FRÜHE ARBEITEN ZANGS H E R B E R T HERBERT ZANGS · FRÜHE ARBEITEN Vorwort Herbert Zangs ist ein Phänomen. Ein legendärer Exzentriker, ein schillerndes Genie und, vor allem, ein bedingungsloser Avantgardist. Ob ZERO-Kunst oder Manzonis „Achrome“ – in verblüffender Prägnanz hat er vieles vorweggenommen. Herbert Zangs (1924 – 2003) ist ein Bahnbrecher. Und doch steht er lange am Rande der Kunstgeschichte, bleibt ein Fall für Kenner. Er selbst ist daran nicht unschuldig: Immer wieder lässt er Chancen auf Publikumserfolge fahren, schert sich nicht um die Kunstszene, nicht um seinen Platz in der Geschichte. Um ein Haar wäre das richtungsweisende Frühwerk sogar auf dem Sperrmüll gelandet. Dass dies verhindert werden konnte, zählt zu den größten Glücksfällen für die Kunstgeschichte wie auch die Sammler. Denn es sind die frühen Werke, die Zangs’ überwältigende Innovationskraft augenscheinlich werden lassen. Hier liegt das fruchtbarste Material für die in den 1990er Jahren eingeläutete „Wiederentdeckung“ von Zangs: Ausstellungen, die Publikation eines mehrbändigen Werkverzeichnisses, nicht zuletzt die Multiplikatorwirkung der jüngsten ZEROBegeisterung sorgen für die neue Aktualität seines Schaffens. Auch der gegenwärtige Kunstmarkt kann für Zangs nur ein Urteil fällen: „Tendenz steigend“. Aber machen Sie sich selbst ein Bild von diesem verkannten Jahrhundertgenie: Ketterer Kunst, seit Jahren mit Expertenschaft für Herbert Zangs, präsentiert eine eindrucksvolle Selektion aus der besten Schaffensphase – Pioniertaten eines unbequemen Neuerers. Dass diese Ausstellung zustande kommen konnte, ist insbesondere den Leihgebern zu verdanken, die uns in großzügiger Weise ihre qualitätvollsten Werke anvertrauen. Besonderer Dank gebührt zudem einem der intimsten Kenner von Zangs: Ich freue mich außerordentlich, dass wir Herrn Prof. Dr. Erich Franz für dieses Projekt gewinnen konnten. Sein kenntnisreicher Aufsatz nimmt uns mit auf eine spannende Entdeckungsreise zu den avantgardistischen Highlights der Ausstellung. Beste Voraussetzungen also für großen Kunstgenuss – ich freue mich auf Sie! Ihr Robert Ketterer 1 BILD ALS ENERGIEZUSTAND Zu den Werken von Herbert Zangs in den 1950er Jahren Von Erich Franz Verweißungen Herbert Zangs wurde 1924 in Krefeld geboren, hatte mit 17 bis 21 Jahren als Flieger im Krieg gedient und 1945 bis 1949 an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert. 1 Mit farbkräftigen und sicher auf die Fläche hingestrichenen Landschaftsgemälden erlangte er bald erste Erfolge. Dann, im Jahr 1952, unternahm er einen folgenschweren und gewagten Schritt, dessen Gründe bis heute im Dunkeln liegen: Er schuf seine ersten weißen – eigentlich „verweißten“ (weiß überstrichenen) – Werke. Zangs erzählte viel später, als er auf die „Verweißungen“ angesprochen wurde: „Mein Anfang, das waren die Trümmer der Häuser, der Gärten, das war mein Leben. Was ich brauchte und suchte, fand ich dort. […] Aus allem war doch etwas zu machen. Es gab doch sonst nichts.“ 2 Zunächst – 1952 – waren es zerfallene und verwitterte Objekte mit einer frontalen Ansichtsseite, etwa ein durchgerosteter Deckel oder ein Keilrahmen mit abgeschnittener Leinwand, die Zangs mit weißer Farbe locker überstrich und an der Wand aufhängte. Sehr bald – ab 1953 – befestigte er solche Gegenstände auf einem flachen Untergrund und übermalte alles weiß, jedoch so flüchtig, dass die Farbe die Materialität nicht versiegelte. Eine kleine, massive Brille und die Gummiauflage einer Waage sitzen zentriert auf einer Hartfaserplatte; eine kleine Holzkugel, ein Stück faltige Leinwand und eine Flügelmutter verteilen sich auf einer flach zerlegten Kartonschachtel; fünf Papiertüten mit der Spitze nach vorne sind auf den Boden einer aufgeklappten Pappschachtel geklebt (S. 17, 24, 30). Die „Verweißung“ verbindet die Fundstücke optisch mit dem Untergrund. Das gesamte rätselhafte Stück entwickelt eine irritierende Ausstrahlung, es blickt sozusagen den Betrachter provozierend an. Die fremdartigen plastischen Einzelheiten verbinden sich zu einer integralen Erscheinung – fast wie ein Bild. Etwas Kleines und Hartes kontrastiert zu etwas Ausgebreitet-Weichem, ein rundes Objekt tritt aggressiv hervor und wird in dieser Plötzlichkeit von der umgebenden weißen Leere betont. Fünf knitterige Spitzen ragen dem Betrachter entgegen. Man spürt das Störrische jedes einzelnen Dings, seinen Widerstand gegenüber einer bildmäßigen Einheit, man spürt aber auch die optischen Spannungen und Dialoge innerhalb der gesamten weißen Front, die dem Blick gegenübersteht. Zwei Arten des Sehens werden hier zugleich herausgefordert: das tastende (haptische) Sehen, das den Gegenstand nahe heranholt, um ihn zu überprüfen, und das nur optische Sehen, das auch die leeren Zwischenräume, die Komposition und den Rhythmus zwischen den Formen wahrnimmt. Bereits der große Naturforscher Hermann von Helmholtz stellte 1868 fest, „dass wir die Raumanschauungen des Auges durch die des Tastsinnes, wo es geht, fortlaufend controlieren und corrigieren und dabei die Aussagen des Letzteren immer als die entscheidenden betrachten.“ 3 Entsprechend unterschied der Wiener Kunsthistoriker Alois Riegl im Jahr 1901 zwischen einer „haptischen“ Kunstauffassung, die „uns die Wahrnehmungen des Tastsinns suggerieren“ möchte, und einer „optischen“ und „fernsichtigen“ 2 KETTERER KUNST Kunstauffassung, mit der sich für Riegl „ein erhöhter Appell an die Erfahrung, an das geistige Bewusstsein des Beschauers“ verbindet.4 Zangs kombinierte in seinen „Verweißungen“ beide Wahrnehmungsformen. Er bringt den bildlichen Gegenstand ganz real und nahe vor Augen, er stellt ihn nicht nur malerisch dar. Die aufdringliche Konkretheit der Fundstücke widersetzt sich sogar ihrer Einfügung in die Fläche. Zugleich erzeugt aber Zangs mit traumwandlerischer Sicherheit etwas ganz anderes, etwas Unerwartetes: ein optisches „Bild“. Er verbindet die greifbaren Dinge innerhalb des weißen Feldes durch ungreifbare visuelle Rhythmen, durch Zentrierung innerhalb der Leere, durch formale Abfolgen und kompositionelle Bezüge. Das so entstehende „Bild“ ist keine ebene Fläche, sondern eine visuelle frontale Erscheinung. Es ist schwer zu beschreiben, was eigentlich das Ganze ausmacht. Man könnte von einem Energiezustand sprechen, der alles Einzelne umfasst. Rückblickend hat Zangs diese Absicht der Entmaterialisierung und Verwandlung bestätigt: „Meine Verweißungen sind ein Weg zur Abstrahierung und Reduktion der Dinge. Ein Versuch der Vergeistigung in der Phantasie.“ 5 Das offene „Bild“ Dieses „Bild“, die formal zusammengeführte und im Weiß vereinheitlichte Erscheinung, existiert nicht als eine vom Rahmen umschlossene, abgehobene Welt. Die sichtbaren Gegenstände sind reale und alltägliche Dinge. Sie betonen sogar noch ihre Bedeutungslosigkeit: Sie sind weggeworfene Bruchstücke, Reste. Aus dieser Kunstlosigkeit und gegenständlichen Gegebenheit gestaltet nun Zangs etwas Erstaunliches: eine sich ausbreitende visuelle Dynamik, eine weiterreichende Bewegung und immaterielle Energie, die sich beim Sehen immer neu auflädt. Die Dramaturgie der Sehprozesse macht aus dem objet trouvé ein Bild. Es steht nicht vor Augen, sondern lädt sich zu einem übergreifenden Spannungsfeld auf. Das „Bild“ als Energiefeld ist nicht identisch mit der materiellen Fläche, es ist unabschließbar und wird von den Realobjekten immer auch gefährdet. Das banale und tote Objekt tritt in einen aktiven und angespannten visuellen Aggregatzustand ein, der es – in jeder „Verweißung“ auf andere Weise – als Bewegung übersteigt. Man erfährt ihre Einheit als visuelle Verdichtung, die jedoch niemals das FragmentarischZerfallene vergessen macht. Damit gehört Zangs zu den wenigen Künstlern, die weitgehend unabhängig voneinander Anfang der 1950er Jahre in Amerika und Europa die statische Einheit des Staffeleibildes aufhoben. Barnett Newman, Jackson Pollock und Ellsworth Kelly nahmen dem Betrachter das sichere Gefühl, er könne das gesamte Bild in einer einheitlichen Sichtweise überblicken. Jean Dubuffet verkrustete die Bildoberfläche so kompakt, dass der Blick in keinen Bildraum eindringen kann. François Morellet löste die linearen Konstruktionen von der weißen Bildoberfläche; Ordnung und geordnetes Feld fielen auseinander. Mit Herbert Zangs ist am ehesten Lucio Fontanas dynamischer Umgang mit der materiellen Bildoberfläche vergleich- bar. Fontana war Plastiker. Erst 1950 nahm er zum ersten Mal eine auf einen Keilrahmen gespannte Leinwand in die Hand. Er „bemalte“ sie, indem er sie mit einem Stecheisen mehrfach durchbohrte. Der Blick, der die so geschaffenen Formrhythmen verfolgt, dringt durch die materielle Bildoberfläche hindurch und realisiert ein „concetto spaziale“, ein räumliches Konzept – er verfolgt eine immaterielle Bewegung. Von Fontanas „plastischem“ Umgang mit der Bildoberfläche wurden auch Alberto Burris zusammengenähte „Sackbilder“ beeinflusst (ab 1952). Winter 1953/54 nach Paris mitgebracht habe. 10 Solche „Rechenzeichen-Collagen“ sind Zufügungen und negative Aussparungen – weniger im mathematischen Sinn als in einer realen Schichtung von Wellpappe. Einfache, ganzheitliche Form-Zeichen werden summierend geschichtet oder aus der Fläche herausgenommen (S. 19). Eine vordere Ebene schließt sich über negative Lücken hinweg zusammen, die teilweise wiederum – als lineare Abschnitte (ein „X“, ein „–“) positiv wirken. Es entstehen ruckhafte Bewegungen von Zeichen zu Zeichen. Als Zangs diese „Bilder“ schuf (ab 1952), war eine solche Öffnung des Werks auf eine heillose Welt sehr gewagt und musste unverständlich bleiben. Als äußerste Avantgarde galt das soeben aufkommende Informel, dessen Ansatz weit weniger radikal war: Es zerfetzte lediglich die Formen im Bild, nicht aber das Bild insgesamt. Lange noch bewahrte es seine ebene Fläche und seine geraden Ränder – bis etwa 1956, als Emil Schumacher seine „Tastobjekte“ begann, Bernard Schultze plastische Einklebungen einfügte und Gerhard Hoehme in seinen „Schwarzbildern“ die Farbe von der Oberfläche aus nach vorne trieb. Man erkennt deutlich, wie die räumliche Schichtung gemacht ist; als Betrachter vollzieht man die Tätigkeiten des Künstlers nach. Das gilt auch für die gerissenen ungefähren Quadrate aus Pappe, die mit großen Nadeln auf einer Unterlage angepinnt sind und ein regelmäßiges Raster bilden (S. 33). Man spürt die Vorgänge (Reißen, Festpinnen) und – als Gegensatz dazu – die gleichförmige bildhafte Einheit. „Die Bilder, die ich ‚Verweißungen‘ nannte, waren für die damalige Zeit so neuartig, so revolutionär, für Außenstehende so fremd, dass ich sie kaum jemand zeigen mochte“, erinnerte sich Zangs später. 6 Es gibt kein Vorbild; sein Hinweis auf das Erlebnis einer von frisch gefallenem Schnee überzogenen Landschaft während der Kriegsjahre in Finnland 7 klingt eher nach einer nachträglichen Gründungslegende, die allerdings sehr schön die entmaterialisierende Vereinheitlichung durch das Weiß beschreibt. Mit dem Maler Wols hatte Zangs 1951 einige Nächte als Clochard unter den Brücken von Paris verbracht. Möglicherweise boten ihm dessen malerische Zerfaserungen als existenzielle Aussagen ein Vorbild. 1952 bezog Zangs ein Atelier in Düsseldorf in der Sittarder Straße, wo auch Norbert Kricke arbeitete. Dieser hatte seit 1950 seine Skulpturen auf fast immaterielle Linien aus Draht reduziert, so dass die leeren offenen Zwischenräume zum eigentlichen „plastischen“ Material wurden. Zangs hatte mit seinen gegenständlichen, locker gemalten Bildern einen schnellen Erfolg. Bereits 1950 widmete ihm Paul Wember, Direktor des Kaiser Wilhelm Museums in Krefeld, eine Einzelausstellung, und zwei Jahre später erhielt er für ein solches Gemälde („Avignon“) den Kunstpreis der Stadt Krefeld. Fast niemand bekam dagegen seine weißen Bilder zu Gesicht. 8 Pierre Restany, später ein bekannter französischer Kunstkritiker, war 1954 nach Düsseldorf gekommen und hatte dort weiße Arbeiten von Zangs gesehen. 1956 wurde in der Frankfurter Zimmergalerie Franck ein weißes Relief aus gegossener Farbe ausgestellt. Und Norbert Kricke bestätigte 1974, dass „Herbert Zangs bereits in der Mitte der fünfziger Jahre sich mit weißen Arbeiten beschäftigte. Ich habe viele große Bilder in seinem Atelier gesehen, auch serielle, rhythmische Arbeiten waren dabei.“ 9 „Bild“ als Handlung Ab 1953 vereinigte Zangs die „verweißten“ Elemente zu engerer optischer Kontinuität. Dennoch kehrte er nicht zu einem einheitlichen flachen Bildgrund zurück. Weiterhin dehnt sich das Bild über materielle Stufen und Brüche hinweg aus. Der Maler Manfred von Diepold, mit dem Zangs in Düsseldorf studiert hatte, erinnerte sich an „eine kleine Collage aus Pappe mit aufgeklebten Rechenzeichen aus dem gleichen Material und mit weißer Farbe bemalt“, die Zangs ihm im Ab 1953 entstanden „Einknüpfungen“, bei denen kleine Objekte, etwa Korken, in einen dünnen Baumwollstoff mit Hilfe eines Fadens eingeknüpft sind (S. 25). Das „Bild“ zeigt nicht nur die Bewegungen des Einknüpfens, des Raffens und faltigen Stauchens, sondern das „Bild“ besteht aus diesen Bewegungen, die seine gesamte Fläche – das ursprüngliche Rechteck des Baumwolltuchs – dynamisch verzerren. Die ungefähre Regelmäßigkeit der Einknüpfungen und auch die Verweißung des bereits weißen Tuchs betonen diese Prozesse, die man im Sehen immer neu nachvollzieht. Zangs wurde zu den Einknüpfungen durch afrikanische Knüpftechniken angeregt, die für Kleider verwendet worden waren. 11 Er übertrug sie auf die dynamische Gestaltung eines Bildrechtecks. Es war nicht mehr ein gefundenes Objekt, das die materielle Aufstülpung der Bildfläche bewirkte, sondern eine erkennbare Aktion, ein offener Umgang mit dem Material. Zeit und Eingriff ins Material bestanden nicht lediglich in sichtbaren Spuren des Verfalls, sondern in seiner aktiven Behandlung, die der Betrachter unwillkürlich nachvollzieht. In rascher Folge erfand Zangs immer neue Vorgehensweisen, um die bildliche Fläche mit realer Bewegung zu durchdringen. Oft bediente er sich eines gleichmäßigen Rasters, um an diesem Muster die Unregelmäßigkeit der Ausführung in den Blick zu heben. Das gilt auch für seine „Faltungen“. Entweder knickte er mehrfach einen starken Karton, den er zuvor leicht verweißt hatte (S. 34). Die zarten Bruchlinien in der weißen Oberfläche zeugen von der Brechung der gesamten ebenen „Bild“-Fläche. Oder er zog ein dünnes Packpapier zu Graten zusammen, die sich rechtwinklig durchkreuzen, und erzeugte so eine optische Spannung, die sich mit der nachvollziehbaren Tätigkeit verbindet (S. 27). In den Jahren 1952 – 1955 benutzte Zangs die technischen Einrichtungen der Zierleistenfabrik Schlüter in Krefeld, insbesondere die dickflüssige, mit Knochenleim versehene weiße Grundiermasse. Die Farbe war nicht nur Überzug, sondern selber Material. Sie ergießt sich in langsamen, breiten Flüssen oder als schnelle, über das Bild verlaufende Farbfäden und Spritzer. Die Farbflüssigkeit präsentiert sich selbst, sie bildet keine Form; das weiße Bild ist ein Spielfeld ihrer Verläufe und Begegnungen (S. 37). In anderen „Bildern“ agiert die dickflüssige Farbmaterie auf andere Weise. In den Zwischenräumen einer Gratfaltung wird sie in deutlichen parallelen Bewegungen weggeschabt (S. 32). Sie dringt in die Poren eines groben Jutestoffs ein und bildet aufeinander geschichtete Formen der Ausbreitung – dünnflüssig oder pastos- 3 fleckig (S. 36). In der Qualität des Materials spürt man unterschiedliche Arten der Bewegung und Bearbeitung. Gereihte Wiederholungen von Quadraten aus Pappe, die wie Kacheln auf eine Hartfaserplatte aufgeklebt sind, stellen das Ausgangsmuster für rhythmische Bewegungen her (S. 42). Jedes der Quadrate zeigt eine fließende Bewegung dickflüssiger weißer Leimfarbe, die von einer Kante aus in die Fläche hineinfließt. Dies ist die eine Bewegungsart. Die andere besteht darin, dass das Auge von einem zum nächsten Quadrat ähnliche Verlaufsformen wahrnimmt und sie als rhythmische Sequenzen aufeinander bezieht. Diese Sequenzen wirken teils langsamer und teils schneller, in der einen Bildhälfte steigen sie auf, in der anderen ab. So erzeugt jedes „Bild“ von Zangs, jeder optische Materialbezug, ein anderes Drama, eine andere Aktion des Sehens, einen anderen Tanz. Ein großer Atem, ein mitreißender Rhythmus durchdringt die weißen Reliefbilder, die zwischen 1955 und 1958 entstehen (S. 46, 44). Man erkennt am Ergebnis die Vorgänge der Herstellung, die sich in der plastisch-dickflüssigen Masse des weißen Knochenleims abzeichnen: ein lineares Durchfurchen, dessen Spuren von dichten, vibrierenden Abschabungen (vermutlich mit einer Pappkante) überlagert werden. Die Farbe wurde zu seriellen Aufhäufungen und Eintiefungen strukturiert, die über das gesamte Bild hinweg einen einheitlichen Rhythmus durchhalten und den Blick in permanenter Bewegung weitertreiben. Licht und Schatten werden auf der weißen Oberfläche zu wichtigen Mitspielern. Auch hier treffen die raschen und sicher kontrollierten Bewegungen der Herstellung mit den lebendigen und unbegrenzbaren Bewegungen des Sehens zusammen. Von Ferne erinnern solche rhythmische Strukturen an die etwas später entstandenen vibrierenden Oberflächen der ZERO-Künstler, die jedoch nie eine ähnlich haptische-aktive Qualität spüren lassen. Abkehr vom Weiß Um 1955 kommen auch dunkle Farben ins Spiel, das heißt auch wieder: dunkle Bewegungsformen. Auf schwarzem Grund breitet sich eine