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FRÜHE ARBEITEN
ZANGS
H E R B E R T
HERBERT ZANGS · FRÜHE ARBEITEN
Vorwort
Herbert Zangs ist ein Phänomen. Ein legendärer Exzentriker, ein
schillerndes Genie und, vor allem, ein bedingungsloser Avantgardist.
Ob ZERO-Kunst oder Manzonis „Achrome“ – in verblüffender Prägnanz hat er vieles vorweggenommen.
Herbert Zangs (1924 – 2003) ist ein Bahnbrecher. Und doch steht er
lange am Rande der Kunstgeschichte, bleibt ein Fall für Kenner. Er
selbst ist daran nicht unschuldig: Immer wieder lässt er Chancen
auf Publikumserfolge fahren, schert sich nicht um die Kunstszene,
nicht um seinen Platz in der Geschichte. Um ein Haar wäre das
richtungsweisende Frühwerk sogar auf dem Sperrmüll gelandet.
Dass dies verhindert werden konnte, zählt zu den größten Glücksfällen für die Kunstgeschichte wie auch die Sammler. Denn es sind
die frühen Werke, die Zangs’ überwältigende Innovationskraft augenscheinlich werden lassen. Hier liegt das fruchtbarste Material für die
in den 1990er Jahren eingeläutete „Wiederentdeckung“ von Zangs:
Ausstellungen, die Publikation eines mehrbändigen Werkverzeichnisses, nicht zuletzt die Multiplikatorwirkung der jüngsten ZEROBegeisterung sorgen für die neue Aktualität seines Schaffens. Auch
der gegenwärtige Kunstmarkt kann für Zangs nur ein Urteil fällen:
„Tendenz steigend“.
Aber machen Sie sich selbst ein Bild von diesem verkannten Jahrhundertgenie: Ketterer Kunst, seit Jahren mit Expertenschaft für
Herbert Zangs, präsentiert eine eindrucksvolle Selektion aus der
besten Schaffensphase – Pioniertaten eines unbequemen Neuerers.
Dass diese Ausstellung zustande kommen konnte, ist insbesondere den Leihgebern zu verdanken, die uns in großzügiger Weise
ihre qualitätvollsten Werke anvertrauen. Besonderer Dank gebührt
zudem einem der intimsten Kenner von Zangs: Ich freue mich außerordentlich, dass wir Herrn Prof. Dr. Erich Franz für dieses Projekt
gewinnen konnten. Sein kenntnisreicher Aufsatz nimmt uns mit auf
eine spannende Entdeckungsreise zu den avantgardistischen Highlights der Ausstellung.
Beste Voraussetzungen also für großen Kunstgenuss – ich freue
mich auf Sie!
Ihr
Robert Ketterer
1
BILD ALS ENERGIEZUSTAND
Zu den Werken von Herbert Zangs in den 1950er Jahren
Von Erich Franz
Verweißungen
Herbert Zangs wurde 1924 in Krefeld geboren, hatte mit 17 bis 21
Jahren als Flieger im Krieg gedient und 1945 bis 1949 an der
Düsseldorfer Kunstakademie studiert. 1 Mit farbkräftigen und sicher
auf die Fläche hingestrichenen Landschaftsgemälden erlangte er
bald erste Erfolge. Dann, im Jahr 1952, unternahm er einen folgenschweren und gewagten Schritt, dessen Gründe bis heute im
Dunkeln liegen: Er schuf seine ersten weißen – eigentlich „verweißten“ (weiß überstrichenen) – Werke. Zangs erzählte viel später, als
er auf die „Verweißungen“ angesprochen wurde: „Mein Anfang, das
waren die Trümmer der Häuser, der Gärten, das war mein Leben.
Was ich brauchte und suchte, fand ich dort. […] Aus allem war doch
etwas zu machen. Es gab doch sonst nichts.“ 2 Zunächst – 1952
– waren es zerfallene und verwitterte Objekte mit einer frontalen
Ansichtsseite, etwa ein durchgerosteter Deckel oder ein Keilrahmen
mit abgeschnittener Leinwand, die Zangs mit weißer Farbe locker
überstrich und an der Wand aufhängte. Sehr bald – ab 1953 – befestigte er solche Gegenstände auf einem flachen Untergrund und
übermalte alles weiß, jedoch so flüchtig, dass die Farbe die Materialität nicht versiegelte. Eine kleine, massive Brille und die Gummiauflage einer Waage sitzen zentriert auf einer Hartfaserplatte; eine
kleine Holzkugel, ein Stück faltige Leinwand und eine Flügelmutter
verteilen sich auf einer flach zerlegten Kartonschachtel; fünf Papiertüten mit der Spitze nach vorne sind auf den Boden einer aufgeklappten Pappschachtel geklebt (S. 17, 24, 30).
Die „Verweißung“ verbindet die Fundstücke optisch mit dem Untergrund. Das gesamte rätselhafte Stück entwickelt eine irritierende
Ausstrahlung, es blickt sozusagen den Betrachter provozierend an.
Die fremdartigen plastischen Einzelheiten verbinden sich zu einer
integralen Erscheinung – fast wie ein Bild. Etwas Kleines und Hartes kontrastiert zu etwas Ausgebreitet-Weichem, ein rundes Objekt
tritt aggressiv hervor und wird in dieser Plötzlichkeit von der umgebenden weißen Leere betont. Fünf knitterige Spitzen ragen dem
Betrachter entgegen. Man spürt das Störrische jedes einzelnen Dings,
seinen Widerstand gegenüber einer bildmäßigen Einheit, man spürt
aber auch die optischen Spannungen und Dialoge innerhalb der
gesamten weißen Front, die dem Blick gegenübersteht.
Zwei Arten des Sehens werden hier zugleich herausgefordert: das
tastende (haptische) Sehen, das den Gegenstand nahe heranholt,
um ihn zu überprüfen, und das nur optische Sehen, das auch die
leeren Zwischenräume, die Komposition und den Rhythmus zwischen
den Formen wahrnimmt. Bereits der große Naturforscher Hermann
von Helmholtz stellte 1868 fest, „dass wir die Raumanschauungen
des Auges durch die des Tastsinnes, wo es geht, fortlaufend controlieren und corrigieren und dabei die Aussagen des Letzteren immer
als die entscheidenden betrachten.“ 3 Entsprechend unterschied der
Wiener Kunsthistoriker Alois Riegl im Jahr 1901 zwischen einer „haptischen“ Kunstauffassung, die „uns die Wahrnehmungen des Tastsinns suggerieren“ möchte, und einer „optischen“ und „fernsichtigen“
2
KETTERER KUNST
Kunstauffassung, mit der sich für Riegl „ein erhöhter Appell an die
Erfahrung, an das geistige Bewusstsein des Beschauers“ verbindet.4
Zangs kombinierte in seinen „Verweißungen“ beide Wahrnehmungsformen. Er bringt den bildlichen Gegenstand ganz real und nahe
vor Augen, er stellt ihn nicht nur malerisch dar. Die aufdringliche
Konkretheit der Fundstücke widersetzt sich sogar ihrer Einfügung
in die Fläche. Zugleich erzeugt aber Zangs mit traumwandlerischer
Sicherheit etwas ganz anderes, etwas Unerwartetes: ein optisches
„Bild“. Er verbindet die greifbaren Dinge innerhalb des weißen Feldes
durch ungreifbare visuelle Rhythmen, durch Zentrierung innerhalb
der Leere, durch formale Abfolgen und kompositionelle Bezüge. Das
so entstehende „Bild“ ist keine ebene Fläche, sondern eine visuelle frontale Erscheinung. Es ist schwer zu beschreiben, was eigentlich das Ganze ausmacht. Man könnte von einem Energiezustand
sprechen, der alles Einzelne umfasst. Rückblickend hat Zangs
diese Absicht der Entmaterialisierung und Verwandlung bestätigt:
„Meine Verweißungen sind ein Weg zur Abstrahierung und Reduktion der Dinge. Ein Versuch der Vergeistigung in der Phantasie.“ 5
Das offene „Bild“
Dieses „Bild“, die formal zusammengeführte und im Weiß vereinheitlichte Erscheinung, existiert nicht als eine vom Rahmen umschlossene, abgehobene Welt. Die sichtbaren Gegenstände sind reale und
alltägliche Dinge. Sie betonen sogar noch ihre Bedeutungslosigkeit:
Sie sind weggeworfene Bruchstücke, Reste. Aus dieser Kunstlosigkeit und gegenständlichen Gegebenheit gestaltet nun Zangs etwas
Erstaunliches: eine sich ausbreitende visuelle Dynamik, eine weiterreichende Bewegung und immaterielle Energie, die sich beim Sehen
immer neu auflädt. Die Dramaturgie der Sehprozesse macht aus
dem objet trouvé ein Bild. Es steht nicht vor Augen, sondern lädt
sich zu einem übergreifenden Spannungsfeld auf. Das „Bild“ als
Energiefeld ist nicht identisch mit der materiellen Fläche, es ist
unabschließbar und wird von den Realobjekten immer auch gefährdet. Das banale und tote Objekt tritt in einen aktiven und angespannten visuellen Aggregatzustand ein, der es – in jeder „Verweißung“
auf andere Weise – als Bewegung übersteigt. Man erfährt ihre Einheit als visuelle Verdichtung, die jedoch niemals das FragmentarischZerfallene vergessen macht.
Damit gehört Zangs zu den wenigen Künstlern, die weitgehend
unabhängig voneinander Anfang der 1950er Jahre in Amerika und
Europa die statische Einheit des Staffeleibildes aufhoben. Barnett
Newman, Jackson Pollock und Ellsworth Kelly nahmen dem Betrachter das sichere Gefühl, er könne das gesamte Bild in einer
einheitlichen Sichtweise überblicken. Jean Dubuffet verkrustete die
Bildoberfläche so kompakt, dass der Blick in keinen Bildraum eindringen kann. François Morellet löste die linearen Konstruktionen
von der weißen Bildoberfläche; Ordnung und geordnetes Feld fielen
auseinander. Mit Herbert Zangs ist am ehesten Lucio Fontanas
dynamischer Umgang mit der materiellen Bildoberfläche vergleich-
bar. Fontana war Plastiker. Erst 1950 nahm er zum ersten Mal eine
auf einen Keilrahmen gespannte Leinwand in die Hand. Er „bemalte“
sie, indem er sie mit einem Stecheisen mehrfach durchbohrte. Der
Blick, der die so geschaffenen Formrhythmen verfolgt, dringt durch
die materielle Bildoberfläche hindurch und realisiert ein „concetto
spaziale“, ein räumliches Konzept – er verfolgt eine immaterielle Bewegung. Von Fontanas „plastischem“ Umgang mit der Bildoberfläche
wurden auch Alberto Burris zusammengenähte „Sackbilder“ beeinflusst (ab 1952).
Winter 1953/54 nach Paris mitgebracht habe. 10 Solche „Rechenzeichen-Collagen“ sind Zufügungen und negative Aussparungen
– weniger im mathematischen Sinn als in einer realen Schichtung
von Wellpappe. Einfache, ganzheitliche Form-Zeichen werden summierend geschichtet oder aus der Fläche herausgenommen (S. 19).
