht nur
wurden nicht einmalig, sondern wiederhinsichtlich der Fragen des „neuen Atheholt vollzogen. Reinigungsbäder, die im
ismus“ über die Taufe und insbesondere
nachexilischen Judentum zunehmend an
die Praxis der Taufe nachdenken.8 Sie
Bedeutung gewannen, dienten der Bemuss es auch hinsichtlich ihres Geseitigung von ritueller Unreinheit und
sprächs mit den baptistischen Freikirnicht dem Empfang der Vergebung. Ihre
chen, aus denen – wie berichtet – auch
Wiederholung war gefordert.10
staatliche Religionslehrkräfte kommen.
Auffällig ist, dass Jesus selbst nicht geBei beiden Fragekomplexen stehen der
tauft hat. Alle vier Evangelien berichten
Sinn und die Berechtigung der SäuPfarrvereinsblatt 9/2016
367
jedoch, dass Jesus von Johannes dem
Täufer am Jordan getauft wurde.11 Dies
veranlasst mich, nach der Bedeutung der
Johannes-Taufe zu fragen. Dazu können
zwei Befunde angeführt werden:
Vaters und des Sohnes und des Heiligen
Geistes und lehret sie halten alles, was
ich euch befohlen habe.“ Diese in Matthäus 28, 18-20 überlieferten Worte Jesu
sind zugleich Vermächtnis und Auftrag
des Auferstandenen. Im Wesentlichen
Nach dem außerbiblischen Zeugnis des
stimmt der Taufbefehl aus Mt 28 mit dem
jüdischen Historikers Josephus (37/38Taufbefehl des sekundären Markus100 n. Chr.) handelt es sich bei der JoSchluss (Mk 16,9-19) überein. Wenn in
hannes-Taufe um einen Reinigungsritus
Mk 16, 16 der Glaube vor der Taufe
des Leibes und nicht um ein Sakrament.
steht, so liegt dieser Formulierung mit
Die Seele muss durch das gerechte Hanhoher Wahrscheinlichkeit die Taufpraxis
deln des Täuflings vor der Taufe bereits
der frühen Gemeinde zugrunde. Die dargereinigt sein.12
in zum Ausdruck kommende Reihenfolge
– zuerst der Glaube, dann die Taufe –
Einen anderen Blick werfen die urchristdarf nicht fraglos dahingehend interprelichen Quellen auf die Johannes-Taufe.
tiert werden, dass der Glaube der Taufe
Das Neue Testament spricht bei der
zwingend vorausgehen muss.
Johannes-Taufe von einem eschatologiDie tiefgründigste Tauftheologie des
schen Sakrament, das vor dem ZorngeNeuen Testaments findet sich in den pauricht Gottes rettet. Die Johannes-Taufe
linischen Briefen. Paulus’ eigene Taufe
setzt ein Sündenbekenntnis voraus und
ist der früheste chronologisch greifbare
fordert die nachfolgende Umkehr des
Fall einer christlichen Taufe.
Getauften.13 Von allen anderen jüdischen
Sie ist in den frühen dreißiger Jahren des
Taufbädern unterscheidet sich die Joersten Jahrhunderts anzusiedeln und
hannes-Taufe dadurch, dass sie – trotz
wird in Apg. 9,18 berichtet.15 Nach der
Theologie der paulinischen Briefe bedeumancherlei Anklänge – nicht daraus
tet getauft sein: sterableitbar ist. Anders
als diese ist sie keiDas sakramentale Taufverständnis ben und auferstehen
mit dem gekreuzigten
ne Selbsttaufe und
findet sich von Anfang an in den
nicht wiederholbar.14
Taufberichten der frühchristlichen und auferstandenen
Das sakramentale
Christus und leben in
Gemeinden.
Taufverständnis findessen Nachfolge.
det sich von Anfang an in den TaufbeWer getauft ist, hat neues Leben emprichten der frühchristlichen Gemeinden.
fangen und soll gemäß diesem Leben
handeln.
Neben der Johannes-Taufe begründet
Das Neue Testament selbst nennt noch
der Taufbefehl des Auferstandenen die
keine besonderen Taufregeln. Diese finPraxis der christlichen Taufe: „Gehet hin
den sich erstmals in der sogenannten Diin alle Welt und machet zu Jüngern alle
dache, einer in Syrien um 100-130 n.Chr.
Völker und taufet sie auf den Namen des
verfassten Kirchenordnung.
368
Pfarrvereinsblatt 9/2016
Nach der Didache geht der Taufe eine
Die Taufe ist ein Sakrament, bei dem Gott
Katechese und ein ein- bis zweitägiges
Vergebung der Sünden gewährt. Sie ist
Fasten voraus. Im Anschluss daran soll
ein Heilsmittel, das mit dem Wort der Verdann auf den „Namen des Vaters und
heißung Jesu und dem sichtbaren Zeides Sohnes und des Heiligen Geistes“
chen des Wassers einhergeht.
getauft werden. Die Taufe soll möglichst
in fließendem kalten
Bis Mitte des 2. JahrhunWasser geschehen. Erderts wird die Taufe mit
Tauffregeln finden
satzweise ist auch ein
großer Wahrscheinlichsich erst in der Didache.
dreimaliges Übergießen
keit nur Erwachsenen
des Kopfes gestattet.
gespendet, die in der christlichen Lehre
unterwiesen sind, sich also einer TaufkateDen biblischen und frühchristlichen Bechese unterzogen haben. Seit ungefähr
fund zusammenfassend, halte ich fest:
130 n. Chr. kann die Praxis der Kindertaufe
• Die christliche Taufe
ansatzweise nachgewieknüpft an die Taufe
sen werden.16 Sie setzt
Die Kindertaufe setzt sich
sich aber erst im Laufe
des Johannes an.
erst im Laufe des Mittelalters des Mittelalters in Form
• Die Johannes-Taufe ist
in Form der Säuglingstaufe
der Säuglingstaufe als
(nach den frühchristals Aufnahmeritus in die Ge- Aufnahmeritus in die Gelichen Schriften) ein
meinschaft der Kirche durch. meinschaft der Kirche
Sakrament zur Vergedurch.
bung der Sünden. Sie
ist nicht wiederholbar.
Infrage gestellt wird die Kindertaufe und
• Jesus selbst hat nicht getauft.
damit auch der sakramentale Charakter
• Die Taufe wird seit den ersten Gemeinder Taufe in der Reformationszeit von
den praktiziert.
den als Wiedertäufern bezeichneten
• Jesu Taufbefehl in Mk 1,16 spiegelt die
Christen. Jetzt kommt die Taufe als BeTaufpraxis der ersten Gemeinden wider.
kenntnisakt, dem der Glaube des Täu• Eine ausführliche Tauftheologie findet
flings zwingend vorausgehen muss, ins
sich bei Paulus.
Gespräch.
• Die Taufe von Erwachsenen ist in der
Frühzeit die Regel.
Für Martin Luther ist jedoch die vorausZur Taufe als Sakrament
setzungslose Kindertaufe unstrittig. Die
Analog zur JohannesArgumente der WiederMit den Wiedertäufern
Taufe hat die christliche
täufer „dass niemand gekommt die Taufe als BeTaufe von Beginn an satauft werden solle, der
kenntnisakt, dem der Glaube nicht seinen Glauben bekramentalen Charakter.
des Täuflings zwingend
Dem entspricht auch
kennt“, widerlegt Luther
vorausgehen muss,
das Taufverständnis der
so: „wenn ich um meines
ins Gespräch.
frühchristlichen Kirche.
Glaubens willen getauft
Pfarrvereinsblatt 9/2016
369
wäre, so wäre der Glaube größer als das
die Wassertaufe ihren sakramentalen
Wort und der Befehl Christi, durch welCharakter, denn sie ist eine Aktivität des
chen er befiehlt zu taufen. [...] Das hieße
Menschen und kein von Gott gestiftetes
die Kraft Gottes nach unserer SchwachHeilsmittel. Diesem Taufverständnis entheit messen, das aber ist eine Lästesprechend lehnte Barth auch die Säurung.“ Das Argument, Kinder hätten keiglingstaufe ab. Er konnte sich damit jene Vernunft, entkräftet Luther mit der
doch nicht durchsetzen.19 Sowohl bei den
Wiedertäufern als auch bei der auf Calvin
Aussage: „Aber gerade um dieses Grunzurückgehenden Tauftheologie Karl
des willen sind die Kinder am meisten zu
Barths steht nur vordergründig die Frage
taufen, weil sie der Vernunft entbehren.“ 17
Für Luther ist die Taufe eine Gnadenganach der Säuglings- oder Erwachsenentbe Gottes, die den Glauben nicht zur Voraufe zur Diskussion. Dahinter steht
aussetzung hat. Um
die systematischIst die Taufe ein von Gott gestiftetes
wirksam zu wertheologische Frage:
Heilsmittel, oder Antwort des
den, muss sie den
Ist die Taufe ein
gläubigen Menschen und damit
(von G o t t g e w i r k von Gott gestiftetes
reiner Bekenntnisakt?
ten) Glauben aber
Heilsmittel, also ein
zur Folge haben.
Sakrament, oder ist
Bereits in der Reformationszeit gibt es
die Taufe Antwort des gläubigen Menaber nicht nur bei den Wiedertäufern ein
schen und damit ein reiner Bekenntnisakt?
von Luther zu unterscheidendes Taufverständnis. Ich nenne hier das anders geGenau um diesen strittigen Punkt geht es
artete Verständnis des Schweizer Reforauch beim Gespräch der evangelischen
mators Johannes Calvin (1509-1564).
Kirche mit den baptistischen Freikirchen
Für Calvin ist die Taufe die Vergewisseder Gegenwart. Nur scheinbar geht es bei
rung der Gotteskindschaft und ein Zeidieser Frage um die Säuglings- oder Erwachsenentaufe. Als
chen der Einfügung
Sakrament ist die Tauin den Leib Christi.18
Die Tauftheologie von Karl Barth
Im Rekurs auf Calvin
fe ein Heilsmittel, mit
unterscheidet zwischen der
hat der reformierte
dem eine begründete
Geist- und Wassertaufe.
Theologe Karl Barth
Heilsverheißung (das
(1886-1968) im 20. Jahrhundert eine eiWort) und ein sichtbares Zeichen (das
gene Tauftheologie entwickelt. Barth
Wasser) einhergehen. Sie kann Säuglinunterscheidet darin zwischen der Geistgen und Erwachsenen in gleicher Weise
und Wassertaufe.
gestiftet werden.
Als Bekenntnis setzt die Taufe den GlauDie von Gott geschenkte Geisttaufe
ben des Taufbewerbers voraus. Der Täufmuss der Wassertaufe vorausgehen. Die
ling muss also ein Alter erreicht haben, in
Wassertaufe ist für Barth dann die Antdem er glauben und seinen Glauben bewort des Menschen auf die von Gott
kennen kann. Auf dem Prüfstand steht
empfangene Geisttaufe. Damit verliert
demzufolge die Bedeutung des Glaubens:
370
Pfarrvereinsblatt 9/2016
• Hat die Taufe den Glauben nicht zur
ist es die Taufe, die auch den angefochsachlichen Voraussetzung, ist aber
tenen Glauben trägt. Ein „Enttaufen“ ist –
wesensmäßig darauf ausgerichtet, den
wie auch Härle sagt – ausgeschlossen.
Glauben zu wecken, dann ist sie ein SaDazu noch einmal Luther: „Der Glaube
krament, das den „Glauben trägt“.
ist geheftet an die Taufe. [...] Taufe ist
• Hat die Taufe den Glauben zur Vorausnicht unser, sondern Gottes Werk. [...]
setzung und ist somit nur gültig, wenn
Taufe ist recht, ob gleich jemand nicht
sie im Glauben begehrt und empfangen
glaubt. [...] Niemand soll auf seinen Glauwird, dann ist sie kein Sakrament. Sie
ben bauen. [...] Unglaube schwächt Gotist damit kein Heilsmittel, das den Glautes Wort nicht.“ 21 Meine einleitenden Gedanken zu „wiedergetauften“ Menschen
ben weckt, sondern ein reiner Bekenntaufgreifend, stelle ich fest: Zwischen den
nisakt, dem der Glaube vorausgeht. Die
evangelischen Kirchen (lutherischer und
Taufe wird gewissermaßen „vom Glaureformierter Prägung)
ben getragen“.20
Das von Luther immer wieder be- und den baptistischen
Mit der Entscheidung
Freikirchen muss pritonte „Baptizatus sum“ hat beim
für die Taufe als BeTaufverständnis der baptistischen mär das Gespräch
kenntnisakt verzichüber den Charakter
Kirchen keine Tragkraft.
ten die baptistischen
der Taufe – SakraKirchen auf das sichtbare Zeichen, an
ment oder Bekenntnisakt – geführt werdas sich ein Mensch auch dann noch halden. Fragestellungen nach Säuglingsten kann, wenn der Glaube angefochten
oder Erwachsenentaufe sind dabei zweiist und zu entschwinden droht. Das von
trangig.22 Hinsichtlich des Vollzugs praktizieren die evangelischen Kirchen seit
Luther immer wieder betonte „Baptizatus
Jahren neben der Kindertaufe auch die
sum“ hat bei diesem Taufverständnis keiErwachsenentaufe. Im geschwister ne Tragkraft.
lichen Miteinander mit den baptistischen
Ein derartiges Taufverständnis scheint
Freikirchen bleibt zu hoffen, dass diese
auch ein „Enttaufen“ zu ermöglichen.
die Gültigkeit der Säuglingstaufe vor
Denn der „entschwundene“ Glaube entdem Hintergrund des gesamtbiblischen
zieht der Taufe ihre
Zeugnisses respekBleibt zu hoffen, dass die
Grundlage und ist sotieren und bei einer
baptistischen Freikirchen die
Konversion keine „Wiemit gewissermaßen
Gültigkeit der Säuglingstaufe vor
dertaufe“ fordern. Für
bereits ein „Enttaudem Hintergrund des gesamtdie freikirchlich sozifen“. Ein derartiges
biblischen Zeugnisses respektieren alisierten Menschen,
Taufverständnis erund bei einer Konversion keine
die an staatlichen
möglicht auch die
„Wiedertaufe“ fordern.
