28 Tab. 12: Hohe Milchleistungen lassen sich mit guter Fruchtbarkeit vereinbaren Abb. 32 Abb. 33 Abb. 34 Milchleistung in kg Besamungsindex Rastzeit (Tage) Zwischenkalbezeit (Tage) < 9.000 2,04 85 410 9.000-9.999 2,07 83 403 10.000-10.999 2,01 90 408 >11.000 2,08 87 399 Abb. 35 Abb. 32: Trächtigkeitsrate und Besamungsaufwand in Abhängigkeit von der Rastzeit (Jahnke, 2004). Abb. 33 - 35: Vergrößerung und Aufquellen der Schamlippen in der Vorbrunst. 29 Brunstgeschehen und Besamungszeitpunkt Brunstbeobachtung/ Brunsterkennung Bei der Durchsicht von Besamungskarten im Rahmen von Stallbegehungen fällt immer wieder auf, daß eine mangelhafte Brunstbeobachtung die Ursache für vermeintliche Fruchtbarkeitsstörungen ist. Auch wird in manchen Betrieben aus Angst vor den Folgen der Energielücke in den ersten Laktationswochen den Tieren eine zu kurze biologische Rastzeit eingeräumt, jedoch mit erhöhtem Besamungsaufwand (Abb. 32). Die jährlichen Verluste durch Fehlbesamungen wegen oberflächlichen Brunstmanagements aus Zeitnot, Desinteresse oder Unkenntnis werden in der BRD auf rund eine Milliarde Euro geschätzt. Öfter mal hinschauen, lohnt sich! Vielen Milchrindhaltern muß immer wieder bewußt gemacht werden: Fruchtbarkeit = Brunsterkennung + Konzeption So ist eine mangelhafte Brunsterkennung dreimal häufiger schuld an schlechten Besamungsergebnissen als alle anderen Faktoren. Verpaßte Brunsten schlagen sich in einer Verlängerung der ZKZ von durchschnittlich 40 Tagen nieder. Als Beispiel sei hier die Analyse einer scheinbar fruchtbarkeits- gestörten Herde mit über 200 Kühen genannt. MilchprogesteronUntersuchungen offenbarten jedoch, daß nur etwa 50% der Besamungen zeitgerecht durchgeführt wurden. Ein Viertel der Kühe war bei der Besamung gar nicht brünstig, und bei dem anderen Viertel fand die Besamung zu früh statt. Untersuchungen an den Tieren bestätigten, daß allein die mangelhafte Brunstbeobachtung die Ursache war, denn zuchthygienisch waren die Tiere gesund. In diesem Problemkreis können biotechnische Maßnahmen zum Einsatz kommen z. B. in Form von Prostaglandinen (z. B. Estrumate®, Dinolytic®). „Hohe Milchleistungen lassen sich durchaus mit guter Fruchtbarkeit vereinbaren“, so der Bericht eines Tierarztes auf einer Agrar-Unternehmertagung in Münster (Tab. 12). Dessen Auswertung von rund 50 Hochleistungsbetrieben ergab, daß eine gewissenhafte Brunstbeobachtung und -kontrolle entscheidend ist, um Hochleistungskühe rechtzeitig trächtig zu bekommen. Ziel der Brunstbeobachtung ist es, die Kühe ausfindig zu machen, die „stehen“, wenn sie von Stallgefährtinnen besprungen werden, also eine Duldungsbereitschaft zeigen. Dann beträgt die Wahrscheinlichkeit einer Hochbrunst mit erfolgversprechender Besa- mung 90-95%. Bei den restlichen 5-10% handelt es sich meist um Kühe, die bereits trächtig sind und sich bespringen lassen, was landläufig mit „Rindern übers Kalb“ bezeichnet wird. Der Duldungsreflex während der Brunst umfaßt bei Kühen einen Zeitraum von 9-18 Stunden, bei Kalbinnen ist er um rund zwei Stunden geringer. Allerdings fällt laut Statistik die Länge der