Die jüdischen Enkircher 1801 bis 1945 Ihr Leben vor 1933, sowie ihre Verfolgung, Emigration oder Deportation und Ermordung im nationalsozialistischen Deutschland zusammengetragen von Thomas Hüttmann Vorwort Im Gegensatz zu anderen Gemeinden im Umkreis hat die Beschäftigung mit der NSVergangenheit in dem Moselort Enkirch gerade erst begonnen. Das mag auch darin begründet liegen, dass gerade Enkirch als selbsternannte Hochburg des Nationalsozialismus an der Mittelmosel galt. In einer Zeit, da die Generation mit dem „Stigma der späten Geburt“ am aussterben ist, welche großteils gewillt ist ihr Wissen schweigend mit ins Grab zu nehmen und vergeblich hofft, dadurch „Gras darüber wachsen lassen“ zu können, ist es Aufgabe, aber auch Chance für eine Gesellschaft der Enkel des Faschismus, die nicht mehr in direkter Zeitzeugenschaft zum NS-System steht, sich unvoreingenommener mit dieser geschichtlichen Periode auseinanderzusetzen. Denn dieses Stigma, das eigentlich ein Trauma der späten Geburt ist, nämlich in das faschistische Erziehungssytem hineingeboren zu sein, besteht darin, ein Leben lang darauf beharrt zu haben, „nichts dafür zu können“, faschistisch geprägt worden zu sein, und anstatt zu versuchen diese ideologisch und gerade auch psychisch indoktrinierten Deformationen aufzuarbeiten und zu überwinden, „nichts gewusst haben“ will oder nichts davon wissen wollte, was als Kriegsverbrechen und Völkermord bezeichnet wird, und sich stattdessen in Ausreden, Rechtfertigungen, in Lügen und Ressentiments flüchtet, und im Extrem soweit geht, entweder den Holocaust zu leugnen, oder die Opfer selbst für ihre Verfolgung und Ermordung und die daraus resultierende Schuld der Täter als verantwortlich zu erklären. Solches Verhalten hat das Nazierbe der 1950er und 60er Jahre in der Bundesrepublik weitergetragen, indem es ausdrücklich Aufarbeitung und Aufklärung verhindert hat. Die (Ex-) Nazis u.a. in Politik, Justiz, in die Ärzteschaft und die Wirtschaft wurden in die Gesellschaft reintegriert, sie wurden gedeckt, gebilligt und unterstützt oder ihnen wurden Renten für ihre Kriegsverbrechen ausbezahlt, während etlichen Opfern Entschädigungszahlungen verweigert wurden, u.a. den meisten der sowjetischen Kriegsgefangenen, der bis zu 10 Millionen Zwangsarbeitern, Kommunisten, den Roma und Sinti, Euthanasieopfern, Zwangssterilisierten, „Asozilaen“ und Homosexuellen. Natürlich hat diese Generation versucht, ihr Verhalten, das Vertuschen, Herunterspielen, das Leugnen und das Verschweigen an ihre Kinder zu vererben. Natürlich war der „liebe Opi“ kein Kriegsverbrecher, sondern ein guter Soldat, denn natürlich sei auch die Wehrmacht „anständig geblieben“, wie Himmler das von seiner Schutz-Staffel behauptete, selbst wenn sie an Erschießungen von Zivilisten, der Exekution von angeblichen Partisanen, Massenhinrichtungen an jüdischen Osteuropäern, oder Vernichtungsaktionen an ganzen Dorfgemeinschaften beteiligt war; natürlich hat der Onkel bei der Waffen-SS nur seine Soldatenpflicht getan, hat 2 seine Gedenktafel bis heute auf dem „Ehrenfriedhof“ oder ist auf dem „Ehrenmal“ gewürdigt, und wird natürlich am „Heldengedenktag“, wie der „Volkstrauertag“ bis heute umgangssprachlich genannt wird, von der Kirche als „pflichterfüllendes Opfer des Krieges“ stilisiert. (Natürlich wurde das Grab des Kriegsverbrechers Baldur von Schirach, der die Deportation der österreichischen Juden organisierte, im Nachbarort Kröv noch bis vor einem Jahr, 2015, blumengeschmückt belassen). Natürlich war der Großvater oder Großonkel zwar bei der SA, aber sicher „nur widerwillig“ oder „gezwungenermaßen“ an der Schikanierung der jüdischen Mitbewohner oder am Pogrom von 1938 beteiligt, natürlich hat er die Zwangsarbeiter nicht geschlagen und gedemütigt, nein, „denen ging es doch hier besser als von wo sie herkamen“, es wurde ihnen gar „ein Stück Brot zugesteckt“. Natürlich will auch heute niemand so genau wissen, ob die Oma aktiv in der NSFrauenschaft war, ob die Tante oder Großtante als Parteigenossin sich für Euthanasie und Zwangsabtreibung eingesetzt hat, und ob sie bis zu ihrem Lebensende von ihrer Ideologie keinerlei Abstriche gemacht hat, sondern nach Filbingers Manier darauf beharrte, dass auch heute kein Unrecht sein könne, was damals Recht gewesen sei. „Man musste ja“, „man hätte ja nichts dagegen tun können“, „man hat ja nichts gewusst“, das sind die Ausflüchte der Täter, der Mitläufer, der NSDAP-Wähler, der bei den Aufmärschen Mitjubelnden, der Fahnenschwenkenden, der Auf-denReichsparteitag-Fahrenden, die Ausreden, die ihre Kinder und Enkel bis heute nur zu gerne glauben und verinnerlicht haben: „Ich hätte damals wahrscheinlich genauso gehandelt“ ist natürlich das zynische Fazit dieser Einstellung. Dergestalt hat Adenauers unverschüttetes Schmutzwasser die Bundesrepublik über Generationen hin verseucht. Symbolischer Träger und Sinnbild dieser „zweiten Schuld“ ist der rheinlandpfälzische Politiker Helmut Kohl, der ausgerechnet sein Stigma und das Trauma seiner Frau Hannelore in pseudoreligiöser Verbrämung zur „Gnade“ umdeuten zu können glaubte. 1930 in Ludwigshafen geboren, wird er als 14-Jähriger in Berchtesgarden, unterhalb von Hitlers Berghof auf dem Obersalzberg, zum Hitlerjungen ausgebildet. Im Vorfeld der sog. Auschwitz-Prozesse ab 1963 äußert er 1962, es sei zu früh, den Nationalsozialismus abschließend geschichtlich zu bewerten. Damit begründet er das Verbot des Kultusministeriums, eine Schrift von Fritz Bauer, des Initiators dieser Prozesse, an Höheren sowie an Berufs-Schulen zur Verfügung zu stellen. Fritz Bauer stirbt 1968, als Ursache wird Suizid diagnostiziert, eine gerichtliche Leichenöffnung unterbleibt aber unerklärlicherweise. Der Prozess gegen Täter der Euthanasie-Verbrechen, den Fritz Bauer zu dieser Zeit vorbereitete, findet nie statt. Während Kohl als Vorsitzender der CDU Anfang der 1980er Jahre eine geistigmoralische Wende proklamiert, sammelt er und seine Partei illegal steuerfrei 3 Spendengelder von zig Millionen Mark ein, darunter die mehr als 20 Millionen Mark auf Schweizer Schwarzgeld-Konten, die vom seinem späteren Innenminister Kanther in dessen Zeit als Generalsekretär der hessischen CDU um 1983 zum Teil mit der Tarnbezeichnung „anonyme jüdische Erbschaften“ oder „jüdische Vermächtnisse“ benannt werden, um sie leichter nach Deutschland rücktransferieren (weißwaschen) zu können. Helmut Kohl, der zu dieser Zeit bereits Bundeskanzler ist, beteuert in altbekannter Manier, nichts davon gewusst zu haben, bis anhand von Dokumenten seine Beteiligung an der Spendenpraxis nachgewiesen werden kann. Gnadenlos, schamlos, skrupellos und verstockt setzt Kohl sich in der Spendenaffäre über Gesetze und jegliche Moral hinweg und verhindert die Aufklärung der Straftaten unter Berufung auf ein dubioses Schweige-„Ehrenwort“, das über dem Recht stehe; vorher hat er alles versucht, zum einen mittels angeblicher Erinnerungslücken die Vorgänge zu vertuschen, zum anderen indem im Kanzleramt nachweislich Daten gelöscht und Akten vernichtet werden. Ausgerechnet in der Bundestagsdebatte zur Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ erinnert sein Parteikollege Alfred Dregger 1997, um gegen die Ausstellung zu polemisieren, die im „Selbsthaß“ „Deutschland ins Mark treffen“ wolle und „die gesamte Kriegsgeneration pauschal als Angehörige und Helfershelfer einer Verbrecherbande abzustempeln“ versuche, daran, es sei Helmut Kohls Verdienst, Boris Jelzin veranlasst zu haben, dass dieser „zehntausende von ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen, die damals von sowjetischen Militärtribunalen zu Unrecht verurteilt wurden, rehabilitieren läßt (...)