Schulen ReligionsunWiederholbarkeit der
terricht erteilen möchTaufe. Wird die Taufe
ten, wäre damit ein entscheidender Schritt
jedoch als Sakrament verstanden, das
zur Vocatio getan.
sich auf Gottes Heilshandeln gründet, so
Pfarrvereinsblatt 9/2016
371
Fragen an die gegenwärtige
Taufpraxis unserer Kirche23
• „Im Park, am See oder beim Grillfest“,
so titelt ein Aufsatz von Ksenija Auksatut in der neuen Ausgabe der Zeitschrift
des Evangelischen Bundes.24 Die Autorin berichtet in diesem Artikel von Tauffesten an anderen als kirchlichen Orten
und führt an, dass diese Tauffeste
innerkirchlich sowohl auf Zustimmung
als auch auf Kritik stoßen. Während die
einen darin ein Spektakel und eine Banalisierung eines heiligen Sakramentes sehen, sieht der hannoversche
Landesbischof Ralf Meister Tauffeste
an Seen und Flüssen als „Spur neuer
kirchlicher Folklore“.25 Diese Sicht teilen viele Christinnen und Christen in allen Landeskirchen. Auf die Gefahr,
dass Taufen am Badesee oder Flussufer zu einem Event werden können, bei
dem Kenntnisse über Bedeutung von
Ritualen und Orten im Zusammenhang
mit der Taufe entschwinden, wies auch
Jörg Neijenhuis bei der 60. Europäischen Konfessionskundlertagung hin.26
Was für viele – der Kirche eher fernstehende – Menschen eine große Hilfe
sein kann und manche Hürde hinsichtlich der Taufe ihrer Kinder zu überwinden hilft, birgt zumindest dann Gefahren in sich, wenn Inhalte der Taufe in
den zuvor geführten Taufgesprächen
nicht eingehend besprochen und die
Eltern und Paten nicht dezidiert auf
ihre Taufverantwortung hingewiesen
werden.
• Zur Liturgischen Gestaltung des Taufgottesdienstes Anfang Juli diesen Jahres war ich zur Taufe eines Großneffen
372
Pfarrvereinsblatt 9/2016
in einer reformierten Kirche in Österreich eingeladen. Die kleine Kirche –
eher ein Gemeindesaal – war von den
Taufeltern wunderschön mit Sonnenblumen geschmückt. Die drei Paten legten
im Verlauf der Taufliturgie je eine Sonnenblumenblüte in das Taufwasser und
sprachen für den Täufling Wünsche
aus. Der Vater hielt beim Taufakt die
Glasschüssel mit dem Taufwasser, mit
dem der Pfarrer den Täufling dreimal
„fließend“ übergoss. Die Taufpredigt
nahm wiederholt Bezug auf den Taufspruch, so dass die Tauffamilie sich
mehrfach angesprochen fühlte. Vier
Gäste waren gebeten, die Fürbitten zu
sprechen. Während drei von ihnen im
Vorfeld mehrfach miteinander kommunizierten und ihre Fürbitten auch hinsichtlich der Gottesanrede abgesprochen hatten, las die erste in der Reihe
der Betenden ihre Fürbitte ohne vorherige Absprache im Gottesdienst vor.
Statt mit einer Anrede an Gott begann
sie mit der Anrede an den Täufling und
so wie sie begann, so setzte sie ihre
„Fürbitte“ auch fort. Es waren Wünsche,
die sich an den Täufling, aber nicht an
Gott richteten. Wie gut, dass die drei anderen „echte“ Fürbitten vortrugen. Ich
erzähle das so ausführlich, weil sich für
mich damit Fragen bezüglich der Mitwirkung im Tauf-Gottesdienst verbinden. Als Prädikantinnen und Prädikanten, Pfarrerinnen und Pfarrer freuen wir
uns, wenn Tauffamilien sich am liturgischen Geschehen beteiligen. Dies gelingt manchmal hervorragend und
manchmal mehr oder weniger „peinlich“. Damit die gottesdienstliche Beteiligung gelingen kann, sollten im Taufge-
spräch, dem – im Idealfall – alle an der
Liturgie Beteiligten beiwohnen sollten,
liturgische Fragen nicht nur angesprochen, sondern auch theologisch geklärt
werden.
Von der Bedeutung des Patenamtes
spricht auch die Lebensordnung Taufe der
Evangelischen Landeskirche in Baden in
Artikel 5. Während es vorkommen kann,
dass Taufeltern nicht der evangelischen
Kirche angehören, ist
Wenn Kirche die TauBei gottesdienstlicher Beteiligung die Mitgliedschaft der
fe und ihre Liturgie
Paten29 zwingend geliturgische Fragen im Taufgefordert. Das ist gut
ernst nimmt, dann gespräch auch theologisch klären.
und richtig. Offen
nügt es nicht, mögbleibt allerdings die Frage, ob die reine
lichst viele an der Liturgie zu beteiligen,
Mitgliedschaft genügt, um dem Täufling
dann müssen die Beteiligten auch in aller
Begleiter und Begleiterin auf dem Weg
Freundlichkeit auf den von ihnen überzum Glauben zu sein. Als die Säuglingsnommenen Teil sorgfältig vorbereitet
taufe im Mittelalter zur Regel wurde, war
werden.
das Patenamt mit katechetischen AufgaZum Patenamt
ben verbunden.
Das Patenamt hat seine Wurzeln in der
Frühzeit der Kirche. Bei der mehrheitlich
Dabei war es wichtig, dass die Paten als
an Erwachsenen vollzogenen Taufe beglaubwürdige Christen ihre Patenkinder
gleiteten die Paten die Taufbewerber wähdurch Wort und Tat religiös weiterführten.
rend der Zeit des Katechumenats. Sie gaDamit Paten heute ihr so wichtiges kirchben Auskunft über den Leliches Amt ausführen
Das Patenamt ist mit
können, sollten sie zubenswandel der Taufbemindest am Taufgekatechetischen Aufgaben
werber und bürgten für die
spräch beteiligt sein.
verbunden.
Ernsthaftigkeit des TaufNoch besser wäre es,
willens. Seit dem Aufkomwenn die Gemeinden nicht nur den Elmen der Säuglingstaufe sprechen die Patern, sondern auch den Paten durch
ten zusammen mit den Eltern das stellver„Glaubenskurse und theologische Getretende Ja zur Taufe sowie das Glausprächsabende“ 30 Hilfen für ihr Amt anbensbekenntnis und versprechen, für die
27
bieten würden.
christliche Erziehung zu sorgen. In seinem 1523 erschienen „Taufbüchlein“
Abschließende Gedanken
spricht Luther davon, dass die Paten sich
Es ist schön, dass noch immer viele
am Gebet für den Täufling beteiligen solMenschen ihre Kinder taufen lassen und
len. Ebenso sollen sie den liturgischen
die Kindertaufe in der evangelischen und
Vollzug der Taufe verinnerlichen und zu
römisch-katholischen Kirche der NormalGebet und Glauben „gereizt“ werden.
fall ist. Es ist ebenso schön, dass nichtgeDeshalb gehörte es zur Aufgabe der
taufte junge Menschen sich im KonfirmanPriester, die Paten mit dem Taufgeschedenalter taufen lassen. Und es ist schön,
hen und der Liturgie vertraut zu machen.28
Pfarrvereinsblatt 9/2016
373
dass es da und dort in landeskirchlichen
Kreisen zu Erwachsenentaufen – derzeit auch unter Flüchtlingen – kommt.
All das darf unsere Augen aber nicht davor verschließen, dass beide Kirchen –
die römisch-katholische und die evangelische – jährlich Mitglieder verlieren.
Ob dieser Trend durch „Wohlfühltaufen“
oder intensivere Taufvorbereitung und
Taufnachbereitung aufgehalten werden
kann, ob dem Religionsunterricht und
der Glaubensunterweisung von Erwachsenen eine noch wichtigere Funktion zukommt, sind nur einige Themen, über
die wir als kirchliche Verantwortungsträgerinnen und Verantwortungsträger,
aber auch als ganz „normale“ Gemeindeglieder, die ihre „Weihe“ durch die
Taufe erhielten, noch intensiver nachdenken müssen.
❚ Adelheid M. von Hauff, Heidelberg
1 Pfarrerstochter aus einer anderen Landeskirche.
2 Von Seiten der Landeskirche hat Manfred Kuhn viele dieser
Gespräche geführt.
3 WA 2, 727-737, in: Martin Luther, Ausgewählte Schriften.
Hrsg. v. Karin Bornkamm und Gerhard Ebeling, Zweiter
Band, Erneuerung von Frömmigkeit und Theologie,
Frankfurt 21983, 35-51.
4 Ebd., 36.
5 Ebd., 37.
6 Ebd., 42.
7 Wilfried Härle, Mail vom 2. Mai 2009.
8 Zum Thema „enttaufen“ noch ein Auszug aus einer Predigt, die Margot Käßmann am 29. April 2012 zur Eröffnung des ökumenischen Zentrums Taufe in Eisleben gehalten hat: „Zum ersten Mal bin ich in diesen Tagen der
Frage begegnet, ob jemand die eigene Taufe rückgängig
machen kann. Können wir ent-taufen sozusagen. Was tut
der Mensch bei solchen Fragen? Er recherchiert im Internet! Und da bin ich in der Tat auf eine Meldung gestoßen,
auf der ein „Debaptiser 2010“ angeboten wird. Zitat:
‚Nach Auskunft der Initiatoren ist es eine verbesserte Version eines durch den USA-Atheisten Edwin Kagin entwickelten Gerätes. Um die magischen und geistigen Kräfte
des heiligen Wassers bei der Taufe zunichte zu machen,
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entwickelte er auf der Basis eines einfachen Haartrockners ein revolutionäres Gerät, welches das gleiche Maß
an magischen und spirituellen Kräften wie die Taufe besitzt.’ […] Taufen geschieht mit Wasser. Was kann man
dagegen machen? Nun, heiße Luft blasen und dann verdampft das Wasser. Also blase dich trocken mit einem
Fön und du bist enttauft.“ Vgl. www.ekd.de › Luther 2017
› Predigten & Vorträge
Vgl. Ausgewählte Schriften, 38.
Vgl. Edmund Schlink, Ökumenische Dogmatik. Grundzüge. Göttingen 21985, 479 f.
Mt 3,13-17; Mk 1,9-11; Lk 3,21.22; Joh 1,32-34.
Vgl. Josephus Ant 18,116-119 in: Gerd Theißen/Annette
Merz, Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Göttingen
32001, 187.
Vgl. Gerd Theißen/Annette Merz, Der historische Jesus.
Ein Lehrbuch, Göttingen 32001, 187.
Vgl. Schlink, 480.
Vgl. Die Taufe. Eine Orientierungshilfe zu Verständnis
und Praxis der Taufe in der evangelischen Kirche. Gütersloh 2008, 20.
Zur Kindertaufe ab Mitte des 2. Jahrhunderts schreib
Christoph Markschies: „Kindertaufe stellte kein generelles Problem in der vornizänischen Kirche dar. Dass der
eigene Wille des Täuflings aber nicht die unabdingbare
Voraussetzung war, zeigt schon die sogenannte ‚Vikariatstaufe’ (1 Kor 15,29), dazu existieren Regelungen über
das Martyrium als ‚Bluttaufe’ Ungetaufter (Trad.
Apost.19) und sogar ein Bericht von einer Selbsttaufe
(Acta Pauli et Theclae 34).“ Vgl. Kaufmann/Kottje/Moeller/Wolf (Hrsg.), Ökumenische Kirchengeschichte. Von
den Anfängen bis zum Mittelalter, Band 1, Darmstadt
2006, 80.
Martin Luther, Tischreden, Stuttgart 1960, 109.