Ansammlung flüssiger weißer Tropfen aus – also kein Weiter fließen über die Fläche hinweg, sondern ein senkrechtes Auftreffen und Ineinanderfließen (S. 20f). Rußspuren (vermutlich von einer Gasflamme) bilden ebenfalls auftreffende Bewegungen, jedoch ganz anderer Art, die sich auch in einem anderen Rhythmus über die langgezogene Bildfläche ausbreiten. Ab 1956/57 trägt Zangs Farbe auf die Fläche auf – ein kräftiges Rot oder Blau (S. 47). Was bis dahin die Rolle der Zwischenräume zwischen materiell-haptischen Abschnitten war, übernimmt nun der weiße Untergrund. Die Farbe ist wie zerrissen; mit einem Scheibenwischer wurden unruhige Rhythmen hergestellt, die den Blick über die hellen Lücken weitertreiben. Auch hier treffen sich die rhythmischen Bewegungen der Strukturierung mit den unruhigen Vorgängen der Wahrnehmung. Ab 1958 tritt ein erstaunlicher Wandel im Werk von Zangs ein: Die Einheit des Weißen wird ersetzt durch die Einheit der Schwärze. Die Bilder bewegen nicht mehr auf den Betrachter zu, sondern ziehen sich vor ihm zurück, bekommen eine immaterielle Tiefe und scheinen sich manchmal weitgehend zu verschließen (S. 51, 52). Die Rhythmen wirken ruhig und meditativ, und aus dem Dunkel schimmert eine blasse Helligkeit oder sogar ein verhalten glühendes Rot. An der Malerei von Zangs ist stets die unmittelbare Bewegung 4 KETTERER KUNST seiner Impulse, seines Umgangs mit dem Material und seiner vitalen Anspannung zu spüren. Zangs hat diese lebendigen Impulse niemals dem Aufbau einer Karriere und den Erfordernissen des Marktes angepasst. Er war sperrig, eigensinnig und widerständig – im Leben wie in der Kunst. Sein Werk der 50er Jahre hat er im Verborgenen gestapelt, bis sein Künstlerfreund Adolf Luther es Anfang der 1970er Jahre in einer der zahlreichen „Ablagerungen“ des ständig verreisten Künstlers wiederentdeckte. Sein späteres Werk ging noch stärker in Richtung Material und Aktion. Er nahm auch die aktionistischen Strategien seiner frühen Jahre wieder auf und entwickelte sie weiter. Die energiegeladene Spannung zwischen ihnen und einem immateriell-visuellen „Bild“ haben sie nicht mehr erreicht. Anmerkungen 1 Für die Erforschung von Leben und Werk von Herbert Zangs sind zwei Publikationen grundlegend, auf die sich auch die vorliegende Arbeit stützt: Susannah Cremer-Bermbach, Herbert Zangs. Werkmonographie, Essen 1996. – Emmy de Martelaere, Herbert Zangs. Werkkatalog der Abstrakten Arbeiten, Tome I 1952–1960, Fascicules nos1–3 und dazugehörige Cahiers d’Archives, Paris 2004–2013. 2 Thomas Weber, Zangs. Plus Minus Leben, Düsseldorf o. J. (1997), S. 65. 3 Hermann von Helmholtz, „Die neueren Fortschritte in der Theorie des Sehens“ (1868), in: ders., Vorträge und Reden, 4. Aufl., Bd. 1, Braunschweig 1896, S. 329. 4 Alois Riegl, Die spätrömische Kunst-Industrie, Wien 1901, S. 64. 5 Thomas Weber, Gespräche mit Herbert Zangs, in: Herbert Zangs, Ausst.Kat. Krefelder Kunstverein 1994, o. S. 6 Herbert Zangs, Sehen in Weiß. Stationen meines Lebens, Krefeld 1996, S. 30. 7 Herbert Zangs, Ausst.-Kat. Westfälischer Kunstverein Münster, 1974, S. 143. 8 Cremer-Bermbach (wie Anm. 1), S. 76. 9 Ebd., S. 163. 10 Ebd., S. 168 11 Sehr ähnlich sind Knüpftechniken aus Westafrika; vgl. René Gardi, African Crafts and Craftsmen, New York 1969, S. 215–219. Gardi war ein bekannter Reiseschriftsteller, der seit Anfang der 50er Jahre zahlreiche Bücher über seine Eindrücke aus Afrika veröffentlicht und Vorträge gehalten hat. HERBERT ZANGS Werk und Wirkung Herbert Zangs ist ein Künstler, dem sein Ruf seit jeher in großen Schritten vorauseilt. Als exzessiv und egozentrisch, urtümlich und undiplomatisch wird er beschrieben. Zangs ist ein leidenschaftlich polternder Charaktertyp gewesen, oft ordinär und aufdringlich, zugleich aber ein Einzelgänger in höchster Konsequenz – eine geradezu legendäre Verwirklichung aller nur denkbaren Künstlerklischees zwischen Genie und Wahnsinn. Er arbeitet wie im Rausch und lässt das Geschaffene achtlos liegen, streunt dann wieder als weithin bekannter und gefürchteter Schnorrer durch das Nachtleben. Immer wieder ist er urplötzlich verschwunden – meist dann, wenn seine Anwesenheit dringend nötig gewesen wäre, um Aufträge zu erhalten oder Ausstellungen zu eröffnen. „Als Künstler braucht man in jeder Hinsicht Unabhängigkeit, das große Gefühl von Freiheit“, findet Zangs (Stationen meines Lebens, 1996, S. 133). Per Anhalter reist er durch die Welt, rast- und ruhelos, nächtigt in Galerien und Kellern, auf Parkbänken und unter Brücken wie ein Clochard. Konstanten, soweit für einen wie Zangs überhaupt möglich, bilden die wiederkehrenden Aufenthalte in der Geburtsstadt Krefeld und der Wahlheimat Paris – Letzteres jedoch nur, bis er 1979 wegen einer Schlägerei mit Polizisten aus Frankreich ausgewiesen wird. Diese Episode passt zu Herbert Zangs wörtlich wie die Faust aufs Auge. Bis zu seinem Tod 2003 bleibt dieser Künstler eine eindrucksvolle Urgewalt. Noch in den letzten Lebensjahren, durch einen nachlässig behandelten Diabetes an beiden Beinen amputiert, verteidigt er aus dem Rollstuhl heraus seinen Ruf als „Enfant terrible“ der Kunstszene. So und nicht anders muss schließlich in Zangs’ Augen ein wahrer Avantgardist sein. 1 Herbert Zangs, Ausstellung im Kunstverein Mannheim, 1978 (Cahier d’Archives 2009, S. 39). Innovationen eines Ausnahmekünstlers Doch wie bei so vielen exzessiven Künstlern, verbirgt sich auch bei Herbert Zangs ein im Kern hochsensibler Charakter: der Rest des verletzlichen, zarten und etwas wunderlichen Kindes, das er einst war. Diese Seite verraten auch seine frühen Werke aus dem Jahrzehnt zwischen 1952 und 1962. Ohne das Wissen um die wüsten Eskapaden ihres Schöpfers erscheinen diese Arbeiten in all ihrer Kraftentfaltung doch zugleich melancholisch, still, geradezu poetisch. Die berühmten „Verweißungen“, in denen sich die Farbe in transluziden Schichten über aufgefundene, reliefartig arrangierte Objekte 2 Geburtshaus von Herbert Zangs, Marktstraße, Krefeld (Cahier d’Archives 2013, S. 60). 3 Bestätigung des Unternehmers Johann Schlüter, der Zangs in den 1950er Jahren Material und Technik für seine „Verweißungen“ zur Verfügung stellt, 19. Dezember 1974 (Cahier d’Archives 2007, S. 86). 5 4 Zangs bei der Luftwaffe, um 1943/44 (Cahier d’Archives 2004, S. 97). breitet, auch die weißen oder geschwärzten Reliefgemälde mit Strukturen aus heiß aufgebrachter Farbmasse oder die gefalteten und geknüpften Objekte offenbaren einen Künstler von urtümlicher Kraft, aber auch von spröder, versteckter Feinfühligkeit. Weißer Schnee – weiße Kunst Im Zentrum von Zangs’ Schaffen steht die Farbe Weiß. In der Nachkriegszeit ist Weiß das Symbol der „Stunde null“, eines totalen Umsturzes. Schon 1918 bei Malewitsch Kennzeichen eines völlig neuen Kunstbegriffs, tritt das Weiß in den 1950er Jahren seinen Siegeszug an. Robert Rauschenbergs „White Paintings“ (1951), Lucio Fontanas weiße Monochromien oder Pietro Manzonis „Achrome“ setzen das weiße Bild als Statement. Mit der Konzentration auf die Farbe Weiß ist Herbert Zangs also völlig „up to date“. Noch während seiner Zeit als Student in den späten 1940er Jahren experimentiert er in einem leerstehenden Bunker erstmals mit weißen Bildern. 1952 findet er in den „Verweißungen“ eine neue, ganz persönliche Kunstform. Die Erklärung für diese Innovation ist so verblüffend wie subjektiv: Zangs ist als jugendlicher Soldat im Zweiten Weltkrieg bei der Luftwaffe in Finnland stationiert. Auf langen, einsamen Erkundungsflügen über die weite, mit dünnem Schnee bedeckte Landschaft brennt sich das Weiß geradezu in seinen Augapfel ein. Dieser Eindruck wird zur Keimzelle eines innovativen Œuvres. Zangs selbst befindet im Rückblick, dass er 1952 mit seinen „Verweißungen“ genau das verwirklichen kann, „was mir als Ziel schemenhaft seit Finnland vorgeschwebt hatte“. „Ganz Finnland ist aus der Luft gesehen ein Kunstwerk. Diesen Erinnerungen verdanke ich viele Werke, die ich dann später verwirklicht habe“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 28, 19). 