“.1 Aber die Rehabilitierung der Opfer faschistischer Justiz und die Aufhebung der Unrechtsurteile nationalsozialistischer Juristen kann erst in den allerletzten Tagen seiner Kanzlerschaft, und zunächst auch nur scheibchenweise erfolgen. Lediglich die Urteile des Volksgerichtshofs und der Standgerichte werden ab dem 1. September 1998 aufgehoben, die Anerkennung vieler Opfergruppen der Nationalsozialisten wird nach seiner Regierungszeit durchgesetzt und ergänzend in das Aufhebungsgesetz mit aufgenommen. Dieser Charakterkomplex und diese Handlungsweisen machen Helmut Kohl zum prototypischen Repräsentanten der bundesdeutschen Kriegskinder-Generation. Auch das Denkmal für die ermordeten Juden Europas wird 2005 nach der Ära Kohl realisiert, es bietet zusammen mit dem Dokumentationszentrum „Ort der Erinnerung“ die Möglichkeit eines würdigen Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Denn der offensichtlichste Aspekt der Verbrechen des deutschen Nationalsozialismus besteht in der Diskriminierung, der Verfolgung und Vertreibung der jüdischen Mitbewohner, die vielfach, und das gilt auch für die jüdischen Enkircher, in deren 1 stenographischer Bericht zur 163. Sitzung des Deutschen Budnestages, 13. März 1997 4 Ermordung gipfelte, nur wenig konnten der faschistischen Verfolgung durch Flucht und Emigration entkommen. Besonders bedenklich und erschreckend ist, dass die Vernichtung jüdischer Kultur so umfassend war, dass sich die wenigsten jüdischen Gemeinden im Nachkriegsdeutschland neugründen konnten. Das gelang am ehesten in den Städten, während auf dem Land heutzutage kaum jüdische Gemeinden existieren. Von den wenigen Emigranten kamen nur ein paar nach dem Krieg zurück nach Deutschland, und dort wurde auch nichts dafür getan, sie willkommen zu heißen. In umliegenden Gemeinden wie Zell, Bernkastel oder in Wittlich gibt es bereits seit einigen Jahren Initiativen, die sich der NS-Vergangenheit stellen und darüber aufklären. Dazu gehören Projekte wie Gedenktafeln an ehemaligen Synagogen oder die Verlegung von Stolpersteinen vor ehemaligen Wohnhäusern jüdischer Mitbürger, die deportiert wurden oder zur Emigration gezwungen wurden. Dieser Beitrag soll als ein erster kleiner Schritt zu solcher Gedenkarbeit auch in Enkirch verstanden werden. Im „Heimatbuch“ Anchiriacum-Enkirch von 1983 findet sich kein Hinweis zur Geschichte der jüdischen Enkircher, lediglich eine Zeile mit Erwähnung jüdischer Schüler in der Enkircher Grundschule, und der beiden blinden Brüder Hermann und Isaak Simon, allerdings ohne Erwähnung ihres Namens im Artikel über ausgestorbenen Handwerke.2 Auch auf der Enkircher Website3 gibt es keine Bemerkungen zur jüdischen Geschichte, und auf der Seite der Kulturdenkmäler der Region Trier4 findet sich zu Enkirch unter der Adresse der ehemaligen Synagoge, Backhausstraße 4, die Bemerkung, die jüdische Geschichte sei bislang kaum erforscht, die Synagoge selbst wird nicht erwähnt. Die Lage des alten jüdischen Friedhofs ist nicht beschrieben, lediglich die Lagebezeichnung „im Wald“, und dass es 1929 noch vier Grabsteine gab, heute aber keine mehr sowie, dass der Friedhof nicht mehr als solcher erkennbar ist. Die Veröffentlichung der folgenden Unterlagen soll zumindest einen Anfang zur Erforschung dieser Geschichte darstellen, sie versteht sich dabei aber ausdrücklich als vorläufige. Viele Nachforschungen stehen noch aus, die Angaben sind allzuoft lückenhaft, im Text wird wie folgt darauf hingewiesen: bedarf weiterer Recherche. Außerdem ist damit zu rechnen, dass einige Angaben auch fehlerhaft sind, was Kritikern wohl willkommenen Anlass zur Polemik bieten könnte. 2 3 4 Anchiriacum-Enkirch www.enkirch.de/ , aufgerufen August 2016 http://www.roscheiderhof.de/kulturdb/client/einOrt.php?gmde=Enkirch 5 Teilweise ergeben sich auch Widersprüche zwischen verschiedenen offiziellen Dokumenten (oft sind z.B. Namen falsch geschrieben oder irrtümliche Angaben werden gemacht), oder im Vergleich mit persönlichen Erinnerungen; besonders deutlich wurde mir das bei den Recherchen zu Herbert Freudenberger (einem Verwandten von Jeanette Freudenberger, und bekanntem US-Psychologen), dessen eindrückliches Video-Interview zur Flucht aus Deutschland bei der Shoah Foundation unter Interview Code 43679 aufgezeichnet ist. Dort beschreibt er, wie er mit falschen Papieren alleine per Schiff nach New York reist, und, da er nicht am Pier abgeholt wird, durch die Stadt irrt, bis er schließlich an der Zieladresse seiner Stieftante Hannchen anlangt. Nach den offiziellen Passagierlisten sollte er aber erst später mit den Eltern emigriert sein; vielleicht wurde einem anderen Kind an seiner Statt mit seinen „echten“ Papieren die Flucht ermöglicht. Ein Grund der Publikation ist aber die Hoffnung auf die wohlwollenden Leser, die nach dem Lesen der Ausführungen auf ebendiese Lücken und Fehler hinweisen, und vielleicht wichtige Angaben oder Quellen ergänzen können. Die Untersuchung versteht sich nicht als geschichtliche Darstellung, vielmehr als regionale Erinnerungsarbeit, viele historische Ereignisse sind nicht erwähnt, dafür aber manche Berichte, die das Zeitgeschehen in Enkirch veranschaulichen sollen. Die meisten der Ergebnisse meiner Untersuchungen konnte ich über das Internet ermitteln. Eine Liste der aufgesuchten Seiten ist in den Quellenangaben zu finden. Die Geschichte der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden ist inzwischen sehr gut und sehr ausführlich dokumentiert. In Datenbanken wie dem Gedenkbuch des Bundesarchivs und der Dokumente von Yad Vashem fällt die Recherche nach verschiedenen Suchkriterien, wie Personen- oder Ortsnamen, leicht und bietet gute Möglichkeiten, sich zu informieren. Leider geben die meisten Dokumente nur Auskunft über das Schicksal der darin aufgeführten Menschen, und auch wenn sie über eine reine Aufzählung von Namen hinausgehen, scheint nur selten, vor allem in einigen Selbstzeugnissen der Betroffenen, das „Gesicht“ oder die Individualität der einzelnen Menschen auf, oder werden die Schrecknisse, das Leiden und die Ängste vor dem oft Entsetzlichen der Verfolgungen deutlich. Trotzdem hoffe ich, mit diesen Unterlagen einen kleinen Beitrag gegen Antisemitismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit leisten zu können. Berlin, September 2016 6 Inhalt Vowort S. 2 Inhaltsverzeichnis S. 7 1. jüdisches Leben an der Mosel von 1801 bis 1932 S. 10 1.1. preußische Rheinprovinz S. 10 1.2. Beginn jüdischen Lebens in Enkirch S. 13 1.2.1. Die ersten Familien S. 19 1.2.2. Die Familien von 1822 bis 1851 S. 26 1.2.3. Die Entwicklung bis 1870 S. 40 1.3. Deutsches Reich ab 1871 bis zum Beginn des Faschismus S. 47 1.3.1. Die jüdischen Familien in Enkirch bis 1933 S. 47 1.3.2. jüdische Familien von 1871 bis 1895 S. 51 1.3.3. Von 1895 bis 1932 S. 61 1.3.4. Übersicht der „20 Seelen in 7 Haushalten“ von 1928 S. 70 2. Enkirch ab 1933 S. 72 2.1. Institutionalisierter Antisemitismus im faschistischen Deutschland S. 72 2.1.1. Beginn des Boykotts jüdischer Geschäfte S. 73 2.1.2. „Stürmerkästen“ S. 76 2.1.3. Die Pogromnacht S. 78 7 2.2. Enkirch im Spiegel der Tageszeitung S. 84 2.2.1. Vor und nach der „Befreiungsfeier“ S. 84 2.2.2. „Ehrenbürger Hitler“ S. 90 2.2.3. Besetzung des Rheinlands S. 95 2.2.4. Der 9. November 1938 S. 102 2.3. Die Rolle der Kirche S. 107 2.3.1. Die „Deutschen Christen“ S. 107 2.3.2. Die Enkircher Evangelische Kirche S. 109 3. Verfolgung und Vertreibung der jüdischen Enkircher 3.1. jüdische Enkircher, die vor 1933 aus Enkirch verzogen sind S. 113 S. 113 3.1.1. Familie Isidor Loeb S. 113 3.1.2. Emma Beermann geb. Loeb, Sohn Julius mit Familie S. 124 3.1.3. Eugen Hirsch S. 127 3.1.4. Markus Krämer und Frieda geb. Hirsch, Sohn Helmut Krämer und Tochter Irene Israel geb. Krämer S. 128 3.1.5. Sophie Levy geb. Isaack, Tochter Eva und Sohn Kurt S. 130 3.1.6. Max Isaak, Greta Isaak geb. Goldschmidt, Söhne Hans Herbert und Helmut S. 133 3.1.7. Carl Loeb und Frau S. 136 3.1.8. Johanna Klinger geb. Loeb, Kinder Eugen, Paula und Lucie Springer mit Ehemann Albert S. 137 3.1.9. Mina Simon geb. Kahn S. 140 3.1.10. Friederike Schmitz geb. Simon, Leopold Schmitz, Töchter Margot, Lilli und Sohn Emil S. 142 3.1.11. Erna von der Walde, geb. Simon S. 145 3.1.12. Paula Wirth geb. Simon, Wilhelm Wirth, Tochter S. 146 Selma und Familie, Sohn Paul Oskar und Familie 3.1.13. Martha Mayer geb. Simon und Sohn Hans 8 S. 149 3.1.14. Hedwig Frank geb. Simon, Meier Frank, Töchter Henriette Henny und Gertrud S. 150 3.1.15. Berta Liebensten geb. Loeb und Emil Liebenstein S. 152 3.1.16. Walter Meyer Loeb (Isaak) und Mathilde Loeb