Die Taufe stellt die Gotteskindschaft nicht erst her; die
Taufe macht die Gotteskindschaft nach außen hin sichtbar.
Trotzdem lehnt Calvin die Taufe junger Kinder nicht ab.
Innerhalb der protestantischen Kirchen gibt es hinsichtlich des Taufverständnisses seit 1973 keine Entgegensetzung mehr. In der Leuenberger Konkordie wurde 1973
die gemeinsame Grundlinie eines evangelischen Taufverständnisses festgehalten.
Vgl. Härle, Dogmatik, 550.
Ebd., 114 f.
Zur ökumenischen Diskussion über Tauffragen gibt es in
Bayern den BALUBAG-Prozess. Hinter diesem Namen
verbirgt sich eine „Bayerisch Lutherische-Baptistische Arbeitsgruppe“, die sich um „substanzielle Fortschritte im
zwischenkonfessionellen Gespräch im Blick auf die
gegenseitige Anerkennung (der Taufe) trotz unterschiedlicher Taufpraxis“ bemüht. Vgl. Evangelische Orientierung. Mit allen Wassern gewaschen? Taufe von Flüchtlingen, Tauffeste im Freien, Erwachsenentaufe, 16.
Zur Diskussion
23 Diesem persönlich gehaltenen Teil liegen meine Erfahrungen als Prädikantin und meine Fragen als Landessynodale zugrunde.
24 Evangelische Orientierung 2/2016, 18 f.
25 Ebd.,19.
26 Ebd., 9.
27 Vgl. Die Taufe, 46.
28 Martin Brecht, Martin Luther, Zweiter Band, Ordnung und
Abgrenzung der Reformation 1521-1532, Stuttgart 1986,
124 f.
29 Mindestens ein Pate/eine Patin soll evangelisch sein, alle
weiteren können einer ACK-Kirche angehören. In der
römisch-katholischen Kirche müssen alle Paten der rkKirche angehören. Angehörige der evang. Kirche können
lediglich Taufzeugen sein.
30 Die Taufe, 45.
Nach dem
„Segnungsbeschluss“ –
Einige biblische Blitzlichter
❚ Im Nachklang zum Beschluss der
I
Landessynode zur Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften begründet
der Freiburger Dekan Markus Engelhardt,
warum ein unhistorischer Umgang mit
dem Schriftzeugnis dem evangelischen
Schriftverständnis nicht entspricht und
warum deshalb „Homosexualität“ nicht
als der Bibel widersprechen zu bewerten
sei. In seinem Beitrag, der ein Referat
in einem Ältestenkreis wiedergibt,
sieht er vielmehr in den urbiblischen
Dimensionen von Verläßlichkeit,
Vertrauen und Verantwortung das
biblische Kriterium, an dem sich alle
gelebte Partnerschaften messen lassen
müssten.
ch beginne mit einer Erinnerung, die
manchen sicherlich noch präsent ist. Vor
drei Jahren, im Sommer 2013, schaffte es
die evangelische Kirche über Wochen in
alle wichtigen Medien. Das wünschen wir
uns ja eigentlich immer, aber damals war
das nicht vergnüglich. Anlaß war eine sog.
„Orientierungshilfe“ mit dem Titel „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit.
Familie als verlässliche Gemeinschaft
stärken“, die der Rat der EKD 2013 veröffentlicht hat. Diese Schrift enthielt – quantitativ nur als Randthema, auf gerade mal
drei von insgesamt 160 Seiten – die Aussage, dass verantwortlich gelebte gleichgeschlechtliche Partnerschaften heterosexuellen ethisch gleichzustellen sind.
Pfarrvereinsblatt 9/2016
375
Das löste in und v.a. außerhalb unserer
Kirche ein mittleres Erdbeben aus. Manche bei uns haben das mit bemerkenswerter Coolness weggesteckt. Wir sind
nun mal protestantisch, Kirche der Freiheit
und der Meinungsvielfalt, sagten sie.
Wenn andere das nicht akzeptieren können, ist es ihr Problem. Ich habe solche
Dickfelligkeit nicht. Ich fand die Kritik und
teilweise Häme, die viele Medien, aber
auch katholische Bischöfe und evangelische Altbischöfe über unsere Kirche ausgeschüttet haben, bitter.
Aber meiner Kirche die Leviten lesen,
wie es damals der eine oder andere
empörte Briefschreiber von mir einforderte, das konnte ich nicht. Zum einen wäre
das illoyal. Wes Brot ich ess, des Lied ich
sing: das ist bei Licht besehen keine sarkastische, sondern eine ernsthafte Haltung, wie jeder, der in der freien Wirtschaft
tätig ist, bestätigen kann. Sie gilt auch für
die Kirche – und wird nur außer Kraft gesetzt, wenn es wirklich um letzte Glaubens- und Gewissensfragen geht, wo für
einen selbst eine Art Status confessionis
gegeben ist. Zum anderen musste, wer jene 160 Seiten dicke Orientierungshilfe
wirklich gelesen hat, anerkennen, daß die
Schrift es sich alles andere als leicht
macht mit einem Themenfeld, das emotional befrachtet ist wie nur wenige und das
heute so komplex ist, daß sich schnelle,
klare und abstrakte Urteile verbieten. Es
gibt hier kein schwarz und kein weiß, sondern sehr viele Zwischentöne.
1 Unser damaliger Bischof – er war in
den Fragen von Ehe und Familie kein
Progressiver – hat seinerzeit in einem
376
Pfarrvereinsblatt 9/2016
Interview in der Badischen Zeitung bedenkenswert auf die Kritiker an dem
EKD-Papier geantwortet. Ein Satz
daraus kann nicht dick genug unterstrichen werden, weil er einfach wahr
ist und deutlich macht, wie viel Ideologie und Vorstellungen hier im Spiel
sind, die weniger biblisch als vielmehr
bürgerlich, also relativ jung sind. Ulrich
Fischer sagte: „Wir wissen schon seit
langer Zeit, daß man aus der Bibel keinesfalls die bürgerliche Ehe, wie wir
sie heute kennen, ableiten kann. Diese gab es zu biblischen Zeiten ja noch
gar nicht.“ Jeder katholische Bischof
weiß das auch. Von der in Teilen der
Bibel selbstverständlichen Polygamie
rede ich gar nicht. Ich rede aber z. B.
von der Eheethik, wie sie in den berühmten „Haustafeln“ entfaltet wird,
die uns in den Briefen des NT mehrfach begegnen. Ein prägnanter Satz
daraus: „Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter, wie sich’s gebührt
im Herrn“ (Kol 3,19). Die katholische
Kirche hat diese Sätze ihrer Zeitbedingtheit entnommen und sie zu einem in seiner Architektonik faszinierenden, in der Sache aber provozierenden Lehrgebäude dogmatisiert.
Dieses besteht aus einer dreifach abgestuften Analogie. So wie Christus
der Sohn im Gehorsam gegen den Vater seiner Sendung treu geblieben ist,
so besteht die Sendung der Kirche als
Braut Christi im Gehorsam gegen ihr
Haupt Christus; und dieses Verhältnis
wiederum wird in der Ehe als sozietärer Urzelle der Kirche gleichnishaft abgebildet im Gehorsam der dienenden
Frau gegen den Mann als ihrem
Haupt. Hätten wir nicht staatskirchenrechtlich abgesichert, dass die Kirchen ihre Angelegenheiten nach ihren
Maßstäben regeln können, würde diese Verhältnisbestimmung, die gegen
jede Gleichstellung verstößt, vom Verfassungsgericht als grundgesetzwidrig
kassiert.
schof noch aufgerufen wird, steht im 3.
Buch Mose, im sog. Heiligkeitsgesetz
(Lev 17-26), wo in Lev 18 und 20 jeweils lapidar gesagt wird, daß Homosexualität „dem Herrn ein Gräuel“ ist
und mit dem Tode bestraft werden
muss. Darüber kann es keine zwei
Meinungen geben: das ist eine grausige, unmenschliche Feststellung, die
Man kann aus soziokulturellen Grünnur zeitbedingt gelesen werden kann.
den für einen Vorrang der bürgerlichen
Sie ist für uns Christen so wenig maßEhe vor andere Forgeblich wie etliche
men der PartnerWer diesen Vorrang aber aus der andere Rechtsvorschaft plädieren.
schriften im AT, die
Bibel als gottgewollt und zeitlos
Darüber darf und soll
gleichrangig neben
gültige Schöpfungsordnung
man diskutieren. Wer
den genannten Stelherausliest, betreibt keine
diesen Vorrang aber
len im HeiligkeitsgeExegese, sondern Eisegese:
aus der Bibel als
setz stehen und
er projiziert seinen Wertekodex
gottgewollt und zeitvom neutestamentin die Bibel hinein.
los gültige Schöplichen Liebesgebot
fungsordnung herausliest, betreibt keioder auch einfach vom gesunden
ne Exegese, sondern Eisegese: er
Menschenverstand her schlicht zu kriprojiziert seinen Wertekodex in die
tisieren bzw. als nicht relevant anzuseBibel hinein.
hen sind. Das Heiligkeitsgesetz untersagt z. B. den Verzehr von Blutwurst.
2 Wie sieht es nun aber mit der Frage
Hat das jemals jemand, der bibeltreu
der Homosexualität im Blick auf das
sein will, in Gewissensnot bei seinen
biblische Zeugnis aus? Auch besagte
Essgewohnheiten gebracht?
EKD-Schrift bestreitet nicht, daß es
keine Stelle in der Bibel gibt, die etwas
Oder ernsthafter: Eine Kirche, die sich
Positives über gelebte Homosexualität
von der berühmten Aussage des Pausagt. Das kann auch keiner in Abrede
lus „Die Frau schweige in der Kirche“
stellen. Die Frage aber, die sich für je(1. Kor 14,34) nicht abhalten läßt, Frauden ernsthaften Christen stellt, ist: Wie
en ins geistliche Amt zu ordinieren, weil
gehen wir mit dem – übrigens äußerst
sie diese Ansicht des Apostels zu
schmalen! – biblischen Befund zu dieRecht als historisch bedingt relativiert,
sem Thema um? Eine der wenigen
darf diese Perspektive getrost auch auf
Stellen dazu, die in anderen Kirchen,
andere umstrittene Themen wie etwa
etwa in Afrika, aber auch in den orthodie Homosexualität anwenden. Würde
doxen Ostkirchen und gelegentlich
sie das nicht tun, sondern den Wortlaut
auch von manchem katholischen Bisolcher Stellen als vom Himmel gePfarrvereinsblatt 9/2016
377
kommenes, verbindlich zu nehmendes
Wort Gottes verstehen: Sie hätten in Ihrer Gemeinde bis heute nicht, was Sie
seit 20 Jahren segensreich genießen
können: Pfarrerinnen. Ich muss Ihnen
nicht sagen, was Ihnen damit vorenthalten geblieben wäre. Ich höre,
manchmal hinter etwas vorgehaltener
Hand, immer wieder von katholischen
Kollegen, wie sehr wir um die Möglichkeit, Frauen ins geistliche Amt zu ordinieren, dort beneidet werden. Man
nimmt in der deutschen Una Sancta
sehr wohl wahr, mit welchen Pfunden
wir mit unseren Pfarrerinnen wuchern
können.
Noch ein ernsthaftes, gerade aktuelles
Beispiel. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren mit Spannung das
Ringen der katholischen Kirche in der
von Papst Franziskus einberufenen
Familiensynode um die Frage verfolgt:
Können Menschen, die in einer nach
römischer Lehre irregulären Situation
leben (die sog. „Wiederverheirateten
Geschiedenen“) und somit nicht die
Voraussetzung für den Empfang der
Sakramente erfüllen, weil sie als in
„objektiver schwerer Sünde“ lebend
nicht im Gnadenstand sind, unter bestimmten Umständen dennoch die Sakramente empfangen? Oder müssen
sie weiterhin strikt exkommuniziert
bleiben? Die katholische Kirche beruft
sich bei dieser Lehre v.a. auf Mt 19,
wo Jesus von der Unauflöslichkeit
der Ehe spricht: „Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der
Mensch nicht scheiden. Und im Hause
befragten ihn die Jünger deswegen
378
Pfarrvereinsblatt 9/2016
noch einmal. Und er spricht zu ihnen:
Wer seine Frau entlässt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch gegen
sie. Und wenn sie ihren Mann entlässt
und einen anderen heiratet, begeht sie
Ehebruch.“ Die katholische Kirche fordert von ihren so lebenden Gliedern
die Trennung bzw. zivile Scheidung ihrer ungültigen Ehe, um wieder in ihre
volle Gemeinschaft aufgenommen zu
werden. Ansonsten ist die einzige
Chance, die die Kirche ihnen bisher
lässt, die Entschlossenheit, die irreguläre zweite Ehe hinfort als sog. Josefsehe zu leben, sie nicht mehr „zu vollziehen“. Also, wie das im Jargon des
kath. Katechismus heißt, „wie Bruder
und Schwester“ zusammenzuleben.