6 KETTERER KUNST Es ist aber keineswegs die Schönheit dieser Landschaft, die Herbert Zangs inspiriert. Der Natureindruck ist, im Gegenteil, Symbol der Grenzerfahrung des Weltkriegs: „Die Landschaft […] ist baumarm. Und das Wetter ist extrem. Es wehen orkanartige Stürme im Winter, im Sommer ist es Tag und Nacht hell. […] Ich spürte, es war was in der Gegend, was die Menschen krank macht, im Kopf und am Körper“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 127). Dieser Eindruck verfestigt sich in einem Trauma-Erlebnis. Im Jahr 1943, gerade 19 Jahre alt, fliegt Zangs einen Erkundungsflug und stürzt über Norwegen ab. Erst Tage später wird er gefunden, allein, nur in seinen Fallschirm gewickelt, unterkühlt, mit dem Tod ringend in schneebedeckter Landschaft. Als er im Lazarett erwacht, gleicht die erste Wahrnehmung wieder der letzten: Nun ist es der Blick aus dem Fenster, auf die mit sanftem Schnee dünn gepuderten, weiten Ebenen. Die vom restlichen Geschehen wie losgelöste Detailwahrnehmung dieses Fensterblicks, die Zangs immer wieder beschreibt, ist nicht nur Merkmal einer Trauma-Erfahrung. Sie wird zugleich zum Motor bahnbrechender künstlerischer Entwicklung: „Da ist es, das ganze Geheimnis, der tiefe Grund für die Monochromie oder die Achromie ad litteram eines am Rand stehenden Werks, das im Lauf der fünfziger Jahre […] entwickelt wurde. In dieser Zeit war es am meisten Vorwegnahme“ (Pierre Restany, zitiert nach: Das offene Bild, Kat. 1993, S. 50) Genie ohne Publikum Stellt man die abstrakten Werke von Herbert Zangs aus dem Jahrzehnt von 1952 bis 1962 in den Kontext der Kunstentwicklung dieser Epoche, so zeigt sich die ganze innovative Kraft eines Ausnahmekünstlers: Von ZERO bis Manzoni, von Beuys bis Mack nimmt sein Schaffen vieles vorweg. Zangs ist ein Pionier der neuartigen, experimentellen Nachkriegskunst. 5 Werner Ruhnau, Bauarbeiten am Musiktheater Gelsenkirchen, Außenansicht Musiktheater Gelsenkirchen (Cahier d’Archives 2013, S. 68). Doch als Innovationen gefeiert werden nicht die Arbeiten von Zangs, sondern die zeitgleichen, oft sogar deutlich später entstandenen Werke anderer. Blickt man heute, aus der historischen Distanz, auf die 1950er Jahre zurück, so ist man schnell versucht, die Kunstgeschichte zu Zangs’ Gunsten umgeschrieben sehen zu wollen. Pierre Restany urteilt: „Zangs müßte mit vollem Recht und logischerweise ein Protagonist in der sich eröffnenden Debatte sein. Doch im Gegenteil, er verschwindet – wie ausradiert durch das Weiß von seinem persönlichen Schnee.“ „Der Zangs zu Beginn der fünfziger Jahre, der mit seinen weißen Objekten nur gezwungenes Lachen auslöste, war ein ‚Phänomen‘, das es erreichte, vergessen zu werden, bevor es uns vor zu große Probleme stellte.“ (Pierre Restany, zitiert nach: Das offene Bild, Kat. 1993, S. 52, 49f.). Zangs wird also nicht, wie von den Nachgeborenen mit einiger Selbst verständlichkeit erwartet werden könnte, als Schrittmacher einer Epoche gefeiert. Vielleicht ist die Zeit in den 1950er Jahren noch nicht reif für einen wie ihn. Zumindest in Teilen ist die mangelnde Bekanntheit seines Schaffens aber auch dem Künstler selbst zuzuschreiben: Zangs produziert Kunst um der Kunst willen, er sucht keinen Platz in der Geschichte. Seine Karriere scheint ihm sogar geradezu gleichgültig zu sein. Er lässt Chancen fahren, verpasst Gelegenheiten und öffentliche Auftritte, scheut jede Gruppenzugehörigkeit, will niemals Teil einer „Strömung“ sein. Er verabscheut die Mechanismen der Kunstszene, das Werben der ZERO-Künstler kann ihn ebenfalls nicht beeindrucken. Als Werner Ruhnau ihm 1957 den Auftrag zur Gestaltung des Musiktheaters im Revier in Gelsenkirchen erteilen will, ist Zangs, wie so oft, einfach spurlos verschwunden. Ruhnau ist sich sicher: „Zangs, der gern lebt und liebt, war, als es darum ging, in Gelsenkirchen 1957 mit der Arbeit zu beginnen, sicherlich mit einer schönen Frau nach Paris verschwunden“ (Herbert Zangs, Kat. 1974, S. 133). Ein anderer verwirklicht dieses Projekt und wird damit berühmt: Yves Klein. Zangs dagegen reist lieber per Autostopp um den Globus und produziert Kunst. Ohne sie auszustellen, ohne sie zu verkaufen, sogar ohne sie mit sich zu nehmen. „Ich habe mich nicht um den Verbleib der Werke gekümmert. Was mich zuallererst interessierte, war meine Aktivität. Ich wollte malen. Wenn mir das gelang, war mir alles andere egal, auch das Schicksal meiner Bilder. Geld habe ich sowieso selten gesehen“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 68). Wiederentdeckung mit Hindernissen In den 1950er Jahren schafft Zangs ein revolutionäres Œuvre, das jedoch nicht die Wirkung entfalten kann, die ihm gebührt. Die 1960er Jahre bringen keine Besserung. Im Gegenteil: Depressionen, Schaffenskrisen und Misserfolge lähmen Zangs. Dann aber, in den 1970er Jahren, kehrt er zurück. Nun tritt er überraschend und erstmals mit seinem fulminanten Frühwerk an die Öffentlichkeit. Es ist dem scharfen Kennerblick von Adolf Luther zu verdanken, dass dieses Konvolut nicht auf dem Sperrmüll landet. 1972 entdeckt Luther, mit Zangs seit 1960 bekannt, im Keller einer Krefelder Schule zahlreiche Zangs-Werke der 1950er Jahre, verstaubt, teilweise für den Müll vorbereitet. Beim Umbau des Kaiser Wilhelm Museums werden die Arbeiten entrümpelt, entsorgt, ausgelagert. Luther entdeckt sie zufällig, bringt die Werke in Sicherheit und kontaktiert Zangs, den er zu Recht als Urheber in Verdacht hat. Diese spektakuläre Wiederentdeckung einer ganzen Werkgruppe dürfte in der Kunstgeschichte wenig Vergleichbares haben. Luther ist es auch, der 1974 die erste Ausstellung dieser frühen weißen Arbeiten im Westfälischen Kunstverein Münster anregt. Der Künstlerfreund Norbert Kricke schreibt im Katalog zur Schau: „Zangs 7 6 Adolf Luther und Herbert Zangs, 1975 (Cahier d’Archives 2009, S. 117). 7 Kaiser Wilhelm Museum, Krefeld (Cahier d’Archives 2013, S. 62). hat gearbeitet, sich aber nie um das Publizieren seiner Dinge gekümmert. Niemand ist für ihn eingetreten. Ich freue mich sehr, daß Herbert Zangs, der jahrelang zu Unrecht verschwiegen wurde, nun endlich seine frühen Arbeiten in der Öffentlichkeit zeigen kann“ (Herbert Zangs, Kat. 1974, S. 135). Werkverzeichnis von Emmy de Martelaere wieder eine feste und verlässliche Basis gefunden hat, ist in den 1970er Jahren nicht unbefangen rezipierbar. Im Nachgang dieser Ausstellung beginnt nun die langsame Würdigung. Zangs nimmt 1977 mit den „Antibüchern“ an der Documenta 6 in Kassel teil, bespielt Ausstellungen in Galerien, auch in Museen in Deutschland und Frankreich. Das unverhoffte Wiedersehen mit dem eigenen Frühwerk verursacht zudem neuen Schaffensdrang. Zangs macht sich voller Elan daran, das Begonnene zu vollenden. Der Energieschub wird ihm aber auch zum Verhängnis: Unglücklich bereichert er die fulminanten Arbeiten der 1950er Jahre um einige rückdatierte Werke. Die Kunstszene, die den lange Ausgeschlossenen doch gerade erst rehabilitieren wollte, reagiert beleidigt, bauscht den Fall genussvoll auf. Der Künstler dagegen gibt alles unumwunden zu, erkennt auch kein Unrecht. Man mag Zangs, der sich selbst durch unüberlegtes Handeln schon so oft Probleme bereitet hat, Glauben schenken, wenn er gegenüber John Matheson äußert: „Natürlich habe ich immer wieder in meiner Frühzeit gelebt. Sie war mein Ursprung. Wenn ich in einer bestimmten Gemütsverfassung Materialien sah, bei denen mir etwas einfiel, habe ich diese schon mal wieder in der alten Art und Weise collagiert. Ich konnte sie dann allerdings gar nicht anders datieren als in die vergangene Zeit, in die sie ja gehörten. Das war eine Art Nostalgie, eine Art Sentimentalität […]. Ich hatte damals Kunst für die Kunst gemacht. Die mir jetzt angekreideten Datierungen habe ich aus meinem Œuvre herausgenommen. Sie sind nicht in dieser [1974] wie auch in keiner weiteren späteren Ausstellung mehr zu sehen!“ (Herbert Zangs, Kat. 1974, S. 139f.). Trotz allem: Der Ruf ist bis auf weiteres ruiniert, das frühe Œuvre, das heute mit dem kritischen 8 KETTERER KUNST So bleibt die Anerkennung für Zangs auch jetzt hinter dem Geleisteten zurück. Und dies hat noch weitere Gründe: Für einen neuen Bahnbrecher ist schlichtweg kein Platz mehr. Diese vor dem Sperrmüll geretteten Objekte sollen die Kunstgeschichte auf den Kopf stellen? Das alles soll wirklich vor ZERO, vor Manzonis „Achrome“ entstanden sein? Diese Anerkennung fällt schwer, denn die Geschichte scheint bereits zu Ende geschrieben zu sein. Als Zangs nach mehr als einem Jahrzehnt in der Versenkung „ein wenig wie durch Zauberei wieder ins Rampenlicht trat, war das Spiel gespielt. Klein und Manzoni waren tot und die Majestät Beuys thronte wie eine Feldherrenstatue auf dem Sockel der modernistischen Widersprüche des Bonner Deutschlands“ (Pierre Restany, zitiert nach: Das offene Bild, Kat. 1993, S. 52). So sind Zangs’ unbestrittene Erfolge in den 1970er Jahren immer überschattet von einem Zurückbleiben hinter den Verdiensten. Es kommen die 1980er, in denen der Künstler, dem neuen Geschmack nicht Untertan, nahezu völlig in Vergessenheit gerät. Noch Mitte der 1990er Jahre urteilt Zangs (Stationen meines Lebens, 1996, S. 70, 17f., 78): „Das Leben eines Avantgardekünstlers ist, wie ich im eigenen Leben erfahren habe, ein schweres Los“. „Die Kunst ist oft ein entsetzliches Drama. Manchmal habe ich mich gefragt, wozu das ganze. Und trotzdem, ich male weiter und weiter und weiter. Bis ans Ende meines Lebens. Da kann man seinen 70. Geburtstag ohne Beine erleben, und man steht unter einer Dusche voller Dreck und ist voller Optimismus“. Aber mit dem kraftvollen Trotz der Jugend stellt sich noch der alternde Zangs allen Hindernissen in den Weg: „Die Avantgarde, zu der ich mich zähle, hat nicht den materiellen Erfolg als Ziel. Sie will Kunst machen. Basta!