Warum es bei Patientenverfügung um mehr als rechtssichere

Replik von Heinz Angermair
Warum es bei Patientenverfügung um mehr als rechtssichere
Formular-Vollmachten geht
Mit hilfreichen Hinweisen zum Thema Patientenverfügung kann man bei manchen Kunden Pluspunkte
sammeln. Wer jedoch schlicht auf rechtssichere Formular-Vollmachten, gerade bei komplexen Familienund Vermögensstrukturen, setzt, berät Kunden nicht richtig, findet Heinz Angermair von Fachinstitut Gene.
Eine Replik auf den Artikel von Ulrich Welzel.
Der Beschluss des Bundesgerichtshofs zur Patientenverfügung hat eine hohe Medienbeachtung
gefunden. Der Artikel „Warum man jetzt mit Kunden über Patientenverfügungen sprechen sollte“ von
Herrn Ulrich Welzel hat das Urteil aus Beratersicht durchleuchtet.
Die Crux der Patientenverfügung:
Beim Vorliegen einer Patientenverfügung ist zu prüfen, ob die Festlegungen in der
Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen.
Der behandelnde Arzt prüft, welche ärztliche Maßnahme im Hinblick auf den Gesamtzustand
und die Prognose des Patienten indiziert ist. Er und der Betreuer erörtern diese Maßnahme
unter Berücksichtigung des Patientenwillens als Grundlage für die zu treffende Entscheidung.
Bei der Feststellung des Patientenwillens oder der Behandlungswünsche oder des
mutmaßlichen Willens soll nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen des
Betreuten Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, sofern dies ohne erhebliche
Verzögerung möglich ist.
Rechtsprechung, medizinischer Fortschritt verändern sich ebenso wie die Vorstellungen von Menschen.
Es gibt keine Garantie, dass die heute als rechtssicher eingestuften Formulierungen auch in fünf Jahren
noch rechtssicher sind und oder der dann vorhandenen Lebenssituation entsprechen. Dies erfordert
sowohl beim Vollmachtgeber wie auch beim Berater das Bewusstsein des Erfordernisses einer
regelmäßigen Überprüfung und Anpassung.
Grundsätzliches zu Vertretungsreglungen
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Die Regelung der Vertretung für den Fall der Handlungsunfähigkeit oder der Verhinderung ist für jeden
Menschen eine existenzielle Aufgabe und eine äußerst komplexe Herausforderung. Natürlich muss dies
in einer rechtssicheren Formulierung enden.
Die Gewissheit einer rechtssicheren Formulierung alleine ist aber nur die halbe Miete. Ich möchte dies
anhand eines kurzen Erfahrungsberichtes aus der Beratungspraxis verdeutlichen:
Von 60 ausgewerteten Beratungen im Bereich Vorsorge- und Vermögensnachfolge, hatten in 40 Fällen
die Mandanten unter Verwendung der Broschüren des Bayerischen Justizministeriums oder des
Bundesjustizministeriums eine Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung und eine
Patientenverfügung erstellt.
Nach intensiver Widmung mit den Menschen (deren Vorstellungen und Lebensplanung) war das
Ergebnis, dass bei keiner einzigen Vollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung die
Vorstellungen der Mandanten vollständig erfüllt waren. Dies liegt nicht daran, dass die
Broschüren/Vordrucke schlecht sind. Der Grund ist, dass die Funktionsweise von
Vertretungsregelungen und die zu berücksichtigten Aspekte unbekannt sind.
Funktionsweise von Vertretungsregelungen
Bei den Überlegungen zur Erstellung einer Vertretungsregelung muss ich zunächst zwischen dem
Außenverhältnis und dem Innenverhältnis der Regelung differenzieren. Regelt das Außenverhältnis das
Handeln können, so bestimmt das Innenverhältnis der Vollmacht das Handeln dürfen. Das heißt im
Innenverhältnis wird beschrieben, wie der Vertreter von der Vollmacht Gebrauch machen kann. Nach
meiner Einschätzung, ist bei mehr als 80 Prozent der Vertretungsregelungen das Innenverhältnis nicht
oder unzureichend geregelt.
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So funktioniert die Vertretungsregelung
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Die richtige Vorgehensweise
1. Die Regelung des Innenverhältnisses ist die Grundlage für die Vertretungsregelung
Das Grundmotiv hinter einer Vertretungsregelung ist: „Ich möchte, dass eine von mir bestimmte Person
in meinem Sinne handelt, wenn ich dazu nicht mehr in der Lage bin.“
Dies erfordert, dass die einzelnen Aussagen in diesem Motiv strukturiert durchleuchtet und geregelt
werden. Für die Aussage „in meinem Sinne“ ist dies für die folgenden Bereiche festzulegen:
Vermögenssorge
Aufenthaltsbestimmung
Gesundheit
Persönliche Angelegenheiten
Insbesondere im Bereich Vermögenssorge und in den Fragestellungen zur Aufenthaltsbestimmung und
Gesundheit, die finanzielle Aspekte nach sich ziehen, ergibt sich für Finanzdienstleister ein
interessantes und lukratives Betätigungsfeld. Für den Bereich Gesundheit, der Vorstellungen zur
medizinischen Behandlung nach sich zieht, ist vor der Erstellung der Patientenverfügung ein ärztliches
Beratungs- Aufklärungsgespräch ratsam.