Eine vordere Ebene schließt sich über negative Lücken hinweg
zusammen, die teilweise wiederum – als lineare Abschnitte (ein „X“,
ein „–“) positiv wirken. Es entstehen ruckhafte Bewegungen von
Zeichen zu Zeichen.
Als Zangs diese „Bilder“ schuf (ab 1952), war eine solche Öffnung
des Werks auf eine heillose Welt sehr gewagt und musste unverständlich bleiben. Als äußerste Avantgarde galt das soeben aufkommende Informel, dessen Ansatz weit weniger radikal war: Es zerfetzte
lediglich die Formen im Bild, nicht aber das Bild insgesamt. Lange
noch bewahrte es seine ebene Fläche und seine geraden Ränder
– bis etwa 1956, als Emil Schumacher seine „Tastobjekte“ begann,
Bernard Schultze plastische Einklebungen einfügte und Gerhard
Hoehme in seinen „Schwarzbildern“ die Farbe von der Oberfläche
aus nach vorne trieb.
Man erkennt deutlich, wie die räumliche Schichtung gemacht ist;
als Betrachter vollzieht man die Tätigkeiten des Künstlers nach. Das
gilt auch für die gerissenen ungefähren Quadrate aus Pappe, die
mit großen Nadeln auf einer Unterlage angepinnt sind und ein regelmäßiges Raster bilden (S. 33). Man spürt die Vorgänge (Reißen,
Festpinnen) und – als Gegensatz dazu – die gleichförmige bildhafte
Einheit.
„Die Bilder, die ich ‚Verweißungen‘ nannte, waren für die damalige
Zeit so neuartig, so revolutionär, für Außenstehende so fremd, dass
ich sie kaum jemand zeigen mochte“, erinnerte sich Zangs später. 6
Es gibt kein Vorbild; sein Hinweis auf das Erlebnis einer von frisch
gefallenem Schnee überzogenen Landschaft während der Kriegsjahre in Finnland 7 klingt eher nach einer nachträglichen Gründungslegende, die allerdings sehr schön die entmaterialisierende Vereinheitlichung durch das Weiß beschreibt. Mit dem Maler Wols hatte
Zangs 1951 einige Nächte als Clochard unter den Brücken von
Paris verbracht. Möglicherweise boten ihm dessen malerische Zerfaserungen als existenzielle Aussagen ein Vorbild. 1952 bezog Zangs
ein Atelier in Düsseldorf in der Sittarder Straße, wo auch Norbert
Kricke arbeitete. Dieser hatte seit 1950 seine Skulpturen auf fast
immaterielle Linien aus Draht reduziert, so dass die leeren offenen
Zwischenräume zum eigentlichen „plastischen“ Material wurden.
Zangs hatte mit seinen gegenständlichen, locker gemalten Bildern
einen schnellen Erfolg. Bereits 1950 widmete ihm Paul Wember,
Direktor des Kaiser Wilhelm Museums in Krefeld, eine Einzelausstellung, und zwei Jahre später erhielt er für ein solches Gemälde
(„Avignon“) den Kunstpreis der Stadt Krefeld. Fast niemand bekam
dagegen seine weißen Bilder zu Gesicht. 8 Pierre Restany, später
ein bekannter französischer Kunstkritiker, war 1954 nach Düsseldorf
gekommen und hatte dort weiße Arbeiten von Zangs gesehen. 1956
wurde in der Frankfurter Zimmergalerie Franck ein weißes Relief
aus gegossener Farbe ausgestellt. Und Norbert Kricke bestätigte
1974, dass „Herbert Zangs bereits in der Mitte der fünfziger Jahre
sich mit weißen Arbeiten beschäftigte. Ich habe viele große Bilder
in seinem Atelier gesehen, auch serielle, rhythmische Arbeiten
waren dabei.“ 9
„Bild“ als Handlung
Ab 1953 vereinigte Zangs die „verweißten“ Elemente zu engerer
optischer Kontinuität. Dennoch kehrte er nicht zu einem einheitlichen
flachen Bildgrund zurück. Weiterhin dehnt sich das Bild über materielle Stufen und Brüche hinweg aus. Der Maler Manfred von Diepold,
mit dem Zangs in Düsseldorf studiert hatte, erinnerte sich an „eine
kleine Collage aus Pappe mit aufgeklebten Rechenzeichen aus dem
gleichen Material und mit weißer Farbe bemalt“, die Zangs ihm im
Ab 1953 entstanden „Einknüpfungen“, bei denen kleine Objekte,
etwa Korken, in einen dünnen Baumwollstoff mit Hilfe eines Fadens
eingeknüpft sind (S. 25). Das „Bild“ zeigt nicht nur die Bewegungen
des Einknüpfens, des Raffens und faltigen Stauchens, sondern das
„Bild“ besteht aus diesen Bewegungen, die seine gesamte Fläche
– das ursprüngliche Rechteck des Baumwolltuchs – dynamisch
verzerren. Die ungefähre Regelmäßigkeit der Einknüpfungen und
auch die Verweißung des bereits weißen Tuchs betonen diese Prozesse, die man im Sehen immer neu nachvollzieht. Zangs wurde
zu den Einknüpfungen durch afrikanische Knüpftechniken angeregt,
die für Kleider verwendet worden waren. 11 Er übertrug sie auf die
dynamische Gestaltung eines Bildrechtecks. Es war nicht mehr ein
gefundenes Objekt, das die materielle Aufstülpung der Bildfläche
bewirkte, sondern eine erkennbare Aktion, ein offener Umgang mit
dem Material. Zeit und Eingriff ins Material bestanden nicht lediglich
in sichtbaren Spuren des Verfalls, sondern in seiner aktiven Behandlung, die der Betrachter unwillkürlich nachvollzieht.
In rascher Folge erfand Zangs immer neue Vorgehensweisen, um
die bildliche Fläche mit realer Bewegung zu durchdringen. Oft bediente er sich eines gleichmäßigen Rasters, um an diesem Muster
die Unregelmäßigkeit der Ausführung in den Blick zu heben. Das
gilt auch für seine „Faltungen“. Entweder knickte er mehrfach einen
starken Karton, den er zuvor leicht verweißt hatte (S. 34). Die zarten
Bruchlinien in der weißen Oberfläche zeugen von der Brechung der
gesamten ebenen „Bild“-Fläche. Oder er zog ein dünnes Packpapier
zu Graten zusammen, die sich rechtwinklig durchkreuzen, und erzeugte so eine optische Spannung, die sich mit der nachvollziehbaren Tätigkeit verbindet (S. 27).
In den Jahren 1952 – 1955 benutzte Zangs die technischen Einrichtungen der Zierleistenfabrik Schlüter in Krefeld, insbesondere die
dickflüssige, mit Knochenleim versehene weiße Grundiermasse.
Die Farbe war nicht nur Überzug, sondern selber Material. Sie ergießt
sich in langsamen, breiten Flüssen oder als schnelle, über das Bild
verlaufende Farbfäden und Spritzer. Die Farbflüssigkeit präsentiert
sich selbst, sie bildet keine Form; das weiße Bild ist ein Spielfeld
ihrer Verläufe und Begegnungen (S. 37).
In anderen „Bildern“ agiert die dickflüssige Farbmaterie auf andere
Weise. In den Zwischenräumen einer Gratfaltung wird sie in deutlichen parallelen Bewegungen weggeschabt (S. 32). Sie dringt in
die Poren eines groben Jutestoffs ein und bildet aufeinander geschichtete Formen der Ausbreitung – dünnflüssig oder pastos-
3
fleckig (S. 36). In der Qualität des Materials spürt man unterschiedliche Arten der Bewegung und Bearbeitung.
Gereihte Wiederholungen von Quadraten aus Pappe, die wie Kacheln
auf eine Hartfaserplatte aufgeklebt sind, stellen das Ausgangsmuster
für rhythmische Bewegungen her (S. 42). Jedes der Quadrate zeigt
eine fließende Bewegung dickflüssiger weißer Leimfarbe, die von
einer Kante aus in die Fläche hineinfließt. Dies ist die eine Bewegungsart. Die andere besteht darin, dass das Auge von einem zum
nächsten Quadrat ähnliche Verlaufsformen wahrnimmt und sie als
rhythmische Sequenzen aufeinander bezieht. Diese Sequenzen
wirken teils langsamer und teils schneller, in der einen Bildhälfte
steigen sie auf, in der anderen ab.
So erzeugt jedes „Bild“ von Zangs, jeder optische Materialbezug,
ein anderes Drama, eine andere Aktion des Sehens, einen anderen
Tanz. Ein großer Atem, ein mitreißender Rhythmus durchdringt die
weißen Reliefbilder, die zwischen 1955 und 1958 entstehen (S. 46,
44). Man erkennt am Ergebnis die Vorgänge der Herstellung, die
sich in der plastisch-dickflüssigen Masse des weißen Knochenleims
abzeichnen: ein lineares Durchfurchen, dessen Spuren von dichten,
vibrierenden Abschabungen (vermutlich mit einer Pappkante) überlagert werden. Die Farbe wurde zu seriellen Aufhäufungen und
Eintiefungen strukturiert, die über das gesamte Bild hinweg einen
einheitlichen Rhythmus durchhalten und den Blick in permanenter
Bewegung weitertreiben. Licht und Schatten werden auf der weißen
Oberfläche zu wichtigen Mitspielern. Auch hier treffen die raschen
und sicher kontrollierten Bewegungen der Herstellung mit den lebendigen und unbegrenzbaren Bewegungen des Sehens zusammen.
Von Ferne erinnern solche rhythmische Strukturen an die etwas
später entstandenen vibrierenden Oberflächen der ZERO-Künstler,
die jedoch nie eine ähnlich haptische-aktive Qualität spüren lassen.
Abkehr vom Weiß
Um 1955 kommen auch dunkle Farben ins Spiel, das heißt auch
wieder: dunkle Bewegungsformen. Auf schwarzem Grund breitet
sich eine Ansammlung flüssiger weißer Tropfen aus – also kein
Weiter fließen über die Fläche hinweg, sondern ein senkrechtes
Auftreffen und Ineinanderfließen (S. 20f). Rußspuren (vermutlich von
einer Gasflamme) bilden ebenfalls auftreffende Bewegungen, jedoch
ganz anderer Art, die sich auch in einem anderen Rhythmus über
die langgezogene Bildfläche ausbreiten.
Ab 1956/57 trägt Zangs Farbe auf die Fläche auf – ein kräftiges Rot
oder Blau (S. 47). Was bis dahin die Rolle der Zwischenräume
zwischen materiell-haptischen Abschnitten war, übernimmt nun der
weiße Untergrund. Die Farbe ist wie zerrissen; mit einem Scheibenwischer wurden unruhige Rhythmen hergestellt, die den Blick über
die hellen Lücken weitertreiben. Auch hier treffen sich die rhythmischen Bewegungen der Strukturierung mit den unruhigen Vorgängen der Wahrnehmung.