“ 8 Norbert Kricke (Cahier d’Archives 2013, S. 68). 9 Anti-Bücher, 1967 (Documenta 6, Abteilung „Bücher“, Kassel 1977) (Catalogue raisonné 2010, S. 169, Abb. III.1.70). Die zweite Wiederentdeckung Erst seit den 1990er Jahren mehren sich die Stimmen, die Zangs vorbehaltlos anerkennen und laut fragen, ob die Kunstgeschichte hier nicht doch jahrzehntelang eine ganz wesentliche Figur übergangen hat. Den Beginn macht 1992/93 die epochale, von Erich Franz kuratierte Ausstellung „Das offene Bild“ im Westfälischen Landesmuseum in Münster. Elf Werke von Zangs sind zu sehen, begleitet von einem Text von Pierre Restany und gleichberechtigt neben Künstlern wie Tàpies und Dubuffet. Zwei Jahre darauf zeigt die Hamburger Kunsthalle Werke aus der Sammlung Cremer in der Schau „Fluxus und Nouveaux Réalistes“. Yves Klein, Piero Manzoni und Lucio Fontana sind da vereint – wen wundert’s. Aber dann, inmitten der großen Namen: Objekte von Herbert Zangs. Es folgen wichtige Präsentationen von Zangs Schaffen wie die Einzelausstellung in der Pariser Fondation Cartier (1995). Die Retrospektive „Herbert Zangs – Werkübersicht“ reist 1996/97 vom Skulpturenmuseum Glaskasten in Marl in vier weitere deutsche Museen. In der Schau „L’Empreinte“, 1997 im renommierten Pariser Centre Pompidou präsentiert, hängt Zangs neben Arman, Manzoni und Fontana. Der französische Fonds national d’art contemporain (FNAC) kauft 2001 die ersten ZangsArbeiten für französische Museen an. Unter den jüngeren Ausstellungen sind Museumsschauen im Vaduzer Kunstmuseum Liechtenstein (2007: Joseph Beuys/Herbert Zangs. Die Fünfziger Jahre) oder in der Städtischen Galerie im Park in Viersen anzuführen (2008: Phänomen – Herbert Zangs, Werke von 1947 bis 2003). Begeisterung. Das alte Misstrauen ist vergessen, und der historische Abstand erlaubt einen ganz neuen Blick auf dieses Œuvre. Die Rezipienten des 21. Jahrhunderts haben sich frei gemacht von der alten Doktrin „Wie der Mann, so das Werk“, die Zangs’ Zeitgenossen niemals vollständig ausblenden konnten. Wir Heutigen können dieses so eindrucksvolle, so völlig selbständige Œuvre vorurteilsfrei betrachten und genießen. Und mehr noch: Wir haben die Chance ergriffen, etwas Epochales neu für uns zu entdecken. So ist Herbert Zangs nun auf dem Weg zu seinem gebührenden Platz in der Kunstgeschichte – endlich. 10 Herbert Zangs, Fondation Cartier, Paris, 1995 (Cahier d’Archives 2004, S. 9). Bis heute steigt der Stern von Herbert Zangs, und ein Ende ist noch nicht in Sicht. Seine Werke finden sich mittlerweile in vielen bedeutenden internationalen Museen und Sammlungen. Auf dem Kunstmarkt steigen die Preise, massiv befördert durch die aktuelle ZERO- 9 Zangs und Zeitgenossen Zangs an der Akademie Zangs und Grass Schon im Krieg erkennt der junge Zangs, dass er Künstler werden will – nein, muss! Er fühlt sich berufen und vorherbestimmt, schreibt sich nach seiner Rückkehr ins zerbombte Krefeld – am nächsten Tag, wie er selbst sagt – sofort voller Tatendrang an der Düsseldorfer Akademie ein. Schon während der Studienzeit sucht Zangs den Weg in die Abstraktion, experimentiert in einem leerstehenden Bunker mit weißen Bildern. Später berichtet er: „Die Mitstudenten betrachteten mich als etwas Besonderes. Sie bewunderten mich, das darf ich ohne Eitelkeit und Überheblichkeit sagen, wie ich mir eine Welt der Abstraktion eroberte“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 27f.). Zu Zangs’ Akademiebekanntschaften zählt auch Günther Grass, der in Düsseldorf in den frühen 1950er Jahren Bildhauerei studiert. Zangs und Grass arbeiten gemeinsam als Türsteher in der Düsseldorfer Bar „Zum Csikós“. Viele Nächte verbringen die beiden miteinander, trinkend, redend, arbeitend. Grass zückt immer wieder seinen Notizblock, wenn Zangs zu erzählen beginnt, und formt aus dem Freund schließlich die Figur „Herbert Lankes“ für seinen berühmten Roman „Die Blechtrommel“ (1959). Man mag Zangs im Ohr haben, wenn Grass seinen Lankes über eine seiner „Strukturellen Schrägformationen“ sinnieren lässt (zitiert nach: Catalogue raisonné, 2004, S. 101): „Da hat sich ein Genie, womöglich das einzige Genie des zwanzigsten Jahrhunderts, eindeutig und für alle Zeiten ausgesprochen. – Ob das Werk auch einen Namen hat? Ob eine Signatur den Meister verrät? – [...] Na, da steht geschrieben: Herbert Lankes, anno neunzehnhundertvierundvierzig. Titel: MYSTISCH, BARBARISCH, GELANGWEILT.“ In den Akademieschülern Josef Beuys, Peter Brüning und Horst Egon Kalinowski findet er Freunde. Die meisten Lehrer empfindet er dagegen als „Behinderer“, die mit einem Urgenie wie ihm nicht umgehen können. Anders ist nur Otto Pankok, der Lehrer, Förderer und Freund. Auf einer Postkarte schreibt Pankok dem Schüler im Jahr 1953: „Lieber Zangs! Bitte bringen Sie doch bis zum Dienstag 4–5 Bilder (gerahmt) zur Kunsthalle, die besten natürlich. Ich habe zwei Räume frei bekommen für meine Schüler, jetzige und ehemalige. Da hätte ich Sie gerne dabei, als Kanone!“ Zangs und Beuys Als Genie versteht sich Zangs ebenso wie Lankes. Sein schärfster Konkurrent auf diesem Gebiet ist in den 1950er Jahren der junge Joseph Beuys. Man kennt sich von der Kunstakademie. Zangs schreibt rückblickend: „Ich beginne am selben Tag wie Beuys. Wir kommen in dieselbe Klasse, zum Professor Mataré. Beuys war auch vom Niederrhein und sprach Dialekt, genau wie ich“ (zitiert nach: Catalogue raisonné, 2004, S. 117). 11 Studentenausweis der Kunstakademie Düsseldorf, 1945/46 (Cahier d’Archives 2004, S. 99, Abb. 8). 12 Studentenausweis der Kunstakademie Düsseldorf, Seminarauflistung, 1946 (Cahier d’Archives 2004, S. 99, Abb. 9). 13 Postkarte von Otto Pankok, 4. Juni 1953 (Cahier d’Archives 2004, S. 108, Abb. 20). 10 KETTERER KUNST Es entsteht eine lose Künstlerfreundschaft. Die beiden trinken und philosophieren gelegentlich zusammen, verbunden nicht zuletzt durch die Kriegserfahrung als künstlerisches „Erweckungserlebnis“. Doch die Wege trennen sich: Beuys gelangt zu Weltruhm, Zangs gerät in Vergessenheit. Und das, obwohl Beuys in der richtungsweisenden Zeit der frühen 1950er Jahre hinter Zangs zurückbleibt – so die Meinung des Künstlers selbst, die mancher mit Blick auf das frühe Schaffen bestätigen mag. Zangs sieht sich selbst als großen, als einzigen Avantgardisten an der Düsseldorfer Akademie der frühen 1950er Jahre. Tatsächlich findet man besonders in den frühen Collagen von Beuys durchaus eine Nähe zu Zangs – Anlass für das Kunstmuseum Liechtenstein, 2007 das Schaffen von Joseph Beuys und Herbert Zangs aus den 1950er Jahren in zwei Pendant-Ausstellungen zu würdigen und Zangs damit auf die gleiche Stufe wie Beuys zu heben. Auch Beuys selbst erkennt die Leistung von Zangs unumwunden an. Im Mai 1975 schreibt er: „Ich habe Zangs schon vor der Akademiezeit kennengelernt. Ich traf ihn komischerweise immer bei Hennig [einem Malereibedarfsgeschäft in Düsseldorf] [...]. Dort geisterte er dann als begeistertes Chaos herum [...]. Ich weiß nicht, was er machte. Später tauchte er dann an den unmöglichsten Stellen auf. Nun war er dann eine vitale Naturerscheinung. Ich erinnere mich später daran, daß er dann meistens wie Fidel Castro ausgesehen hatte. […] Er lieferte eine ganze Reihe von Gegenbildern, an denen man sehr viel Orientierung finden konnte“ (zitiert nach: Catalogue raisonné, 2004, S. 98). 14 Café zum Csikôs, Andreas-Strasse, Düsseldorf (Cahier d’Archives 2004, S. 103, Abb. 12). Ruhmreiche Bekanntschaften Noch während der Studienzeit beginnt Zangs auch sein rastloses Reiseleben. Die Eindrücke und Bekanntschaften sind zahlreich. 1948 lernt er etwa in Ancona Erich Maria Remarque kennen. Der weltberühmte Schriftsteller wird sein Duzfreund, fast täglich findet man sich zusammen. Er ist es auch, der Zangs mit Marlene Dietrich bekannt macht. Dem jungen Künstler bleibt von seiner Begegnung mit der Diva aber vor allem eines im Gedächtnis: „Im Gegensatz zu Remarque, der seinen Calvados genoß, trank Marlene Dietrich keinen Alkohol“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 45). 15 Herbert Zangs malt an öffentlichen Plätzen in Italien, Griechenland, Spanien und Ägypten. Auf seinen Reisen entstehen verschiedene Landschaften in Aquarell und Öl (Cahier d’Archives 2007, S. 88). 