Ansonsten, so warnen römische Prälaten und Kanonisten, würde das ganze dogmatische Lehrgebäude der Kirche, wo alles mit allem zusammenhängt, wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Das ist auf der Linie eines wörtlichen Verständnisses der genannten
Bibelstelle von beeindruckender Stringenz. Aber würden Sie wirklich wollen,
dass unsere Kirche dieses seelsorglich und ethisch hoch komplexe Thema, das mit so viel Leid für Betroffene
verbunden sein kann, mit diesem
verbalinspirierten Schriftverständnis
handhaben würde? Es wäre dann unmöglich, daß wir noch Menschen
kirchlich trauen, die eine erneute Ehe
eingehen möchten. Und die nicht wenigen PfarrerInnen, deren Ehe selber
gescheitert ist und die eine zweite Ehe
eingegangen sind, müssten dann aus
dem Dienst der Kirche entlassen
werden.
3 Also sage ich: Sachliche Kritik an biblihier ist. Homosexualität ist in der Bibel
schen Aussagen, eine Einordnung in
ein Randthema unter etlichen andeihren historischen Kontext ist, anders
ren. Jesus war es offenbar nicht wichals Fundamentalisten behaupten, kein
tig – es gibt keine einzige Aussage von
Indiz für Unglauben. Als Protestanten
ihm dazu! Nirgends findet sich auch
können wir uns hier auf einen unverein Hinweis, wie Menschen und auch
dächtigen Zeugen berufen. Martin Ludie Kirche mit dem Phänomen gelebther entwickelte den Grundsatz, die biter Homosexualität umgehen sollen.
blischen Texte an Jesus Christus als
Diese Frage, die heute sehr wichtig
der „Mitte der Schrift“
ist, war schlichtweg
zu prüfen. Diese Pernicht im Horizont
Homosexualität ist in der Bibel
spektive geht davon
der Verfasser der
ein Randthema unter etlichen
aus, daß es in der Bibiblischen Schriften.
anderen. Jesus war es offenbar
bel, einer riesigen BiPaulus äußert sich
nicht wichtig – es gibt keine
bliothek von Schrifin einem Abschnitt in
einzige Aussage von ihm dazu!
ten verschiedenster
Römer 1 zur HomoGattungen, die über mehr als 1.000
sexualität – mit Sätzen, deren Härte
Jahre entstanden sind, mehr und weuns vielleicht gar nicht bewußt ist.
niger zentrale Aussagen gibt. Auch die
Deshalb möchte ich sie Ihnen hier einkatholische Kirche sieht das inzwimal im Zusammenhang vorlesen:
schen so. Das II. Vatikanum spricht in
einem seiner wichtigsten Texte, der
„Zur Strafe hat Gott sie ihren eigenen
Dogmatischen Konstitution „Dei vermaßlosen Begierden ausgeliefert, so
bum“ im Blick auf die Autorität der Bidaß sie gegenseitig ihre Körper
bel von einer „Hierarchie der Wahrheischändeten. Die Menschen haben die
ten“, der zufolge es verbindlichere und
Wirklichkeit Gottes gegen Truggebilde
weniger verbindliche Wahrheiten gibt.
eingetauscht und Geschaffenes anLuther rechnet sogar mit der Möglichstelle des Schöpfers verehrt und ankeit, daß biblische Texte von der „Mitte
gebetet. Doch der Schöpfer wird sie
der Schrift“ her zu tadeln sein können,
überdauern und sei gelobt in Ewigkeit.
weil sie nicht wirklich christusgemäß
Weil die Menschen also Geschaffenes
sind. Er hat das auch kräftig getan, im
und Schöpfer vertauscht haben, hat
Blick z. B. auf den Jakobusbrief und
Gott sie ihren Begierden ausgeliefert,
die Johannesoffenbarung. Beide Bümit denen sie sich doch nur selbst entcher hätte er lieber nicht im biblischen
ehren. So kam es, daß Frauen lesKanon gesehen.
bisch wurden und die natürlichen sexuellen Beziehungen gegen unnatürliPrüft man nun die Aussagen der Bibel
che eingetauscht haben. So kam es
zur Homosexualität vom Evangelium
auch, daß Männer schwul wurden.
von Jesus Christus her, dann fällt ins
Statt der Natur zu folgen und mit FrauAuge, wie dünn der biblische Befund
en zu verkehren, entbrannten sie in
Pfarrvereinsblatt 9/2016
379
perverser Lust für ihresgleichen und
ten, die in Verantwortung, Liebe, Vertrieben Unzucht mit anderen Männern,
läßlichkeit und Dauerhaftigkeit gelebt
wofür sie am eigenen Leibe die gewerden. Sondern Paulus hatte das in
bührende Strafe empfingen. Weil die
der Antike verbreitete Phänomen der
Menschen Gott nicht zur Kenntnis gesog. Ephebophilie, der Knabenliebe
nommen haben, hat er sie ihrer
vor Augen. Und die Prostitution mit
törichten Haltlosigkeit preisgegeben,
Lustknaben, wie sie Leute wie Sokraso daß sie das Böse tun. Randvoll
tes und Platon praktizierten, die wir
sind sie mit Ungerechtigkeit und Bosals Heroen abendländischer Kultur
heit, Habgier und Korruptheit, Neid,
verehren. In Verbindlichkeit, VerläßMordgier, Streitsucht, Intrigen und
lichkeit und Dauerhaftigkeit gelebte
Schlechtigkeit. Sie spielen ein dopgleichgeschlechtliche Partnerschaften
peltes Spiel und leisten Spitzelgab es damals, nach allem was wir
dienste, beschimpfen
wissen, nicht. Man
Gott, sind voll anMan kann das vielleicht damit kann das vielleicht damaßendem prahlerimit vergleichen, daß
vergleichen, daß man in der
schem Dünkel. Sie haman in der Bibel auch
Bibel auch keine Aussagen
ben nur Schlechtes im
keine Aussagen über
über GeschwindigkeitsbeSinn und verweigern
Geschwindigkeitsbeschränkungen oder privaten
ihren Eltern den GehorWaffenbesitz oder über Wind- schränkungen oder
sam. Verstand, Treue,
privaten Waffenbesitz
kraftwerke findet. Man muß
Liebe und Erbarmen
oder über Windkraftauch da aus dem Gesamtsind ihnen fremd. Sie
werke findet. Man
zusammenhang erschließen,
wissen zwar genau, daß
was für uns heute dem Willen muß auch da aus
nach Gottes Rechtssatdem GesamtzusamGottes entspricht.
zung auf solch ein Vermenhang erschliehalten die Todesstrafe steht. Dennoch
ßen, was für uns heute dem Willen
handeln sie nicht nur selbst so, sonGottes entspricht. Also bei Geschwindern klatschen auch noch Beifall,
digkeitsbeschränkungen oder gesetzwenn andere es tun.“ (Röm 1, 24-32 –
licher Eindämmung von Waffenbesitz
Übersetzung von Klaus Berger)
das Argument, daß dadurch Leben geschützt wird – was Gottes Willen entDas klingt und ist verstörend. Von unspricht. Oder bei Windkraftwerken der
seren heutigen Maßstäben her muss
bewahrende Umgang mit Gottes
man eine solche Sprache als DiskrimiSchöpfung, was ebenfalls biblisch ist.
nierung einer Menschengruppe bezeichnen. Aber was hatte Paulus daSelbst die WHO hat erst vor wenigen
mals vor Augen? Nach allem, was wir
Jahrzehnten definiert, daß es sich
rekonstruieren können, eben nicht
beim Phänomen Homosexualität nicht
das, um was es heute geht, also
um eine „Krankheit“ handelt. Die bibligleichgeschlechtliche Partnerschafschen Autoren aber lebten alle mit
380
Pfarrvereinsblatt 9/2016
dem Vorurteil, daß Homosexualität
auch immer mehr – nicht zuletzt in dem
grundsätzlich eine Abweichung vom
Maß, in dem homosexuelle Menschen
„Natürlichen“ und daher als abnorm zu
aus dem Ghetto herausgeholt werden,
verurteilen ist. Dies aber wirft die Frain das sie jahrhundertelang (unter tätige, auf, wer jeweils unter welchen Beger Mithilfe der Kirchen!) abgedrängt
dingungen Normen
waren. Jeder Mensch
setzt. Diese Frage ist
ist mehr und noch anSchwule und Lesben sind
aber selbst nur histoderes als seine sexuelle
genauso wie Heterosexuelle,
risch zu klären. HoOrientierung. Schwule
mit Luther zu reden, Gerechte
mosexualität taucht
und Lesben sind geund Sünder zugleich –
in der Bibel jedenfalls
nauso wie Heteroseund als solche von Gott
immer als Kampfbexuelle, mit Luther zu reunbedingt angenommen.
griff auf. Selbst bei
den, Gerechte und Sündem hochintellektuellen Paulus ist sie
der zugleich – und als solche von Gott
gleichbedeutend mit Habgier, Neid,
unbedingt angenommen.
üble Nachrede, Mord.
Kann es so gesehen wirklich ernsthafte
4 Aus solchen Kampfbegriffen ein GotGründe geben, gleichgeschlechtlichen
tesurteil über die Homosexualität als
Paaren, die in Dauerhaftigkeit, Verantsolche zu folgern wäre ein unhistoriwortung und Verlässlichkeit ihre Partscher und somit unevangelischer Umnerschaft leben wollen und dafür den
gang mit der Bibel. Die biblischen Autokirchlichen Segen in einem öffentlichen
ren taten nicht mehr und nicht weniger
Gottesdienst erbitten, diesen Segen zu
als die Gottesferne ihrer Zeitgenossen
verweigern? Ich sehe nur zwei Gründe,
mit Hilfe eines verbreiteten Vorurteils zu
die dagegen sprechen – und beide
illustrieren. Würde man heute solche Arüberzeugen mich nicht. Einmal das dargumentationen und Beispielreihen wie
gestellte tendenziell fundamentalistiPaulus in Römer 1 entwerfen, dann würsche, unhistorische Schriftverständnis,
de man etwa sagen, daß sich die Gotwie wir es aus manchen Freikirchen
tesferne der Zeitgenossen in Kriegstreikennen. Wer damit argumentiert, muss
berei und Terrorismus, Korruption und
sich fragen lassen, warum er/sie es mit
Steuerflucht, in Fremdenfeindlichkeit
anderen eindeutigen Schriftaussagen
oder Gewalt in Beziehungen (heterowie eben zur Rolle der Frau, zur Ehewie homosexuellen) ausdrückt. Homoscheidung, zum Zinsverbot oder zum
sexualität als solche als Beispiel für die
„Zehnten“ anders, „liberaler“ hält. Zum
Selbstsucht und Gottlosigkeit des Menanderen eine aus meiner Sicht auch
schen anzuführen, erscheint uns heute
nicht biblisch begründbare biologistizu Recht als absurd. Gleichgeschlechtsche Sicht der Ehe, die ihren tiefsten
liche Partnerschaften können mit demund eigentlichen Sinn in der Weitergaselben ethischen Ernst gestaltet werden
be des Lebens, also der Fortpflanzung
wie heterosexuelle. Und sie werden es
sieht. Wer damit argumentiert, muss
Pfarrvereinsblatt 9/2016
381
sich fragen lassen, ob das nicht eine
einseitig sexualisierende Sichtweise ist,
die dem katholischen Eheverständnis,
das sich von dem reformatorischen
grundlegend unterscheidet, sehr nah
kommt. Sexualität ist eine zentrale,
aber wahrlich nicht die einzige wichtige
Dimension in der Ehe.
5 Zum Abschluß ein persönlicher Gedanke. Ich habe in den letzten Jahren
bei verschiedenen Gelegenheiten gesagt, daß ich mir unsere Kirche in mancher Hinsicht durchaus katholischer
wünschte. Dazu stehe ich. Wenn ich
dennoch nicht katholisch werden kann,
sondern überzeugt protestantisch bleibe, dann letztlich aus einem Grund:
weil wir die Kirche der Freiheit sind.
Freiheit: das ist die DNA, die Herzkammer des Protestantischen.
Eine Kirche der Freiheit kann ihren
Mitgliedern nicht nach der Melodie
„Die Kirche aber lehrt!“ vorschreiben,
was sie zu glauben, wie sie die Bibel
zu verstehen haben, um noch Glieder
der Kirche zu sein. Sie achtet das Gewissen des Einzelnen als enorm hohes Gut. Deshalb haben gerade diejenigen, die sich zur „liberalen“ Mehrheit
in unserer Kirche zählen und den Beschluss der Landessynode dankbar
begrüßen, auch eine wichtige Verantwortung, denen, die jetzt Gewissensnot empfinden, durch wertschätzenden und nicht stigmatisierenden Umgang zu signalisieren, daß auch sie in
unserer Kirche der Freiheit ihren Platz
haben. Daß mir kürzlich eine (nicht
evangelikale) Freiburger Kollegenper-
382
Pfarrvereinsblatt 9/2016
son anvertraute, sie sei durch die Entscheidung der Synode gewissensmäßig beschwert, habe aber nicht den
Mut, das zu sagen, weil sie in unseren
Gremien ein „erdrückendes Klima liberaler Dominanz“ empfinde, hat mich
betroffen gemacht. Ich selber empfinde das nicht so, aber wir sollten solche
Wahrnehmungen zumindest ernst
nehmen.