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2. Berücksichtigung von bestehende Regelungen
In dem vom BGH entschiedenen Fall war neben der erwähnten Patientenverfügung, in der alle drei
Kinder berücksichtigt waren, zusätzlich eine Generalvollmacht vorhanden, in der nur eine Tochter
bevollmächtigt war. Mehrere Regelungen, die nicht aufeinander abgestimmt und kommuniziert werden,
sind häufig die Ursache für Streitigkeiten.
Zu den zu berücksichtigenden bestehenden Regelungen zählen selbstverständlich auch Vollmachten
für Konten und Depots. Ist eine Bankvollmacht nicht mit einer Vorsorgevollmacht oder
Betreuungsverfügung abgestimmt, besteht die Gefahr, dass die Bankvollmacht vom Betreuer oder
Bevollmächtigen widerrufen wird. Existiert keine Bankvollmacht kann dies zu einem Handlungsstillstand
in den Finanzangelegenheiten führen bis eine Betreuung bestellt ist, hier drohen unter Umständen
Wertverluste zum Beispiel in Depots.
3. Patientenverfügung ohne Abstimmung
Bei einer Patientenverfügung ohne Betreuungsverfügung und/oder Vorsorgevollmacht muss für die
Durchsetzung des Patientenwillens zunächst ein Betreuer bestellt werden.
4. Kommunikation mit den Betroffenen
Bevollmächtigte oder Betreuer sollten am besten aus erster Hand erfahren, wie sie zu handeln haben.
Wird von mehreren Kindern nur eines mit einer Vollmacht betraut, sollte dies auch kommuniziert
werden, ansonsten besteht die Gefahr, dass im Vertretungsfall Eifersüchteleien, Missgunst und
Misstrauen entstehen.
Positionierung im Bereich von Vertretungsregelungen
Für Banken und Berater gilt es sich im Bereich von Vertretungsregelungen richtig zu positionieren. Es
stellt sich die Frage, bieten wir eine Service- oder eine Beratungsleistung.
Service:
Unter Service verstehe ich, den Kunden auf die Erfordernisse hinzuweisen und den Weg aufzuzeigen
und an einen Netzwerkpartner zur Beratung zu verweisen.
Beratung:
Als Beratungsleistung, ist die Unterstützung des Kunden bei der Erstellung der Vertretungsregelung zu
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sehen, hierbei geht es vor allem um Aspekte des Innenverhältnisses im Rahmen der Vermögenssorge
und deren Abhängigkeit zu Vorsorgemaßnahmen im finanziellen und wirtschaftlichen Bereich.
Rechtliche Rahmenbedingungen:
Bei der Positionierung ist die Rechtsprechung des Oberlandesgericht Karlsruhe (23. Oktober 2010 – 4U
109/10) zu beachten.
Beratungsprofis Vollmachten:
Zurecht verweist Herr Welzel in seinen Artikel auf ein funktionierendes Netzwerk mit Beratungsprofis im
Bereich von Vollmachten und Verfügungen. Doch was zeichnet Beratungsprofis in diesem Themenfeld
aus?
Spezialisten in diesen Bereich müssen nicht nur in der Lage sein, eine rechtssichere Vollmacht
und/oder Verfügung zu erstellen. Sie müssen vielmehr im Vorfeld mit dem Mandanten das
Innenverhältnis und alle zu berücksichtigen Faktoren klären.
In der Praxis mache ich in der Zusammenarbeit mit Anwälten und Notaren immer wieder die Erfahrung,
dass diese zunächst irritiert sind, in welcher Intensität wir uns mit dem Innenverhältnis, also mit der
Frage „Ich möchte, dass eine von mir bestimmte Person in meinem Sinne handelt,...“ beschäftigen.
Nach Erläuterung der Hintergründe haben es bisher alle als extrem hilfreich und sinnvoll erachtet.
Fazit
Ja, es ist wichtig, dass mit Kunden über Vertretungsregelungen gesprochen wird, wobei die
Patientenverfügung am wenigsten mit dem Bankgeschäft zu tun hat.
Den Eindruck zu erwecken mit rechtssicheren Formular-Vollmachten sei das Thema einfach zu regeln,
sollte gerade bei komplexen Familien- und Vermögensstrukturen vermieden werden.
In Themenfeldern, bei denen sich ein enger Bezug von Vertretungsregelungen zu Finanz- und
Vermögensfragen ergibt, (Vermögensanlage, WPHG und Vollmacht) sollte sich die Bank inhaltlich
positionieren.
Beratungsprofis im Bereich Vollmachten und Verfügungen müssen umfassend auch nachweislich das
Innenverhältnis behandeln.
Zielsetzung ist eine an den Vorstellungen des Kunden finanziell und rechtlich abgestimmte Vorsorge für
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den Erlebens- und Todesfall.
Über den Autor:
Heinz Angermair ist geschäftsführender Gesellschafter des Fachinstituts für Estate Planning Gene. Er
ist Initiator der Estate-Planner-Bewegung in Deutschland, Mitgründer des Vereins Estate Planner
Deutschland sowie des Qualitätssiegels Certified Estate Planner.
Dieser Artikel erschien am 09.09.2016 unter folgendem Link:
https://www.private-banking-magazin.de/replik-von-heinz-angermair-warum-es-bei-patientenverfuegung-um-mehr-als-rechtssichere-formular-vollmac
hten-geht-1470294883/
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