11 Auch andere Berühmtheiten zählt Zangs zu seinen Bekannten, ja sogar Freunden. Da wäre zunächst die große Schauspielerin Elisabeth Flickenschildt. Zangs berichtet von einer eindrucksvollen Feier, bei der alle Damen sich ihrer Unterhosen entledigen und sie ins Lager feuer werfen: „Die Flickenschildt hatte aufgrund ihrer Statur eine der größten“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 65). Die berühmte Hildegard Knef wird Zangs’ Zeichenschülerin. Und während seiner Zeit in New York, als Zangs am Times Square als Straßenmaler ein paar Münzen zu verdienen versucht, wird er von einem jungen Musikanten begleitet, einem „Kollegen, der zur Avantgarde gehörte“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 82): Bob Dylan. Auch Jane Fonda bemüht sich um Zangs und vermittelt ihm eine Galerieausstellung bei Leo Castelli. Doch der unstete Krefelder reist noch vor der geplanten Schau unverrichteter Dinge wieder ab und verzichtet auf den möglichen Durchbruch in den USA. In Zangs’ Wahlheimat Paris lebt Henry Miller im Zimmer neben seinem Atelier. Die beiden Künstler, Brüder im Geiste, ziehen oft nächtelang gemeinsam um die Häuser. Zangs erinnert sich an einen gemeinsamen Abend in einem Bistro mit eigener Brauerei: „Und was bestellte Henry Miller? Belgisches Bier. Das in einem großen Pott“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 122). Wols und Zangs: Clochards aus freien Stücken In Paris begegnet Zangs auch Wols. Die beiden verbindet eine Künstlerfreundschaft par excellence, eine regelrechte Amour fou unter Gleichgesinnten. Schauplatz ist das Paris der frühen 1950er Jahre, ein brodelnder Schmelztiegel der Nachkriegsavantgarde. Zangs führt hier immer wieder das Leben eines Clochards. Auch Wols sucht dieses eigenwillige Ideal, während seine Frau lieber in einem Hotel im Quartier Latin nächtigt. Zangs berichtet von der ersten Begegnung: „Ich bin zu den Brücken der Seine gegangen und habe dort nachts geschlafen. Morgens leerte ich die Mülltonnen, suchte nach Essen. Ich fand dieses Leben so reizvoll, dass ich Paris auf keinen Fall verlassen wollte. Eines Tages gesellte sich ein Mann unter den Brücken zu mir. Er war betrunken, sprach Deutsch und stellte sich mir als Wols vor. Eigentlich hieß er ja Schulze. […] Ein guter Kumpel, ziemlich runtergekommen, am liebsten betrunken, mit kaputten Schuhen und zerrissener Hose. […] Ich fand ihn sympathisch“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 73f.). Mit Wols versteht er sich gut, die beiden teilen Alkohol und Lebensmittel, führen angeregte Gespräche über abstrakte Kunst. Um etwas Kleingeld zu erhalten, sammeln sie alte Weinflaschen – die Arbeitsteilung ist charakteristisch: Wols leert die Reste, Zangs bringt das Leergut zurück und sammelt die Korken. Diese näht er in alte Betttücher ein und erfindet so seine berühmten „Knüpfungen“ – eine Kunstform, die unter den Seine-Brücken ihre geistige Heimat hat. Wols verstirbt am 1. September 1951 in Paris an einer Lebensmittelvergiftung von verdorbenem Fleisch. Der Tod ereilt ihn wenige Tage nach dem letzten Treffen mit Zangs, bei dem die beiden unter der Brücke eine gewaltige Wurst verzehren. Zangs befindet im Rückblick: „Ich will aber nicht daran glauben, dass er sich durch Essen vergiftet hat. Vielmehr glaube ich, daß er sich Magen und Leber mit dem vielen Alkohol ruiniert hat. Daran ist er, so behaupte ich, gestorben“ (Stationen meines Lebens, 1996, S. 77f.). Der kurze, intensive Kontakt mit Wols bleibt für Zangs ein prägendes Erlebnis. Über Wols findet er zum Informel. Und das schon 1952, als einer der ersten deutschen Künstler überhaupt. 12 KETTERER KUNST Inspiration Zangs Dass Zangs ein Neuerer ist, bleibt auch den Avantgardisten seiner Zeit nicht verborgen. Viele Künstler sehen in ihm einen Bahnbrecher. Zu nennen ist etwa der große Piero Manzoni, der 1957 die „Achrome“ aus der Taufe hebt. Dass es offenbar Zangs ist, der dieser Werkgruppe das Stichwort gibt, machen nicht nur die deutlich früher entstandenen weißen Bilder des Krefelders augenscheinlich. Auch die Reaktion von Manzoni auf einen Besuch Manfred de la Mottes in seinem Atelier ist bezeichnend: Der Italiener zeigt sich höchst erstaunt über die Visite, da doch gerade kein Geringerer als Herbert Zangs ebenfalls in der Nähe arbeite. Manzoni selbst verleiht Zangs damit den Rang eines Künstlers, dessen Leistung er über der eigenen ansiedelt. Auch die Mitglieder von ZERO erkennen Zangs’ Innovationen als vorbildhaft an. Sie sehen in dem einige Jahre älteren Avantgardisten einen Geistesverwandten – völlig zu Recht, wie der Blick zurück auf das Schaffen ab 1952 zeigt: Lange vor ZERO bricht Zangs dieser experimentellen Strömung die Bahn. Schon im Gründungsjahr von ZERO kommen Otto Piene und Heinz Mack auf Zangs zu, wollen ihn zu ihrer Gruppe holen. Immer wieder nimmt Zangs auch an den ZERO-Abenden teil, doch gemein machen will er sich nicht mit Piene, Mack und Uecker. Das ständige Theoretisieren ist dem urtümlichen Kraftmenschen Zangs zuwider. Er will vor allem eines: Kunst machen. Und das als bedingungsloser Individualist. 16 Zangs, Knüpfungen, 1953 (Catalogue raisonné 2007, S. 79, Abb. I.2.61). 17 Handschriftliche Künstlerliste zum Manifest „ZERO der neue Idealismus“ mit Zangs Namen, 1963 (Cahier d’Archives 2013, S. 72–73). Zangs als Artist’s Artist 18 Siegfried Cremer in seiner Restaurations-Werkstatt am Krefelder Kaiser Wilhelm Museum, 1955 (Cahier d’Archives 2013, S. 62). Individualisten werden, so ist es die Regel, von Gleichgesinnten zuerst erkannt. Und somit trifft das wohl größte Kompliment, das man einem Künstler machen kann, auch auf Zangs zu: Er ist ein „Artist’s Artist“, ein Künstler, dessen Werk von anderen Künstlern geschätzt wird. Adolf Luther bewundert Zangs zeitlebens, und noch heute finden sich einige der besten Arbeiten von Zangs in der Sammlung der Adolf-Luther-Stiftung. Auch der Künstler Siegfried Cremer sammelt Zangs’ Werke. In den 1950er Jahren arbeitet Cremer als Restaurator am Krefelder Kaiser Wilhelm Museum. Die erste Begegnung mit Zangs bleibt ihm in bester Erinnerung (zitiert nach: Catalogue raisonné, 2013, S. 62): „Eines schönen Tages wurde meine Ateliertüre im Museum aufgerissen und Zangs stürmte herein. Ganz plötzlich und mit unbeschreiblicher Präsenz stand er in meinem Atelier. Es ist mir leider nicht möglich, die Vitalität von Zangs – der zu dieser Zeit 31 Jahre alt war – zu beschreiben. Jede Begegnung mit ihm war für mich atemberaubend. Alles, was er sagte, brach nur so aus ihm heraus. Mit raubtierhafter Sicherheit und Schnelligkeit erkannte er alles, reagierte blitzschnell und vollkommen sicher. Niemals vorher oder nachher bin ich einem solchen Menschen begegnet.“ Kurzzitate Catalogue raisonné, 2004: Emmy de Martelaere, Herbert Zangs. Catalogue raisonné des œuvres abstraites, Bd. 1,1, Paris 2004. Catalogue raisonné, 2013: Emmy de Martelaere, Herbert Zangs. Catalogue raisonné des œuvres abstraites, Bd. 1,3, Paris 2013. Das offene Bild, Kat. 1993: Ausst.-Kat. Das offene Bild. Aspekte d. Moderne in Europa nach 1945, Ausstellung im Westfälischen Landesmuseum Münster, Stuttgart 1992. Herbert Zangs, Kat. 1974: Ausst.-Kat. Herbert Zangs, Ausstellung im Westfälischen Kunstverein Münster, Münster 1974. Stationen meines Lebens, 1996: Herbert Zangs. Sehen in Weiß – Stationen meines Lebens, Pulheim 1996. 13 Wir danken Frau Emmy de Martelaere, Herbert Zangs Archiv, Paris für die freundliche wissenschaftliche Beratung. 14 KETTERER KUNST 1 Ohne Titel (Plus-Minus). 1953. Mischtechnik. Ausgeschnittene Pappe auf mit Metallösen durchlöchertes Holzbrett geklebt. Verweißt. In Objektkasten. De Martelaere I.2.10. Unten mittig in der Farbe signiert und datiert. 69,5 x 59 cm (27,3 x 23,2 in). Objektkasten: 90 x 80 x 7 cm (35,4 x 31,4 x 2,7 in). Courtesy Rüdiger K. Weng. 15 2 Ohne Titel (Objekt). 1952. Holz und Lederschlinge, Collage mit Gipsabdrücken und Mullbinde, verweißt. In Objektkasten. De Martelaere I.1.56. Unten mittig in der Farbe signiert und datiert. 44 x 31 cm (17,3 x 12,2 in). Objektkasten: 73 x 62,5 x 12 cm. Courtesy Rüdiger K. Weng. 16 KETTERER KUNST 3 Ohne Titel (Objektcollage). 1953. Mischtechnik. Brille, Gummiauflage einer Waage, Metallklammern auf Hartfaser, verweißt. In Objektkasten. De Martelaere I.1.140. Links unten in der Farbe signiert und datiert. 38,5 x 28 cm (15,1 x 11 in). Objektkasten: 54 x 43,5 x 8 cm (21,2 x 17,1 x 3,1 in). Courtesy Rüdiger K. Weng. 17 4 Ohne Titel (Objekt). 1952. Mischtechnik. Weiß bemalter Jutesack, Schnur, Collage mit verweißten Bierdeckeln aus Pappe. In Objektkasten. De Martelaere I.1.33. Auf dem rechten unteren Bierdeckel signiert und datiert. 137 x 45,5 cm (53,9 x 17,9 in). Objektkasten: 153 x 63 x 7 cm (60,2 x 24,8 x 2,7 in). Courtesy Rüdiger K. Weng. 18 KETTERER KUNST 5 Ohne Titel (Plus-Minus). 