Es gilt aber auch, daß sich Gewissen
nur bilden kann, wenn man die Bibel
immer wieder befragt, was in welcher
Situation Gottes Wille ist. Dazu braucht
es auch ein ehrliches Wahrnehmen der
Realitäten – und zwar wie sie sind,
nicht wie sie „aus kirchlicher Sicht“ sein
sollten. Denn in diesen Realitäten leben die Menschen, für die wir als Kirche da sind. Deshalb ist es kein Zeichen von Schwäche, oder „Verrat an
der Schrift“, wenn wir genau, differenziert und vorurteilsfrei hinschauen, in
welcher Vielfalt an Konstellationen heute Partnerschaft gelebt wird.
Zu fragen, wie unter unterschiedlichsten Bedingungen die essentiellen
biblischen Dimensionen wie Vertrauen, Verläßlichkeit, Verantwortung gestärkt werden können, anstatt gleichgeschlechtlichen Paaren dogmatische
Formeln entgegenzuhalten à la: „Wir
lieben euch als Sünder – aber wir hassen eure Sünde!“: das ist aller Ehren
und ggf. allen Streites wert.
❚ Markus Engelhardt, Freiburg
Zur Diskussion
Anrufung über
Füchsen und Vögeln
❚ Die nachdenklich aufrüttelnden Zeilen
des Karlsruher Pfarrers Klaus Paetzholdt
aus dem Jahre 1981 haben nichts an
Aktualität eingebüßt und werfen ein noch
mal anderes Licht auf die Diskussion
um die Lage von Kirche und
PfarrerInnenschaft.
D
ie Füchse haben Gruben und die
Vögel des Himmels Nester; du aber
hast nichts, wo du dein Haupt hinlegen
kannst. Du!
Von dir her! Deshalb legen wir unsere
Häupter so gern in Betten, in Gruben, in
Nester. Weil du uns das Bett gemacht
hast. Hast du uns das Bett gemacht? Du
hattest keinen Ort für dein Haupt. Wir haben unseren Ort für unser Haupt. Bei dir.
Aber bei dir ist nichts zum Hinlegen,
nichts zum Ausruhen.
Du! Hol uns aus unseren Betten! Hol uns
aus unseren Gruben, Nestern! Hol uns
aus unserer Sicherheit! Hol uns aus unseren Betten, du uns!
❚ Klaus Paetzholdt, Karlsruhe
Wir aber! Wir haben nicht nur unsere
Gruben und Nester, wir haben unsere
Betten. Es liegt sich gut. Im Bett unserer
Aufgeklärtheit, im
Hast du uns das Bett
Bett unserer Rechtgemacht? Du hattest keinen
gläubigkeit, im Bett
Ort für dein Haupt.
unserer Privatfrömmigkeit, im Bett unserer Volkskirchenfrömmigkeit, im Bett
unserer kirchlichen Feste, im Bett unserer bürgerlichen Anständigkeit. Wir!
Du aber! Du hast keine Partei, keine Lobby, keine Ideologie, du hast kein Bett,
keine Grube, kein Nest. Du bist ja von
oben her. Trotz Maria und Josef. Wo solltest du auch dein Haupt hinlegen? Zu
den Rabbinern? Zu den Pharisäern? Zu
den Zeloten? Zu den Jüngern des Täufers Johannes? Du bist von oben her?
Wo sind wir her?
Pfarrvereinsblatt 9/2016
383
Zur Diskussion
Überrascht – verwundert – irritiert.
Ein sehr persönlicher Eindruck von der Broschüre
„Glaube ist keine Privatsache“
❚ Pfarrer Wieland Bopp-Hartwig aus Boxberg
vermisst in der an die Öffentlichkeit
gerichtete neue Broschüre eine Würdigung
des Pfarrberufs als einem öffentlichkeitswirksamen Dienst und fragt, wo die
Themen der Kirche bleiben, wie sie vormals
von zentraler Bedeutung gewesen sind und
das öffentliche Gesicht von Kirche
geprägt haben.
Ü
ber den Pfarramtsversand habe ich
die Broschüre der Landeskirche
„Glauben ist keine Privatsache“ bekommen, verbunden mit einem Begleitschreiben und der Bitte um Weitergabe der
Broschüre an Personen in politischer
Verantwortung.
überrascht und sehr verwundert und sehr
irritiert.
Überrascht war ich davon, dass in dieser
Broschüre auf den Themaseiten kein einziges Mal davon gesprochen ist, dass
auch Pfarrer und Pfarrerinnen in der Kirche arbeiten; lediglich bei der Darstellung
der Seelsorger auf der Seite „Wir sind
da“ kann man vermuten, dass Pfarrer
und Pfarrerinnen mitgemeint sind; dass
man sie als Seelsorger im Pfarramt antreffen könnte, ist freilich nicht gesagt. Nur
auf der vorletzten Seite im statistischen
Überblick erscheinen Pfarrer/innen.
Ich kann das nur so interpretieren, dass
für die Landeskirchen der Dienst ihrer
In der Broschüre selbst ist ein EingangsPfarrer und Pfarrerinnen als ein öffentlichwort der beiden Bischöfe Jochen Cornekeitswirksamer Dienst nicht mehr der Erlius-Bundschuh und
wähnung wert ist; PfarKein einziges Mal wird davon
Otfried July zu lesen, in
rer sind offenbar nur
gesprochen ist, dass auch
dem darauf hingewienoch eine RanderPfarrer und Pfarrerinnen in
scheinung der (Lansen wird, dass Kirche
des-)Kirche und allender Kirche arbeiten.
„von ihrem Auftrag her
falls von statistischer
in der Öffentlichkeit“
Bedeutung, gerade noch im Nachklapp
wirkt. Das wird auf sieben Doppelseiten
genannt. Wo freilich eine Berufsgruppe,
entfaltet unter den Leitthemen: „Wir leben
die seither für die Arbeit der Kirche zuminVielfalt“ – „Wir helfen“ – „Wir bilden Mendest mitprägend gewesen ist, in einer an
schen“ – „Wir schaffen Kultur“ – „Wir madie Öffentlichkeit gerichteten Broschüre
chen stark“ – „Wir sind da“ – „Gott
der Landeskirche(n) derart marginalisiert
schenkt Zeit“.
wird, ist die Frage nicht weit, warum diese
Landeskirchen sich den Luxus dieser BeIch habe die Broschüre gelesen, und als
rufsgruppe überhaupt noch leisten.
ich sie durchgelesen hatte, war ich sehr
384
Pfarrvereinsblatt 9/2016
Damit nicht nur der Eindruck der Larschüre offenbar kein Thema von Kirche
moyanz entsteht eines Pfarrers, der daheute in der Öffentlichkeit und für Mennach fragt, wo seine Berufsgruppe in
schen in politische Verantwortung; daran
Öffentlichwirksamkeit
ändern auch die abDie Weitergabe des Evangeliums, gedruckten Bibelzitader Kirche noch vordes Wortes Gottes, ist offenbar
kommt, sei jetzt die
te nichts. Sie sorgen
kein Thema von Kirche heute
Verwunderung darüfreilich dafür, dass
in der Öffentlichkeit und
ber angefügt, dass
wenigstens einmal (!)
für Menschen in
Themen der Kirche,
von Jesus Christus die
politischer Verantwortung.
wie sie vormals von
Rede ist, von dem der
zentraler Bedeutung
übrige Text schweigt.
gewesen sind und das öffentliche GeVon Gott ist (abgesehen von den Bibelzisicht von Kirche geprägt haben, in der
taten) übriges nur dreimal die Rede.
Broschüre praktisch nicht vorkommen.
„Frieden – Gerechtigkeit – Bewahrung
Dass in demselben Jahr, in dem das
der Schöpfung“: wo sagt die Broschüre
500jährige Reformationsjubiläum bedazu etwas?
ginnt, zwei Landeskirchen in einer Öffentlichkeitsbroschüre nicht davon spreWo ist von der wachsamen und mahnenchen (wollen), dass Kirche etwas Spezifiden und kritischen Aufgabe der Kirche
sches zu sagen und zu verkündigen hat,
die Rede? Dass mit keinem Wort die
nämlich die Gute Botschaft Gottes, das
ökumenische Dimension kirchlicher
befreiende Evangelium, das sie als ZuArbeit Erwähnung findet, verwundert
spruch und Anspruch Gottes weitergeebenfalls.
ben darf, das macht mich schon sehr
traurig!
❚ Wieland Bopp-Hartwig, Boxberg
Schließlich und in besonderer Weise bin
ich irritiert, dass an keiner Stelle der Broschüre davon die Rede ist, dass die Kirche den Auftrag hat, „durch Predigt und
Sakrament die Botschaft von der freien
Gnade Gottes auszurichten an alles
Volk“ – um es mit Bar„Frieden – Gerechtigkeit –
men VI zu sagen bzw.
Bewahrung der Schöpfung“:
mit den älteren Worten
wo sagt die Broschüre
von CA 7 – „dass das
dazu etwas?
Evangelium einträchtig
im reinen Verständnis
gepredigt und die Sakramente dem göttlichen Wort gemäß gereicht werden“. Die
Weitergabe des Evangeliums, des Wortes Gottes, ist nach der vorgelegten BroPfarrvereinsblatt 9/2016
385
Aus der Landeskirche
Konvent der Pfarrerinnen und Pfarrer
mit Schwerbehinderung
❚ Über die Gründung und die Arbeit des
Konvents der Pfarrerinnen und Pfarrer mit
Schwerbehinderung, zu dem derzeit
30 Mitglieder gehören, informiert Pfarrer
Gerhard Sprakties, Mannheim. Er ist
Vertrauensperson und macht betroffene
Kolleginnen und Kollegen auf den
Konvent aufmerksam.
A
In ihr heißt es unter anderem: „Die Vereinbarung soll dazu beitragen, dass die
dem Dienstgeber gegenüber den Menschen mit Schwerbehinderung obliegende besondere Fürsorge- und Förderungspflicht umgesetzt wird.“ Die Integrationsvereinbarung sieht vor, dass „bei
Stellenbesetzungen für Pfarrstellen mit
allgemeinem kirchlichen Auftrag“ Pfarrerinnen und Pfarrer mit Schwerbehinderung „bei gleicher Eignung und Qualifikation bevorzugt“ werden. Auch können
„zwischen Dekanin bzw. dem Dekan und
der Pfarrerin bzw. dem Pfarrer mit
Schwerbehinderung individuelle Regelungen des Dienstes getroffen werden“.
Ein sog. „Integrationsteam“ trifft sich
jährlich um die Umsetzung der in der Integrationsvereinbarung getroffenen Regelungen zu überprüfen.
m 9. Oktober 2009 trafen sich auf eine Initiative von Kirchenrätin Marlene Bender aus dem Personalreferat erstmals die Pfarrerinnen und Pfarrer mit
Schwerbehinderung unserer badischen
Landeskirche in Karlsruhe.
Es wurde die Gründung eines Konvents
beschlossen, dessen Aufgaben und Leitung in der „Rechtsverordnung zum Konvent und zur Vertrauensperson für
schwerbehinderte Pfarrerinnen und Pfarrer der Evangelischen Landeskirche in
Zu unserem Konvent gehören derzeit 30
Baden“ vom 10. Oktober 2011 festgelegt
Mitglieder. Wir haben uns in den letzten
wurde. Im Herbst 2012 wurde ich zur erJahren neben Fragen zum Dienstrecht
sten Vertrauensperson des Konvents ge(wie z. B. Deputatsredukwählt. Seither treffen wir
Im Jahr 2014 wurde eine
tionen/Wiedereingliedeuns zweimal im Jahr im
Integrationsvereinbarung rung) und Fragen die unEOK in Karlsruhe um uns
für Pfarrerinnen und
seren Arbeitsalltag als
über theologisch/ethische
Pfarrer mit SchwerbePfarrerinnen und Pfarrer
und arbeitsrechtliche Frahinderung verabschiedet. mit Schwerbehinderung
gen rund um das Thema
betreffen (wie z. B. ArBehinderung auszutaubeitsplatzgestaltung und Arbeitsplatzumschen. Mit Hilfe des Rechtsreferats konfeld) beschäftigt. Auch wurde über
nten wir am 16.09.2014 eine InteGesundheitsförderung und Inklusion gegrationsvereinbarung für Pfarrerinnen
sprochen. Die Konventssitzungen sollen
und Pfarrer mit Schwerbehinderung der
darüber hinaus dem kollegialen AusEvangelischen Landeskirche in Baden
tausch und der gegenseitigen Unterstütverabschieden.