Duldungsbereitschaft recht unterschiedlich aus: in 14% der Fälle unter 4 Stunden in 26% der Fälle 4 – 8 Stunden in 31% der Fälle 8 – 12 Stunden in 20% der Fälle 12 – 16 Stunden in 9% der Fälle 16 – 20 Stunden Zu bedenken ist, daß die Duldungsbereitschaft als wichtigstes Symptom der Hochbrunstphase wellenförmig oder schubartig in Abständen zwischen 10 Minuten und 4 Stunden verläuft. Dies ist durch die pulsierende Abgabe von Brunsthormonen (Östrogene) aus der unter dem Einfluß von FSH herangereiften Eiblase (Tertiärfollikel) in die Blutbahn zu erklären (Sekretionsperiodik). Der Erfolg der richtigen Brunsterkennung hängt also von der Häufigkeit und jeweiligen Dauer der Brunstbeobachtung ab. Erst mit täglich 3 mal 30 minütiger Beobachtung ist eine Treffsicherheit der Brunsterkennung von über 80% gegeben. Hierbei muß sich die Brunstkontrolle auf die Tageszeiten konzentrieren, in denen die Tiere überwiegend ihre Brunstsymptome zeigen, nämlich in den Ruhepausen frühmorgens (4.00 bis 6.00 Uhr) und spätabends (20.00 bis 23.00 Uhr), denn rund 70% der Tiere sind bekanntlich nachts aktiv. Auf diese tieraktiven Phasen sollte die Brunstbeobachtung konzentriert sein, ohne daß andere Arbeiten nebenher gemacht werden. Häufig sind auch Aufsprungversuche der Tiere beim Umtreiben in den Melkstand. Die Vorbrunst kündigt sich unter der Einwirkung der Östrogene mit Vergrößerung und Aufquellung der Schamlippen (Abb. 33 - 35) sowie feuchtem, leicht errötetem Scheidenvorhof an. Das betreffende Tier fällt durch unruhiges Umherlaufen und Brüllen auf und sucht Kontakt zu Stallgefährtinnen. Fehlorientiertes Aufspringen von vorne oder von der Seite ist zu beobachten, wobei es den Sprungpartner um- 30 Abb. 36 Abb. 37 Abb. 36: Verklebte Stellen an Sitzbeinhöcker und Schwanz. Abb. 37 + 38: Brunstgesicht und typische Verhaltensweisen. Abb. 39: Rindernde Tiere gehören in eine von der übrigen Herde abgetrennte Großraumbucht. Seite 31: Abb. 40 + 41: Glasklare, bis zum Boden fadenziehender Brunstschleim. Abb. 42: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für die Besamung. Abb. 43: Brunstschleim kann zu einem Fenster aufgezogen werden. Abb. 38 Abb. 39 31 klammert und Friktionsbewegungen ausführt, die oft mit Schleimabgang verbunden sind. Der eigentliche Aufsprung dauert i.d.R. nur 10 Sekunden oder weniger und wird vom Tierhalter immer wieder übersehen. Schleimabsonderung aus der Schamspalte zeigt sich an der verklebten Schwanzunterseite (Abb. 36), am Sitzbeinhöcker und den Schenkeln. Brunstgesicht und typische Verhaltensweisen, wie Kopfauflegen (Abb. 37 u. 38), Ablecken und Beriechen von Nachbartieren, Flehmen und vor allem infolge der Unruhe ein geringeres Tagesgemelk, sind typische Brunstsymptome. Es hat sich bewährt, rindernde Tiere wegen der entstehenden Unruhe und Verletzungsgefahr von der übrigen Herde in eine Großraumbucht wegzusperren (Abb. 39). Der optimale und erfolgreichste Besamungszeitpunkt ist dann gegeben, wenn das brünstige Tier beim Besprungenwerden stehen bleibt (Besamung auf stehende Brunst) bzw. wenn es den Duldungsreflex zeigt, dabei die Kruppe senkt und den