geb. Mayer S. 153 3.1.17. Hans Loeb (Isaak) S. 155 3.1.18. Alice Loeb (Isaak) S. 156 3.1.19. Alfred Allmeier, dessen Ehefrau Johanna geb. Kahn, Kinder Ruth und Edgar Allmeier S. 157 3.2. jüdische Enkircher, die nach 1933 in Enkirch wohnen S. 161 3.2.1. Rosalie Hirsch und Tochter Olga Levy, ihr Mann Albert Levy und Sohn Kurt S. 163 3.2.2. Gottfried Simon, Johanna Simon geb. Hermann, Tochter Gisela, Sohn Kurt, und Isaak Simon S. 168 3.2.3. Jeanette Loeb geb. Freudenberger S. 171 3.2.4. Sigmund Loeb (Isaak) und Emma Loeb (Isaak), geb. Simon S. 174 3.2.5. Hermann Loeb (Isaak) und Kathinka Loeb geb. Israel, Tochter Gerda Loeb (Isaak) und Kathinkas Schwester Mathilde Israel S. 179 4. Anhang S. 191 4.1. Danksagung S. 191 4.2. Abkürzungsverzeichnis S. 192 4.3. Literaturverzeichnis und Linkliste S. 193 9 1. Jüdisches Leben an der Mosel von 1801 bis 1932 1.1. Preußische Rheinprovinz Die jüdischen Rheinländer erfahren bereits einige Jahre früher als in anderen Teilen des heutigen Deutschland eine rechtliche Gleichstellung; bis dahin bestand die Institution des „Schutzjudentums“, d.h. die Duldung durch den Landesherrn gegen entsprechende Schutzgeldzahlungen. Enkirch war Teil der hinteren Grafschaft Sponheim und vor 1776 Kondominium der Herzöge von Pfalz-Zweibrücken mit den Markgrafen von Baden, seit 1776 ersteren allein unterstellt. Der Herzog nutzt in seinem Herrschaftsbereich Schutzjuden als Einnahmequelle, auch wenn die traditionell lutherische Landesherrschaft ursprünglich streng antijüdisch eingestellt ist. Ein Judenretract ist deshalb im zweibrückischen Landrecht ursprünglich nicht enthalten und wird erst später zugefügt5. Jedenfalls sind für die pfalz-zweibrücker Ämter Meisenheim zweiundzwanzig und Lichtenberg dreizehn Schutzjuden zum Ende des 18. Jahrhunderts namentlich belegt, zudem leben wohl auch weitere Juden, die das Schutzgeld nicht aufbringen können, in der Grafschaft Pfalz-Zweibrücken, die gesamte Anzahl wird für 1750 mit ca. 300 angegeben.6 Genauere Angaben zum Sponheimer Territorium und dem Amtsbezirk Trarbach bedürfen weiterer Recherche. In einer Zunftordnung, die 1784 in Kraft tritt, also kurz bevor die französischen Revolutionstruppen im Februar 1793 das Herzogtum besetzen, wird in Artikel 42 „allen inländischen Schutzjuden erlaubt, jede Form von bürgerlichem Gewerbe, mithin auch alle Arten des Zunfthandwerks, mit Ausnahme des Bäcker- und Metzgerberufes, zu betreiben.“7 Seit 1791 gilt nach Beschluss der Französischen Nationalversammlung die volle Gleichberechtigung der französischen Juden, sie erhalten alle Bürgerrechte, und nach der Besetzung des Rheinlandes durch Frankreich und dessen Eingliederung in die Französische Republik ab 1801 bzw. 1804 in das napoleonische Kaiserreich, bekommt die jüdische Gleichberechtigung auch dort Gültigkeit. Somit ist der Einschnitt von 1801 auch Beginn dieser Untersuchung, da mit ihm die gesetzliche Gleichberechtigung der jüdischen Mitbewohner in der Region einsetzt. 5 6 7 Die rheinpreussischen Landrechte Die Handhabung des Judenregals Das Recht des zünftigen Handwerks, S. 111 10 Ob und wie diese Gleichberechtigung allerdings in der Praxis umgesetzt wurde, ist umstritten. Festzustellen ist, dass antisemitische Tendenzen, die bereits in den 1770/80er Jahren gerade für den Moselraum zu verzeichnen sind und insbesondere von den Zünften gegen die vermeintliche Konkurrenz von Juden ausgehen, sich durch die Anerkennung der Bürgerrechte auch für Juden noch verstärken. Bekannt sind etwa die Überfälle der sog. Schinderhannes-Bande zwischen 1798 bis 1802 hauptsächlich auf jüdische Händler im Hunsrück-Raum.8 Zahlreiche Beschwerden auch in der Zeit der französischen Verwaltung belegen die antijüdischen Vorurteile und Einstellungen in der Bevölkerung, wie ein Dokument des Bürgermeisters von Bernkastel zeigt, und fordern Beschränkungen der neuen jüdischen Freiheiten: „ ... In ehemaligen Zeiten, vor dem Krieg hätten sich nur drei Hausstätte in Berncastel aufhalten dörfen. In damaliger Zeit, wo der übrige Bewohner der Gegend in bessren Vermögensumständen sich befunden, wo das Commerz besser gegangen, und wo keine Not ware, da hätten diese 3 Hausstätte sich kaum durchbringen können, hingegen dermalen wo der Bewohner den Druck und die Folgen des Kriegs noch schwer empfinde,wo das Commerz fast ganz still stehe, hätten sie sich bis auf etliche 60 Seelen hierhin gezogen. Dies könne also als ein Zeichen betrachtet werden, daß sie bloß von der gedruckten Menschen Klasse ihre Existenz Mittel erpresseten. Im allgemeinen könnten sie nicht anders als eine wahre Geißel der Gegend, wo sie sich aufhalten, betrachtet werden und seien auch durch ihre Niederträchtigkeit, durch den Mangel eines Professions- oder Güter Bau‘s Verdienstes und folglich fehlender Existenz-Sicherung, fähig genug, das Diebsgesindel, von denen sie die gestohlene Sachen spottpreisig und heimlich erkaufen können, zu begünstigen und anzuziehen.“9 Und so werden bereits 1808 von Napoleon im sog. Schändlichen Dekret viele Freiheiten wieder stark eingeschränkt und z. B. Gewerbetätigkeit nur mit einem speziellen Pass erlaubt, der jährlich zu erneuern und an ein Leumundszeugnis geknüpft ist. Zudem wird die Neu-Niederlassung von Juden erschwert und an den Kauf von Land zum Zweck des Ackerbaus geknüpft, was zusätzlich als indirekte Berufsbeschränkung und „Erziehungsmaßnahme“ gedacht war.10 Dem folgt im gleichen Jahr u.a. eine Regelung für eine neue Namensgebung der Juden, die sie verpflichtet, verbindliche Vor- und Nachnamen anzunehmen.11 8 9 10 11 Juden im Aufbruch Dokumentation zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung, Bd. 3, S.193 Juden im Aufbruch Spuren der Vergangenheit, S. 22 11 Diese Bestimmungen bleiben erhalten, als 1814 deutsche Truppen die französisch besetzten linksrheinischen Gebiete rückerobern und ab Juni 1815 die (seit 1822 bzw.1830 so genannte) Rheinprovinz preußisch verwaltet wird (während der Rheinkreis, die heutige Pfalz, an Bayern fällt). Das preußische Judendekret findet in Rheinpreussen (wie die Rheinprovinz auch genannt wird) eigentlich keine Anwendung, jedoch werden einzelne Reglementierungen übernommen, etwa das preußische Verbot für Juden, öffentliche Ämter zu bekleiden.12 Deshalb arbeiten viele Juden nach wie vor als Kleinhändler, Viehhändler oder Metzger. Ab 1819 breiten sich in ganz Deutschland, ausgehend von Würzburg und auch im Rheinland um sich greifend, antijüdische Pogrome aus, die teilweise nur durch Einsatz des Militärs eingedämmt werden können, die sog. Hep-Hep-Unruhen. Bezeugt ist beispielsweise für das zur ehemaligen Grafschaft Sponheim gehörende Bad Kreuznach der Aufruf vom 27. auf den 28. September per Flugblatt: „Kreuznacher, das Vehmgericht hat beschlossen, daß auf den langen Tag alle Juden aus Teutschland gejagt werden sollen. Es erwartet, daß die Stadt Kreuzenach dabey nicht zurückbleibt.“13 1847 hebt ein Gesetz des Preußischen Landtages die Ungleichbehandlung durch das Judendekret von 1812 auf und verleiht allen jüdischen Bewohnern die preußische Staatsbürgerschaft und rechtliche Gleichstellung. Um diese Zeit entstehen an der Mittelmosel mehrere Synagogen, der Grund ist die „Genehmigung, seit 1841 in der Rheinprovinz Hauskollekten für den Bau und die Unterhaltung von Synagogen durchführen zu dürfen.