Interview mit Stephan Plenz, Vorstand Heidelberg Equipment Digital, vernetzt und autonom Mit der Primefire 106 hält Heidelberg eine innovative Lösung für die industrielle Produktion von Digitaldruck anwendungen im 70 x 100 Format bereit. Basis des neuen Systems sind die Ink jet-Technologie des Entwick lungspartners Fujifilm und die bewährte Heidelberg Peak Performance Plattform aus der Offsettechnologie. Wir sprachen mit Stephan Plenz, Vorstand Equipment, über Heidelbergs Perspektiven im Digitaldruck und das Konzept des autonomen Druckens. Stephan Plenz, Vorstand Heidelberg Equipment, stellte die neue Heidelberg Primefire 106 auf der drupa vor. Das System für die industrielle Produktion digitaler Druckerzeugnisse im Format 70 x 100 ist ein wichtiger Meilenstein für das Unternehmen. Heidelberg hat sein Digitaldruckangebot sukzessive erweitert. Welche Entwicklungen erwarten Sie mittelfristig für dieses Segment? Wir sind bereits sehr früh in das digitale Geschäft eingestiegen und haben damals mit einem Jointventure versucht, diesen Markt für uns zu entwickeln. Doch die Zeit war noch nicht reif. Seit 2011 bauen wir das Digitalgeschäft wieder auf, um Heidelberg breiter aufzustellen. Schließlich möchten wir unsere Kunden mit den Lösungen beliefern, die sie für ihr Geschäft benötigen. Außerdem war inzwischen offenkundig, dass der Digitaldruckanteil wesentlich zunahm. Daher wollten wir uns als Druckmaschinenhersteller nicht allein auf das Offsetsegment konzentrieren, sondern künftig beide Technologien anbieten. Die Kooperation, die wir mit Ricoh eingegangen sind, um in einem ersten Schritt vorwiegend den klassischen Markt mit kleinen und personalisierten Druckauflagen im Akzidenzbereich bedienen zu können, hat nicht nur dazu geführt, dass wir heute sehr erfolgreich Digitaldruckmaschinen vertreiben, sondern wir haben auch ein eigenes Frontend entwickelt, mit dem wir nicht nur unsere Maschinen ausstatten, sondern es auch an Ricoh und an Drittanbieter verkaufen. Das Prinect Digital Frontend gibt den Kunden die Möglichkeit, den Digitaldruck im gleichen Workflow zu betreiben wie den Offsetdruck. Um den Kunden eine absolute Farbtreue garantieren zu können, lassen sich die gleichen Farbmanagement-Geräte und das gleiche RIP verwenden. Auf der drupa konnten wir den Verkauf der 1.000. Versafire bekannt geben. Dies zeigt, dass es uns gelungen ist, in diesem Segment sehr gut Fuß zu fassen. Gleichzeitig haben wir unsere Digitaldruckorganisation weiter professionalisiert und das Angebot stetig ausgebaut. Parallel dazu habe ich sehr früh damit begonnen, eine Industrialisierung des Digitaldrucks auf Basis der Inkjettechnologie voranzutreiben und habe unser F & E-Team gefragt, ob man nicht außerhalb dieser „grauen Boxen“ auch eine Digitaldruckanwendung etablieren könne, die über eine vergleichbare technische Verfügbarkeit und einen ähnlichen Ausstoß von 24 / 7 verfügt, die unsere Kunden vom Offsetdruck her gewohnt sind. Bei der Konzeption industrialisierter Digitaldruckanwendungen haben wir uns ganz klar für die Inkjet-Technologie entschieden, da der Trockentoner nie- 1 mals eine vergleichbare Geschwindigkeit und Qualität erreichen wird und der nicht recyclebare Flüssigtoner ökologisch nicht vertretbar ist. Daher sehen wir im Inkjet die Technologie der Zukunft. Vor diesem Hintergrund haben wir verschiedene Anwendungen für dieses Verfahren entwickelt. Bei der ersten Maschine handelt es sich dabei um die Rollenmaschine Gallus Labelfire 340 für die Etikettenproduktion. Der Feldtest ist mittlerweile erfolgreich verlaufen und der Serienverkauf läuft. Bei der Labelfire macht sicherlich die Integration des Systems in die existierende Weiterverarbeitung auf der gleichen Plattform den großen und entscheidenden Unterschied für unsere Kunden aus. Und ihre Druckqualität von 1.200 dpi deckt alle Anforderungen ab, die man in der Industrie benötigt. Heidelberg hat für diese Zusammenarbeit einen neuen Partner gesucht, da wir einen Druckkopf benötigten, der diese hohen Anforderungen in vollem Umfang erbringen kann. Unsere Wahl fiel letztendlich auf einen Druckkopf aus dem Hause Fujifilm. Wir wollten jedoch nicht nur die Köpfe kaufen, sondern wir wollten eine konstruktive und partnerschaftliche ZusammenarCopyright by pepress – World of Print - September 2016 beit, da wir davon überzeugt waren, dass aus diesem Druckkopf deutlich mehr herauszuholen wäre, wenn man die Ansteuerung, die Tintenversorgung sowie die Integration in den gesamten Workflow intelligenter und, seitens der Kunden, schlüssiger auf die Anwendungen optimiert. Aus dieser gemeinschaftlichen Arbeit ist letztendlich unsere neue Labelfire entstanden – und in einem weiteren Schritt die Primefire 106. In einem ersten Schritt konzentriert sich die Maschine auf Anwender im Verpackungsdruck. Das System ist entsprechend industriell robust konzipiert und bietet Anwendern eine off setähnliche Qualität. Darüber hinaus gibt sie Kunden die Zuversicht, dass sie auch in der Zukunft des variabilisierten Drucks sehr erfolgreich sein können. Für