1953. Mischtechnik. Ausgeschnittene Wellpappe auf der Seitenwand eines hölzernen Schranks mit metallenen Beschlägen, verweißt. De Martelaere I.2.16. Rechts unten signiert und datiert. 151 x 52 cm (59,4 x 20,4 in). PROVENIENZ: Privatsammlung Rheinland. 19 6 Ohne Titel (Gemälde). Um 1955. Blaue und weiße Acrylfarbe, Rußspuren, auf schwarzem Grund, auf Pappe. In Objektkasten. De Martelaere I.3.3. Verso signiert und datiert. 25 x 94 cm (9,8 x 37 in). Objektkasten: 49,5 x 11,9,3 x 3,2 cm (19,4 x 46,9 x 1,2 in). Courtesy Dr. Eckard Günnewig. 20 KETTERER KUNST 21 7 Ohne Titel (Plus-Minus). 1953. Mischtechnik. Ausgeschnittene Pappe auf mit Metallösen durchlöchertem Holzbrett, verweißt. In Objektrahmen. De Martelaere I.2.8. Rechts unten signiert und datiert. 45 x 59 cm (17,7 x 23,2 in). Objektrahmen: 65,1 x 79 x 4,4 cm (25,6 x 31,1 x 1,7 in). Courtesy Dr. Eckard Günnewig. 22 KETTERER KUNST 8 Ohne Titel (Objektcollage). 1954. Objekt. Holzbuchstaben auf Holz, verweißt. In Objektkasten. De Martelaere I. 2.223. Rechts mittig in der Farbe signiert. 53 x 52,5 x 4 cm (20,8 x 20,6 x 1,5 in). Objektkasten: 75 x 74,5 x 7 cm (29,5 x 29,3 x 2,7 in). Courtesy Rüdiger K. Weng. 23 9 Ohne Titel (Objektcollage). Um 1953. Mischtechnik. Holzkugel, Flügelmutter und Leinwand auf auseinandergefaltete Pappschachtel geklebt, verweißt. In Objektkasten. De Martelaere I.1.151. 57 x 32 x 6 cm (22,4 x 12,5 x 2,3 in). Objektkasten: 79 x 53,5 x 10,7 cm (31,1 x 21 x 4,2 in). Courtesy Rüdiger K. Weng. 24 KETTERER KUNST 10 Ohne Titel (Knüpfung). 1953. Mischtechnik. Korken mit Faden in Baumwollstoff geknüpft, verweißt. In Objektkasten. De Martelaere I.2.63. Links oben signiert und datiert. 140 x 100 cm (55,1 x 39,3 in). Objektkasten: 162 x 123 x 7 cm. Courtesy Rüdiger K. Weng. 25 11 Ohne Titel (Sackleinen). 1953. Mischtechnik.Sackleinen mit Dispersionsfarbe. In Objektkasten. Rechts unten signiert und datiert. 91 x 92 cm (35,8 x 36,2 in). Objektkasten: 107 x 112 x 5 cm (42,1 x 44 x 1,9 in). Courtesy Rüdiger K. Weng. 26 KETTERER KUNST 12 Ohne Titel (Faltung). 1953. Mischtechnik. Dispersionsfarbe und gefaltetes Packpapier, auf Packpapier aufgezogen. In Objektkasten. De Martelaere I.2.112. Links unten signiert und datiert. 116 x 135 cm (45,6 x 53,1 in). Objektkasten: 138 x 153 x 7 cm (54,3 x 60,2 x 2,7 in). Courtesy Rüdiger K. Weng. 27 13 Ohne Titel (Objektcollage). 1953. Gefaltetes Papier und Holzplatten auf Holz geklebt, verweißt. In Objektkasten. De Martelaere I.1.155. Rechts unten signiert und datiert. 58,5 x 26 cm (23 x 10,2 in). Objektkasten: 77,5 x 43 x 5 cm (30,5 x 16,9 x 1,9 in). Courtesy Rüdiger K. Weng. 28 KETTERER KUNST 14 Ohne Titel (Objektcollage). Um 1953. Mischtechnik. Seegraskugeln auf teilweise ausgerissene Pappe geklebt. Verweißt. In Objektkasten. De Martelaere I.1.141. Links unten signiert. Verso mit dem Etikett des Archivs. 73 x 25 x 3 cm (28,7 x 9,8 x 1,1 in). Objektkasten: 85,5 x 38 x 6 cm (33,6 x 15 x 2,3 in). Courtesy Galerie Maulberger, München. 29 15 Ohne Titel (Objektcollage). 1953. Mischtechnik. Spitzen von Tüten aus Packpapier und ausgeschnittene Pappe auf mit Seidenpapier bearbeitete, auseinandergefaltete Pappschachtel geklebt. Verweißt. In Objektkasten. De Martelaere I.1.173. Rechts unten signiert und datiert. 32,3 x 38,5 x 8,5 cm (12,7 x 15,1 x 3,3 in). Objektkasten: 53,5 x 63,5 x 10 in (21,1 x 25 x 3,9 in). PROVENIENZ: Privatsammlung Baden-Württemberg. 30 KETTERER KUNST 16 Ohne Titel (Objektcollage). 1953. Mischtechnik. Verweißte metallene Kneifzange und Nägel, Schnur und Leinwand auf Holz. In Objektkasten. De Martelaere I. 1.147. Links unten in der Farbe signiert und datiert. 58 x 34 cm (22,8 x 13,3 in). Objektkasten: 76 x 48 x 7 cm (29,9 x 18,8 x 2,7 in). Courtesy Galerie Maulberger, München. 31 17 Ohne Titel (Faltung). 1954. Mischtechnik. Gefaltetes Packpapier, auf Packpapier aufgezogen, stellenweise verweißt. In Objektkasten. De Martelaere I.2.247. Links oben in der Farbe signiert und datiert. 137 x 112 x 7 cm (53,9 x 44 x 2,7 in). Objektkasten: 160 x 133 x 7 cm (62,9 x 52,3 x 2,7 in). PROVENIENZ: Privatsammlung Rheinland. 32 KETTERER KUNST 18 Ohne Titel (Collage). Um 1953. Collage. Ausgerissene Papierstücke und Metallnadeln, verweißt, auf Pappe. In Objektkasten. De Martelaere I.2.43. Verso auf angeheftetem Papierstück signiert. 48 x 31 cm (18,8 x 12,2 in). Objektkasten: 74 x 57 x 7 cm (29,1 x 22,4 x 2,7 in). Courtesy Rüdiger K. Weng. 33 19 Ohne Titel (Faltung). 1953. Mischtechnik. Gefaltete Pappe. Auf beiden Seiten verweißt. In Objektkasten. De Martelaere I.2.105. Rechts unten in der Farbe signiert und datiert. 64,7 x 49,7 cm (25,4 x 19,5 in). Objektkasten: 82,5 x 67,5 x 4,5 cm (32,4 x 26,5 x 1,7 in). Courtesy Rüdiger K. Weng. 34 KETTERER KUNST 20 Ohne Titel (Relief-Gemälde). 1954. Mischtechnik. Weiße Gussmasse auf weißem Farbschleier, auf Pappe. In Objektkasten. De Martelaere I.2.136. Rechts unten signiert und datiert. 74 x 97 cm (29,1 x 38,1 in). Objektkasten: 98 x 122 x 4,5 cm (38,5 x 48 x 1,7 in). Courtesy Dr. Eckard Günnewig. 35 21 Ohne Titel (Sackleinen). 1954. Mischtechnik. Sackleinen, weiße und gelbe Farbe, Einritzungen in der Farbe. In Objektkasten. De Martelaere I.2.260. Links unten signiert und datiert. 187 x 128 cm (73,6 x 50,3 in). Objektkasten: 217 x 157,5 x 7 cm (85,4 x 62 x 2,7 in). Courtesy Dr. Eckard Günnewig. 36 KETTERER KUNST 22 Ohne Titel (Relief-Gemälde). 1954. Mischtechnik. Weiße Gussmasse auf weißem Farbschleier, auf Pappe. In Objektkasten. De Martelaere I.2.138. Links unten signiert und datiert. Verso nochmals signiert und datiert. 97 x 75 cm (38,1 x 29,5 in). Objektkasten: 120 x 97,5 x 7 cm (47,2 x 38,3 x 2,7 in). PROVENIENZ: Privatsammlung Rheinland. 37 23 Ohne Titel (Collage). 1955. Collage. Schnur auf Wellpappe geklebt, auf Wellpappe geklebt. Verweißt. In Objektkasten. De Martelaere I.3.67. Rechts unten in der Farbe signiert und datiert. 39,3 x 70 cm (15,4 x 27,5 in). Objektkasten: 63 x 92,5 x 3 cm (24,8 x 36,4 x 1,2 in). Courtesy Rüdiger K. Weng. 38 KETTERER KUNST 24 Ohne Titel (Faltung). Um 1954. Mischtechnik. Gefaltetes Drahtgitter und Metallknöpfe, auf einem Untergrund aus Pappe befestigt. Verweißt. In Objektkasten. De Martelaere I.2.259. Verso signiert und mit Maßangaben sowie mit Stempel und Etikett des Archivs. 27 x 46 x 5 cm (10,6 x 18,1 x 1,9 in). Objektkasten: 44 x 68 x 5,2 cm (17,2 x 26,7 x 2,1 in). Courtesy Galerie Maulberger, München. 39 25 Ohne Titel (Relief-Gemälde). 1954. Mischtechnik. Weiße Gussmasse auf weißem Farbschleier, auf Hartfaser. In Objektkasten. De Martelaere I.2.158. Rechts oben signiert und datiert. Verso nochmals signiert und datiert. 72 x 98,5 cm (28,3 x 38,7 in). Objektkasten: 96,5 x 122,5 x 9 cm (38 x 48,2 x 3,5 in). Courtesy Galerie Maulberger, München. 40 KETTERER KUNST 26 Ohne Titel (Relief-Gemälde). Um 1955. Mischtechnik. Weiße Farbe mit Zusatzstoff, Schablone und Abdrücke, auf weiß bemaltem Pappkartondeckel. Über Holzrahmen fest auf den Unterlagekarton montiert. In Objektkasten. De Martelaere I.3.9. Links unten signiert, in die nasse Malschicht gezogen. Unten an der Deckelseite nochmals mit Bleistift signiert. 90 x 75 cm (35,4 x 29,5 in). Objektkasten: 110 x 95 x 6,7 cm (43,3 x 37,4 x 2,6 in). Courtesy Rüdiger K. Weng. 41 27 Ohne Titel (Collage). Um 1955. Collage. Geschnittene Pappe, Guss von weißer Farbe mit Zusatzstoff, auf Hartfaser geklebt. In Objektkasten. De Martelaere I.3.64. Links unten signiert. 63 x 91 cm (24,8 x 35,8 x 1,1 in). Objektkasten: 86 x 113,5 x 3 cm (33,8 x 44,6 x 1,1 in). Courtesy Rüdiger K. Weng. 42 KETTERER KUNST 28 Rotation/ 9 Stück. 1954/1964. Objekt. Weiß bemalte Holzkiste, neun Pappröhren, weiße Gussmasse, Metallhalter und Schnüre. De Martelaere I.2.197-I.2.205. Auf der Kasteninnenseite rechts oben signiert und datiert. 100,3 x 112 x 14,2 cm (39,4 x 44 x 5,5 in). PROVENIENZ: Privatsammlung Baden-Württemberg. 43 29 Ohne Titel (Relief-Gemälde). 1957. Mischtechnik. Weiße Farbe mit Zusatzstoff, bearbeitet mit einem Schabwerkzeug, auf Holz. In Objektkasten. De Martelaere I.2.112. Links unten signiert und datiert. 84 x 58 cm (33 x 22,8 in). Objektkasten: 117 x 82,5 x 7 cm (46 x 32,4 x 2,7 in). PROVENIENZ: Privatsammlung Baden-Württemberg. 44 KETTERER KUNST 30 Ohne Titel (Objektcollage). Um 1956. Mischtechnik. Ausgeschnittene Bierdeckel aus Pappe auf Packpapierumschlag, weiß bemalt. In Objektkasten. De Martelaere I.3.110. Links unten signiert. 41 x 24 cm (16,1 x 9,4 in). Objektkasten: 54 x 37 x 7 cm (21,2 x 14,5 x 2,7 in). Courtesy Rüdiger K. Weng. 45 31 Ohne Titel (Relief-Gemälde). Um 1956. Mischtechnik. Weiße Farbe mit Zusatzstoff, bearbeitet mit einem Schabwerkzeug, auf Holz. In Objektkasten. De Martelaere I.3.106. Rechts unten signiert. 