“14 Zudem werden ab1847 die Synagogenbezirke festgelegt. Mit seinen unter 40 jüdischen Bewohnern ist Enkirch zwar eine eher kleinere Gemeinde, Bernkastel zählt 1843 die doppelte Anzahl, also 80 Gemeindemitglieder, in Zell sind es 1858 derer 49, in Merl weitere 17. Aber im Nachbarort Traben-Trarbach entwickelt sich eine kleine Gemeinde erst um die Jahrhundertwende mit einer Betstube, die um 1920 eingerichtet wird, und neben den genannten gibt es Synagogen erst wieder in Bengel mit 34 Juden im Jahr 1843, in Lösnich (1843 gibr es 22 jüdische Bewohner) sowie Zeltingen 1843 mit 55 und Rachtig mit 46 jüdischen Bewohnern, moselabwärts in Ediger-Eller 1858 mit 21, Beilstein 1858 mit 76 und Cochem im gleichen Jahr mit 69, 1895 gar mit 114 Gemeindemitgliedern.15 12 13 14 15 Spuren der Vergangenheit, S. 25 Monumenta Judaica, S. 293 Spuren der Vergangenheit, S. 91 Synagogen Rheinland-Pfalz-Saarland 12 1.2. Beginn jüdischen Lebens in Enkirch In der Chronik über die verstorbenen jüdischen Enkircher ist ein Beer Nathan aufgeführt, der 1822 in Enkirch im Alter von 87 Jahren verstirbt, wie lange er bereits in Enkirch lebt, ob er gar dort um 1735 geboren ist, bedarf weiterer Recherche.16 1928 erscheint in der Traben-Trarbacher Zeitung folgende Geschichte: In einem alten hebräischen Lesebuche findet sich folgende als wahr verbürgte Erzählung, die sich vor etwa 150 Jahren ereignet haben mochte und die als ein rührendes Beispiel treuer väterlicher Liebe und Fürsorge für die Seinen es verdient, der Vergessenheit entrissen zu werden: „Ein armer Handwerksmann zu Enkirch an der Mosel, namens Adam Steger, hatte eine Frau und 4 Kinder, die er in der Zeit der großen Teuerung bei größtem Fleiße und sauerster Arbeit kaum zu ernähren vermochte. Er war indes doch zufrieden, wenn er nur die Seinen vergnügt sah. Einst aber nahm die Not in seinem Hause gar zu sehr überhand, er sah sein gutes Weib und seine geliebten Kinder mit dem härtesten Mangel kämpfen, sie schrien nach Brot und er konnte ihnen keines geben; mit bitteren Tränen bat er um Almosen, die er von menschenfreundlichen Wohltätern sehr oft erhielt; allein die Not und die Teuerung waren so groß, daß er mit den erhaltenen Gaben das Leben der Seinigen nur wenige Stunden fristen konnte. Verzweifelnd irrte er umher. Da begegnete er einem Bekannten, der fast ebenso arm war wie er; der frug ihn nach dem Grunde seiner Verzweiflung. „Ach“, sprach jener, „mein Weib, meine armen vier Kinder! Sie haben seit gestern Mittag keinen Bissen Brot mehr und ich weiß ihnen keines zu schaffen, ich weiß auch nicht mehr, wohin ich mich wenden soll, um Hilfe zu finden.“ Sehr gerührt von dem traurigen Schicksal des Unglücklichen sprach der arme Freund: „Hier sind zwei Kreuzer, das ist alles, was ich im Vermögen habe; wenn du aber Geld verdienen willst, so will ich dir wohl ein Mittel sagen.“ „Was ist das für ein Mittel?“ rief Adam. „Ich tue alles, wenn es nur nichts Schlechtes ist, sage es mir nur, ich bitte dich um des Himmels willen!“ Jener antwortete ihm: „So gehe in die nächste Straße, dort wohnt jemand, der das Aderlassen lernt. Wenn du dich entschließen kannst, dir von ihm zur Ader zu lassen, so bekommst du etwas Geld dafür.“ Ohne langes Besinnen und ohne zu überlegen, welcher Lebensgefahr er sich aussetzte, wenn er sich in die Hand eines Ungeübten begab, der noch keine Erfahrung in der Kunst des Aderlassens hatte, lief Adam in das bezeichnete Haus, ließ sich am Arm eine Ader öffnen und bekam dafür einen Gulden. Nachdem er nun mit der größten Freude sein Blut vergossen hatte, um seinem Weib und seinen Kindern zu helfen, lief er ungeachtet seiner Schmerzen zu einem Bäcker, kaufte Brot und eilte nach Hause, es den Hungernden zu bringen. Diese freuten sich sehr. Wie groß war aber ihr Schrecken, als sie aus dem Arme 16 Merischonim loacharonim 13 ihres guten Vaters Blut fließen sahen. Sie frugen ihn, was ihm fehle. Er erzählt ihnen mit matter Stimme das Vorgegangene, konnte aber vor großer Schwäche nicht mehr stehen, setzte sich auf einen Stuhl, drückte seine Kinder an sein Herz und schlief ein, des Todes ewigen Schlaf.“17 Diese Geschichte würde sich also etwa auf die Zeit um 1770 bis 1780 datieren lassen, die „große Teuerung“ beginnt mit nasskaltem Wetter und resultierenden Missernten in ganz Nordeuropa ab 1770 und dauert mehr oder weniger bis Ende des Jahrhunderts an. Ob die Familie von Adam Steger tatsächlich in Enkirch existierte, und ob es sich um einen inzwischen verarmten Schutzjuden handelte, welches Handwerk er ausübte bzw. ob ein solches vor 1784 auszuüben möglich gewesen wäre, bedarf weiterer Recherche. Sie spiegelt insofern die Situation der jüdischen Bevölkerung im ländlichen Moselraum sehr treffend, als etliche Berichte vorliegen, die die zunehmende Verarmung der jüdischen Familien in der Region dokumentieren. Diese Verarmung resultiert aus den restriktiven Bestimmungen gegen die Schutzjuden und ihre eingeschränkten Möglichkeiten der Berufswahl einerseits, zum anderen aus der zunehmenden ökonomischen Krisensituation der Landbevölkerung insgesamt. Gerade für die Zeit ab 1770 verbreitet sich zusammen mit den Missernten eine Welle von Viehseuchen, und diese trifft die Juden, die im ländlichen Raum, also auf den Dörfern fast ausschließlich vom Viehhandel leben, in besonderem Maße.18 In diesem Zusammenhang findet sich auch 1786 die Erwähnung des Enkircher Martinsmarktes, wo der jüdische Viehhändler Benjamin Lövi aus Lösnich eine Kuh verkauft, die von dem Käufer auf einem Merler Markt an Benedikt Moses aus Gellnich eingetauscht wird, um von diesem wiederum nach Enkirch verkauft zu werden, wo sie nach einigen Tagen „crepieret“ sei, die begutachtenden Enkircher Metzgermeister Johann Peter und Philipp Christoph Spür attestieren, die Kuh sei „sieg und perlig“ gewesen.19 1790 hat der gleiche Benjamin Lövi einen Rechtsstreit wegen einer toten Kuh, die er auf dem Enkircher Viehmarkt kauft und wenige Tage später an einen Bauer Sausen verkauft, dem die Kuh stirbt, weshalb Benjamin Lövi schuldig gesprochen wird.20 In einer Chronik zu den jüdischen Gemeinden an der Mittelmosel wird zu Enkirch vermerkt: „Niederlassung von Juden seit Anfang des 19. Jahrhunderts durch Zuzug von Beilstein und Bernkastel.“ 21 Da für Enkirch als Teil des Kantons Trarbach ab dem September 1798 die französische Verwaltung und somit standesamtliche Dokumente angelegt werden, 17 18 19 20 21 Tr.-Tr. Ztg., 29.6.1928 Juden im Aufbruch, S. 113 u.117ff. Juden im Aufbruch, S. 125 Fußnote 36 Juden im Aufbruch, S. 49 Fußnote 66 Merischonim loacharonim 14 lässt sich ab diesem Zeitpunkt die Entwicklung der jüdischen Bewohner gut dokumentieren, allerdings ist die Ermittlung vor und zu diesem Zeitpunkt bereits in Enkirch lebender Juden aufgrund der Aktenlage schwierig. Die „Erhebung über die Zahl der Juden im Rhein-Moseldepartement“ von 1808 weist Enkirch nicht explizit als Ort aus, in dem jüdische Bewohner ansässig sind.22 Wahrscheinlich erst nach 1814, und vor dem Jahr 1822 ziehen zwei jüdische Familien nach Enkirch: Die eine Familie ist die von Isaac Simon und Dorothea Simon geb. Daniel. Isaac Simon ist in Beilstein geboren. Der Vater von Dorothea Daniel, Michel oder Michael Daniel, ist, ebenso wie bereits dessen Vater Daniel Samuel, einer der drei23 oder vier in Bernkastel ansässigen kurtrierischen Schutzjuden.24 Nach Angaben der InternetDatenbank25 lebt die Familie in Bernkastel, der Umzug nach Enkirch erfolgt nach der Geburt von Joseph 1811 in Bernkastel und vor der von Daniel Simon im Mai 1815 in Enkirch. Nach den Angaben der Chronik zu den jüdischen Gemeinden26 ist die Familie allerdings aus Beilstein zugewandert, für Isaak Simon ist Beilstein Geburtsort, und auch für die beiden Söhne Daniel und Simon Simon (*1818) gibt sie Beilstein statt Bernkastel bzw. Enkirch als Herkunftsort an, obwohl Daniel Simon nachweislich bereits in Enkirch geboren ist. Die andere Familie ist die von Isaac Loeb und Therese Loeb geb. Mayer, die in Bernkastel ansässig ist, mit fünf Söhnen, deren letzter, Israel Isaak, 1807 noch in Bernkastel geboren wird, und 1808 dort stirbt und beigesetzt ist. Isaac Loeb stammt aus dem polnischen Brod27 und ist Rabbiner und Lehrer in Bernkastel, seine Frau ist in Bruschied bei Bad Kreuznach geboren. Vielleicht ist die Familie Simon erst in der Übergangszeit, als 1814 die Franzosen abziehen, und vor dem Mai 1815, der Geburt von Daniel Simon in Enkirch, bzw. Juni 1815, als Preussen die Verwaltung des Rheinlands vom geschlagenen Frankreich übernimmt, nach Enkirch verzogen, die Familie Loeb möglicherweise erst nachdem Enkirch preußisch war, das genaue Datum bedarf weiterer Recherche. 