Ab 1958 tritt ein erstaunlicher Wandel im Werk von Zangs ein: Die
Einheit des Weißen wird ersetzt durch die Einheit der Schwärze. Die
Bilder bewegen nicht mehr auf den Betrachter zu, sondern ziehen
sich vor ihm zurück, bekommen eine immaterielle Tiefe und scheinen sich manchmal weitgehend zu verschließen (S. 51, 52). Die
Rhythmen wirken ruhig und meditativ, und aus dem Dunkel schimmert eine blasse Helligkeit oder sogar ein verhalten glühendes Rot.
An der Malerei von Zangs ist stets die unmittelbare Bewegung
4
KETTERER KUNST
seiner Impulse, seines Umgangs mit dem Material und seiner vitalen
Anspannung zu spüren. Zangs hat diese lebendigen Impulse niemals
dem Aufbau einer Karriere und den Erfordernissen des Marktes
angepasst. Er war sperrig, eigensinnig und widerständig – im Leben
wie in der Kunst. Sein Werk der 50er Jahre hat er im Verborgenen
gestapelt, bis sein Künstlerfreund Adolf Luther es Anfang der 1970er
Jahre in einer der zahlreichen „Ablagerungen“ des ständig verreisten Künstlers wiederentdeckte. Sein späteres Werk ging noch
stärker in Richtung Material und Aktion. Er nahm auch die aktionistischen Strategien seiner frühen Jahre wieder auf und entwickelte
sie weiter. Die energiegeladene Spannung zwischen ihnen und
einem immateriell-visuellen „Bild“ haben sie nicht mehr erreicht.
Anmerkungen
1 Für die Erforschung von Leben und Werk von Herbert Zangs sind zwei
Publikationen grundlegend, auf die sich auch die vorliegende Arbeit stützt:
Susannah Cremer-Bermbach, Herbert Zangs. Werkmonographie, Essen 1996.
– Emmy de Martelaere, Herbert Zangs. Werkkatalog der Abstrakten Arbeiten,
Tome I 1952–1960, Fascicules nos1–3 und dazugehörige Cahiers d’Archives,
Paris 2004–2013.
2 Thomas Weber, Zangs. Plus Minus Leben, Düsseldorf o. J. (1997), S. 65.
3 Hermann von Helmholtz, „Die neueren Fortschritte in der Theorie des Sehens“
(1868), in: ders., Vorträge und Reden, 4. Aufl., Bd. 1, Braunschweig 1896,
S. 329.
4 Alois Riegl, Die spätrömische Kunst-Industrie, Wien 1901, S. 64.
5 Thomas Weber, Gespräche mit Herbert Zangs, in: Herbert Zangs, Ausst.Kat. Krefelder Kunstverein 1994, o. S.
6 Herbert Zangs, Sehen in Weiß. Stationen meines Lebens, Krefeld 1996,
S. 30.
7 Herbert Zangs, Ausst.-Kat. Westfälischer Kunstverein Münster, 1974, S. 143.
8 Cremer-Bermbach (wie Anm. 1), S. 76.
9 Ebd., S. 163.
10 Ebd., S. 168
11 Sehr ähnlich sind Knüpftechniken aus Westafrika; vgl. René Gardi, African
Crafts and Craftsmen, New York 1969, S. 215–219. Gardi war ein bekannter
Reiseschriftsteller, der seit Anfang der 50er Jahre zahlreiche Bücher über
seine Eindrücke aus Afrika veröffentlicht und Vorträge gehalten hat.
HERBERT ZANGS
Werk und Wirkung
Herbert Zangs ist ein Künstler, dem sein Ruf seit jeher in großen
Schritten vorauseilt. Als exzessiv und egozentrisch, urtümlich und
undiplomatisch wird er beschrieben. Zangs ist ein leidenschaftlich
polternder Charaktertyp gewesen, oft ordinär und aufdringlich, zugleich aber ein Einzelgänger in höchster Konsequenz – eine geradezu legendäre Verwirklichung aller nur denkbaren Künstlerklischees
zwischen Genie und Wahnsinn. Er arbeitet wie im Rausch und lässt
das Geschaffene achtlos liegen, streunt dann wieder als weithin
bekannter und gefürchteter Schnorrer durch das Nachtleben. Immer
wieder ist er urplötzlich verschwunden – meist dann, wenn seine
Anwesenheit dringend nötig gewesen wäre, um Aufträge zu erhalten
oder Ausstellungen zu eröffnen.
„Als Künstler braucht man in jeder Hinsicht Unabhängigkeit, das
große Gefühl von Freiheit“, findet Zangs (Stationen meines Lebens,
1996, S. 133). Per Anhalter reist er durch die Welt, rast- und ruhelos, nächtigt in Galerien und Kellern, auf Parkbänken und unter
Brücken wie ein Clochard. Konstanten, soweit für einen wie Zangs
überhaupt möglich, bilden die wiederkehrenden Aufenthalte in der
Geburtsstadt Krefeld und der Wahlheimat Paris – Letzteres jedoch
nur, bis er 1979 wegen einer Schlägerei mit Polizisten aus Frankreich
ausgewiesen wird. Diese Episode passt zu Herbert Zangs wörtlich
wie die Faust aufs Auge.
Bis zu seinem Tod 2003 bleibt dieser Künstler eine eindrucksvolle
Urgewalt. Noch in den letzten Lebensjahren, durch einen nachlässig
behandelten Diabetes an beiden Beinen amputiert, verteidigt er aus
dem Rollstuhl heraus seinen Ruf als „Enfant terrible“ der Kunstszene.
So und nicht anders muss schließlich in Zangs’ Augen ein wahrer
Avantgardist sein.
1 Herbert Zangs, Ausstellung im Kunstverein Mannheim, 1978
(Cahier d’Archives 2009, S. 39).
Innovationen eines Ausnahmekünstlers
Doch wie bei so vielen exzessiven Künstlern, verbirgt sich auch bei
Herbert Zangs ein im Kern hochsensibler Charakter: der Rest des
verletzlichen, zarten und etwas wunderlichen Kindes, das er einst
war. Diese Seite verraten auch seine frühen Werke aus dem Jahrzehnt zwischen 1952 und 1962. Ohne das Wissen um die wüsten
Eskapaden ihres Schöpfers erscheinen diese Arbeiten in all ihrer
Kraftentfaltung doch zugleich melancholisch, still, geradezu poetisch.
Die berühmten „Verweißungen“, in denen sich die Farbe in transluziden Schichten über aufgefundene, reliefartig arrangierte Objekte
2 Geburtshaus von Herbert Zangs, Marktstraße,
Krefeld (Cahier d’Archives 2013, S. 60).
3 Bestätigung des Unternehmers Johann Schlüter,
der Zangs in den 1950er Jahren Material und Technik für seine „Verweißungen“ zur Verfügung stellt,
19. Dezember 1974 (Cahier d’Archives 2007, S. 86).
5
4 Zangs bei der Luftwaffe, um 1943/44
(Cahier d’Archives 2004, S. 97).
breitet, auch die weißen oder geschwärzten Reliefgemälde mit
Strukturen aus heiß aufgebrachter Farbmasse oder die gefalteten
und geknüpften Objekte offenbaren einen Künstler von urtümlicher
Kraft, aber auch von spröder, versteckter Feinfühligkeit.
Weißer Schnee – weiße Kunst
Im Zentrum von Zangs’ Schaffen steht die Farbe Weiß. In der Nachkriegszeit ist Weiß das Symbol der „Stunde null“, eines totalen Umsturzes. Schon 1918 bei Malewitsch Kennzeichen eines völlig neuen
Kunstbegriffs, tritt das Weiß in den 1950er Jahren seinen Siegeszug
an. Robert Rauschenbergs „White Paintings“ (1951), Lucio Fontanas
weiße Monochromien oder Pietro Manzonis „Achrome“ setzen das
weiße Bild als Statement.
Mit der Konzentration auf die Farbe Weiß ist Herbert Zangs also
völlig „up to date“. Noch während seiner Zeit als Student in den
späten 1940er Jahren experimentiert er in einem leerstehenden
Bunker erstmals mit weißen Bildern. 1952 findet er in den „Verweißungen“ eine neue, ganz persönliche Kunstform.
Die Erklärung für diese Innovation ist so verblüffend wie subjektiv:
Zangs ist als jugendlicher Soldat im Zweiten Weltkrieg bei der
Luftwaffe in Finnland stationiert. Auf langen, einsamen Erkundungsflügen über die weite, mit dünnem Schnee bedeckte Landschaft
brennt sich das Weiß geradezu in seinen Augapfel ein. Dieser Eindruck wird zur Keimzelle eines innovativen Œuvres. Zangs selbst
befindet im Rückblick, dass er 1952 mit seinen „Verweißungen“
genau das verwirklichen kann, „was mir als Ziel schemenhaft seit
Finnland vorgeschwebt hatte“. „Ganz Finnland ist aus der Luft gesehen ein Kunstwerk. Diesen Erinnerungen verdanke ich viele
Werke, die ich dann später verwirklicht habe“ (Stationen meines
Lebens, 1996, S. 28, 19).
6
KETTERER KUNST
Es ist aber keineswegs die Schönheit dieser Landschaft, die Herbert
Zangs inspiriert. Der Natureindruck ist, im Gegenteil, Symbol der
Grenzerfahrung des Weltkriegs: „Die Landschaft […] ist baumarm.
Und das Wetter ist extrem. Es wehen orkanartige Stürme im Winter, im Sommer ist es Tag und Nacht hell. […] Ich spürte, es war
was in der Gegend, was die Menschen krank macht, im Kopf und
am Körper“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 127).
Dieser Eindruck verfestigt sich in einem Trauma-Erlebnis. Im Jahr
1943, gerade 19 Jahre alt, fliegt Zangs einen Erkundungsflug und
stürzt über Norwegen ab. Erst Tage später wird er gefunden, allein,
nur in seinen Fallschirm gewickelt, unterkühlt, mit dem Tod ringend
in schneebedeckter Landschaft. Als er im Lazarett erwacht, gleicht
die erste Wahrnehmung wieder der letzten: Nun ist es der Blick aus
dem Fenster, auf die mit sanftem Schnee dünn gepuderten, weiten
Ebenen. Die vom restlichen Geschehen wie losgelöste Detailwahrnehmung dieses Fensterblicks, die Zangs immer wieder beschreibt,
ist nicht nur Merkmal einer Trauma-Erfahrung. Sie wird zugleich
zum Motor bahnbrechender künstlerischer Entwicklung: „Da ist es,
das ganze Geheimnis, der tiefe Grund für die Monochromie oder
die Achromie ad litteram eines am Rand stehenden Werks, das im
Lauf der fünfziger Jahre […] entwickelt wurde. In dieser Zeit war es
am meisten Vorwegnahme“ (Pierre Restany, zitiert nach: Das offene
Bild, Kat. 1993, S. 50)
Genie ohne Publikum
Stellt man die abstrakten Werke von Herbert Zangs aus dem Jahrzehnt von 1952 bis 1962 in den Kontext der Kunstentwicklung
dieser Epoche, so zeigt sich die ganze innovative Kraft eines Ausnahmekünstlers: Von ZERO bis Manzoni, von Beuys bis Mack nimmt
sein Schaffen vieles vorweg. Zangs ist ein Pionier der neuartigen,
experimentellen Nachkriegskunst.