Schwanz zur Seite anhebt. Infolge des mehrmaligen Besprungenwerdens zeigen sich Hautabschürfungen an Schwanzansatz und Kreuzbein. Als sicheres Symptom gilt, wenn der spontane bzw. durch das „Ausräumen“ des Mastdarmes im Zuge der Besamung abgehende Brunstschleim glasklar und bis zum Boden fadenziehend ist (Abb. 40-42). Zur hygienischen Kontrolle kann der Brunstschleim zu einem Fenster aufgezogen werden (Abb. 43). Das Vorhandensein von Eiterflocken würde auf eine Entzündung hinwei- sen und Blutbeimengungen auf eine verpaßte Brunst. Damit die Tiere ihre Brunst möglichst naturnah „ausleben“ können, sollte das Umfeld entsprechend gestaltet sein. Dies betrifft den Bewegungsfreiraum und insbesondere die Bodenbeschaffenheit. Als Weichbodenläufer zeigt das Rind auf trockenem Erdreich (Abb. 44) bzw. guter Weide (Auslauf) eine längere Duldungsbereitschaft im Vergleich zu planbefestigem Boden (Abb. 45) bzw. Spaltenboden (Abb. 46). Klauenprobleme wirken sich dann besonders nachteilig auf die Brunstäußerung aus. Hochleistungstiere in Anbindehaltung sollten zur Brunstkontrolle täglich einen einstündigen Auslauf haben, wie es beispielsweise kanadische Züchter praktizieren. Hat die Brunst ihren Höhepunkt erreicht, so kommt es unter einmaliger Freisetzung von großen Mengen an LH aus der Hypophyse bei gleichzeitig rückläufiger FSH-Produktion zum Follikelsprung. Die Bildung von Östrogen ist somit vorbei, und die Brunstsymptome klingen ab. Aus der Eiblasenhöhle entsteht nun der Gelbkörper (Abb. 47), der das Gelbkörperhormon (Progesteron), auch Trächtigkeitshormon genannt, bildet. Abb. 40 Abb. 41 Abb. 42 Abb. 43 Laut Statistik beträgt der Konzeptionserfolg im Zeitraum von 12-20 Stunden zwischen Brunstfeststellung („Duldung“) und Besamung ca. 80% . Nach wie vor gilt für eine erfolgreiche Besamung die Morgens-Abends-Regel. Zeigt das Tier morgens eine gute Brunst, so ist es abends zu besamen bzw. umgekehrt. 32 Abb. 44 Abb. 45 Abb. 46 Abb. 44: „Naturnahe“ Brunst auf Weichboden. Abb. 45: Brunst auf planbefestigtem Boden im Auslauf. Abb. 46: Brunst auf Spaltenboden. Abb. 47: Morphologische Veränderungen am Eierstock während des Sexualzyklus. Seite 33: Abb. 48: Abbluten als wichtiger Hinweis, daß eine Brunst stattgefunden hat. Abb. 49 + 50: Stark gefältete Schamlippen („Progesteron-Scham“). Abb. 51: Rückbildung des Gelbköpers und heranreifende Follikel. Abb. 47 33 Abb. 48 Abb. 49 Sind Blutspuren oder blutiger Schleim an Schwanz oder Schamlippen zu sehen, so ist dies ein Hinweis, daß sich das Tier in der Nachbrunst befindet. Denn mit der totalen Änderung der Hormonlage kann es in der Brunst zum Platzen feiner Blutgefäße der Gebärmutterschleimhaut kommen. Das Blut fließt dann nach der Hauptbrunst durch den Scheidenabschnitt nach außen. Das Abbluten (Abb. 48) ist für den Tierhalter ein wichtiges Indiz für den vor rund zwei Tagen stattgefundenen Eisprung. Zur Zykluskontrolle wird dieser Termin im Brunstkalender vermerkt (Tab. 13 u. Abb. 52). Unter dem Einfluß von Progesteron wird der Schleim zähpappig und dichtet die Gebärmutter wie ein Pfropf hermetisch gegen Keime nach außen