22 23 24 25 26 27 Dokumentation zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung, Bd. 5, S.26 Merischonim loacharonim Juden im Aufbruch, S. 122 gedbas Merischonim loacharonim Merischonim loacharonim 15 Die „Generalnachweisung über die Bevölkerung der Städte und Flecken der preußischen Rheinprovinz“ gibt am Schluss des Jahres 1822 dreizehn in Enkirch lebende Juden an.28 In der Folge wächst die Gemeinde durch Zuzug einer Familie Daniel und durch Heirat der inzwischen erwachsenen Kinder. Um 1830 wird der (alte) Friedhof zum Eigentum erworben, die genaue Lagebezeichnung von „im Wald“ bedarf weiterer Recherche. Es gab bereits davor zwei jüdische Bestattungen „an der Straße“, damit ist die Ortsausfahrt in Richtung Trarbach gemeint.29 Die Synagoge befindet sich bis 1852 im Hause von Isaak Simon, 1852 wird ein eigenes Synagogengebäude in der (heutigen) Backhausstraße 4 erworben, das bis heute als Teil des Gasthauses „Alte Weinstube“ erhalten ist.30 Außer der Enkircher Synagoge existiert ein rituelles Bad und eine jüdische Religionsschule. Ein Lehrer Anselm Cahn aus Zürndorf, verheiratet mit Dorothea Beermann aus Kirchberg, stirbt am 12.1.1844 und wird in Enkirch beigesetzt, ob er an der Schule unterrichtet hat, bedarf weiterer Recherche. Das gleiche gilt für den Lehrer Hirsch Lubliner aus Breslau, am 9.3.1872 verstorben und auf dem Jüdischen Friedhof beigesetzt.31 Vor 1875 wird als Lehrer ein A. Wasserthal erwähnt32. Einer Statistik von 1858 zufolge leben zu dieser Zeit in Enkirch 38 jüdische Einwohner, davon 15 Kinder, 3 über 60-Jährige, und 20 Erwachsene. Von diesen 20 arbeitet einer als Händler, 8 umherziehende Händler sind aufgeführt, daneben ein nichtselbständig gewerblich Tätiger, und ein Tagelöhner.33 Die restlichen 9 erwachsenen Personen dürften die (Ehe-) Frauen sein. 28 29 30 31 32 33 Dokumentation zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung, Bd. 5, S.38 Jüdische Friedhöfe in Rhl.-Pfalz, S. 59 Allemannia judaica Merischonim loacharonim Allemannia judaica Dokumentation zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung, Bd. 5, S. 88 16 Da die neue Namensgebung mit der jüdischen Tradition in Konflikt steht, dass der Sohn den Vornamen des Vaters zu seinem Nachnamen macht (z.B. Isaac bar Loeb), kommt es in der Enkircher Familie Loeb zu Verwechslungen, so dass ein Teil der Nachkommen von Isaac Loeb den Nachnamen Isaak, ein anderer Loeb benutzt. 1927 werden in den Standesamts-Akten mehrere Mitglieder der Familie Isaak auf eigenen Wunsch zu Loeb. Im Jahr 1927 wird in der Enkircher Zeitung berichtet: Tr.-Tr. Ztg. 7.11.1927 Enkirch, 7. Nov. 1927 Ein interessanter Fall hat sich bei der hier wohnenden Familie Siegmund Isaak in der Unterstraße ereignet. Der Familienname Isaak ist vor langen Jahren bei irgend einem Trau- oder Taufakte mit Löb verwechselt worden, da die Namen Isaak und Löb bei manchen Familien Vornamen oder auch Nachnamen sind. Schon über ein Jahr ist es her, daß dem jetzt hier wohnenden Herrn Isaak durch Zufall bekannt wurde, daß Zweifel an seinem Namen aufgetaucht sind, und hatte selbiger in dieser Angelegenheit Nachforschungen angestellt, welche auch nicht ergebnislos waren. Es wäre ja schließlich gleich, welchen Namen man führt, aber man hat aus dem Grunde nachgeforscht, weil dem Namen Löb in der jüdischen Religion bedeutend mehr Achtung geschenkt wird. Diese Zweifel haben sich nun zur Wahrheit gestaltet und heißt die bisherige Familie Isaak fürderhin Löb. 17 Auf den betreffenden standesamtlichen Urkunden findet sich in diesem Zusammenhang oft folgendes oder ein ähnliches Vermerk wie auf der Sterbeurkunde von Leo Isaak von 1923, das 1927 nachgetragen wird: Auf Anordnung des Amtsgerichts in Traben-Trarbach wird berichtigend vermerkt, daß der Familienname des Anzeigenden sowie des Verstorbenen nicht Isaak sondern „Loeb“ heißt. Enkirch, den 24. Oktober 1927 der Standesbeamte Max Isaak, ein Neffe von Sigmund Loeb und Sohn von Leo Isaak wiederum macht diese Änderung für seine Familie rückgängig und trägt, anders als sein Bruder Carl Loeb, „auf Grund der Ermächtigung des Preußischen Justizministers seit 16.08.1930 den Familiennamen „Isaak““.34 Auf den Grabsteinen des Jüdischen Friedhofs ist teilweise die jüdische Datumszählung angegeben, zudem sind dort in hebräischer Schrift die traditionellen Namen einiger Gemeindeglieder aufgeführt, die wohl zeitweise neben den neuen Namen weiter vergeben und benutzt wurden:35 Bernhard Isaak: Leo Isaak: Isaak, Simon: Heymann Loeb: Therese Marx: Michael Schoemann: Auguste Simon: Daniel Simon: Hermann Simon: Greta Stern: Moshe bar Meir Elieser bar Meir Aissek Shimeon bar Eljakom Uri bar Chajim Gittel bath Shimeon Micha bar Elieser ha Levi Marat Gittel bath Gedalja Gedalja bar Jizchak Naftali bar Shimon Gitel bath Naftali ha Levi Zipora bath Abraham Fr. d. Gedalja 34 Handschriftlicher Eintrag auf der Geburtsurkunde 35 Jüdische Friedhöfe zwischen Rhein und Maas 18 1.2.1. Die ersten Familien Familie Isaac Simon und Dorothea geb. Daniel Daniel, Michael * 1749 † 27. Februar 1819 Rhens Beermann, Barbara † 11. Mai 1822 Rhens Daniel, Dorothea * um 1775 Bernkastel † 12. Juli 1858 Enkirch Levy, Meier * Levy, Karoline * etwa 1797 Thalfang † 31. Januar 1816 Enkirch Marx, Simon Isaac * 1748 Beilstein † 14. Januar 1820 Beilstein Sinai, Clara * 1743 † 1816 Beilstein Simon, Isaac * um 1774 Beilstein † 22. Oktober 1869 Enkirch Handelsmann Simon, Sinai * 1801 Bernkastel † 17. Januar 1850 Enkirch Simon, Regina * 1805 Bernkastel/Enkirch Simon, Maria Anna * 12. September 1810 Enkirch † 13. November 1847 Kottenheim 19 Simon, Joseph * 1811 Enkirch † 10. Januar 1884 Enkirch Simon, Daniel * 19. Mai 1815 Enkirch † 13. April 1895 Enkirch Simon, Simon * 6. Januar 1818 Enkirch † 4. Juni 1889 Enkirch Simon, Michele * 14. März 1820 Enkirch Karoline Levy, die Tochter aus erster Ehe von Dorothea Daniel, stirbt 1816 in Enkirch und wird „an der Straße“ bestattet, ist also wohl mit ihrer Mutter nach Enkirch umgezogen. Da noch kein eigener jüdischer Friedhof existiert, ist mit der Bezeichnung des Grabes wohl der Ortsausgang in Richtung Trarbach gemeint, an dem später der (alte) Friedhof angelegt wird. Isaac Simon und Dorothea Daniel leben nach den Angaben der Internet-Datenbank36 zuerst in Bernkastel, wo wohl der erste gemeinsame Sohn Sinai Simon und später die Tochter Regina geboren wird. Laut der Chronik jüdischer Gemeinden37 kommt die Familie allerdings aus Beilstein bei Cochem, wo auch Isaac Simon geboren ist, und seine Eltern wohnen bzw. versterben in Beilstein. Dorothea Daniel und ihre Eltern stammen hingegen aus Bernkastel. Die Geburt von Daniel Simon in Enkirch ist im Jahre 1815 belegt. In dieser Zeit wohnt die Familie also in Enkirch. Die Synagoge befindet sich bis 1852 im Hause der Familie Isaac Simon, bevor das Gebäude in der Backhausstraße erworben wird. Sinai, Regina, Joseph, Daniel und Simon Simon gründen eigene Familien in Enkirch. 36 gedbas 37 Merischonim loacharonim 20 Geburtseintrag von Daniel Simon 1815 (erster Standesamtseintrag zu einer jüdischenPerson in Enkirch) 38 No 92 Im Jahr eintausend achthundert fünfzehn, den zwanzigsten May nachmittags um drey Uhr erschien vor mir Bürgermeister von Enkirch, im Kreise Simmern des Rhein und Mosel Departements Isaac Simon Viehhändler alt ein und vierzig Jahre wohnhaft in Enkirch, und machte die Anzeige daß ihm gestern morgens um acht Uhr ein Söhnchen geboren worden sey von seiner Ehefrau Dorothea Daniel alt acht und dreißig Jahre und welchem er den Vornamen Daniel beylege; In Gegenwart von Christopher Spier Winzer alt neun und zwanzig Jahre und Philipp Koch Gerber alt zwey & zwanzig Jahre erster in Enkirch, letzter in Zell wohnhaft, welche mit uns und dem Vater nach Verlesung unterzeichnet haben. Isak Simon Christoff Spier Ph. Koch ..... 38 Geburtseintrag Daniel Simon, Kopie zur Verfügung gestellt von Ulrich Conrath, Wuppertal 21 Sterbeurkunde von Daniel Simon 39 39 Sterbeurkunde Daniel Simon, Kopie zur Verfügung gestellt von Ulrich Conrath, Wuppertal 22 C. Nr. 19 Enkirch am 15 April 1895 Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute, der Persönlichkeit nach bekannt, der Handelsmann Gottlieb Daniel, wohnhaft zu Enkirch, und zeigte an, daß sein Oheim der Kleinhändler Daniel Simon, Witwer von Ester geborene Löbchen, 79 Jahre alt, israelitischer Religion wohnhaft zu Enkirch, geboren zu Enkirch, Sohn der verstorbenen Eheleute Isaak Simon Handelsmann und Dorothea geborene Daniel ohne Gewerbe, beide zuletzt wohnhaft zu Enkirch, zu Enkirch am dreizehnten April des Jahres tausend acht hundert neunzig und fünf, nachmittags um zwölf Uhr verstorben sei. Der Anzeigende erklärte, von dem Sterbefall aus eigener Wissenschaft unterrichtet zu sein. Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben Gottlieb Daniel Der Standesbeamte Müller 23 Familie Isaac Loeb und Theresia geb. Mayer, Heirat vor 1797 Loeb, Isaac * um 1749 Brod, Polen † 11. Januar 1810 Bernkastel Rabbiner und Schullehrer Mayer, Theresia * 1760 Bruschied † 9. Februar 1833 Enkirch Loeb, Carl * 1794 Bernkastel † 7. Februar 1868 Enkirch Isaak (Loeb), Gottlieb * 9. Juli 1799 Bernkastel † 3. Januar 1842 Enkirch Isaak (Loeb), Mendel * 8. Juni 1804 Bernkastel † 23. Juni 1804 Bernkastel Isaak (Loeb), Daniel * 1806 Bernkastel † 5. Februar 1832 Enkirch Isaak (Loeb), Israel * Dezember 1807 Bernkastel † 21. April 1808 Bernkastel Die Familie zieht zwischen 1808 und 1822 von Bernkastel nach Enkirch, wahrscheinlich nach dem Tod von Isaac Loeb, der 1810 in Bernkastel verstirbt. Therese geb. Mayer ist jedenfalls in Enkirch verstorben (auch wenn Sie nicht in der Liste der auf dem alten Friedhof Beigesetzten genannt ist), und die drei Kinder gründen in Enkirch Familien, sie leben und sterben dort. Daniel Isaak, der im Alter von 26 Jahren 1832 verstirbt, ist der erste belegte Beigesetzte auf dem alten Friedhof.40 40 Merischonim loacharonim 24 Einzelpersonen Laut Personenstandsregister ist Johann Karl Löb, geboren um 1814 in Wolf, 1834 in Enkirch gestorben, ob und wie lange er dort gelebt hat, und ob und wie er mit der Familie Isaak Loeb verwandt ist, bedarf weiterer Recherche.41 Zudem ist in den Merichonim loacharonim42 ein Beer Nathan aufgelistet, der am 4. Dezember 1822 im Alter von 87 Jahren verstirbt und in Enkirch beerdigt wird, „an der Straße“, wie eine Ortsüberlieferung noch 1929 überliefert.43 Der Name Beer/Baer/Bermann könnte auf eine Herkunft aus Cochem oder Mayen hinweisen. Ein Grabstein trägt die hebräische Inschrift:44 Zipora bath Abraham Fr. d. Gedalja Der Name lässt sich nicht genau zuordnen und könnte sich vielleicht auf eine Familie Abraham Bermann und Frau Zipora Wolff beziehen.45 Vielleicht steht er im Zusammenhang mit obigem Beer Nathan, da auch Familie Abraham Bermann in der Region Mayen lebt. Allerdings dürfte der Grabstein sich dann nicht auf dem Neuen Jüdischen Friedhof befinden, es sei denn er wurde nach dessen Anlage oder der endgültigen Auflassung des alten Friedhofes dorthin überführt (1929 gab es dort noch vier Grabsteine, die inzwischen nicht mehr vorhanden sind). 41 42 43 44 45 gedbas Datenbank Merischonim loacharonim Merischonim loacharonim Jüdische Friedhöfe zwischen Rhein und Maas Zeugnisse jüdischen Lebens in der Osteifel 25 1.2.2. Die Familien von 1822 bis 1851 Familie Marx Daniel und Sarah geb. Simon, Heirat 1824 Daniel, Michael Marx, Rahel Daniel, Marx * 1790 Bernkastel † 17. Januar 1868 Enkirch Handelsmann Mayer, Theresia † vor 1824 Kirchberg Daniel, Sarah * 6. Juni 1817 Bernkastel Simon, Isaak (Johann) Michel, Dorothea Simon, Sarah * 1803 Bernkastel † 11. Juli 1869 Enkirch Daniel, Caroline * 28. September 1825 Enkirch Daniel, Michael * 13. Oktober 1827 Enkirch † 31. März 1833 Enkirch Daniel, Florina * 22. Mai 1830 Enkirch † 17. März 1833 Enkirch Daniel, Gottlieb * 19. Februar 1833 Enkirch Daniel, Jeanette * 18. Juni 1835 Enkirch † 14. April 1873 Enkirch Daniel, Carl * 19. Juni 1839 Enkirch † 19. Juni 1839 Enkirch 26 Daniel Marx hat aus erster Ehe mit Theresia Mayer, die 1824 stirbt, eine Tochter Sarah Daniel. Sie wohnt bis zu ihrer Hochzeit mit Daniel Salomon 1839 in Enkirch, ist also wohl nach dem Tode der Mutter mit dem Vater und dessen zweiter Frau dorthin umgezogen. Die Adresse bei Geburt der Tochter Regina ist Hinterdorfstraße 12/2. Gottlieb und Jeanette Daniel gründen eigene Familien in Enkirch. Transkription Geburftsurkunde von Florina Daniel Nr. 74 Gemeinde Enkirch Kreis Zell Regierungs-Bezirk Coblenz Im Jahre tausend acht hundert ein und dreißig, den vier und zwanzigsten des Monats May Nachmittags vier Uhr, erschienen vor mir Marcus Peter Molz Bürgermeister von Trarbach Beamten des Personenstades, Marx Daniel sieben und dreißig Jahre alt, Standes Handelsmann wohnhaft zu Enkirch Regierungs-Bezirk Coblenz welcher mir ein Kind weiblichen Geschlechts vorzeigte, und mir erklärte, daß dies Kind den zwey und zwanzigsten des Monats May Jahres tausend acht hundert und dreißig Morgens neun Uhr geboren ist von Marx Daniel und von Sara Simon seiner Ehefrau, Standes ohne Gewerb wohnhaft zu Enkirch in der Hinterdorf Straße, im Hause Nr. 12/2 und erklärte ferner diesem Kinde den Vornamen Florina zu geben. Diese Vorzeigung und Erklärung haben Statt gehabt in Beiseyn des Sinais Simon dreißig Jahre alt, Standes Handelsmann wohnhaft zu Enkirch und des Adplph Caesar vier und zwanzig Jahre alt, Standes Fleischer wohnhaft zu Trarbach und haben vorbenannter erklärender Theil sowohl als den beiden Zeugen nach ihnen geschehener Vorlesung, gegenwärtige Urkunde mit mir unterschrieben. Marx Daniel Sinai Simon Adolph Caesar Molz 46 46 Kopie des Originals zur Verfügung gestellt von Ulrich Conrath, Wuppertal 27 Familie Sinai Simon und Dorothea geb. Isaac, Heirat vor 1828 Simon, Isaac * um 1774 Beilstein † 22. Oktober 1869 Enkirch Handelsmann Daniel, Dorothea * um 1775 Bernkastel † 12. Juli 1858 Enkirch Simon, Sinai * 1801 Bernkastel † 17. Januar 1850 Enkirch Viehhändler Isaac, Dorothea Simon, Caroline * 19. August 1828 Enkirch Simon, Philippina * 5. März 1831 Enkirch Simon, Babetta * 29. Mai 1834 Enkirch † 22. Dezember 1835 Enkirch Simon, Simonis * 11. Dezember 1836 Enkirch Simon, Hermann * 31. März 1839 Enkirch Simon, Wilhelm * 27. September 1841 Enkirch Simon, Amalia * 17. Februar 1845 Enkirch Die Adresse bei der Geburt der Tochter Philippina ist Hinterdorfstraße 52. Die Daten zur Familie bedürfen weiterer Recherche, vielleicht ist die Familie nach dem Tod des Vaters 1850, die älteste Tochter ist gerade einundzwanzig Jahre alt, die jüngste fast fünf, aus Enkirch verzogen. 28 Familie Gottlieb Loeb und Johanette geb. Hirsch, Heirat 1. Dezember 1829 Loeb, Isaac * um 1749 Brod, Polen † 11. Januar 1810 Bernkastel Mayer, Theresia * 1760 Bruschied † 9. Februar 1833 Enkirch Isaak (Loeb), Gottlieb * 9. Juli 1799 Bernkastel † 3. Januar 1842 Enkirch Handelsmann Hirsch, Nathan Simon, Redele Hirsch, Johannetta * 3. Februar 1810 Talling † 13. Mai 1884 Enkirch Loeb, Isaac * 18. September 1830 Enkirch † 17. April 1909 Enkirch Isaak, Regina * 8. Dezember 1832 Enkirch Isaac, Nathan * 7. März 1835 Enkirch Isaak (Loeb), Michael * 8. Februar 1838 Enkirch † 30. März 1892 Enkirch Isaak (Loeb), Simon * 23. Juni 1843 Enkirch † 14. März 1908 Enkirch Die Familie wohnt beid der Geburt des ältesten Sohnes 1830 in dem Haus Nr. 122, bei der Geburt der Tochter Regina ist als Adresse (Wein?) Straße Nr. 138 angegeben. Isaac, Michael und Simon Loeb gründen eigene Familien in Enkirch. 29 Familie Carl Loeb und Henrietta geb. Hirsch, Heirat vor 1831 Loeb, Isaac * um 1749 Brod, Polen † 11. Januar 1810 Bernkastel Mayer, Theresia * 1760 Bruschied † 9. Februar 1833 Enkirch Loeb, Carl * 1794 Bernkastel † 7. Februar 1868 Enkirch Handelsmann Hirsch, Henrietta * 1796 Hottenbach † 30. April 1867 Enkirch Loeb, Isaac * 27. Juni 1831 Enkirch Loeb, Heymann * 14. Juli 1835 Enkirch † 4. Februar 1895 Enkirch Die Familie wohnt in der Thones Straße Nr. 256. Isaac und Heymann Loeb gründen eigene Familien in Enkirch. 