5 Werner Ruhnau, Bauarbeiten am Musiktheater Gelsenkirchen,
Außenansicht Musiktheater Gelsenkirchen (Cahier d’Archives
2013, S. 68).
Doch als Innovationen gefeiert werden nicht die Arbeiten von Zangs,
sondern die zeitgleichen, oft sogar deutlich später entstandenen
Werke anderer. Blickt man heute, aus der historischen Distanz, auf
die 1950er Jahre zurück, so ist man schnell versucht, die Kunstgeschichte zu Zangs’ Gunsten umgeschrieben sehen zu wollen. Pierre
Restany urteilt:
„Zangs müßte mit vollem Recht und logischerweise ein Protagonist
in der sich eröffnenden Debatte sein. Doch im Gegenteil, er verschwindet – wie ausradiert durch das Weiß von seinem persönlichen
Schnee.“ „Der Zangs zu Beginn der fünfziger Jahre, der mit seinen
weißen Objekten nur gezwungenes Lachen auslöste, war ein ‚Phänomen‘, das es erreichte, vergessen zu werden, bevor es uns vor
zu große Probleme stellte.“ (Pierre Restany, zitiert nach: Das offene
Bild, Kat. 1993, S. 52, 49f.).
Zangs wird also nicht, wie von den Nachgeborenen mit einiger
Selbst verständlichkeit erwartet werden könnte, als Schrittmacher
einer Epoche gefeiert. Vielleicht ist die Zeit in den 1950er Jahren
noch nicht reif für einen wie ihn. Zumindest in Teilen ist die mangelnde Bekanntheit seines Schaffens aber auch dem Künstler selbst
zuzuschreiben: Zangs produziert Kunst um der Kunst willen, er sucht
keinen Platz in der Geschichte. Seine Karriere scheint ihm sogar
geradezu gleichgültig zu sein. Er lässt Chancen fahren, verpasst
Gelegenheiten und öffentliche Auftritte, scheut jede Gruppenzugehörigkeit, will niemals Teil einer „Strömung“ sein. Er verabscheut
die Mechanismen der Kunstszene, das Werben der ZERO-Künstler
kann ihn ebenfalls nicht beeindrucken. Als Werner Ruhnau ihm 1957
den Auftrag zur Gestaltung des Musiktheaters im Revier in Gelsenkirchen erteilen will, ist Zangs, wie so oft, einfach spurlos verschwunden. Ruhnau ist sich sicher: „Zangs, der gern lebt und liebt, war,
als es darum ging, in Gelsenkirchen 1957 mit der Arbeit zu beginnen, sicherlich mit einer schönen Frau nach Paris verschwunden“
(Herbert Zangs, Kat. 1974, S. 133). Ein anderer verwirklicht dieses
Projekt und wird damit berühmt: Yves Klein.
Zangs dagegen reist lieber per Autostopp um den Globus und produziert Kunst. Ohne sie auszustellen, ohne sie zu verkaufen, sogar
ohne sie mit sich zu nehmen. „Ich habe mich nicht um den Verbleib
der Werke gekümmert. Was mich zuallererst interessierte, war
meine Aktivität. Ich wollte malen. Wenn mir das gelang, war mir
alles andere egal, auch das Schicksal meiner Bilder. Geld habe ich
sowieso selten gesehen“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 68).
Wiederentdeckung mit Hindernissen
In den 1950er Jahren schafft Zangs ein revolutionäres Œuvre, das
jedoch nicht die Wirkung entfalten kann, die ihm gebührt. Die 1960er
Jahre bringen keine Besserung. Im Gegenteil: Depressionen, Schaffenskrisen und Misserfolge lähmen Zangs. Dann aber, in den 1970er
Jahren, kehrt er zurück. Nun tritt er überraschend und erstmals mit
seinem fulminanten Frühwerk an die Öffentlichkeit.
Es ist dem scharfen Kennerblick von Adolf Luther zu verdanken,
dass dieses Konvolut nicht auf dem Sperrmüll landet. 1972 entdeckt
Luther, mit Zangs seit 1960 bekannt, im Keller einer Krefelder
Schule zahlreiche Zangs-Werke der 1950er Jahre, verstaubt, teilweise für den Müll vorbereitet. Beim Umbau des Kaiser Wilhelm
Museums werden die Arbeiten entrümpelt, entsorgt, ausgelagert.
Luther entdeckt sie zufällig, bringt die Werke in Sicherheit und kontaktiert Zangs, den er zu Recht als Urheber in Verdacht hat. Diese
spektakuläre Wiederentdeckung einer ganzen Werkgruppe dürfte
in der Kunstgeschichte wenig Vergleichbares haben.
Luther ist es auch, der 1974 die erste Ausstellung dieser frühen
weißen Arbeiten im Westfälischen Kunstverein Münster anregt. Der
Künstlerfreund Norbert Kricke schreibt im Katalog zur Schau: „Zangs
7
6 Adolf Luther und Herbert Zangs, 1975 (Cahier d’Archives 2009, S. 117).
7 Kaiser Wilhelm Museum, Krefeld (Cahier d’Archives 2013, S. 62).
hat gearbeitet, sich aber nie um das Publizieren seiner Dinge gekümmert. Niemand ist für ihn eingetreten. Ich freue mich sehr, daß
Herbert Zangs, der jahrelang zu Unrecht verschwiegen wurde, nun
endlich seine frühen Arbeiten in der Öffentlichkeit zeigen kann“
(Herbert Zangs, Kat. 1974, S. 135).
Werkverzeichnis von Emmy de Martelaere wieder eine feste und
verlässliche Basis gefunden hat, ist in den 1970er Jahren nicht unbefangen rezipierbar.
Im Nachgang dieser Ausstellung beginnt nun die langsame Würdigung. Zangs nimmt 1977 mit den „Antibüchern“ an der Documenta
6 in Kassel teil, bespielt Ausstellungen in Galerien, auch in Museen
in Deutschland und Frankreich. Das unverhoffte Wiedersehen mit
dem eigenen Frühwerk verursacht zudem neuen Schaffensdrang.
Zangs macht sich voller Elan daran, das Begonnene zu vollenden.
Der Energieschub wird ihm aber auch zum Verhängnis: Unglücklich
bereichert er die fulminanten Arbeiten der 1950er Jahre um einige
rückdatierte Werke. Die Kunstszene, die den lange Ausgeschlossenen doch gerade erst rehabilitieren wollte, reagiert beleidigt,
bauscht den Fall genussvoll auf. Der Künstler dagegen gibt alles
unumwunden zu, erkennt auch kein Unrecht. Man mag Zangs, der
sich selbst durch unüberlegtes Handeln schon so oft Probleme
bereitet hat, Glauben schenken, wenn er gegenüber John Matheson
äußert: „Natürlich habe ich immer wieder in meiner Frühzeit gelebt.
Sie war mein Ursprung. Wenn ich in einer bestimmten Gemütsverfassung Materialien sah, bei denen mir etwas einfiel, habe ich
diese schon mal wieder in der alten Art und Weise collagiert. Ich
konnte sie dann allerdings gar nicht anders datieren als in die vergangene Zeit, in die sie ja gehörten. Das war eine Art Nostalgie,
eine Art Sentimentalität […]. Ich hatte damals Kunst für die Kunst
gemacht. Die mir jetzt angekreideten Datierungen habe ich aus
meinem Œuvre herausgenommen. Sie sind nicht in dieser [1974]
wie auch in keiner weiteren späteren Ausstellung mehr zu sehen!“
(Herbert Zangs, Kat. 1974, S. 139f.). Trotz allem: Der Ruf ist bis auf
weiteres ruiniert, das frühe Œuvre, das heute mit dem kritischen
8
KETTERER KUNST
So bleibt die Anerkennung für Zangs auch jetzt hinter dem Geleisteten zurück. Und dies hat noch weitere Gründe: Für einen neuen
Bahnbrecher ist schlichtweg kein Platz mehr. Diese vor dem Sperrmüll geretteten Objekte sollen die Kunstgeschichte auf den Kopf
stellen? Das alles soll wirklich vor ZERO, vor Manzonis „Achrome“
entstanden sein? Diese Anerkennung fällt schwer, denn die Geschichte scheint bereits zu Ende geschrieben zu sein. Als Zangs
nach mehr als einem Jahrzehnt in der Versenkung „ein wenig wie
durch Zauberei wieder ins Rampenlicht trat, war das Spiel gespielt.
Klein und Manzoni waren tot und die Majestät Beuys thronte wie
eine Feldherrenstatue auf dem Sockel der modernistischen Widersprüche des Bonner Deutschlands“ (Pierre Restany, zitiert nach:
Das offene Bild, Kat. 1993, S. 52).
So sind Zangs’ unbestrittene Erfolge in den 1970er Jahren immer
überschattet von einem Zurückbleiben hinter den Verdiensten. Es
kommen die 1980er, in denen der Künstler, dem neuen Geschmack
nicht Untertan, nahezu völlig in Vergessenheit gerät. Noch Mitte der
1990er Jahre urteilt Zangs (Stationen meines Lebens, 1996, S. 70,
17f., 78): „Das Leben eines Avantgardekünstlers ist, wie ich im eigenen Leben erfahren habe, ein schweres Los“. „Die Kunst ist oft ein
entsetzliches Drama. Manchmal habe ich mich gefragt, wozu das
ganze. Und trotzdem, ich male weiter und weiter und weiter. Bis
ans Ende meines Lebens. Da kann man seinen 70. Geburtstag
ohne Beine erleben, und man steht unter einer Dusche voller Dreck
und ist voller Optimismus“. Aber mit dem kraftvollen Trotz der Jugend
stellt sich noch der alternde Zangs allen Hindernissen in den Weg:
„Die Avantgarde, zu der ich mich zähle, hat nicht den materiellen
Erfolg als Ziel. Sie will Kunst machen. Basta!“
8 Norbert Kricke (Cahier d’Archives 2013, S. 68).
9 Anti-Bücher, 1967 (Documenta 6, Abteilung „Bücher“, Kassel 1977)
(Catalogue raisonné 2010, S. 169, Abb. III.1.70).
Die zweite Wiederentdeckung
Erst seit den 1990er Jahren mehren sich die Stimmen, die Zangs
vorbehaltlos anerkennen und laut fragen, ob die Kunstgeschichte
hier nicht doch jahrzehntelang eine ganz wesentliche Figur übergangen hat.