Heidelberg besteht das Ziel im Digitaldruck darin, weiter zu wachsen und das heutige Portfolio weiter auszubauen. Basis dafür ist unsere installierte Basis und unser Angebot rund um den Prinect Workflow, der in der Lage ist, Offset- und Digitaldruck zu integrieren. Darüber hinaus ergänzen wir unser Portfolio mit Produkten wie der Omnifire, mit der sich dreidimensionale Objekte individuell und in Farbe bedrucken lassen. Damit ermöglichen wir Anwendern völlig neue Geschäftsmodelle und das Erschließen neuer Marktsegmente. dern sie tun dies autonom, überwachen sich selbst und werden nur noch aktiv unterbrochen, wenn dies erforderlich ist. Die Bediener werden dabei durch intelligente Assistenzsysteme aktiv durch die Prozesse geführt. Damit dieses Konzept zum gewünschten Erfolg führt, bedarf es vorab zweier Voraussetzungen: Auf der einen Seite muss die Maschine soweit vorbereitet werden, dass sie diese Automatisierung überhaupt leisten kann, und die Vorteile, die in erster Linie aus dem Workflow resultieren, müssen dann auch in der Maschine in Echtzeit in kürzere Rüstzeiten umgesetzt werden können, die durch eine konsequente Parallelisierung sämtlicher Prozesse erreicht werden. Auf der anderen Seite spielen natürlich die Rohdaten und der vorherrschende Workflow eine entscheidende Rolle. Wird die Jobreihenfolge richtig gestaltet und der Bediener entsprechend durch den Rüstprozess geführt, dann kommt man idealisiert auch an das autonome Drucken heran, und der damit realisierte Produktivitätsvorsprung ist so groß, dass sich eine Neuinvestition in jedem Falle lohnt. Wichtig für Push to Stop sind auch die optimalen Verbrauchsmaterialien und der richtige Service. Traditionell ist Heidelberg nun einmal im Offsetsegment angesiedelt. Wie unterstützen Sie Ihre Kunden bei der Wahl zwischen den unterschiedlichen Technologien? Wir haben dies auf der drupa mit unserer Strategie des „Smart Print Shops“ gezeigt. Damit meinen wir das perfekte Zusammenspiel von Equipment, Services und Verbrauchsmaterialien. Wir hören den Kunden zu, beraten, welche Technologie am besten für das jeweilige Geschäftsmodell und die Auftragsstruktur passt und liefern dann die exakt passende Lösung. Mit Push-to-Stop haben Sie eine ganz neue Automations- und Produktionsmethode gestartet. Wie rigoros erfordert dieses Konzept ein Umdenken? Mit der „Push to Stop“-Philosophie wird der Paradigmenwechsel im Denkansatz beschrieben, der erforderlich ist, um die Leistungspotenziale einer smarten, intelligent organisierten Produktionsumgebung zu erschließen. Die Vision ist, dass in der Zukunft Prozesse nicht mehr aktiv gestartet werden, son- Bei Heidelberg sind die Digitaldruck- und die Offsetdruckmaschine über den gemeinsamen Prinect Workflow integriert. Bei den Offsetdruckmaschinen setzt die Digitalisierung der Prozesse das autonome Drucken um. Copyright by prepress – World of Print - September 2016 Was wir bei allen Vorhersagen zum Trotz jedoch nicht ignorieren dürfen, ist, dass heute weniger als 4 % digital gedruckt wird und 96 % auch weiterhin im konventionellen Druckverfahren produziert wird. Und dies wird sich in den nächsten Jahren absehbar nicht ändern. Der Digitaldruck wächst, weil die Nachfrage nach personalisiertem Druck und nach kleinsten Auflagen immer stärker zunimmt. Letztendlich entscheidet die Frage: Mit welchem Verfahren kann der Kunde welchen Job kostengünstig abdecken? Dabei besteht die richtige Antwort immer häufiger in einem Technologiemix, bei dem die jeweils kostengünstigste und ökonomischste Variante gewinnt. Wie sinnvoll ist aus Ihrer Sicht die Kombination einer Offsetmaschine mit einem digitalen System? Selbstverständlich sind auch wir in der Lage, mit dem Inkjet einzudrucken. Das Problem dabei ist jedoch, dass dieser Prozess die Geschwindigkeit der Gesamtanlage reduziert. Wenn für ein Spezialverfahren die gesamte Anlage im Rüsten oder der Maximalgeschwindigkeit begrenzt wird, macht dies wenig Sinn. Die Integration muss so erfolgen, dass der Druck auch mit maximaler Geschwindigkeit des Hauptprozesses läuft. Hierfür ist die Gallus Labelfire, bei der wir den Inkjet mit der klassischen Flexoproduktion kombiniert haben, ein geeignetes Beispiel. Bei Etiketten können beispielsweise Silber, Gold oder Weiß vorgelegt werden und anschließend wird variabel eingedruckt. Auch im Bogenbereich lässt sich eine Kombination zwischen Digital- und Offsetdruck umsetzen, doch ich glaube, unsere Kunden werden diese Prozesse eher separat fahren. Denn das Risiko bei der Kombination im Bogendruck besteht darin, dass sich die jeweiligen Stärken beider Verfahren nicht vollständig ausschöpfen lassen. Wenn man Offsetwerke und Inkjet in einer Maschine vereint, dann reduziert das Offsetwerk die Stärke des Inkjets im Rüsten, während der Inkjet die Geschwindigkeit des Offsetdrucks reduziert. Um die Stärken zu erhalten, werden daher heute in der Regel die Prozesse parallel gefahren. Herr Plenz, wir danken Ihnen vielmals für das interessante Gespräch. 2
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