ab. Nunmehr tritt für ca. 14 Tage eine Ruhepause im Zyklus ein, in der keine Sexualaktivität vorhanden ist. Der Gelbkörper entwickelt sich in dieser Zeit zu seiner vollen Größe und bewirkt stark gerunzelte (Abb. 49 u. 50), fest „verschlossene“ Schamlippen (sog. Progesteron-Scham), deren Schleimhaut blaß und trocken ist. Bei Trächtigkeit bleibt der Gelbkörper neun Monate aktiv mit der Produktion von Progesteron. Wurde das Tier nicht trächtig, dann bildet sich unter Einwirkung von Prostaglandin der Gelbkörper ab dem 18.Tag wieder zurück (Abb. 51), und der nächstreife Follikel leitet durch Östrogenproduktion die Brunst ein. Ein neuer Zyklus läuft an. Abb. 50 Abb. 51 34 Tab. 13: Alle Beobachtungen sind im Brunstkalender einzutragen. Januar Januar/Februar Februar/März Sonntag 1 22 12 Montag 2 Alma +++ 15 23 Alma besamt 13 Alma aufpassen Dienstag 3 24 14 Mittwoch 4 25 15 Vera aufpassen Donnerstag 5 26 16 Freitag 6 27 17 Sonnabend 7 28 Vera 0 18 Sonntag 8 29 19 +++ = ++ = + = 0 = starke, deutliche Brunst, eindeutige Symptome sofort erkennbar weniger deutliche Brunst schwache, undeutliche Brunst, auch bei genauer Beobachtung keine eindeutigen Symptome erkennbar Abgang von Blut Abb. 52 Abb. 52: Gewissenhafte Führung des Brunstkalenders als Herzstück des Fruchtbarkeitsmanagements. Abb. 53: Elektronische Überwachung des Fruchtbarkeitsgeschehens. Abb. 54: Pedometer zur Messung der Schrittzahlen bei Kühen, die sich frei bewegen können (Laufstall). Seite 35: Abb. 55: Grafik einer Datensammlung der Bewegungsaktivität einer Kuh. Die Spitzen zeigen die erhöhte Bewegung in den Perioden der Vorbrunst an. Abb. 53 Abb. 54 35 Hilfsmittel zur Brunsterkennung Kühe, die problemlos abgekalbt haben, zeigen ihren ersten Eisprung nach durchschnittlich 1520 Tagen p.p., den zweiten mit 30 Tagen und den dritten Eisprung mit 50-55 Tagen p.p. Die ersten beiden Follikelsprünge verlaufen meist „still“, ohne äußerlich auffallende Brunstsymptome. Laut Statistik sind ca. 75% der ersten und rund 50% der zweiten Eisprünge stille Brunsten. Hatten die Tiere jedoch Geburtsprobleme, so hinken sie im Mittel mindestens um einen Zyklus hinterher und haben ihren ersten Eisprung nach 30-35 Tagen p.p. Unverzichtbar ist also das „Auge des Herrn“. Mit dem Trend zu grö- Abb. 55 ßeren Herden wachsen auch die Anforderungen an das Herdenmanagement. Tierüberwachung und Dokumentation zählen dann zu den wichtigsten Arbeiten im Tagesablauf. Für lückenlose Fruchtbarkeitsüberwachung sind Managementhilfen unentbehrlich. Sie reichen von Stalltafeln im Anbindestall über verschiedene Brunstkalender bis hin zu elektronischen Überwachungssystemen. Die technischen Hilfsmittel können die Brunsterkennung erleichtern und helfen, fragwürdige Brunsten abzuklären. Am weitesten verbreitet ist der Wandkalender, der in 3-WochenZyklen aufgeteilt ist, so daß eine Brunst im Abstand von 3 Wochen immer in der gleichen Linie oder Zeile erscheint (Tab. 13). Neben EDV-Kuhplaner in Verbindung mit einem computergesteuerten Herdenmanagement (Abb. 53) wird in vielen Betrieben nach wie vor der bewährte Rundkalender (Fruchtbarkeitsuhr) geführt, bei