Den Beginn macht 1992/93 die epochale, von Erich Franz kuratierte Ausstellung „Das offene Bild“ im Westfälischen Landesmuseum
in Münster. Elf Werke von Zangs sind zu sehen, begleitet von einem
Text von Pierre Restany und gleichberechtigt neben Künstlern wie
Tàpies und Dubuffet. Zwei Jahre darauf zeigt die Hamburger Kunsthalle Werke aus der Sammlung Cremer in der Schau „Fluxus und
Nouveaux Réalistes“. Yves Klein, Piero Manzoni und Lucio Fontana
sind da vereint – wen wundert’s. Aber dann, inmitten der großen
Namen: Objekte von Herbert Zangs. Es folgen wichtige Präsentationen von Zangs Schaffen wie die Einzelausstellung in der Pariser
Fondation Cartier (1995). Die Retrospektive „Herbert Zangs – Werkübersicht“ reist 1996/97 vom Skulpturenmuseum Glaskasten in
Marl in vier weitere deutsche Museen. In der Schau „L’Empreinte“,
1997 im renommierten Pariser Centre Pompidou präsentiert, hängt
Zangs neben Arman, Manzoni und Fontana. Der französische Fonds
national d’art contemporain (FNAC) kauft 2001 die ersten ZangsArbeiten für französische Museen an. Unter den jüngeren Ausstellungen sind Museumsschauen im Vaduzer Kunstmuseum Liechtenstein (2007: Joseph Beuys/Herbert Zangs. Die Fünfziger Jahre)
oder in der Städtischen Galerie im Park in Viersen anzuführen (2008:
Phänomen – Herbert Zangs, Werke von 1947 bis 2003).
Begeisterung. Das alte Misstrauen ist vergessen, und der historische
Abstand erlaubt einen ganz neuen Blick auf dieses Œuvre. Die
Rezipienten des 21. Jahrhunderts haben sich frei gemacht von der
alten Doktrin „Wie der Mann, so das Werk“, die Zangs’ Zeitgenossen niemals vollständig ausblenden konnten.
Wir Heutigen können dieses so eindrucksvolle, so völlig selbständige
Œuvre vorurteilsfrei betrachten und genießen. Und mehr noch: Wir
haben die Chance ergriffen, etwas Epochales neu für uns zu entdecken. So ist Herbert Zangs nun auf dem Weg zu seinem gebührenden Platz in der Kunstgeschichte – endlich.
10 Herbert Zangs, Fondation Cartier, Paris, 1995 (Cahier d’Archives 2004, S. 9).
Bis heute steigt der Stern von Herbert Zangs, und ein Ende ist noch
nicht in Sicht. Seine Werke finden sich mittlerweile in vielen bedeutenden internationalen Museen und Sammlungen. Auf dem Kunstmarkt steigen die Preise, massiv befördert durch die aktuelle ZERO-
9
Zangs und Zeitgenossen
Zangs an der Akademie
Zangs und Grass
Schon im Krieg erkennt der junge Zangs, dass er Künstler werden
will – nein, muss! Er fühlt sich berufen und vorherbestimmt, schreibt
sich nach seiner Rückkehr ins zerbombte Krefeld – am nächsten
Tag, wie er selbst sagt – sofort voller Tatendrang an der Düsseldorfer Akademie ein. Schon während der Studienzeit sucht Zangs den
Weg in die Abstraktion, experimentiert in einem leerstehenden Bunker mit weißen Bildern. Später berichtet er: „Die Mitstudenten betrachteten mich als etwas Besonderes. Sie bewunderten mich, das darf
ich ohne Eitelkeit und Überheblichkeit sagen, wie ich mir eine Welt
der Abstraktion eroberte“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 27f.).
Zu Zangs’ Akademiebekanntschaften zählt auch Günther Grass,
der in Düsseldorf in den frühen 1950er Jahren Bildhauerei studiert.
Zangs und Grass arbeiten gemeinsam als Türsteher in der Düsseldorfer Bar „Zum Csikós“. Viele Nächte verbringen die beiden miteinander, trinkend, redend, arbeitend. Grass zückt immer wieder
seinen Notizblock, wenn Zangs zu erzählen beginnt, und formt aus
dem Freund schließlich die Figur „Herbert Lankes“ für seinen berühmten Roman „Die Blechtrommel“ (1959). Man mag Zangs im
Ohr haben, wenn Grass seinen Lankes über eine seiner „Strukturellen Schrägformationen“ sinnieren lässt (zitiert nach: Catalogue
raisonné, 2004, S. 101): „Da hat sich ein Genie, womöglich das
einzige Genie des zwanzigsten Jahrhunderts, eindeutig und für alle
Zeiten ausgesprochen. – Ob das Werk auch einen Namen hat? Ob
eine Signatur den Meister verrät? – [...] Na, da steht geschrieben:
Herbert Lankes, anno neunzehnhundertvierundvierzig. Titel: MYSTISCH, BARBARISCH, GELANGWEILT.“
In den Akademieschülern Josef Beuys, Peter Brüning und Horst
Egon Kalinowski findet er Freunde. Die meisten Lehrer empfindet
er dagegen als „Behinderer“, die mit einem Urgenie wie ihm nicht
umgehen können. Anders ist nur Otto Pankok, der Lehrer, Förderer
und Freund. Auf einer Postkarte schreibt Pankok dem Schüler im
Jahr 1953: „Lieber Zangs! Bitte bringen Sie doch bis zum Dienstag
4–5 Bilder (gerahmt) zur Kunsthalle, die besten natürlich. Ich habe
zwei Räume frei bekommen für meine Schüler, jetzige und ehemalige. Da hätte ich Sie gerne dabei, als Kanone!“
Zangs und Beuys
Als Genie versteht sich Zangs ebenso wie Lankes. Sein schärfster
Konkurrent auf diesem Gebiet ist in den 1950er Jahren der junge
Joseph Beuys. Man kennt sich von der Kunstakademie. Zangs
schreibt rückblickend: „Ich beginne am selben Tag wie Beuys. Wir
kommen in dieselbe Klasse, zum Professor Mataré. Beuys war auch
vom Niederrhein und sprach Dialekt, genau wie ich“ (zitiert nach:
Catalogue raisonné, 2004, S. 117).
11 Studentenausweis der Kunstakademie Düsseldorf, 1945/46
(Cahier d’Archives 2004, S. 99, Abb. 8).
12 Studentenausweis der Kunstakademie Düsseldorf, Seminarauflistung,
1946 (Cahier d’Archives 2004, S. 99, Abb. 9).
13 Postkarte von Otto Pankok, 4. Juni 1953 (Cahier d’Archives 2004,
S. 108, Abb. 20).
10
KETTERER KUNST
Es entsteht eine lose Künstlerfreundschaft. Die beiden trinken und
philosophieren gelegentlich zusammen, verbunden nicht zuletzt
durch die Kriegserfahrung als künstlerisches „Erweckungserlebnis“.
Doch die Wege trennen sich: Beuys gelangt zu Weltruhm, Zangs
gerät in Vergessenheit. Und das, obwohl Beuys in der richtungsweisenden Zeit der frühen 1950er Jahre hinter Zangs zurückbleibt
– so die Meinung des Künstlers selbst, die mancher mit Blick auf
das frühe Schaffen bestätigen mag. Zangs sieht sich selbst als
großen, als einzigen Avantgardisten an der Düsseldorfer Akademie
der frühen 1950er Jahre.
Tatsächlich findet man besonders in den frühen Collagen von Beuys
durchaus eine Nähe zu Zangs – Anlass für das Kunstmuseum
Liechtenstein, 2007 das Schaffen von Joseph Beuys und Herbert
Zangs aus den 1950er Jahren in zwei Pendant-Ausstellungen zu
würdigen und Zangs damit auf die gleiche Stufe wie Beuys zu heben.
Auch Beuys selbst erkennt die Leistung von Zangs unumwunden
an. Im Mai 1975 schreibt er: „Ich habe Zangs schon vor der Akademiezeit kennengelernt. Ich traf ihn komischerweise immer bei
Hennig [einem Malereibedarfsgeschäft in Düsseldorf] [...]. Dort
geisterte er dann als begeistertes Chaos herum [...]. Ich weiß nicht,
was er machte. Später tauchte er dann an den unmöglichsten
Stellen auf. Nun war er dann eine vitale Naturerscheinung. Ich erinnere mich später daran, daß er dann meistens wie Fidel Castro
ausgesehen hatte. […] Er lieferte eine ganze Reihe von Gegenbildern,
an denen man sehr viel Orientierung finden konnte“ (zitiert nach:
Catalogue raisonné, 2004, S. 98).
14 Café zum Csikôs, Andreas-Strasse, Düsseldorf
(Cahier d’Archives 2004, S. 103, Abb. 12).
Ruhmreiche Bekanntschaften
Noch während der Studienzeit beginnt Zangs auch sein rastloses
Reiseleben. Die Eindrücke und Bekanntschaften sind zahlreich.
1948 lernt er etwa in Ancona Erich Maria Remarque kennen. Der
weltberühmte Schriftsteller wird sein Duzfreund, fast täglich findet
man sich zusammen. Er ist es auch, der Zangs mit Marlene Dietrich
bekannt macht. Dem jungen Künstler bleibt von seiner Begegnung
mit der Diva aber vor allem eines im Gedächtnis: „Im Gegensatz zu
Remarque, der seinen Calvados genoß, trank Marlene Dietrich
keinen Alkohol“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 45).
15 Herbert Zangs malt an öffentlichen Plätzen in Italien, Griechenland,
Spanien und Ägypten. Auf seinen Reisen entstehen verschiedene Landschaften in Aquarell und Öl (Cahier d’Archives 2007, S. 88).
11
Auch andere Berühmtheiten zählt Zangs zu seinen Bekannten, ja
sogar Freunden. Da wäre zunächst die große Schauspielerin Elisabeth Flickenschildt. Zangs berichtet von einer eindrucksvollen Feier,
bei der alle Damen sich ihrer Unterhosen entledigen und sie ins
Lager feuer werfen: „Die Flickenschildt hatte aufgrund ihrer Statur
eine der größten“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 65). Die berühmte Hildegard Knef wird Zangs’ Zeichenschülerin. Und während
seiner Zeit in New York, als Zangs am Times Square als Straßenmaler ein paar Münzen zu verdienen versucht, wird er von einem
jungen Musikanten begleitet, einem „Kollegen, der zur Avantgarde
gehörte“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 82): Bob Dylan. Auch
Jane Fonda bemüht sich um Zangs und vermittelt ihm eine Galerieausstellung bei Leo Castelli. Doch der unstete Krefelder reist noch
vor der geplanten Schau unverrichteter Dinge wieder ab und verzichtet auf den möglichen Durchbruch in den USA.
In Zangs’ Wahlheimat Paris lebt Henry Miller im Zimmer neben
seinem Atelier. Die beiden Künstler, Brüder im Geiste, ziehen oft
nächtelang gemeinsam um die Häuser. Zangs erinnert sich an einen
gemeinsamen Abend in einem Bistro mit eigener Brauerei: „Und
was bestellte Henry Miller? Belgisches Bier. Das in einem großen
Pott“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 122).
Wols und Zangs: Clochards aus freien Stücken
In Paris begegnet Zangs auch Wols. Die beiden verbindet eine
Künstlerfreundschaft par excellence, eine regelrechte Amour fou
unter Gleichgesinnten. Schauplatz ist das Paris der frühen 1950er
Jahre, ein brodelnder Schmelztiegel der Nachkriegsavantgarde.