86 x 61 cm (33,8 x 24 in). Objektkasten: 109 x 84 x 3,5 cm (42,9 x 33,1 x 1,3 in). Courtesy Rüdiger K. Weng. 46 KETTERER KUNST 32 Ohne Titel (Scheibenwischer-Reihung). 1957. Acryl auf Karton mit Hilfe eines Scheibenwischers aufgetragen. In Objektkasten. Signiert und datiert unten rechts. 74 x 100 cm (29,1 x 39,3 in). Objektkasten: 95 x 123 PROVENIENZ: Privatsammlung Rheinland. 47 33 Ohne Titel (Scheibenwischer-Reihung). 1957. Acryl auf Karton mit Hilfe eines Scheibenwischers aufgetragen. In Objektkasten. Links unten signiert und datiert. Verso nochmals signiert und datiert. 43,5 x 105 cm (17,1 x 41,3 in). Objektkasten: 71,5 x 132 x 4 cm (28,1 x 51,9 x 1,5 in). Courtesy Rüdiger K. Weng. 48 KETTERER KUNST 49 34 Ohne Titel (Schwarzes Reliefgemälde). 1957/1960. Schwarze und rote Acrylfarbe und Zusatzstoff auf Holz. In Objektrahmen. Links oben signiert und datiert. Nochmals rechts unten signiert und datiert. 80,3 x 65 cm (31,6 x 25,5 in). Objektrahmen: 97 x 80 cm (38,1 x 31,4 in). PROVENIENZ: Privatsammlung Rheinland. 50 KETTERER KUNST 35 Ohne Titel (Schwarzes Reliefgemälde). 1958. Schwarze und graue Industrie-Acrylfarbe, bearbeitet mit einem Schabwerkzeug, auf roter Hartfaserplatte. In Objektrahmen. Verso signiert und datiert. 57,5 x 71 cm (22,6 x 27,9 in). Objektrahmen: 77 x 90,9 x 5,9 cm (30,3 x 35,7 x 2,3 in). PROVENIENZ: Privatsammlung Rheinland. 51 36 Ohne Titel (Schwarzes Relief-Gemälde). 1961. Schwarze Acrylfarbe, Zusatzstoff und schwarzes Pigment auf rot bemaltem Papier, auf Holz. In Objektrahmen. Unten mittig signiert und datiert. 99,3 x 80 cm (39 x 31,4 in). Objektrahmen: 121 x 102 cm (47,6 x 40,1 in). PROVENIENZ: Privatsammlung Rheinland. 52 KETTERER KUNST 37 Ohne Titel (Schwarzes Reliefgemälde). Um 1961. Graue und schwarze Acrylfarbe und Zusatzstoff, bearbeitet mit einem Schabwerkzeug, auf Holz. In Objektkasten. Links unten signiert. 119,1 x 47,2 cm (46,8 x 18,5 in). Objektkasten: 142,2 x 70,2 x 7,9 cm (55,9 x 27,6 x 3,1 in). PROVENIENZ: Privatsammlung Rheinland. 53 HERBERT ZANGS Biografie 1924 1929 Geboren in Krefeld. Bankrott der väterlichen Schokoladenfabrik, die Familie lebt in Armut. 1938 Im Zuge der Novemberpogrome begeht der Onkel von Zangs Selbstmord. 1940 Ausbildung zum Musterzeichner an der Krefelder Werkkunstschule. 1941 Zangs meldet sich gegen den Willen des Vaters zum Militär. 1942 Kriegsdienst in Norwegen und Finnland. 1943 Absturz während eines Erkundungsfluges, erst drei Tage später geborgen. Lazarettaufenthalt. 1944/45 Englische Kriegsgefangenschaft, schließlich Entlassung und Rückkehr nach Krefeld. 1945 – 1949 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf. 1946/47 Beginn der lebenslangen Reisetätigkeit. 1950 Erste Einzelausstellung der gegenständlichen Malerei. Paul Wember, Leiter des Kaiser Wilhelm Museums in Krefeld, stellt Zangs die Kellerräume des Museums als Atelier zur Verfügung. 1951 Erste Reise nach Paris, zahlreiche weitere ParisAufenthalte folgen. Zuteilung eines Wohnateliers im Künstlerhaus an der Sittarder Straße in Düsseldorf. 1952 Kunstpreis der Stadt Krefeld. ab 1952 Erste informelle Gemälde, erste „Verweißungen“. 1953 Kunstpreis der Jugend des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. ab 1953 Verweißte Objektcollagen. ab 1953 Die Werkgruppen „Knüpfungen“, „Faltungen“ und „Plus-Minus“ entstehen. ab 1954 Die weißen Monochrome/Reliefgemälde aus heißer Farbe entstehen. Der Unternehmer Johann Schlüter stellt Zangs Material und Technik zur Verfügung. 1956 Ausstellung in der Zimmergalerie Franck. 1956 Stipendium des Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie. Auszeichnung mit dem Premio Lissone, Lissabon. 1957 Hinwendung zu farbigen Werken. 1958 Erster Preis der Benjamin-Franklin-Stiftung für den Entwurf für die Außenwand des Auditoriums der Berliner Kongresshalle. 1957 – 1959 Zangs lebt in London. Kohlezeichnungen, Kohlegemälde, Scheibenwischer-Gemälde entstehen. 1958 Zangs heiratet Angelika Crous gegen den Willen ihrer Eltern. Die Ehe wird bald geschieden. Beginn einer depressiven Episode. Zangs übermalt bis 1962 die weißen Arbeiten mit Ruß. Es folgt eine von Selbstzweifeln und Krisen geprägte Zeit in den 1960er Jahren. 1960 Großer Preis von Antwerpen. 1961 Europapreis für Malerei der Biennale Ostende. 54 KETTERER KUNST 1972 Der Künstler Adolf Luther entdeckt per Zufall eine große Zahl von Zangs frühen Werken im Keller einer Schule in Krefeld. Zangs, der dadurch sein Jugendwerk auch für sich selbst neu entdeckt, entfaltet neue Schaffenskraft. Er nimmt nun seine Serien der Anfangsjahre wieder auf. 1974 Ausstellung der weißen Werke aus den 1950er Jahren im Westfälischen Kunstverein Münster. 1975 – 1978 Aktionskunst mit Fokus auf der Farbe Weiß. 1977 Teilnahme an der Documenta 6, Kassel. 1980 – 1993 Zangs arbeitet weiter im Stil der weißen Werke der 1950er Jahre und auch wieder figurativ. Zudem nimmt er nun neue Technologien (Computer, Kopierer) in seine Schöpfungsprozesse auf. Die „Peitschenbilder“ zeugen von existenzieller Wut. 1992 In Folge einer nicht hinreichend behandelten Diabetes werden beide Beine amputiert. Zusehends schlechtere Gesundheit. 1993 Rollstuhlgemälde. 1995 Ehrenplakette der Stadt Krefeld. 1995 Einzelausstellung „Herbert Zangs. Oeuvres 19521959“, Edition Fondation Cartier pour l´art contemporain, Paris. 1996 Einzelausstellung „Herbert Zangs. Werkübersicht“, Skulpturenmuseum Glaskasten, Marl. 2003 Herbert Zangs verstirbt in Krefeld. 2004 Einzelausstellung „Herbert Zangs. Frühe Objektverweißungen 1952–1954“, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster. 2007 Ausstellung „Joseph Beuys/Herbert Zangs. Die Fünfziger Jahre“, Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz. 2008 Einzelausstellung „Phänomen – Herbert Zangs. Werke von 1947 bis 2003“, Städtische Galerie im Park, Viersen. 2010 Einzelausstellung „Herbert Zangs“, Galerie Bagnato, Konstanz-Oberdorf. 2012 Einzelausstellung „Herbert Zangs. Arbeiten aus dem Nachlass“, Galerie Maulberger & Becker, Düsseldorf. 2013 Einzelausstellung „Herbert Zangs“, The Mayor Gallery, London. 2014 Einzelausstellung „Herbert Zangs“, Kunstverein Villa Wessel, Iserlohn. Kunstwerke in Stiftungen und öffentlichen Sammlungen Amsterdam: Stedelijk Museum Bergisch-Gladbach: Städtische Galerie Villa Zanders Berlin: Kunstbibliothek Staatliche Museen, Sammlung Dittmar Berlin: Daimler Art Collection Bonn: Sammlung zeitgenössischer Kunst der Bundesrepublik Deutschland Budapest: Szépmüvészeti Múzeum Dortmund: Museum am Ostwall, Sammlung Cremer Düren: Leopold-Hoesch-Museum Düren: Papiermuseum Düsseldorf: Museum Kunstpalast Duisburg: Wilhelm Lehmbruck Museum Hamburg: Hamburger Kunsthalle, Graphische Sammlung und Sammlung Cremer Hamburg: Evangelische Akademie Nordelbien Karlsruhe: Staatliche Kunsthalle Krefeld: Kaiser Wilhelm Museum Krefeld: Adolf-Luther-Stiftung Linz: Neue Galerie der Stadt Linz Marl: Skulpturenmuseum Glaskasten Mönchengladbach: Städtische Sammlung Münster: Westfälischer Kunstverein, Landesmuseum, Sammlung Cremer Oberhausen: Ludwiggalerie Schloss Oberhausen Oostende: Mu.ZEE (ehemals Museum voor Schone Kunsten) Paris: Fondation Cartier pour l’art contemporain Paris: Fonds national d’art contemporain (FNAC) Singen: Städtisches Kunstmuseum Stuttgart: Kunstmuseum Stuttgart (Städtische Galerie) Stuttgart: Land Baden-Württemberg Stuttgart: Staatsgalerie, Graphische Sammlung Ulm: Ulmer Museum Vaduz: Kunstmuseum Liechtenstein Wiesbaden: Museum Wiesbaden Witten: Märkisches Museum Die Nutzung der Bildrechte erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Galerie Maulberger, München. 55 ANSPRECHPARTNER München Undine Lubinus MLitt [email protected] Tel. +49 (0)89 5 52 44 - 131 Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz Ketterer Kunst in Kooperation mit The Art Concept Julia Haußmann M.A. [email protected] Tel. +49 (0)89 5 52 44 - 246 Miriam Heß [email protected] Tel. +49 (0)62 21 5 88 00 38 Andrea Roh-Zoller M.A. [email protected] Tel. +49 (0)172 4 67 43 72 Elisabeth Bonse [email protected] Tel. +49 (0)89 5 52 44 - 244 Berlin Eva Lengler [email protected] Tel. +49 (0)89 5 52 44 - 128 Hamburg Ruth Tenschert M.A. [email protected] Tel. +49 (0)40 37 49 61- 0 Dr. Simone Wiechers [email protected] Tel. +49 (0)30 88 67 53 63 Düsseldorf Ralf Radtke [email protected] Tel. +49 (0)2 11 36 77 94 - 60 Lydia Kumor [email protected] Tel. +49 (0)2 11 36 77 94 - 60 Sachsen / Thüringen Stefan Maier [email protected] Tel. +49 (0)3 42 93 44 92 83 Ketterer Kunst GmbH & Co. KG Joseph-Wild-Straße 18 81829 München Tel. +49 (0)89 5 52 44 - 0 tollfree Tel.: 0800-KETTERER [email protected] www.kettererkunst.de 56 KETTERER KUNST FRÜHE ARBEITEN ZANGS H E R B E R T
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