dem die einzelnen Kühe bezüglich Abkalbung, Brunsttermin und Besamung mit verschiedenfarbigen Zetteln, Aufklebern oder Magnetwürfeln markiert werden (Abb. 52). Die Übersichtlichkeit und leichte Handhabung dieses Systems ermöglicht auch anderen Betriebszugehörigen eine aktive Beteiligung an der Brunstkontrolle. Pedometer (Schrittzähler) am Bein (Abb. 54) bzw. Bewegungsmelder am Halsband registrieren die durch das „Rindern“ bedingte Unruhe und erhöhte Bewegungsaktivität mit Wiedergabe am PC (Abb. 55) – ein Hinweis dafür, daß das betreffende Tier nun näher auf Brunstsymptome zu kontrollieren ist. Die Kombination Aktivität (Pedometer) und Milchmenge mit deren Leitfähigkeit erlaubt eine noch sicherere Aussage darüber, ob die Kuh rindert. Außerdem geben die Aktivitätsmessungen einen wertvollen Hinweis auf das Wohlbefinden der Tiere. Beispielsweise lassen bei Klauenerkrankungen die Bewegungsaktivitäten auffallend nach. Für größere Milchrindherden ermöglicht die Software die Erstellung von Listen mit den als brün- stig erkannten Kühe. Neuerdings sind auch für Jungrinder Präzisionspedometer (z.B. LemmerFullwood) im Angebot. Mit speziellen Empfängern, z.B. an Tränken angebracht, werden die tierindividuellen Bewegungsaktivitäten erfaßt und in das Herdenmanagement-System zur Analyse des Brunststatus übertragen. Ferner werden zur Brunstkontrolle farbgebende Pflaster bzw. Farbpatronen angeboten, die z.B. ab dem 25. Tag p.p. auf den Schwanzknochen aufgeklebt werden (Abb. 56 und 57). Die unterschiedliche Verfärbung zeigt an, ob ein Tier nur einmal oder mehrere Male besprungen wurde. Erst wenn das betreffende Tier richtig „steht“ und mehrmals besprungen wurde, ist eine vollständige Verfärbung zu erkennen bzw. die rote Flüssigkeit fließt aus, wenn die Farbpatrone geplatzt ist (Abb. 58 und 59). Allerdings muß bei diesem System damit gerechnet werden, daß durch Reiben an Pfosten oder durch rotierende Bürsten (Abb. 60) Pflaster/Farbpatrone verloren gehen können. Auch kommt es in der Praxis immer wieder vor, daß diese Brunsterkennungshilfsmittel von anderen Stallgefährtinnen abgeleckt werden. Da Progesteron die „Leitmelodie“ im hormonellen Geschehen des Zyklus spielt, hat es sich in der 36 Abb. 56 Abb. 57 Abb. 58 Abb. 56: Aufkleben des Brunstpflasters auf die Haare des Schwanzknochens. Abb. 57: Aufgeklebte Farbpatrone. Abb. 58: Geplatzte Farbpatrone mit rotem Flüssigkeitsfleck. Abb. 59: Durch mehrmaliges Bespringen des brünstigen Tieres wird die graue Deckschicht des Pflasters abgerieben und die rote Farbe erscheint unverkennbar. Abb. 60: Rotierende Bürsten lösen die Brunstpflaster bzw. -patronen. Seite 37: Abb. 61: Progesteronverlauf während eines Zyklus (Farbverlauf nach Progesteron-Schnelltest Hormonost ®). Abb. 62: „Kein, wenig, viel Progesteron“ in der Milch (Farbreaktion). Abb. 63 + 64: Arbeiten mit dem Röhrenspekulum. Abb. 59 Abb. 60 37 Praxis vielfach bewährt, den hormonellen Verlauf während eines Zyklus (Abb. 61) mittels des MilchProgesteron-Testes nachzuweisen. Als ein einfach zu handhabender und sehr genauer Test wird von den Milchrindhaltern gerne