Zangs führt hier immer wieder das Leben eines Clochards. Auch
Wols sucht dieses eigenwillige Ideal, während seine Frau lieber in
einem Hotel im Quartier Latin nächtigt. Zangs berichtet von der
ersten Begegnung: „Ich bin zu den Brücken der Seine gegangen
und habe dort nachts geschlafen. Morgens leerte ich die Mülltonnen,
suchte nach Essen. Ich fand dieses Leben so reizvoll, dass ich
Paris auf keinen Fall verlassen wollte. Eines Tages gesellte sich ein
Mann unter den Brücken zu mir. Er war betrunken, sprach Deutsch
und stellte sich mir als Wols vor. Eigentlich hieß er ja Schulze. […]
Ein guter Kumpel, ziemlich runtergekommen, am liebsten betrunken,
mit kaputten Schuhen und zerrissener Hose. […] Ich fand ihn sympathisch“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 73f.). Mit Wols versteht
er sich gut, die beiden teilen Alkohol und Lebensmittel, führen
angeregte Gespräche über abstrakte Kunst. Um etwas Kleingeld
zu erhalten, sammeln sie alte Weinflaschen – die Arbeitsteilung ist
charakteristisch: Wols leert die Reste, Zangs bringt das Leergut
zurück und sammelt die Korken. Diese näht er in alte Betttücher
ein und erfindet so seine berühmten „Knüpfungen“ – eine Kunstform,
die unter den Seine-Brücken ihre geistige Heimat hat.
Wols verstirbt am 1. September 1951 in Paris an einer Lebensmittelvergiftung von verdorbenem Fleisch. Der Tod ereilt ihn wenige Tage
nach dem letzten Treffen mit Zangs, bei dem die beiden unter der
Brücke eine gewaltige Wurst verzehren. Zangs befindet im Rückblick: „Ich will aber nicht daran glauben, dass er sich durch Essen
vergiftet hat. Vielmehr glaube ich, daß er sich Magen und Leber mit
dem vielen Alkohol ruiniert hat. Daran ist er, so behaupte ich, gestorben“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 77f.).
Der kurze, intensive Kontakt mit Wols bleibt für Zangs ein prägendes Erlebnis. Über Wols findet er zum Informel. Und das schon 1952,
als einer der ersten deutschen Künstler überhaupt.
12
KETTERER KUNST
Inspiration Zangs
Dass Zangs ein Neuerer ist, bleibt auch den Avantgardisten seiner
Zeit nicht verborgen. Viele Künstler sehen in ihm einen Bahnbrecher.
Zu nennen ist etwa der große Piero Manzoni, der 1957 die „Achrome“
aus der Taufe hebt. Dass es offenbar Zangs ist, der dieser Werkgruppe das Stichwort gibt, machen nicht nur die deutlich früher
entstandenen weißen Bilder des Krefelders augenscheinlich. Auch
die Reaktion von Manzoni auf einen Besuch Manfred de la Mottes
in seinem Atelier ist bezeichnend: Der Italiener zeigt sich höchst
erstaunt über die Visite, da doch gerade kein Geringerer als Herbert
Zangs ebenfalls in der Nähe arbeite. Manzoni selbst verleiht Zangs
damit den Rang eines Künstlers, dessen Leistung er über der eigenen ansiedelt.
Auch die Mitglieder von ZERO erkennen Zangs’ Innovationen als
vorbildhaft an. Sie sehen in dem einige Jahre älteren Avantgardisten einen Geistesverwandten – völlig zu Recht, wie der Blick zurück
auf das Schaffen ab 1952 zeigt: Lange vor ZERO bricht Zangs
dieser experimentellen Strömung die Bahn. Schon im Gründungsjahr von ZERO kommen Otto Piene und Heinz Mack auf Zangs zu,
wollen ihn zu ihrer Gruppe holen. Immer wieder nimmt Zangs auch
an den ZERO-Abenden teil, doch gemein machen will er sich nicht
mit Piene, Mack und Uecker. Das ständige Theoretisieren ist dem
urtümlichen Kraftmenschen Zangs zuwider. Er will vor allem eines:
Kunst machen. Und das als bedingungsloser Individualist.
16 Zangs, Knüpfungen, 1953 (Catalogue raisonné 2007, S. 79, Abb. I.2.61).
17 Handschriftliche Künstlerliste zum Manifest „ZERO der neue Idealismus“ mit Zangs Namen, 1963 (Cahier d’Archives 2013, S. 72–73).
Zangs als Artist’s Artist
18 Siegfried Cremer in seiner Restaurations-Werkstatt am Krefelder
Kaiser Wilhelm Museum, 1955 (Cahier d’Archives 2013, S. 62).
Individualisten werden, so ist es die Regel, von Gleichgesinnten zuerst erkannt. Und somit trifft das wohl größte Kompliment, das man
einem Künstler machen kann, auch auf Zangs zu: Er ist ein „Artist’s
Artist“, ein Künstler, dessen Werk von anderen Künstlern geschätzt
wird. Adolf Luther bewundert Zangs zeitlebens, und noch heute
finden sich einige der besten Arbeiten von Zangs in der Sammlung
der Adolf-Luther-Stiftung. Auch der Künstler Siegfried Cremer sammelt Zangs’ Werke. In den 1950er Jahren arbeitet Cremer als Restaurator am Krefelder Kaiser Wilhelm Museum. Die erste Begegnung mit Zangs bleibt ihm in bester Erinnerung (zitiert nach: Catalogue raisonné, 2013, S. 62):
„Eines schönen Tages wurde meine Ateliertüre im Museum aufgerissen und Zangs stürmte herein. Ganz plötzlich und mit unbeschreiblicher Präsenz stand er in meinem Atelier. Es ist mir leider nicht
möglich, die Vitalität von Zangs – der zu dieser Zeit 31 Jahre alt war
– zu beschreiben. Jede Begegnung mit ihm war für mich atemberaubend. Alles, was er sagte, brach nur so aus ihm heraus. Mit raubtierhafter Sicherheit und Schnelligkeit erkannte er alles, reagierte
blitzschnell und vollkommen sicher. Niemals vorher oder nachher
bin ich einem solchen Menschen begegnet.“
Kurzzitate
Catalogue raisonné, 2004: Emmy de Martelaere, Herbert Zangs. Catalogue
raisonné des œuvres abstraites, Bd. 1,1, Paris 2004.
Catalogue raisonné, 2013: Emmy de Martelaere, Herbert Zangs. Catalogue
raisonné des œuvres abstraites, Bd. 1,3, Paris 2013.
Das offene Bild, Kat. 1993: Ausst.-Kat. Das offene Bild. Aspekte d. Moderne
in Europa nach 1945, Ausstellung im Westfälischen Landesmuseum Münster,
Stuttgart 1992.
Herbert Zangs, Kat. 1974: Ausst.-Kat. Herbert Zangs, Ausstellung im Westfälischen Kunstverein Münster, Münster 1974.
Stationen meines Lebens, 1996: Herbert Zangs. Sehen in Weiß – Stationen
meines Lebens, Pulheim 1996.
13
Wir danken Frau Emmy de Martelaere, Herbert Zangs Archiv, Paris
für die freundliche wissenschaftliche Beratung.
14
KETTERER KUNST
1
Ohne Titel (Plus-Minus). 1953.
Mischtechnik. Ausgeschnittene Pappe auf mit
Metallösen durchlöchertes Holzbrett geklebt.
Verweißt. In Objektkasten.
De Martelaere I.2.10. Unten mittig in der Farbe
signiert und datiert. 69,5 x 59 cm (27,3 x 23,2 in).
Objektkasten: 90 x 80 x 7 cm (35,4 x 31,4 x 2,7 in).
Courtesy Rüdiger K. Weng.
15
2
Ohne Titel (Objekt). 1952.
Holz und Lederschlinge, Collage mit Gipsabdrücken
und Mullbinde, verweißt. In Objektkasten.
De Martelaere I.1.56. Unten mittig in der Farbe
signiert und datiert. 44 x 31 cm (17,3 x 12,2 in).
Objektkasten: 73 x 62,5 x 12 cm.
Courtesy Rüdiger K. Weng.
16
KETTERER KUNST
3
Ohne Titel (Objektcollage). 1953.
Mischtechnik. Brille, Gummiauflage einer Waage,
Metallklammern auf Hartfaser, verweißt. In Objektkasten.
De Martelaere I.1.140. Links unten in der Farbe
signiert und datiert. 38,5 x 28 cm (15,1 x 11 in).
Objektkasten: 54 x 43,5 x 8 cm (21,2 x 17,1 x 3,1 in).
Courtesy Rüdiger K. Weng.
17
4
Ohne Titel (Objekt). 1952.
Mischtechnik. Weiß bemalter Jutesack, Schnur,
Collage mit verweißten Bierdeckeln aus Pappe.
In Objektkasten.
De Martelaere I.1.33. Auf dem rechten unteren
Bierdeckel signiert und datiert. 137 x 45,5 cm
(53,9 x 17,9 in). Objektkasten: 153 x 63 x 7 cm
(60,2 x 24,8 x 2,7 in).
Courtesy Rüdiger K. Weng.
18
KETTERER KUNST
5
Ohne Titel (Plus-Minus). 1953.
Mischtechnik. Ausgeschnittene Wellpappe auf
der Seitenwand eines hölzernen Schranks mit
metallenen Beschlägen, verweißt.
De Martelaere I.2.16. Rechts unten signiert und
datiert. 151 x 52 cm (59,4 x 20,4 in).
PROVENIENZ:
Privatsammlung Rheinland.
19
6
Ohne Titel (Gemälde). Um 1955.
Blaue und weiße Acrylfarbe, Rußspuren, auf
schwarzem Grund, auf Pappe. In Objektkasten.
De Martelaere I.3.3. Verso signiert und datiert.
25 x 94 cm (9,8 x 37 in). Objektkasten:
49,5 x 11,9,3 x 3,2 cm (19,4 x 46,9 x 1,2 in).
Courtesy Dr. Eckard Günnewig.
20
KETTERER KUNST
21
7
Ohne Titel (Plus-Minus). 1953.
Mischtechnik. Ausgeschnittene Pappe auf mit
Metallösen durchlöchertem Holzbrett, verweißt.
In Objektrahmen.
De Martelaere I.2.8. Rechts unten signiert und
datiert. 45 x 59 cm (17,7 x 23,2 in). Objektrahmen: 65,1 x 79 x 4,4 cm (25,6 x 31,1 x 1,7 in).
Courtesy Dr. Eckard Günnewig.
22
KETTERER KUNST
8
Ohne Titel (Objektcollage). 1954.
Objekt. Holzbuchstaben auf Holz, verweißt.
In Objektkasten.
De Martelaere I. 2.223. Rechts mittig in der Farbe
signiert. 53 x 52,5 x 4 cm (20,8 x 20,6 x 1,5 in).
Objektkasten: 75 x 74,5 x 7 cm (29,5 x 29,3 x 2,7 in).
Courtesy Rüdiger K. Weng.