30 Familie Regina geb. Simon und Benjamin Haas, Heirat 1830 Simon, Isaac * um 1774 Beilstein † 22. Oktober 1869 Enkirch Handelsmann Daniel, Dorothea * um 1775 Bernkastel † 12. Juli 1858 Enkirch Simon, Regina * 1805 Bernkastel † 31. Januar 1864 Haas, Salomon * um 1760 Hottenbach † 23. April 1823 Hottenbach Gubrich, Johanna Haas, Benjamin * 1803 Hottenbach † 3. August 1864 Handelsmann Haas, Marie * 9. Januar 1831 † 27. Dezember 1833 Haas, Carolina * 15. Januar 1833 Hottenbach † 15. Februar 1906 Enkirch Haas, Jeanette * 29. August 1835 Haas, Babette * 20. April 1838 Haas, Salomon * 6. Juni 1840 Haas, Rosina * 21. Februar 1843 † 1876 Haas, Henriette * 2. August 1845 31 Haas, Johanetta * 8. Januar 1848 Regina geb. Simon wird auch mit dem Vornamen Rösgen oder Rosina benannt. Ob die Familie in Hottenbach wohnte, und Regina und Benjamin Haas dort gestorben und bestattet sind, bedarf weiterer Recherche. Die Tochter Carolina heiratet allerdings wieder nach Enkirch und gründet hier eine eigene Familie. Familie Salomon Daniel und Sara geb. Daniel, Heirat 1839 Daniel, Samuel † 2. Juni 1829 Bernkastel Daub, Dorothea † 1. August 1824 Bernkastel Daniel, Salomon * 3. Januar 1813 Bernkastel Handelsmann Daniel, Marx * 1790 Bernkastel † 17. Januar 1868 Enkirch Handelsmann Mayer, Theresia † vor 1824 Kirchberg Daniel, Sara * 6. Juni 1817 Bernkastel Sara Daniel wohnt in Enkirch bis zu ihrer Hochzeit 1839, die in Trarbach stattfindet. 32 Familie Josef Simon und Juliane Therese geb. Marx, Heirat vor 1843 Simon, Isaac * um 1774 Beilstein † 22. Oktober 1869 Enkirch Handelsmann Daniel, Dorothea * um 1775 Bernkastel † 12. Juli 1858 Enkirch Simon, Joseph * 1811 Enkirch † 10. Januar 1884 Enkirch Handelsmann Marx, Simon † 28. November 1887 Daniel,Henriette * Moers Marx, Juliane Therese * etwa 1816 Moers † 28. November 1887 Enkirch Simon, Heinrich * 16. Oktober 1843 Enkirch Simon, Bertha * 21. Dezember 1844 Enkirch † 5. Dezember 1845 Enkirch Simon, Moritz * 23. April 1846 Enkirch † 20. November 1914 Enkirch Simon, Friederike * 22. August 1847 Enkirch † 28. September 1847 Enkirch Simon, Daniel * 9. November 1848 Enkirch 33 Simon, Paulina * 28. Juli 1850 Enkirch † 30. März 1907 Mülheim/Mosel Simon, Rosetha * 3. November 1851 Enkirch Simon, Rosalie * 30. April 1853 Enkirch Simon, Sinai * 29. Januar 1855 Enkirch † 16. Februar 1855 Enkirch Simon, Markus * 17. Juni 1856 Enkirch Simon, Emanuel * 6. Juni 1858 Enkirch Nach einem Verzeichnis von jüdischen Grabinschriften existiert ein Grabstein von Josef Simon.47 Nach einem Verzeichnis von jüdischen Grabinschriften existiert ein Grabstein von Therese Marx.48 Dort ist als traditioneller Name auch Gittel bath Shimeon angegeben. Heinrich, Paulina, Rosetha und Rosalie verziehen aus Enkirch und gründen eigene Familien, Moritz Simon gründet eine Familie in Enkirch. Drei Kinder sterben bereits im Säuglingsalter. Emanuel wohnt (zeitweise) in Trier. 47 Jüdische Friedhöfe zwischen Rhein und Maas 48 Jüdische Friedhöfe zwischen Rhein und Maas 34 Familie Salomon Daniel und Sara geb. Marx, Heirat 1839 Daniel, Salomon Marx, Sara Daniel, Wilhelm * um 1845 † 29. Juli 1908 Müller, Delphine Die Familie von Wilhelm Daniel lebt in Reil, das zur Enkircher Gemeinde gehört. Wilhelm wird auf dem Enkircher Friedhof bestattet. Ob der Vater der gleiche Salomon Daniel ist, der 1839 Sara Daniel in Trarbach geheiratet hat, und also ein zweites Mal verheiratet wäre, oder ein zweiter gleichen Namens, bedarf weiterer Recherche. Familie Daniel Simon und Esther geb. Loebchen, Heirat vor 1846 Simon, Isaac * um 1774 Beilstein † 22. Oktober 1869 Enkirch Handelsmann Daniel, Dorothea * um 1775 Bernkastel † 12. Juli 1858 Enkirch Simon, Daniel * 19. Mai 1815 Enkirch † 13. April 1895 Enkirch Handelsmann Loebchen, Jakob Loebchen, Tina Loeb(chen), Ester * 1815 Sonsbeck † 20. April 1875 Enkirch 35 Simon, Jacob * 6. September 1846 Enkirch † 11. Oktober 1874 Enkirch Kaufmann Simon, Auguste * 28. Februar 1848 Enkirch † 10. Mai 1920 Enkirch Simon, Gottfried * 25. Januar 1851 Enkirch † 25. Februar 1851 Enkirch Simon, Goldina * 12. November 1853 Enkirch † 1922 Miesenheim Nach einem Verzeichnis von jüdischen Grabinschriften ist auf dem Grabstein auch der traditionelle Name Gedalja bar Jizchak angegeben.49 Daniel Simon ist auf dem Jüdischen Friedhof begraben, es existiert ein Grabstein. Das Geburtsdatum ist hier abweichend mit 4. Mai 1815 angegeben. Nach einem Verzeichnis von jüdischen Grabinschriften existiert ein Grabstein von Ester Löbschen50 Der älteste Sohn Jakob verstirbt im Alter von 28 Jahren. 1880 wird die Enkelin Emma, eine Tochter von Auguste, im Wohnhaus von Daniel Simon geboren. Goldina heiratet am 6. August 1877 Joseph Klee (24. Juli 1858 bis 1895) aus Miesenheim, die Familie lebt dort und 1880 wird eine Tochter Elisabeth Klee in Miesenheim geboren, die aber am 1. Januar 1882 bereits wieder verstirbt. Es existiert ein Grabstein in Miesenheim für das Ehepaar, mit der Inschrift „Hier ruhen unsere lieben Eltern“, so dass neben Elisabeth weitere Kinder anzunehmen sind. 49 Jüdische Friedhöfe zwischen Rhein und Maas 50 Jüdische Friedhöfe zwischen Rhein und Maas 36 Familie Simon Simon und Carolina geb. Haas, Heirat 19. Mai 1852 Simon, Isaac * um 1774 Beilstein † 22. Oktober 1869 Enkirch Handelsmann Daniel, Dorothea * um 1775 Bernkastel † 12. Juli 1858 Enkirch Simon, Simon * 6. Januar 1818 Enkirch † 4. Juni 1889 Enkirch Handelsmann Simon, Regina * 1805 Enkirch Haas, Benjamin * 1803 Hottenbach Handelsmann Haas, Carolina * 15. Januar 1833 Hottenbach † 15. Februar 1906 Enkirch Simon, Bertha * 21. Mai 1853 Enkirch † 1. September 1870 Enkirch Simon, Julius * 14. April 1855 Enkirch † 30. Juni 1880 Enkirch Simon, Hermann * 24. März 1857 Enkirch † 11. März 1924 Enkirch Simon, Emil * 3. März 1859 Enkirch † 1. Juni 1919 Enkirch 37 Simon, Johanna * 11. März 1861 Enkirch † 24. März 1933 Enkirch Simon, Mathilde * 11. März 1861 Enkirch Simon, Siegmund Charles * 3. März 1863 Enkirch † Oktober 1937 South Bend, USA Simon, Benjamin William * 8. Februar 1865 Enkirch † 11. Februar 1924 Springfield, USA Simon, Daniel * 14. November 1867 Enkirch † 9. August 1920 Lincoln, USA Simon, Gottfried * 15. Juli 1869 Enkirch † Mai 1964 South Bend, USA Simon, Isaak * 3. März 1872 Enkirch † South Bend, USA Simon, Max * 16. Juni 1875 Enkirch † 5. April 1947 Chicago, USA Karoline Simon ist auf dem Jüdischen Friedhof begraben, es existiert ein Grabstein. Das Geburtsdatum ist hier abweichend mit 16. Januar 1832 angegeben. Hermann Simon ist auf dem Jüdischen Friedhof begraben, es existiert ein Grabstein. Nach einem Verzeichnis von jüdischen Grabinschriften ist auf dem Grabstein als traditioneller Name auch Naftali bar Shimon angegeben.51 Emil Simon gründet eine eigene Familie in Enkirch. Siegmund, der in USA den Namen Charles S.(iegmund) Simon führt, und Benjamin Simon (in USA William Simon) emigrieren und gründen in Springfield/Illinois einen Lebensmittelhandel, 1930 steigt Neffe Kurt Simon ins Geschäft ein und bringt seine Eltern, Gottfried Simon und Johanna geb. Hermann, seinen blinden Onkel Isaak und seine Schwester Gisela in die USA (siehe Kapitel 3.2.2.) 51 Jüdische Friedhöfe an Rhein und Maas 38 Hermann und Isaak Simon sind beide blind und wohnen im Haushalt von Gottfried Simon und seiner Frau in der Priesterstraße 321, sie stellen Seile und Stricke her und verkaufen diese, Schwester Johanna wohnt ebenfalls dort, sie ist nach Kurt Simons Erinnerungen „disabled“ und stirbt 1933 in Enkirch.52 Daniel Simon ist von Beruf Bäcker und er wandert per Schiff am 19. September 1889 über New York nach Elkhard/Illinois aus. Er heiratet Fanny, das Paar hat fünf Kinder, 1910 ist die Familie in Lincoln/Illinois wohnhaft. Daniel stirbt am 9. August 1920 in Lincoln. Max Simon reist wohl gemeinsam mit seinem Bruder Daniel am 19. September 1889 aus, er ist gerade 14 Jahre alt und wohnt 1900 in Elkhard/Illinois bei der Familie des Bruders. 1910 ist Max mit Regina verheiratet, das Paar wohnt in Springfield/Illinois und hat drei Töchter, die dort 1907,1910 und 1913 geboren sind. Wahrscheinlich besteht Kontakt zu den älteren Brüdern Siegmund und Benjamin (s.o.). Max Simon stirbt am 5. April 1947 in Chicago. 52 Biografie Kurt Simon 39 1.2.3. Die Entwicklung bis 1870 Familie Samuel Daniel und Jeanette geb. Daniel, Heirat 1857 Daniel, Marx * 1790 Bernkastel † 17. Januar 1868 Enkirch Simon, Sarah * 1803 Bernkastel † 11. Juli 1869 Enkirch Daniel, Jeanette * 18. Juni 1835 Enkirch † 14. April 1873 Enkirch Daniel, Samuel * 1830 Zell/Merl Handelsmann (Anonymus) * 13. September 1858 Enkirch † 13. September 1858 Enkirch Die Hochzeit findet 1858 in Trarbach statt, Samuel Daniel arbeitet als Handelsmann in Friedrichsthal im Saarland. Ein Knabe wird entweder tot geboren oder stirbt am gleichen Tag. Jeanette Daniel stirbt 1873 in Enkirch. 