der „Hormonost-Test“ der Firma Biolab/ München verwendet, der auch unter dem Begriff Stallgassen-Test bekannt ist. Die Milchprogesteronbestimmung arbeitet auf der Basis von biochemischen Reaktionen, die den Progesterongehalt in der Milch anhand unterschiedlicher Farbabstufungen sichtbar machen. Da nur äußerst geringe Hormonmengen nachzuweisen sind, ist die Genauigkeit dieser Farbreaktion und deren Zuordnung zu den drei Kategorien „viel, wenig und kein Progesteron“ (Abb. 62) ein wesentliches Qualitätskriterium für das Testverfahren. Weil während der Brunst kein Progesteron vorhan- den ist, kann die Progesteronbestimmung, z.B. bei unsicheren Brunstsymptomen, zur Brunstkontrolle eingesetzt werden. Hervorragende Dienste leistet dieser Test zur Erkennung von Follikelzysten. Da die Bildung von Gelbkörper und Progesteron einen Eiblasensprung voraussetzt, läßt sich ca. 7 Tage nach der Brunst bzw. Besamung prüfen, ob dieser überhaupt stattgefunden hat. Ist kein Progesteron nachweisbar, dann hat sich auch kein Gelbkörper gebildet. Der Follikelsprung fand also nicht statt. Die Diagnose lautet dann Follikelzyste. Wird der entartete Follikel behandelt und Progesteron wieder nachgewiesen, dann gilt die Behandlung als erfolgreich. Für viele Betriebsleiter ist der Einsatz eines Röhrenspekulums bei schwachbrünstigen Kühen ein unentbehrliches Hilfsmittel geworden. In Streßsituationen besteht äußerlich oft nur der Verdacht einer Brunst. Bei näherer Untersuchung des Scheidenraumes (Abb. 63 u. 64) kann dann doch Schleim festgestellt werden als Hinweis darauf, daß sich das Tier in Brunst befindet. Gleichzeitig läßt sich auch optisch die Schleimqualität beurteilen bzw. eventuelle Schleimhautentzündungen feststellen. Während der Vorbrunst zeigt sich zähflüssiger Schleim bei leicht geöffnetem Muttermund, der in der Hauptbrunst dünnflüssig ist (Abb. 65 u. 66) und beim Herausnehmen des Spekulums lange Fäden zieht (Abb. 67). Voraussetzung ist aber ein peinlich sauberes Arbeiten, damit keine Krankheitskeime von Tier zu Tier übertragen werden. Nach Gebrauch wird das Spekulum gereinigt, desinfiziert und steril aufbewahrt, z.B. in einer Einwegplastikhülle. Mittels Brunstmeßgerät (Abb. 68) läßt sich die zyklusbedingt unterschiedliche Viskosität des Brunstschleimes messen. Während der elektrische Widerstand des Schleimes in der Gelbkörperphase bei ca. 45-55 Ohm liegt, fällt er in der Östrogenphase auf Werte zwischen 25 und 35 Ohm ab und steigt in der Nachbrunst wieder an. Indirekt kann die Eierstockfunktion über die Beurteilung der Schamlippenreaktion kontrolliert werden. Dieser Test beruht darauf, daß die jeweiligen Funktionsgebilde am Ovar (Eiblase mit Brunsthormon bzw. Gelbkörper mit Progesteron) die Ausformung der Schamlippen prägen. So erscheinen bei nichtbrünstigen Tieren unter dem Einfluß des Gelbkörperhormons Progesteron die Schamlippen kurz und „hart“ sowie stark gefältet und liegen wie verklebt eng aneinander (Abb. 69). Nur gegen einen ge- Abb. 61 Abb. 62 Abb. 63 Abb. 64 38 Abb. 65 Abb. 66 Abb. 67 Abb. 65: Zähflüssiger Brunstschleim bei leicht geöffnetem Muttermund. Abb. 