23
9
Ohne Titel (Objektcollage). Um 1953.
Mischtechnik. Holzkugel, Flügelmutter
und Leinwand auf auseinandergefaltete
Pappschachtel geklebt, verweißt.
In Objektkasten.
De Martelaere I.1.151. 57 x 32 x 6 cm
(22,4 x 12,5 x 2,3 in). Objektkasten:
79 x 53,5 x 10,7 cm (31,1 x 21 x 4,2 in).
Courtesy Rüdiger K. Weng.
24
KETTERER KUNST
10
Ohne Titel (Knüpfung). 1953.
Mischtechnik. Korken mit Faden in Baumwollstoff geknüpft, verweißt. In Objektkasten.
De Martelaere I.2.63. Links oben signiert
und datiert. 140 x 100 cm (55,1 x 39,3 in).
Objektkasten: 162 x 123 x 7 cm.
Courtesy Rüdiger K. Weng.
25
11
Ohne Titel (Sackleinen). 1953.
Mischtechnik.Sackleinen mit Dispersionsfarbe.
In Objektkasten.
Rechts unten signiert und datiert. 91 x 92 cm
(35,8 x 36,2 in). Objektkasten: 107 x 112 x 5 cm
(42,1 x 44 x 1,9 in).
Courtesy Rüdiger K. Weng.
26
KETTERER KUNST
12
Ohne Titel (Faltung). 1953.
Mischtechnik. Dispersionsfarbe und gefaltetes
Packpapier, auf Packpapier aufgezogen.
In Objektkasten.
De Martelaere I.2.112. Links unten signiert und
datiert. 116 x 135 cm (45,6 x 53,1 in). Objektkasten: 138 x 153 x 7 cm (54,3 x 60,2 x 2,7 in).
Courtesy Rüdiger K. Weng.
27
13
Ohne Titel (Objektcollage). 1953.
Gefaltetes Papier und Holzplatten auf Holz geklebt,
verweißt. In Objektkasten.
De Martelaere I.1.155. Rechts unten signiert und
datiert. 58,5 x 26 cm (23 x 10,2 in). Objektkasten:
77,5 x 43 x 5 cm (30,5 x 16,9 x 1,9 in).
Courtesy Rüdiger K. Weng.
28
KETTERER KUNST
14
Ohne Titel (Objektcollage). Um 1953.
Mischtechnik. Seegraskugeln auf teilweise
ausgerissene Pappe geklebt. Verweißt.
In Objektkasten.
De Martelaere I.1.141. Links unten signiert.
Verso mit dem Etikett des Archivs.
73 x 25 x 3 cm (28,7 x 9,8 x 1,1 in). Objektkasten: 85,5 x 38 x 6 cm (33,6 x 15 x 2,3 in).
Courtesy Galerie Maulberger, München.
29
15
Ohne Titel (Objektcollage). 1953.
Mischtechnik. Spitzen von Tüten aus Packpapier
und ausgeschnittene Pappe auf mit Seidenpapier
bearbeitete, auseinandergefaltete Pappschachtel
geklebt. Verweißt. In Objektkasten.
De Martelaere I.1.173. Rechts unten signiert und
datiert. 32,3 x 38,5 x 8,5 cm (12,7 x 15,1 x 3,3 in).
Objektkasten: 53,5 x 63,5 x 10 in (21,1 x 25 x 3,9 in).
PROVENIENZ:
Privatsammlung Baden-Württemberg.
30
KETTERER KUNST
16
Ohne Titel (Objektcollage). 1953.
Mischtechnik. Verweißte metallene Kneifzange und Nägel, Schnur und Leinwand
auf Holz. In Objektkasten.
De Martelaere I. 1.147. Links unten in der
Farbe signiert und datiert. 58 x 34 cm
(22,8 x 13,3 in). Objektkasten:
76 x 48 x 7 cm (29,9 x 18,8 x 2,7 in).
Courtesy Galerie Maulberger, München.
31
17
Ohne Titel (Faltung). 1954.
Mischtechnik. Gefaltetes Packpapier, auf
Packpapier aufgezogen, stellenweise verweißt.
In Objektkasten.
De Martelaere I.2.247. Links oben in der
Farbe signiert und datiert. 137 x 112 x 7 cm
(53,9 x 44 x 2,7 in). Objektkasten:
160 x 133 x 7 cm (62,9 x 52,3 x 2,7 in).
PROVENIENZ:
Privatsammlung Rheinland.
32
KETTERER KUNST
18
Ohne Titel (Collage). Um 1953.
Collage. Ausgerissene Papierstücke
und Metallnadeln, verweißt, auf Pappe.
In Objektkasten.
De Martelaere I.2.43. Verso auf
angeheftetem Papierstück signiert.
48 x 31 cm (18,8 x 12,2 in).
Objektkasten: 74 x 57 x 7 cm
(29,1 x 22,4 x 2,7 in).
Courtesy Rüdiger K. Weng.
33
19
Ohne Titel (Faltung). 1953.
Mischtechnik. Gefaltete Pappe. Auf beiden
Seiten verweißt. In Objektkasten.
De Martelaere I.2.105. Rechts unten in der
Farbe signiert und datiert. 64,7 x 49,7 cm
(25,4 x 19,5 in). Objektkasten: 82,5 x 67,5 x
4,5 cm (32,4 x 26,5 x 1,7 in).
Courtesy Rüdiger K. Weng.
34
KETTERER KUNST
20
Ohne Titel (Relief-Gemälde). 1954.
Mischtechnik. Weiße Gussmasse auf weißem
Farbschleier, auf Pappe. In Objektkasten.
De Martelaere I.2.136. Rechts unten signiert und
datiert. 74 x 97 cm (29,1 x 38,1 in). Objektkasten:
98 x 122 x 4,5 cm (38,5 x 48 x 1,7 in).
Courtesy Dr. Eckard Günnewig.
35
21
Ohne Titel (Sackleinen). 1954.
Mischtechnik. Sackleinen, weiße und gelbe Farbe,
Einritzungen in der Farbe. In Objektkasten.
De Martelaere I.2.260. Links unten signiert und
datiert. 187 x 128 cm (73,6 x 50,3 in). Objektkasten: 217 x 157,5 x 7 cm (85,4 x 62 x 2,7 in).
Courtesy Dr. Eckard Günnewig.
36
KETTERER KUNST
22
Ohne Titel (Relief-Gemälde). 1954.
Mischtechnik. Weiße Gussmasse auf weißem
Farbschleier, auf Pappe. In Objektkasten.
De Martelaere I.2.138. Links unten signiert
und datiert. Verso nochmals signiert und datiert.
97 x 75 cm (38,1 x 29,5 in). Objektkasten:
120 x 97,5 x 7 cm (47,2 x 38,3 x 2,7 in).
PROVENIENZ:
Privatsammlung Rheinland.
37
23
Ohne Titel (Collage). 1955.
Collage. Schnur auf Wellpappe geklebt, auf Wellpappe
geklebt. Verweißt. In Objektkasten.
De Martelaere I.3.67. Rechts unten in der Farbe
signiert und datiert. 39,3 x 70 cm (15,4 x 27,5 in).
Objektkasten: 63 x 92,5 x 3 cm (24,8 x 36,4 x 1,2 in).
Courtesy Rüdiger K. Weng.
38
KETTERER KUNST
24
Ohne Titel (Faltung). Um 1954.
Mischtechnik. Gefaltetes Drahtgitter und Metallknöpfe, auf einem Untergrund aus Pappe befestigt.
Verweißt. In Objektkasten.
De Martelaere I.2.259. Verso signiert und mit Maßangaben sowie mit Stempel und Etikett des Archivs.
27 x 46 x 5 cm (10,6 x 18,1 x 1,9 in). Objektkasten:
44 x 68 x 5,2 cm (17,2 x 26,7 x 2,1 in).
Courtesy Galerie Maulberger, München.
39
25
Ohne Titel (Relief-Gemälde). 1954.
Mischtechnik. Weiße Gussmasse auf weißem
Farbschleier, auf Hartfaser. In Objektkasten.
De Martelaere I.2.158. Rechts oben signiert
und datiert. Verso nochmals signiert und datiert.
72 x 98,5 cm (28,3 x 38,7 in). Objektkasten:
96,5 x 122,5 x 9 cm (38 x 48,2 x 3,5 in).
Courtesy Galerie Maulberger, München.
40
KETTERER KUNST
26
Ohne Titel (Relief-Gemälde). Um 1955.
Mischtechnik. Weiße Farbe mit Zusatzstoff,
Schablone und Abdrücke, auf weiß bemaltem
Pappkartondeckel. Über Holzrahmen fest auf
den Unterlagekarton montiert. In Objektkasten.
De Martelaere I.3.9. Links unten signiert, in
die nasse Malschicht gezogen. Unten an der
Deckelseite nochmals mit Bleistift signiert.
90 x 75 cm (35,4 x 29,5 in). Objektkasten:
110 x 95 x 6,7 cm (43,3 x 37,4 x 2,6 in).
Courtesy Rüdiger K. Weng.
41
27
Ohne Titel (Collage). Um 1955.
Collage. Geschnittene Pappe, Guss von weißer
Farbe mit Zusatzstoff, auf Hartfaser geklebt.
In Objektkasten.
De Martelaere I.3.64. Links unten signiert.
63 x 91 cm (24,8 x 35,8 x 1,1 in). Objektkasten:
86 x 113,5 x 3 cm (33,8 x 44,6 x 1,1 in).
Courtesy Rüdiger K. Weng.
42
KETTERER KUNST
28
Rotation/ 9 Stück. 1954/1964.
Objekt. Weiß bemalte Holzkiste, neun Pappröhren,
weiße Gussmasse, Metallhalter und Schnüre.
De Martelaere I.2.197-I.2.205. Auf der Kasteninnenseite rechts oben signiert und datiert.
100,3 x 112 x 14,2 cm (39,4 x 44 x 5,5 in).
PROVENIENZ:
Privatsammlung Baden-Württemberg.
43
29
Ohne Titel (Relief-Gemälde). 1957.
Mischtechnik. Weiße Farbe mit Zusatzstoff, bearbeitet mit einem Schabwerkzeug, auf Holz. In Objektkasten.
De Martelaere I.2.112. Links unten
signiert und datiert. 84 x 58 cm
(33 x 22,8 in). Objektkasten:
117 x 82,5 x 7 cm (46 x 32,4 x 2,7 in).
PROVENIENZ:
Privatsammlung Baden-Württemberg.
44
KETTERER KUNST
30
Ohne Titel (Objektcollage).
Um 1956.
Mischtechnik. Ausgeschnittene
Bierdeckel aus Pappe auf Packpapierumschlag, weiß bemalt. In Objektkasten.
De Martelaere I.3.110. Links unten
signiert. 41 x 24 cm (16,1 x 9,4 in).
Objektkasten: 54 x 37 x 7 cm
(21,2 x 14,5 x 2,7 in).
Courtesy Rüdiger K. Weng.
45
31
Ohne Titel (Relief-Gemälde). Um 1956.