386
Pfarrvereinsblatt 9/2016
zung dienen. Wir würden uns freuen,
wenn sich noch weitere Kolleginnen und
Kollegen mit Schwerbehinderung entschließen könnten bei uns Mitglied zu
werden. Jede/jeder, der einen Schwerbehindertenausweis besitzt (ab 50%)
kann einen schrift lichen Aufnah me antrag an mich oder die mir behilfliche
Sachbearbeiterin im EOK (siehe unten)
stellen.
Dem Antrag muss eine Kopie des
Schwerbehindertenausweis beigelegt
sein. Die Mitgliedschaft in unserem Konvent ist selbstverständlich freiwillig und
erlischt mit dem Ausscheiden bzw.
dem Verlust der Schwerbehinderteneigenschaft. Da nach meiner Erfahrung
noch nicht alle Kolleginnen und Kollegen
mit Schwerbehinderung in unserer Landeskirche wissen, dass es unseren Konvent gibt, würde ich mich freuen, wenn
Betroffene auf diesen Artikel aufmerksam gemacht werden.
Selbstverständlich können sich auch
Pfarrerinnen und Pfarrer im Vorfeld eines Antrags auf Schwerbehinderung
vertrauensvoll an mich wenden.
Die nächste Sitzung unseres Konvents
der Pfarrerinnen und Pfarrer mit
Schwerbehinderung findet am Dienstag, den 11. Oktober 2016 um 15.15 Uhr
im Sitzungssaal IV (Gertrud Hamann)
im EOK in Karlsruhe statt.
❚ Gerhard Sprakties, Mannheim
Auskünfte erteilt:
Sachbearbeitung:
Dipl. Diakoniewissenschaftler
Pfarrer Gerhard Sprakties
Steubenstraße 9
68199 Mannheim
Telefon: 0621 817689
Birgit Acker
Evangelischer Oberkirchenrat
Postfach 2269, 76133 Karlsruhe
Telefon: 0721 9175 – 202
Telefax: 0721 9175 25 – 202
[email protected]
[email protected]
Pfarrvereinsblatt 9/2016
387
Die Geburtstagslisten wurden
in der Online-Ausgabe aus
Datenschutzgründen entfernt.
Aus der Pfarrvertretung
Aktuelles
D
as Liegenschaftsprojekt der Landeskirche hat das Ziel, den Gebäudebestand der Landeskirche zukunftsfähig
zu machen; d.h. dafür zu sorgen, dass die
rund 3000 Gebäude der Kirchengemeinden bis 2020 analysiert werden und ein
Konzept für die zukünftige Nutzung erstellt
wird. Hintergrund dieses Vorhabens ist
der erwartete Rückgang der Einnahmen
ab 2025, weswegen der Gebäudebestand
um 30% reduziert werden soll (vgl. Pfarrvereinsblätter 7/2015). Ich hatte Gelegenheit, eine der Informationsveranstaltungen
in den Kirchenbezirken zu erleben. Im
Rahmen dieser Bezirkssynode wurde einerseits die zukünftige finanzielle Situation
der Landeskirche in düsteren Farben dargestellt, andererseits aber auch für den
Beruf des Pfarrers bzw. der Pfarrerin geworben. Mich hat das zu der Nachfrage
veranlasst, wie man bei kirchenverbundenen Menschen (und Multiplikatoren!), wie
es Bezirkssynodale ja sind, Vertrauen wecken will in eine Berufsentscheidung für
den Pfarrberuf, wenn gleichzeitig die finanzielle Situation sich so dramatisch darstellt, dass 30 % der Gebäude aufgegeben werden müssen. Wer möchte denn in
einer Kirche arbeiten, die auf lange Sicht
vielleicht nicht einmal in der Lage ist, ihre
PfarrerInnen angemessen zu bezahlen?
Deshalb hier eine Erklärung der Zusammenhänge, die wichtig ist, wenn wir
zukünftig einen gravierenden Mangel an
PfarrerInnen verhindern wollen:
Der erwartete Rückgang der Kirchensteuereinnahmen hat seinen Grund nicht
392
Pfarrvereinsblatt 9/2016
in erster Linie in Kirchenaustritten, sondern in der Tatsache, dass die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen und daher erheblich weniger Kirchensteuern zahlen als bisher. Genau
diese Tatsache sorgt aber auch für einen
enormen Bedarf an Nachwuchs im
Pfarrberuf: Etwa die Hälfte der badischen Pfarrerschaft gehört den Jahrgängen 1956 bis 1965 an. Auch wenn (aus
demographischen Gründen, aber auch
wegen Kirchenaustritten) die Mitgliederzahlen (und die Einnahmen) sinken dürften, sinken sie bei weitem nicht in dem
Maß wie die Zahl der aktiven PfarrerInnen. Die Reduktionen im Gebäudebestand haben also nichts mit den Zukunftsperspektiven für zukünftige PfarrerInnen
zu tun, im Gegenteil: Es muss verstärkt für
den Pfarrberuf geworben werden!
Seit dem 1.2. 2015 ist die Rechtsverordnung Pfarrdienstwohnung in Kraft, die eine Pflicht der Kirchengemeinde beinhaltet, bei Pfarrstellenbesetzungen den BewerberInnen einen Energieausweis für
das Pfarrhaus vorzulegen (§ 19 (2) ). Eine Nachfrage bei Personal- und Baureferat zum Stand der Umsetzung hat ergeben, dass der Oberkirchenrat nicht regelnd in Verpflichtungen der Kirchengemeinden eingreift. Lediglich die Aufnahme
in einen Ablaufplan für Pfarrstellenwechsel ist in Aussicht gestellt worden. Das ist
insofern unbefriedigend, als dass Kirchengemeinden sich der Umsetzung landeskirchlicher Rechtssetzung ohne Konsequenzen verweigern können. Daher bitte
ich alle PfarrerInnen, die Pfarrhäuser bewohnen, dafür Sorge zu tragen, dass
Energieausweise so bald wie möglich erstellt werden (eventuell auch im Zuge der
Gebäudeanalysen durch Prokiba). Ziel
dieses Vorhabens ist eine Transparenz für
PfarrerInnen über die zu erwartenden
Energiekosten bei einem Stellenwechsel
(der Hinweis auf die Abrufbarkeit des
Energieausweises könnte dann zukünftig
den Hinweis auf den zu versteuernden
Mietwert in Ausschreibungen ergänzen),
aber auch Transparenz über eventuell
notwendige energetische Sanierungsmaßnahmen. Die Energieeinsparverordnung von 2014 unterscheidet zwei Formen des Energieausweises, den (aussagekräftigeren) Energiebedarfsausweis
und den Energieverbrauchsausweis. Die
Schwäche des Energieverbrauchsausweises liegt in der hohen Abhängigkeit vom
Verbrauchsverhalten der aktuellen BewohnerInnen. Erst recht verliert der Energieverbrauchsausweis an Wert, wenn er
während einer längeren Vakanz erstellt
wird, da die Verbrauchswerte dann unrealistisch sind. Empfehlenswert ist daher ein
Energiebedarfsausweis.
Eine Anfrage bezüglich der Fahrtkostenerstattung bei GemeindepfarrerInnen
hat umfangreiche Klärungen mit dem
Rechtsreferat zur Folge gehabt. Ausgangspunkt der Anfrage war die Tatsache,
dass in einer Einsatzgemeinde mit mehreren Teilorten das Pfarrhaus in einem der
Orte steht, das Pfarrbüro aber in einem
anderen Ort. Sind hier Dienstfahrten
innerhalb der Gemeinde erstattungsfähig?
Ein Blick von mir in die badische Kirchenrechtssammlung hat ergeben, dass bei
Angabe des Stichworts „Fahrtkosten“ das
Dienstreisekostengesetz angezeigt wird –
was ich terminologisch merkwürdig finde,
weil ich unter einer Dienstreise etwas anderes als eine Fahrt innerhalb der eigenen
Gemeinde verstehe. Die korrekte Bezeichnung für die Wege innerhalb der Gemeinde (das findet sich in § 2 des Gesetzes) ist „Dienstgang“ (auch dann, wenn diese Gänge mit dem Auto erledigt werden).
Nun wollte ich überprüfen, ob Fahrten zwischen Pfarrhaus und Pfarrbüro im obengenannten Fall erstattungsfähig sind, fand
aber keine Antwort – dafür aber den Hinweis in § 7, dass die einschlägigen Bestimmungen des Landes Baden-Württemberg für den öffentlichen Dienst gelten,
wenn das kirchliche Gesetz keine anderen Regelungen trifft. Dort findet man
dann (wenn man inzwischen nicht längst
beschlossen hat, lieber auf Fahrtkostenerstattung zu verzichten) Hinweise zu
Dienststellen, die Ausgangsort für Dienstgänge sind. Nach Rückfrage im Rechtsreferat wurde mir mitgeteilt, dass für GemeindepfarrerInnen das Pfarrbüro Ausgangspunkt für Dienstgänge oder Dienstreisen ist. Das ist gut für alle die KollegInnen, bei denen Pfarrdienstwohnung und
Pfarrbüro eine räumliche Einheit bilden –
sie können sämtliche Dienstfahrten abrechnen. Wenn aber nach der Zusammenlegung von Gemeinden Pfarrbüro und
Pfarrhaus keine räumliche Einheit mehr
bilden, müssen die Fahrtkosten zwischen
Pfarrhaus und Pfarrbüro nach Auskunft
des Rechtsreferates selbst getragen werden. Dass das mit Mehrkosten verbunden
ist, sollten sich alle klar machen, die sich
auf eine solche Pfarrstelle bewerben (und
Pfarrvereinsblatt 9/2016
393
dass das bei Besetzungen auch zum
Nachteil für solche Gemeinden werden
kann, sollten sich wiederum Personalreferat, Kirchenbezirke und Gemeinden überlegen). Wobei natürlich diese Mehrkosten
nicht in voller Höhe entstehen, da sie steuerlich absetzbar sind. Relevant sind diese
Informationen auch für KollegInnen in den
Gemeinden, in denen nach dem Verkauf
des Pfarrhauses eine Wohnung ohne
räumliche Nähe zum Pfarrbüro angemietet wird oder auch für diejenigen, die eine
Befreiung von der Residenzpflicht haben.
Rechtlich geklärt sind hier die Fahrten zwischen Pfarrhaus und Pfarrbüro – sie sind
nach aktuellem Stand nicht erstattungsfähig (das entspricht den von allen ArbeitnehmerInnen selbst zu tragenden Kosten
für Fahrten zur Arbeitsstelle – wobei natürlich andere ArbeitnehmerInnen eine freie
Wahl des Wohnorts haben) – unklar sind
aber nach geltender Rechtslage die zahlreichen Fahrten, die vom Pfarrhaus aus
unternommen werden (hier hinkt der Vergleich mit anderen ArbeitnehmerInnen,
weil diese keine Dienstgeschäfte von ihrer
Wohnung aus unternehmen).
Meines Erachtens sollten für GemeindepfarrerInnen generell zwei regelmäßige
Dienststellen vorausgesetzt werden, das
Pfarrbüro und das Pfarrhaus (wenn diese
nicht sowieso eine räumliche Einheit bilden). Dies gilt erst recht, da die zunehmende Tendenz zu Gemeindezusammenlegungen und Regionalisierung befürchten lässt, dass die Zahl und Länge der
Fahrten zwischen Pfarrhäusern und Pfarrbüros wachsen wird.
❚ Volker Matthaei, Reutgrabenweg 16,
76297 Stutensee, 07249/955889
[email protected]
394
Pfarrvereinsblatt 9/2016
SAVE THE DATE
Wochenende für
Begegnung und Austausch
am 10.-12. März 2017
im Moratahaus Heidelberg
VOM SÄEN ...
UND SEHEN ... ?
Das Gleichnis vom Sämann
Es lädt ein:
Team Pfarrfrauen und
Pfarrmänner in Baden und
Pfarrerin Susanne Schneider-Riede
Leiterin der Fachstelle
Geistliches Leben
Werbung und nähere Info
folgen im Oktober
Korrigenda
Leider haben wir in unserer letzten
Ausgabe 7-8 / 2016 auf Seite 343
versäumt, den Autor der Rezension
des Buches von Rolf-Ulrich Kunze
aufzuführen.
Der Rezensent, der das Buch
ursprünglich der Landesynode als
erstes vorgestellt hat, war Oberkirchenrat Prof. Dr. Christoph
Schneider-Harpprecht.
Buchbesprechung
Joachim Kummer (Hg.)
Im Anfang das Wort:
Impulse der Reformation.”
Sechs Streifzüge, Agentur des Rauhen Hauses
Hamburg 2016, 80 Seiten, 14,99 Euro
N
icht nur der liebe Gott hat Luther viel
zu verdanken. Viele Verlage sicher
auch. Denn die Reformationsdekade, die
sich derzeit auf der Zielgeraden befindet,
hat doch durchaus den Anlass für eine
fast nicht mehr zu überblickende Kaskade von Neuerscheinungen von Büchern
im Kontext der Reformation gegeben.