66: Dünnflüssiger Brunstschleim in der Hauptbrunst. Abb. 67: Fadenziehender Brunstschleim beim Herausziehen des Röhrenspekulums. Abb. 68: Widerstandsmessung des Brunstschleimes mittels Brunstmeßgerät. Abb. 69: Kurz gefältelte Schamlippen (Progesteronphase). Seite 39: Abb. 70: Eine Schamlippe wird vorsichtig zur Seite gezogen. Abb. 71: Rosarote, gut durchfeuchtete Schleimhaut des Scheidenvorhofes. Abb. 72: Rindert sie, rindert sie nicht? Abb. 73: Zartes Antippen der Schamlippen zur Reaktionsauslösung. Abb. 68 Abb. 69 39 wissen Widerstand lassen sich die Schamlippen voneinander trennen, so daß eine blasse Schleimhaut des Scheidenvorhofes sichtbar wird („Progesteron-Scham“). Anders verhält es sich während der Brunst. Unter dem Einfluß des Östrogens sind die Schamlippen geschwollen und lang, gut „durch- saftet“, ohne Fältelung und fühlen sich infolge guter Durchblutung weich und warm an. Deshalb lassen sie sich leicht öffnen, wenn vorsichtig eine Schamlippe zur Seite gezogen wird (Abb. 70). Eine glänzende, rosarote, gut durchfeuchtete Schleimhaut des Scheidenvorhofes wird sichtbar (Abb. Abb. 70 Abb. 71 Abb. 72 Abb. 73 71). Wenn die beschriebenen Symptome der Schamlippen z. B. aufgrund von Streßeinwirkungen nicht so eindeutig ausgeprägt sind (Abb. 72), dann sollte mittels Reaktionsauslösung nachgeholfen werden. Durch mehrmaliges zartes Antippen der Schamlippen (Abb. 73) erfolgt über das Nervensystem eine Sensibilisierung, so daß sich die Schamlippen nunmehr entsprechend der jeweiligen Zyklusphase (Follikel oder Gelbkörper) differenziert ausformen. Diese Methode findet immer mehr Anklang unter den Praktikern, da sie leicht durchführbar ist, wenn die Tiere nach dem Melken im Freßgitter festgehalten werden. Da anerkanntermaßen ein Bulle in der Herde als zuverlässiger Brunsterkenner gilt, richten sich manche Betriebe eine Suchbullenbox ein, wo die Kühe den „Peepboy“ durch ein offenes Fenster sehen können (Sichtkontakt). „Wenn die Kuh rindert, möchte sie zum Bullen und schaut dabei durch das Fenster“. Über eine Antenne am Fenster wird die Anzahl der Besuche im PC registriert und abgefragt, woraus Rückschlüsse auf die Brunst gezogen werden. Die Brunsterkennungsrate läßt sich damit erhöhen. Für meist größere Milchrindbetriebe, in denen zeitlich und fachlich begründete Unzulänglichkeiten bei der Brunstbeobachtung Ursache für Fruchtbarkeitsstörungen sind, wird immer wieder das OvSynch-Verfahren propagiert. Mit dieser Technik kann ohne Brunstbeobachtung nach vorausgehender Behandlung mit GonadotropinReleasing-Hormon (GnRH) und Prostaglandin (PG) (z. B. Estrumate ®, Dinolytic ®) der Besamungszeitpunkt festgelegt werden. Den Kühen wird am 1.Tag GnRH gespritzt, 7 Tage später PG und zwei Tage darauf noch einmal GnRH. Die KB erfolgt 16-20 Stunden nach der letzten Injektion. Für die Behandlung kommen nur gesunde Kühe in Frage, die sich am Ende der Rastzeit befinden oder Tiere, die 65 Tage p.p. noch keine Brunst gezeigt haben. Die Reaktion der Praxis ist nicht einheitlich und reicht von Begeisterung bis Ablehnung.
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