Ein großer Förderer der kulturellen Kinder- und Jugendbildung Nachruf auf Helmut Brinkmann Von Wolfgang Schneider Den für die ASSITEJ bedeutendsten Brief hat er wohl am 17. September 1987 geschrieben, im Auftrag der Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit: „Die verschiedenen Sondierungsgespräche innerhalb und außerhalb des Ministeriums haben ergeben, dass die Notwendigkeit der Einrichtung von allen Seiten anerkannt wird.“ Gemeint war ein „Nationales Zentrum für Kinder- und Jugendtheater“, und der Auftrag an den Vorstand des Vereins lautete, ein Diskussionspapier vorzulegen, „mit dem von hier aus auf die Träger der kulturellen Jugendbildung im Theaterbereich zugegangen werden kann“. Der Autor des Schreibens war Helmut Brinkmann, geboren am 7. März 1943, gestorben am 12. August 2016. Die Kinder- und Jugendtheaterlandschaft in Deutschland verliert einen ihrer großen Förderer. Denn das war er, nicht nur groß, sondern vor allem Förderer – und das ist nicht selbstverständlich im Selbstverständnis von Beamten der Bürokratie. Von Anfang an hat er die Idee für gut befunden und zwischen seiner Ministerin Rita Süßmuth und der Vorsitzenden der ASSITEJ Hildegard Bergfeld vermittelt, strategisch geplant und die erforderlichen Rahmenbedingungen geschaffen. Aus dem Nationalen Zentrum wurde 1989 das Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland. Helmut Brinkmann war an allen Entscheidungen beteiligt; auch als es nach der plötzlichen Wiedervereinigung galt, ein Berliner Büro zu finanzieren, um die besonderen Belange der Theater für junge Zuschauer in der ehemaligen DDR kultur-, bildungs- und jugendpolitisch zu berücksichtigen, als aus dem Konzept eines deutsch-deutschen Festivals das Deutsche Kinder- und Jugendtheater-Treffen realisiert wurde und als es an der Zeit war, den Deutschen Kindertheaterpreis und den Deutschen Jugendtheaterpreis auszuloben. Helmut Brinkmann kannte die Kniffe des Kinderund Jugendplans des Bundes und wusste haushalterische Klippen zu umschiffen. Er dachte voraus, nahm alle mit und war alles andere als beratungsresistent. 1 Ihn interessierte, was er zu verwalten hatte Sein freundliches Gemüt konnte keine Gemüter erhitzen, weder bei komplexen juristischen Lagen und noch bei komplizierten Verteilungskämpfen. Sein Engagement ging weit über die gängige Verwaltungsarbeit hinaus, und das hatte seinen Grund. Ihn interessierte das, was er im Referat Kulturelle Bildung zu bearbeiten hatte, es machte ihm Vergnügen, auch über Inhalte und Ästhetik nachzudenken – nicht immer zur Freude seiner Vorgesetzten. Er mache sich gemein mit den Antragstellern, wurde ihm mal vorgeworfen, er sei zu nahe dran, an den Verbänden der Kultur, er müsse doch in seiner Funktion neutral bleiben. Solcherart Belehrungen konnten ihn aber nicht davon abhalten, sich mit den Gegenständen der geförderten Projekte und Programme auseinanderzusetzen. Helmut Brinkmann war ein geschätzter Partner im Diskurs um die Kulturelle Bildung. Die Jugendliteratur hatte es ihm besonders angetan, der Praxis der musikalischen Bildung galt seine Aufmerksamkeit, und glücklicherweise hatte er auch eine Affinität zum Theater. Nach der Pensionierung war er nach dem Umzug nach Augsburg Vorsitzender der Friedrich Bödecker-Kreise in Bayern, die sich segensreich um die Lesekultur im Lande kümmern, er erhielt von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur den Volkacher Taler und war mit Leib und Seele Kassenprüfer der ASSITEJ. Auch in dieser Rolle verstand er sich keineswegs als Zensor oder Pfennigfuchser, er spielte die Rolle des Beraters mit all seiner Expertise, machte Vorschläge zur Verwaltungsvereinfachung und mehrte die Effizienz der Mittelakquise. Legendär sind seine Einlassungen in Mitgliederversammlungen, bescheiden, gelegentlich mit einer Spur Ironie, aber immer entschieden für die Sache. Und er griff gerne zum Griffel, schrieb Beiträge in der Neuen Musikzeitung (nmz), in der Zeitschrift „JuLit“ des Arbeitskreises für Jugendliteratur und im Kinder-Medien-Magazin „Fundevogel“. Er entmythologisierte das Kultursponsoring und plädierte für eine grundgesetzlich garantierte Kulturförderung, stritt dafür, dass ministerielle Fachmitarbeiter nach Qualifikation und nicht nach Parteibuch auszuwählen seien und forderte ein Zuwendungsrecht, dass die Festbetrags- statt einer Fehlbedarfsfinanzierung ermögliche. 2 2008 schrieb er in der nmz über den Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages. Er war vielleicht der einzige Experte, der die Handlungsempfehlung zur Einrichtung einer Bundeszentrale für kulturelle Bildung als „geniale Idee“ würdigte: „Statt hier herzhaft zuzugreifen, verzetteln sich Träger der kulturellen Jugendbildung (…) Dabei zeigt schon ein Blick in den Bereich der politischen Bildung, wie segensreich die Bundeszentrale dort gewirkt hat. Die politische Bildung ist doch nicht trotz sondern wegen der Bundeszentrale finanziell erheblich besser ausgestattet als es die kulturelle Bildung je war. Und sie hat die Trägerlandschaft nicht verwüstet sondern bereichert.“ Offen kritisierte er jene Jugendpolitik, die eine Art Arzt-Patientenverhältnis zu den Trägern pflege, „was dazu führte, dass die Zielvorgaben immer enger auf die Beseitigung von Mängeln ausgerichtet wurden, die Förderung also immer mehr auf Zwecke abzielte – während Bildung auf Sinn gerichtet ist“. Helmut Brinkmann war ein großer Förderer der kulturellen Kinder- und Jugendbildung, als Verwalter und Gestalter. Die, die ihn kennenlernen durften, werden ihn sehr vermissen. Professor Dr. Wolfgang Schneider ist Vorsitzender der ASSITEJ e.V. Frankfurt am Main, den 5. September 2016. Eine gekürzte Fassung dieses Textes erscheint in Ausgabe 2/2016 des Magazins für Kinder- und Jugendtheater IXYPSILONZETT, herausgegeben von Wolfgang Schneider für die ASSITEJ e.V. im Verlag Theater der Zeit. 3
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