Manchmal könnte man dabei wirklich den
Überblick verlieren – ehrlicher noch: Oft
habe ich ihn schon verloren. Da tut es
gut, wenn man im produktiven Wust neu
entstandener Bücher zum anstehenden
Gedenkjahr plötzlich ein Buch auftaucht,
das wohltuend auf sich aufmerksam
macht: weil es gute Basis-Informationen
auf knappstem Raum enthält; weil sich
(u.a.) badische Autoren darin entdecken
lassen; weil es sich wunderbar zum Verschenken eignet.
Mit schön bebilderter Außenseite (von
den vielen Bildern und herausgehobenen
Zitaten innen ganz zu schweigen) versehen, haben die Macher dieses Buches
das Format des Quadrates gewählt.
Nicht um dem Anspruch von „quadratisch, praktisch, gut“ zu genügen, sondern um auch der Ästhetik den gebührenden Raum zu lassen. Unter dem
Titel „Im Anfang das Wort. Impulse der
Reformation“ werden „sechs Streifzüge“
angekündigt.
Der erste Streifzug, verantwortet von Joachim Kummer, führt in knapper und informativer Form in das Geschehen und in die
geschichtlichen Abläufe der Reformation –
oder wie wir heute längst sagen der Reformationen – ein – ohne Beschwerliches im
Ablauf und in den Nachwirkungen zu verschweigen. Er liefert haben gewissermaßen den Blick aus der HubschrauberPerspektive. Gut ergänzt wird dieses Kapitel durch den tabellarischen Überblick
der reformatorischen Ereignisse ganz am
Ende des Buches.
Die beiden nächsten Streifzüge nehmen
theologische Tiefenbohrungen vor. Christiane Kohler-Weiß, Reformationsbeauftragte der württembergischen Landeskirche, setzt beim reformatorischen, insbesondere für Luther zentralen, Schlüsselbegriff der Freiheit eines Christenmenschen ein. Der Weg zu der durch die Erkenntnis Luthers zu gewinnende Befreiung führe am Ende keineswegs von
außen nach innen. Äußere Freiheit ist keine Garantie für die innere. Umgekehrt
wird bei ihr ein Schuh draus: „Innerlich
freie Menschen ... sind und bleiben das
Subjekt ihres Lebens, denn in ihnen lebt
Christus.“ (S. 24) Dass Christiane KohlerWeiß am Ende ihres Streifzuges durch Luthers Freiheitverständnis diesen auch
noch als „Prediger des Diakonissen- und
Diakonentums“ (S. 27) beschreibt, liegt in
der Konsequenz ihrer Deutung der Freiheit im Sinne Luthers.
Markus Engelhardt, Dekan in Freiburg,
zeichnet für den Artikel verantwortlich, von
dem es heißt, dass mit ihm „die Kirche
steht und fällt“: Er führt in das zentrale
Pfarrvereinsblatt 9/2016
395
Thema der Rechtfertigungslehre ein. In
der von ihm dargebotenen kleinen Anthropologie setzt er beim modernen Menschen als homo faber ein. Die nicht gelingen wollende Selbst-Rechtfertigung produziere zuletzt Hass auf Gott – und auf
den Menschen selbst. Sehr groß sieht er
dabei den Unterschied zwischen dem
nach Gerechtigkeit schreienden Luther
und den gestressten Akteuren auf den
Bühnen der Gegenwart nicht. Als „grundstürzend“ beschreibt Markus Engelhardt
darum die Erkenntnis, die Luther auf der
entscheidenden Expedition seines Lebens in den Römerbrief macht. Es ist Gott,
der mich gerecht macht! Und nicht das,
was ich leiste und kann. Darauf zu vertrauen, dass Gott mich bejaht, von Anfang
an und ohne eigenen Leistungsnachweis,
das ist dann das, was wir reformatorisch
als Glaube verstehen. Nicht eine wichtige
Lehre sein dies, sondern „Mitte und Kern,
in dem sich alles verdichtet, worauf es im
christlichen Glauben ankommt“.
Dass die Reformation mitnichten ein binnenkirchliches Ereignis und vor allem eines von großer Nachhaltigkeit war, zeigen
die beiden Beiträge aus der Feder von
Veronika Bremer und Ernst-Dietrich-Egerer, die sich mit zwei zentralen Bewegungen befassen, die von uns Nachgeborenen der Kultur zugeordnet werden und mit
denen die Reformation gewissermaßen
die Herzen der Menschen erreicht hat –
mit der bildenden Kunst und mit der Musik. Sie prägen bis heute die Wahrnehmung dieses Prozesses, den wir unter der
Titulatur „Reformation“ zusammenfassen.
Zuletzt lässt Ulrich Bayer, Pfarrer in Freiburg und Lehrbeauftragter an der dortigen
396
Pfarrvereinsblatt 9/2016
Evangelischen Hochschule, aus einer
Perspektive an der Reformation Anteil
nehmen, die wie kaum eine andere heute
in die alltägliche Verfasstheit unserer Gesellschaft eingegangen ist: die Bildung!
Dabei liefert er nicht nur zentrale Belege
der Hochschätzung der schulischen Bildung. Er zieht seine Linien im Längsschnitt weiter in die erfolgreichen Bildungsinitiativen der Calvinismus und endet hier zuletzt in den Elite-Schmieden
Harvard und Yale. Weiter verweist er auf
die nicht zuletzt protestantischer Neugier
entspringenden Erkenntnisse der Wissenschaft, allen voran auf die Leistungen von
Johannes Kepler, dessen Bildungsgrundlagen in Maulbronn und im Tübinger Stift
gelegt worden sind. Als Bildungs-Aktivisten in evangelischer Absicht beschreibt
Ulrich Bayer den Reformpädagogen Johann Amos Comenius und würdigt auch
den Beitrag des Pietismus, insbesondere
den von August Hermann Francke in Halle. Die wohl produktivste Agentur evangelischen Bildungsverständnisses sei aber
sicher das evangelische Pfarrhaus. Die
Geschichte seines gegenwärtigen Funktions-Wandels erweist sich als ein Spiegelbild der Tatsache, dass auch die Anliegen
von Reformation und Religion überhaupt
in die Sprache und in das Denken der Gegenwart übersetzt werden müssen. Zusammenfassend kommt Ulrich Bayer zu
dem Schluss: „Der Protestantismus wurde
zur Bildungsmacht!“ (S. 66)
Nicht alle möglichen Expeditionen und
Streifzüge können in einem Band festgehalten werden, der auf Zentrales, genauer
gesagt auf Basis-Wissen Wert legt. Denkbar gewesen wäre sich auch die Themati-
Buchbesprechung
sierung der europäischen Dimension, gerade angesichts der derzeitigen in Mode
gekommenen Geringachtung des gemeinsamen Hauses Europa. Ebenso die
Variante der Reformation als Revolution,
die wir am linken Flügel bei den Taufgesinnten vor uns haben; womöglich auch
noch die derzeit zu beachtende Heimholung Martin Luthers in seine katholische
Herkunftskirche. Aber wer Streifzüge veranstaltet und sich auf Expeditionen wagt,
muss sich auch beschränken können.
Und dieses Buch wird sicher nicht das
letzte sein auf dem Weg nach 2017. Lohnend ist es dennoch aber allemal.
❚ Traugott Schächtele, Schwetzingen
Gabriele Kainz
Der Briefwechsel zwischen
Franz Marc und Pfarrer
Otto Schlier in den Jahren
1894-1900.
Eine Studie zum protestantischen Hintergrund des
Künstlers. Evangelische Verlagsanstalt Leipzig
2015, 342 Seiten, 48 Euro
E
inige von uns Alten werden sich erinnern an Frau Agnes Schlier in Heidelberg. Alle Kandidaten im Petersstift
hatten bei ihr Stimm- und Sprachbildungsunterricht zu nehmen.
Frau Agnes Schlier war die Tochter des
Heidelberger Dekans Otto Schlier, Pfarrer an der Providenzkirche bis 1932.
Otto Schlier, 1864-1945, war ursprünglich bayrischer Pfarrer, hatte dann aber
Differenzen mit der bayrischen Landeskirche, der er zu liberal und die ihm zu
konservativ war. Auf Für-sprache von
Martin Rade, dem Herausgeber „Christlichen Welt“, bei Albert Helbing wurde
Schlier 1902 in den Dienst der badischen
Landeskirche übernommen.
Als Schlier junger Stadtvikar in München
war, gehörten zu seinen Schülern und
Konfirmanden Paul (*1877) und Franz
Marc (*1880). Es entwickelte sich ein
persönlicher freundschaftlicher Kontakt
zwischen Familie Marc und Vikar Schlier.
Schlier muss auf den jungen Franz Marc
einen tiefen Eindruck gemacht haben.
Als Schlier 1893 Pfarrer im oberfränkischen Schney wurde, blieb Franz Marc
Pfarrvereinsblatt 9/2016
397
brieflich mit dem verehrten ehemaligen Vikar in Verbindung, besuchte ihn sogar in
den Ferien. Das Leben im dörflichen
Pfarrhaus („Ich fühle mich hier unendlich
wohl. Hier finde ich Stil!“, Seite 225), die
Gespräche mit dem Pfarrer beeindruckten
ihn. Franz Marc hatte bis zum Alter von 17
oder 18 Jahren den Wunsch, Pfarrer zu
werden, lernte Hebräisch. Das änderte
sich zwar im Lauf seiner Entwicklung,
aber die Verbindung blieb noch lange.
Agnes Schlier hat 1975 Briefe, die Franz
Marc, sein älterer Bruder und seine Eltern an Otto Schlier sandten, dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg
übergeben. Eine bayrische Theologin,
Gabriele Kainz, hat diesen Briefwechsel
ausgewertet und schrieb eine Dissertation zum Thema: „Der Briefwechsel
zwischen Franz Marc und Pfarrer Otto
Schlier in den Jahren 1894 bis 1900. Eine Studie zum protestantischen Hintergrund des Künstlers.“
Sie skizziert das Leben von Otto Schlier
und Franz Marc, analysiert und kommentiert die Briefe, schildert Marcs Interesse
als Jugendlicher an religiösen, philosophischen, sozialen Fragen, zeichnet sein Suchen und Ringen um seinen Weg, seine
innere Entwicklung und die ihn prägenden
Einflüsse nach. Franz Marc berichtet in
seinen Briefen an Schlier seine Lektüren;
er las Rades „Christliche Welt“ und Naumanns „Hilfe“; er schreibt von auch von
manchen „theologischen Breit-, Tief- und
Schönrednern“, Seite 217. Immer erkundigte er sich nach der „kleinen Agnes“, die
er offenbar ins Herz geschlossen hatte.
Wenn die Kommentare und Folgerungen
398
Pfarrvereinsblatt 9/2016
der Autorin mir auch nicht in allem nachvollziehbar waren, zeigt sie doch schlüssig, wie das liberale christlich-protestantische bildungsbürgerliche Elternhaus, wie
die Ausstrahlung eines Pfarrerehepaars
einen jungen Menschen prägen können.
Zitat: „Das Pfarrhaus als Institution des
bürgerlichen Protestantismus hat große
Relevanz für Franz Marc und seine Familie. Die Ausübung der bildungsbürgerlich-protestantischen Religiosität der Familie steht in engem Zusammenhang mit
der Idee des Pfarrhauses, ohne deren
Kenntnis der Briefwechsel zwischen
Franz Marc und Otto Schlier, aber auch
die restliche Korrespondenz zwischen
den Familien nicht zu verstehen ist: man
trifft sich im Pfarrhaus an den ‚MontagsAbenden’ in einer Art Hauskreis. Franz
erlebt das ‚offene Wohnzimmer’ der
Pfarrfamilie …“, Seite 180.
Kainz korrigiert aufgrund der Briefe manche Deutungen bisheriger Marc-Biographen. Sie problematisiert die übliche
These, Marc sei Nietzscheaner geworden und rät zu differenzierterem Hinsehen. In zwei Kapiteln behandelt sie „Die
religiöse Prägung Franz Marcs im literarischen und im bildnerischen Werk“. Der
Briefwechsel selber, auch der der übrigen Familienmitglieder, ist im Anhang,
teilweise erstmals, publiziert.
Wenn Marc auch später manche distanzierenden Äußerungen machte: Das Interesse an der Bibel blieb immer. Noch
kurz vor seinem Tod schrieb er im November 1915 in einer Feldpostkarte an
seine Frau, Seite 183: „Ich las wieder viel
im Evangelium, – wie kannst du eigent-
Buchbesprechung
lich im Evangelium lesen und doch Angst
haben? Thatsächlich: mir ist das gänzlich
unverständlich.“
Franz Marc starb vor 100 Jahren, am 4.