Mischtechnik. Weiße Farbe mit Zusatzstoff,
bearbeitet mit einem Schabwerkzeug, auf Holz.
In Objektkasten.
De Martelaere I.3.106. Rechts unten signiert.
86 x 61 cm (33,8 x 24 in). Objektkasten:
109 x 84 x 3,5 cm (42,9 x 33,1 x 1,3 in).
Courtesy Rüdiger K. Weng.
46
KETTERER KUNST
32
Ohne Titel (Scheibenwischer-Reihung). 1957.
Acryl auf Karton mit Hilfe eines Scheibenwischers
aufgetragen. In Objektkasten.
Signiert und datiert unten rechts. 74 x 100 cm
(29,1 x 39,3 in). Objektkasten: 95 x 123
PROVENIENZ:
Privatsammlung Rheinland.
47
33
Ohne Titel (Scheibenwischer-Reihung). 1957.
Acryl auf Karton mit Hilfe eines Scheibenwischers
aufgetragen. In Objektkasten.
Links unten signiert und datiert. Verso nochmals
signiert und datiert. 43,5 x 105 cm (17,1 x 41,3 in).
Objektkasten: 71,5 x 132 x 4 cm (28,1 x 51,9 x 1,5 in).
Courtesy Rüdiger K. Weng.
48
KETTERER KUNST
49
34
Ohne Titel (Schwarzes Reliefgemälde).
1957/1960.
Schwarze und rote Acrylfarbe und Zusatzstoff
auf Holz. In Objektrahmen.
Links oben signiert und datiert. Nochmals
rechts unten signiert und datiert. 80,3 x 65 cm
(31,6 x 25,5 in). Objektrahmen: 97 x 80 cm
(38,1 x 31,4 in).
PROVENIENZ:
Privatsammlung Rheinland.
50
KETTERER KUNST
35
Ohne Titel (Schwarzes Reliefgemälde). 1958.
Schwarze und graue Industrie-Acrylfarbe,
bearbeitet mit einem Schabwerkzeug, auf roter
Hartfaserplatte. In Objektrahmen.
Verso signiert und datiert. 57,5 x 71 cm (22,6 x
27,9 in). Objektrahmen: 77 x 90,9 x 5,9 cm (30,3 x
35,7 x 2,3 in).
PROVENIENZ:
Privatsammlung Rheinland.
51
36
Ohne Titel (Schwarzes Relief-Gemälde). 1961.
Schwarze Acrylfarbe, Zusatzstoff und schwarzes
Pigment auf rot bemaltem Papier, auf Holz.
In Objektrahmen.
Unten mittig signiert und datiert. 99,3 x 80 cm
(39 x 31,4 in). Objektrahmen: 121 x 102 cm
(47,6 x 40,1 in).
PROVENIENZ:
Privatsammlung Rheinland.
52
KETTERER KUNST
37
Ohne Titel (Schwarzes Reliefgemälde).
Um 1961.
Graue und schwarze Acrylfarbe und Zusatzstoff,
bearbeitet mit einem Schabwerkzeug, auf Holz.
In Objektkasten.
Links unten signiert. 119,1 x 47,2 cm (46,8 x 18,5
in). Objektkasten: 142,2 x 70,2 x 7,9 cm (55,9 x
27,6 x 3,1 in).
PROVENIENZ:
Privatsammlung Rheinland.
53
HERBERT ZANGS
Biografie
1924
1929
Geboren in Krefeld.
Bankrott der väterlichen Schokoladenfabrik, die
Familie lebt in Armut.
1938
Im Zuge der Novemberpogrome begeht der Onkel
von Zangs Selbstmord.
1940
Ausbildung zum Musterzeichner an der Krefelder
Werkkunstschule.
1941
Zangs meldet sich gegen den Willen des Vaters
zum Militär.
1942
Kriegsdienst in Norwegen und Finnland.
1943
Absturz während eines Erkundungsfluges, erst drei
Tage später geborgen. Lazarettaufenthalt.
1944/45
Englische Kriegsgefangenschaft, schließlich
Entlassung und Rückkehr nach Krefeld.
1945 – 1949 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf.
1946/47
Beginn der lebenslangen Reisetätigkeit.
1950
Erste Einzelausstellung der gegenständlichen
Malerei. Paul Wember, Leiter des Kaiser Wilhelm
Museums in Krefeld, stellt Zangs die Kellerräume
des Museums als Atelier zur Verfügung.
1951
Erste Reise nach Paris, zahlreiche weitere ParisAufenthalte folgen. Zuteilung eines Wohnateliers im
Künstlerhaus an der Sittarder Straße in Düsseldorf.
1952
Kunstpreis der Stadt Krefeld.
ab 1952
Erste informelle Gemälde, erste „Verweißungen“.
1953
Kunstpreis der Jugend des Bundesverbandes der
Deutschen Industrie.
ab 1953
Verweißte Objektcollagen.
ab 1953
Die Werkgruppen „Knüpfungen“, „Faltungen“ und
„Plus-Minus“ entstehen.
ab 1954
Die weißen Monochrome/Reliefgemälde aus heißer
Farbe entstehen. Der Unternehmer Johann Schlüter
stellt Zangs Material und Technik zur Verfügung.
1956
Ausstellung in der Zimmergalerie Franck.
1956
Stipendium des Kulturkreises im Bundesverband
der Deutschen Industrie. Auszeichnung mit dem
Premio Lissone, Lissabon.
1957
Hinwendung zu farbigen Werken.
1958
Erster Preis der Benjamin-Franklin-Stiftung für den
Entwurf für die Außenwand des Auditoriums der
Berliner Kongresshalle.
1957 – 1959 Zangs lebt in London. Kohlezeichnungen, Kohlegemälde, Scheibenwischer-Gemälde entstehen.
1958
Zangs heiratet Angelika Crous gegen den Willen
ihrer Eltern. Die Ehe wird bald geschieden. Beginn
einer depressiven Episode. Zangs übermalt bis
1962 die weißen Arbeiten mit Ruß. Es folgt eine von
Selbstzweifeln und Krisen geprägte Zeit in den
1960er Jahren.
1960
Großer Preis von Antwerpen.
1961
Europapreis für Malerei der Biennale Ostende.
54
KETTERER KUNST
1972
Der Künstler Adolf Luther entdeckt per Zufall eine
große Zahl von Zangs frühen Werken im Keller einer
Schule in Krefeld. Zangs, der dadurch sein Jugendwerk auch für sich selbst neu entdeckt, entfaltet
neue Schaffenskraft. Er nimmt nun seine Serien der
Anfangsjahre wieder auf.
1974
Ausstellung der weißen Werke aus den 1950er
Jahren im Westfälischen Kunstverein Münster.
1975 – 1978 Aktionskunst mit Fokus auf der Farbe Weiß.
1977
Teilnahme an der Documenta 6, Kassel.
1980 – 1993 Zangs arbeitet weiter im Stil der weißen Werke der
1950er Jahre und auch wieder figurativ. Zudem
nimmt er nun neue Technologien (Computer,
Kopierer) in seine Schöpfungsprozesse auf. Die
„Peitschenbilder“ zeugen von existenzieller Wut.
1992
In Folge einer nicht hinreichend behandelten
Diabetes werden beide Beine amputiert. Zusehends schlechtere Gesundheit.
1993
Rollstuhlgemälde.
1995
Ehrenplakette der Stadt Krefeld.
1995
Einzelausstellung „Herbert Zangs. Oeuvres 19521959“, Edition Fondation Cartier pour l´art contemporain, Paris.
1996
Einzelausstellung „Herbert Zangs. Werkübersicht“,
Skulpturenmuseum Glaskasten, Marl.
2003
Herbert Zangs verstirbt in Krefeld.
2004
Einzelausstellung „Herbert Zangs. Frühe Objektverweißungen 1952–1954“, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster.
2007
Ausstellung „Joseph Beuys/Herbert Zangs. Die
Fünfziger Jahre“, Kunstmuseum Liechtenstein,
Vaduz.
2008
Einzelausstellung „Phänomen – Herbert Zangs.
Werke von 1947 bis 2003“, Städtische Galerie im
Park, Viersen.
2010
Einzelausstellung „Herbert Zangs“, Galerie Bagnato,
Konstanz-Oberdorf.
2012
Einzelausstellung „Herbert Zangs. Arbeiten aus
dem Nachlass“, Galerie Maulberger & Becker,
Düsseldorf.
2013
Einzelausstellung „Herbert Zangs“, The Mayor
Gallery, London.
2014
Einzelausstellung „Herbert Zangs“, Kunstverein Villa
Wessel, Iserlohn.
Kunstwerke in Stiftungen und öffentlichen Sammlungen
Amsterdam: Stedelijk Museum
Bergisch-Gladbach: Städtische Galerie Villa Zanders
Berlin: Kunstbibliothek Staatliche Museen, Sammlung Dittmar
Berlin: Daimler Art Collection
Bonn: Sammlung zeitgenössischer Kunst der Bundesrepublik Deutschland
Budapest: Szépmüvészeti Múzeum
Dortmund: Museum am Ostwall, Sammlung Cremer
Düren: Leopold-Hoesch-Museum
Düren: Papiermuseum
Düsseldorf: Museum Kunstpalast
Duisburg: Wilhelm Lehmbruck Museum
Hamburg: Hamburger Kunsthalle, Graphische Sammlung und Sammlung Cremer
Hamburg: Evangelische Akademie Nordelbien
Karlsruhe: Staatliche Kunsthalle
Krefeld: Kaiser Wilhelm Museum
Krefeld: Adolf-Luther-Stiftung
Linz: Neue Galerie der Stadt Linz
Marl: Skulpturenmuseum Glaskasten
Mönchengladbach: Städtische Sammlung
Münster: Westfälischer Kunstverein, Landesmuseum, Sammlung Cremer
Oberhausen: Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Oostende: Mu.ZEE (ehemals Museum voor Schone Kunsten)
Paris: Fondation Cartier pour l’art contemporain
Paris: Fonds national d’art contemporain (FNAC)
Singen: Städtisches Kunstmuseum
Stuttgart: Kunstmuseum Stuttgart (Städtische Galerie)
Stuttgart: Land Baden-Württemberg
Stuttgart: Staatsgalerie, Graphische Sammlung
Ulm: Ulmer Museum
Vaduz: Kunstmuseum Liechtenstein
Wiesbaden: Museum Wiesbaden
Witten: Märkisches Museum
Die Nutzung der Bildrechte erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Galerie Maulberger, München.
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ANSPRECHPARTNER
München
Undine Lubinus MLitt
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Baden-Württemberg,
Hessen,
Rheinland-Pfalz
Ketterer Kunst
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The Art Concept
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Tel. +49 (0)89 5 52 44 - 246
Miriam Heß
[email protected]
Tel. +49 (0)62 21 5 88 00 38
Andrea Roh-Zoller M.A.
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Tel. +49 (0)172 4 67 43 72
Elisabeth Bonse
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Berlin
Eva Lengler
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Hamburg
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Sachsen / Thüringen
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KETTERER KUNST
FRÜHE ARBEITEN
ZANGS
H E R B E R T