März 1916, 36 Jahre alt, durch einen
Granatsplitter, der ihn am Kopf traf. Die
Generation, die bei Frau Schlier einst
Stimm- und Sprachbildungskurse besuchte, ist auch die Generation, die nach
dem Dritten Reich, in dem Franz Marcs
Werke zur „entarteten Kunst“ zählten,
staunend seine expressionistischen Bilder kennen lernte und Postkarten mit
Marcs Turm der blauen Pferde, weidenden Pferden oder anderen seiner Tierbilder an die Wand ihrer Studentenbude
heftete.
Mindestens ebenso interessant wie das,
was wir über Franz Marc erfahren, sind
die Briefe, Berichte und Dokumente von
und über Otto Schlier, einen interessanten
Kollegen, der mehr als 30 Jahre badischer
Pfarrer war: Eine Erweiterung der „Lebensbilder aus der Evangelischen Kirche
in Baden“.
Das Buch in der Bibliothek des Oberkirchenrats unter R 2016/85 und in der
Badischen Landesbibliothek unter 116 A
1944 auszuleihen.
❚ Martin Achtnich, Ettlingen
Hans-Gerd Krabbe
Zwölf Köpfe der
Reformation
LIT-Verlag Münster 2016, 166 Seiten mit s/w Abb.
(überwiegend Portraits), 19,90 Euro
W
ird das bevorstehende Jahr 2017
wirklich ein „Reformationsjubiläum“
oder nicht doch im Wesentlichen ein „Luther-Gedenkjahr“? Abgesehen davon,
dass der Thesenanschlag am 31.10.1517
als historisches Ereignis umstritten ist, ist
es immer gewagt, für geschichtliche Entwicklungen ein genaues Anfangsdatum
festzulegen. Dennoch orientieren sich bis
heute viele Reformations-Gedenktage
und -jahre an diesem Tag.
Niemand wird bestreiten, dass Luther eine
Schlüsselfigur der Reformation war, und
die Veröffentlichung seiner 95 Thesen
wurde sicher eine wichtige Initialzündung
für viele tiefgreifende Veränderungen in
Kirche und Gesellschaft, doch:
„Die Reformation auf Martin Luther (›solus
Lutherus‹?) zu beschränken und zu konzentrieren, als sei Luther das ›Maß aller
Dinge‹ – würde weder Luther selbst noch
der Sache gerecht“, kritisiert Hans-Gerd
Krabbe in seinem neuen Buch (S.6).
Dieser Konzentration auf die Person Martin Luthers im Vorfeld des Reformationsjubiläums etwas entgegen zu setzen, ist für
Hans-Gerd Krabbe, Pfarrer der Christusgemeinde in Achern, der Ausgangspunkt
seines Buches. So stellt er Luther in eine
ganze Reihe weiterer wichtiger Personen,
die vom Mittelalter an bis weit in das 16.
Jahrhundert hinein für kirchliche Reformen und für eine auf die Heilige Schrift
Pfarrvereinsblatt 9/2016
399
gegründete Theologie und Lebenspraxis
predigten, kämpften und litten. Auch heute
noch, so der Autor, gehe es darum, das reformatorische Erbe der vier ›soli‹ zu bewahren. Über sie seien sich über alle Differenzen hinweg die Reformatoren einig gewesen. Er fasst sie folgendermaßen zusammen: Dass alles kirchliche Leben und
Handeln sich an der Heiligen Schrift zu
orientieren hat, dass Gott allein die Ehre
gebührt, dass Christus das Haupt der Gemeinde ist, und dass Gottes Wort „gehört
und befolgt wird“ (S.7). Doch, so mag man
einwenden, das ganz Neue und Unerhörte
der reformatorischen Theologie und
Schriftauslegung waren doch gerade das
„sola gratia“ und das „sola fide“, – sie
nennt der Autor hier nicht explizit.
Krabbe versteht das lateinische Wort „reformare“ nicht im Sinne von ›umgestalten‹
und ›erneuern‹, sondern im wörtlichen Sinne: „Es bedeutet ›zurück-bilden‹, ›zurückformen‹, ›zurück-führen‹ … es geht um eine Rückbesinnung und um einen Rekurs
hin zu den Quellen ... und zu den Grundlagen der Kirche Jesu Christi ...“ (ebd.).
Die Lebensbilder stellen dann das je Eigene von zwölf Personen dar sowie auch deren Beziehungen und Kontroversen untereinander. Petrus Valdès (besser bekannt
unter dem Namen Waldes), John Wiclef
und Jan Hus, die schon in ihrer Zeit harsche Kritik an der reichen, mächtigen und
korrupten Kirche und eine konsequente
Orientierung an der Heiligen Schrift wagten, kommen als Erste zu Wort. Dass unter den neun anderen sich die „Klassiker“
Luther, Zwingli und Calvin befinden, ist
keine Überraschung. Des Weiteren fehlt
weder der engste Mitarbeiter Luthers,
Philipp Melanchthon, noch Johannes
400
Pfarrvereinsblatt 9/2016
Brenz, der Reformator Württembergs,
„Luthers Mann in Südwestdeutschland“
(S.111); auch nicht zwei Mitstreiter Zwinglis, Johannes Oekolampad und Heinrich
Bullinger.
Was wir heute in „lutherisch“ und „reformiert“ einzuordnen pflegen – so viel wird in
den Lebensbildern deutlich – war in der
Frühzeit der evangelischen Kirchen ein
schier unentwirrbares Geflecht von Beziehungen und Trennungen, geprägt von Versuchen, die je eigene Haltung durchzusetzen oder in manchen Streitfragen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.
Darum darf Martin Bucer nicht fehlen, der
so unermüdlich wie vergeblich zwischen
den zerstrittenen „Lagern“ zu vermitteln
versuchte.
Auch dem in Süddeutschland wohl weniger bekannten Johannes à Lasco ist ein
Kapitel gewidmet. Ursprünglich aus Polen
stammend, wurde er der Reformator Ostfrieslands. Sein Leben war von Flucht und
Vertreibung gezeichnet, doch auch von
vielen Begegnungen mit anderen Reformatoren unterschiedlichster Prägung.
„... Ich strebe auch nicht die gleiche Form
der Zeremonien an. Viel lieber möchte ich
eine Art von einträchtiger Verschiedenheit
beibehalten wissen ...“ (S.117). Mit diesen
Worten bezeugte à Lasco eine für seine
Zeit ungewöhnliche, fast schon im modernen Sinn „ökumenische“ Weite.
Beschränkt man sich unter einer schier
unübersehbaren Schar von Menschen,
die sich durch die Jahrhunderte hindurch
um Rückbesinnung und Neuorientierung
in der Kirche Jesu Christi mühten, auf
zwölf Personen, kann dies immer nur eine
Auswahl sein. Leider werden von den vielen Frauen, die zwar in ihrer Zeit noch kei-
Neuerscheinung
ne Ämter bekleiden durften, aber ebenfalls enorm viel zum Fortgang der reformatorischen Bewegung(en) beigetragen
haben, nur wenige, und eher beiläufig,
innerhalb der Kapitel erwähnt.
In Zitaten kommen die Personen selbst zu
Wort – an manchen Stellen sind nur die
Fundorte in der Literatur, aber nicht die
genauen Quellen genannt.
Die Abendmahlsfrage war damals eine
der zentralen Streitpunkte, an denen sich
die Geister schieden, und so thematisiert
Krabbe sie an vielen Stellen. Weiteres Gemeinsames und Trennendes im Denken
und Handeln dieser Personen sowie deren Beziehungen untereinander kommen
zu Wort; die vielen in aller Kürze aufgezählten Informationen wirken jedoch häufig etwas unübersichtlich.
Krabbe setzt bei den Leserinnen und Lesern viele Ereignisse, Personen und theologische Einsichten als bekannt voraus,
da er sie nicht näher erklärt; Fachsprache
wird reichlich verwendet. Das dürfte es
Menschen ohne fundierte theologische
und geschichtliche Kenntnisse in Gemeinde und Schule schwer machen, sich eigenständig an diese Lebensbilder zu wagen. Erschwert wird die Lektüre durch
zahlreiche Klammern, Parenthesen und
Aufzählungen sowie durch viel Kleingedrucktes innerhalb des Textes.
Menschen mit einigem Hintergrundwissen lesen in diesem Buch zwar viel Vertrautes, jedoch entdecken sie auch so
manche interessante Einzelheit.
Eine ganze Reihe von „Schlussfolgerungen“, die wir heute aus der Beschäftigung
mit den Reformatoren ziehen sollen, beschließt das Buch.
❚ Gesche Kruse, Wiesloch
Harald Pfeiffer
Martin Luthers Reise
zur Heidelberger
Disputation 1518
Mit einem Grußwort des Badischen Landesbischofs Prof. Dr. Cornelius-Bundschuh;
Taschenbuch-Format: 88 Seiten, ausführlicher
Quellennachweis. 9,50 Euro
D
as Bändchen dokumentiert detailliert
erstmals Luthers über 500 Kilometer
weite Fuß- und Wagenreise zur Heidelberger Disputation, seine neun Übernachtungsstationen (u.a. in Leipzig, Coburg
und Würzburg), sein Streitgespräch im
Hörsaal des Hauptgebäudes der Universität, die Wirkung auf Studenten und Professoren, die Disputationsteilnehmer, die
Einladung auf dem Heidelberger Schloss
bei Pfalzgraf Wolfgang, die Schlossführung mit Besichtigung der Kleinodien in
der Heiliggeistkirche.
Mehrere Legenden, wie die vom Dicken
Turm und Luthers „Ein feste Burg“, bereichern den Text, der durch 40 Bilder lebendig wird. Ein Beitrag zum Reformationsjubiläum 2017.
Zu beziehen über: Dr. Harald Pfeiffer,
Wormser Straße 2, 69123 Heidelberg,
Tel. 06221 883636, AB 06221 840451.
Pfarrvereinsblatt 9/2016
401
Buchbesprechung
Paul Geißendörfer (Hg.)
Kirchen und Klöster
der Zisterzienser in
Deutschland, Österreich
und der Schweiz.
Das evangelische Erbe in ökumenischer Nachbarschaft, Kunstverlag Josef Fink, 2. Aufl. 2016,
320 Seiten, 24 Euro
D
ie „Gemeinschaft Evangelischer Zisterzienser – Erben in Deutschland“,
zu der sich im Jahr 1992 auf Initiative von
Pfarrer Paul Geißendörfer (Heilsbronn)
120 evangelische Gemeinden zusammengeschlossen haben, hat sich zum Ziel
gesetzt, das reiche spirituelle Erbe der
mittelalterlichen Zisterzienserbewegung
neu zu entdecken und den Gemeinden zu
ihrem Nutzen zu vermitteln. 87 Gemeinden, Klöster, Konvente und Kommunitäten an Zisterzienserkirchen in Deutschland werden vorgestellt, 11 in Österreich,
5 in der Schweiz, eines je in Dänemark
und in Südtirol, sowie 14 katholische Klöster der Zisterzienser mit bestehenden
Konventen.
Vorgelegt wird ein Kompendium, in dem
jedes Kloster beschrieben wird, mit einem
Überblick über die Geschichte, die Kunstausstattung, die aktuelle Situation mit Angaben über Gottesdienste, Führungen
und Öffnungszeiten. Dieser Reiseführer
vereint also touristische Attraktionen und
Angebote religiösen Lebens. In den Begleittexten zeigen prominente Autoren die
ökumenischen Erfahrungen der letzten
Jahrzehnte mit diesem spirituellen Erbe
402
Pfarrvereinsblatt 9/2016
der Zisterzienser. Dem alphabetischen Index der Klöster geht eine gründliche Darstellung der Geschichte des Zisterzienserordens voraus von den Anfängen bis zur
Gegenwart, geschrieben von Arnd Friedrich. In ihr wird deutlich, wie bedeutend
und wirkkräftig der Zisterzienserorden seit
seiner Gründung bis in die Gegenwart
war – und auch heute noch ist. Dann erfolgt die Aufzählung von A wie Altenberg
bis Z wie Zinna für die deutschen evangelischen, und von Birnau bis Zwettl, bzw. bis
Wurmbach für die katholischen Klöster in
Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Die Texte sind jeweils kurz und prägnant
von verschiedenen Autoren, sehr informativ und hilfreich für alle, die auf einer Reise
das eine oder andere dieser geschichtsträchtigen und sehenswerten Kleinodien
der gemeinsamen christlichen Geschichte
besuchen und kennenlernen wollen.
Eine künstlerische Besonderheit findet
sich am Schluss des Buches. Es ist das
Abbild einer Bronzeplastik im Altenberger
Dom des Bildhauers Werner Franzen:
„Der Gekreuzigte umarmt die beiden von
ihm knienden und betenden Kreuzestheologen Bernhard von Clairvaux (1090 –
1153) und Martin Luther (1483 – 1546).“
Christus ist nur an den Füßen angenagelt
und legt seine Arme auf die Schultern der
beiden Figuren vor ihm.
❚ Klaus Schnabel, Karlsruhe
"Freud und Leid" wurde in der Online-Ausgabe
zum Schutz der persönlichen Daten entfernt
Thema
Zu guter Letzt
Unsere Kirche ist offen.
Treten Sie ein!