40 Familie Gottlieb Daniel und Magdalena geb. Kaufmann, Heirat 4. Mai 1863 Daniel, Marx * 1790 Bernkastel † 17. Januar 1868 Enkirch Handelsmann Simon, Sarah * 1803 Bernkastel † 11. Juli 1869 Enkirch Daniel, Gottlieb * 19. Februar 1833 Enkirch Handelsmann Kaufmann, Abraham Stern, Philippina * 5. April 1840 Odenbach Kaufmann, Magdalena * 11. Juli 1836 Odenbach † 13. November 1899 Enkirch Daniel, Max * 2. April 1864 Enkirch † 23. Februar 1935 Karlsruhe Daniel, Ferdinand * 11. April 1865 Enkirch † 20. Februar 1926 Lincolnwood Daniel, Bertha * 17. Juli 1867 Enkirch Daniel, Moritz * 7. August 1869 Enkirch Daniel, Ludwig * 7. November 1874 Enkirch † 19. November 11940 Chicago Daniel, Selma * 28. Juli 1877 Enkirch 41 Todesort und -datum von Gottlieb Daniel ist unbekannt, er ist 1896 sowie 1905 als Vorsteher der Synaogengemeinde genannt, und ist wohl danach aus Enkirch verzogen. Max Daniel ist im Karlsruher Adressbuch von 1920 als Kaufmann unter der Adresse Wilhelmstraße 34 eingetragen, er ist verheiratet und seine Frau Jenny führt unter gleicher Adresse ein Pelz- und Konfektions-Geschäft. Max Daniel wird 1935 auf dem Karlsruher Liberalen Jüdischen Friedhof beigesetzt. Ferdinand Daniel wandert in die USA aus und wird 1926 auf dem New Light Cemetery in Lincolnwood/Illinois beigesetzt. Ludwig Daniel wandert nach Chicago aus und arbeitet als Kaufmann. Er heiratet Jenny Daniel aus Österreich, ein Sohn Nathan wird um 1903 geboren. 1940 wohnt eine Nichte Hella Daniel bei dem Ehepaar. Ludwig Daniel wird am 22. November 1940 auf dem Jewish National Friedhof in Forest Park, Illinois bestattet. 42 Familie Isaac Loeb und Elisabetha geb. Kahn, Heirat 1. Sept. 1863 Loeb, Carl * 1794 Bernkastel † 7. Februar 1868 Enkirch Handelsmann Hirsch, Henrietta * 1796 Hottenbach † 30. April 1867 Enkirch Loeb, Isaac * 27. Juni 1831 Enkirch † Kahn, Samuel Abraham, Maria Kahn, Elisabetha * 7. März 1836 Tholey † Loeb, Emma * 26. Juli 1864 Enkirch † 23. November 1943 Theresienstadt Zur Geschichte von Emma Loeb siehe Kapitel 3.1.2. 43 Familie Heymann Loeb und Sara geb. Israel, Heirat 4. Juli 1865 Loeb, Carl * 1794 Bernkastel † 7. Februar 1868 Enkirch Hirsch, Henrietta * 1796 Hottenbach † 30. April 1867 Enkirch Loeb, Heymann * 14. Juli 1835 Enkirch † 4. Februar 1895 Enkirch Handelsmann Israel, Moses * 1796 Hottenbach † 22. Dezember 1862 Föhren Kaufmann, Karolina Israel, Sara (Susanne) * 28. Septermber 1837 Föhren † 1924 Illingen Loeb, Moses * 8. Mai 1866 Enkirch Loeb, Isidor * 25. Septembe 1867 Enkirch † 8. Juni 1929 Illingen Loeb, Albert * 7. März 1874 Enkirch † 2. Oktober 1937 New York Heymann Loeb ist auf dem Jüdischen Friedhof begraben, es existiert ein Grabstein. Nach einem Verzeichnis von jüdischen Grabinschriften ist als traditioneller Name auch Uri bar Chajim angegeben.53 Zur Geschichte von Familie Isidor Loeb siehe Kapitel 3.1.1. 53 Jüdische Friedhöfe zwischen Rhein und Maas 44 Albert Loeb emigriert 1893 nach New York, 1897 heiratet er Bertha Kaufmann, das Paar hat drei Kinder, Hermann, geboren 1898, Helen 1899, und Ida Loeb 1906. Im September 1918 wird Albert in der US-Armee eingeschrieben, ob er als Soldat nach Europa kommt, bedarf weiterer Recherche. 1937 stirbt Albert Loeb in New York. Familie Michael Loeb und Johanette geb. Kahn, Heirat 30. Oktober 1866 Isaak (Loeb), Gottlieb * 9. Juli 1799 Bernkastel † 3. Januar 1842 Enkirch Handelsmann Hirsch, Johannetta * 3. Februar 1810 Talling † 13. Mai 1884 Enkirch Isaak (Loeb), Michael * 8. Februar 1838 Enkirch † 30. März 1892 Enkirch Handelsmann Kahn, Johanetta * 11. Juli 1838 Konz † 25. Januar 1927 Enkirch Isaak (Loeb), Gustav * 3. April 1867 Enkirch † 25. Januar 1927 Enkirch Loeb (Isaak), Leo * 4. Juli 1868 Enkirch † 13. Juni 1923 Enkirch 45 Loeb (Isaak), Rosalie * 22. März 1870 Enkirch † 8. Januar 1941 Lannemezan Isaak (Loeb), Bernhard * 22. November 1871 Enkirch † 22. März 1924 Enkirch Loeb (Isaak), Hermann * 10. März 1875 Enkirch † 6. Mai 1942 Chelmno Loeb (Isaak), Sigmund * 16. März 1878 Enkirch † Mai 1942 Chelmno Loeb, N * 29. Juli 1882 Enkirch † 31. Juli 1882 Enkirch Zur Geschichte von Rosalie Loeb (Isaak) siehe Kapitel 3.2.1. Zur Geschichte von Hermann Loeb (Isaak) siehe Kapitel 3.2.5. Zur Geschichte von Sigmund Loeb (Isaak) siehe Kapitel 3.2.4. Leo Loeb (Isaak) und Bernhard Isaak gründen eigene Familien in Enkirch. Michael Loeb führt auch den Beinamen Meier oder Meyer, in der Todesanzeige seiner Frau wird sie als Wwe. Meyer-Isaac bezeichnet. Am 18. Juli 1938 wird die Firma Meyer-Isaak, Enkirch, aus dem Firmenregister gelöscht. Johanetta Kahn ist als Janette Isaac auf dem Jüdischen Friedhof begraben, es existiert ein Grabstein. Das Geburtsdatum ist hier abweichend mit 17. Juli 1838 angegeben. Die Familie wohnt in der (Talstraße) Nr. 152 in Enkirch, Johanetta, vielleicht nach dem Tod ihres Mannes, in der Wolfsstraße 447. 46 1.3. Deutsches Reich ab 1871 bis zum Beginn des Faschismus Da die Situation der bäuerlichen Bevölkerung insgesamt einschneidenden Veränderungen unterliegt, bedingt durch die wachsende Industrialisierung, aber auch Missernten in der Mitte des 19. Jahrhunderts (Kartoffelfäule), gibt es neben Auswanderungswellen von Mosel und Hunsrück nach (Süd-) Amerika auch antisemitische Tendenzen in der Landbevölkerung, die einerseits durch den aufkommenden Nationalismus des Kaiserreichs nach dem Krieg von 1870/71, die Ideologie des germanisch/christlichen Deutschlands und andererseits die jüdische Emanzipationsbewegung im neu entstandenen deutschen Kaiserreich noch verstärkt werden. Exemplarisch für diese Entwicklung ist der sog. Berliner Antisemitismusstreit und die Antisemitenpetition von 1880. 1.3.1.Die jüdischen Familien in Enkirch bis 1933 Diesem Zeitgeist entsprechend kommt es 1881 zu antisemitischen Ausschreitungen auch in Enkirch. Die Zeitschrift Der Israelit berichtet am 21.9.1881: "Trarbach, 9. September (1881). Der hiesige Bürgermeister veröffentlicht in der 'Trarbacher Zeitung' folgende Bekanntmachung: 'Es ist zu meinem großen Bedauern zu meiner Kenntnis gebracht worden, dass auch in Enkirch (statt Einkirch) eine Rotte roher Burschen sich ein Vergnügen daraus macht, allabendlich ihre jüdischen Mitbürger zu verhöhnen und selbst in ihren Wohnungen zu insultieren. Ich nehme daraus Veranlassung, alle gutgesinnten Einwohner Enkirch's aufzufordern, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln diesem jeder Gesittung Hohn sprechenden Skandal entgegenzutreten. Die Polizei-Exekutiv-Beamten werden angewiesen, jeden, der sich öffentliche Verhöhnung der Juden erlaubt, unnachsichtlich zur Anzeige zu bringen, wonach ich für eine exemplarische Bestrafung Sorge tragen werde. Der Herr Vorsteher wird ersucht, dies durch die Schelle in Enkirch publizieren zu lassen."54 Die schlechte wirtschaftliche Situation, verbunden mit Diskriminierungen wie oben beschrieben, bewegen auch viele vor allem jüngere jüdische Enkircher zur Auswanderung, hauptsächlich nach den Städten der USA. Infolge nimmt die Anzahl der jüdischen Einwohner Enkirchs bis 1933 stetig ab, der Altersdurchschnitt steigt. 54 Zitiert nach: Alemannia judaica 47 Um 1885 wird der neue Friedhof angekauft. Er grenzt direkt an den christlichen Friedhof und hat einen eigenen Eingang durch die Umfriedungsmauer an der linken (nördlichen) Seite des Geländes. 48 Zu Ostern 1893 zählt die Enkircher Schule 6 jüdische Schüler. 55 1895 leben 35 jüdische Einwohner in Enkirch56. 1896 sind es 37 Seelen in 11 Familien, der Gemeindevorsteher ist Gottlieb Daniel.57 1899 sind es 39 Personen58, ebenso im Jahr 1900.59 Die Zahl bleibt auch 1903 die gleiche 39 Seelen in 11 Haushalten, Gemeindevorsteher ist aber Leo Isaak.60 1905 gibt es noch 35 Gemeindeglieder, Vorsteher der Gemeinde ist (wieder) Gottieb Daniel, Gottesdienst findet nur am Sabbat statt. In der Gemeinde gibt es 14 Steuerzahler, in diesem Jahr werden 20 Mark Kultussteuer eingenommen, der Gemeinde-Etat beträgt 150 Mark.61 1909 brennt die Synagoge vollständig aus, wie im „Frankfurter Israelitischen Familienblatt“ vom 6.8.1909 zu lesen ist62: "Enkirch (Mosel). Am Tischo-be-Aw (= 27. Juli 1909) brach in der hiesigen Synagoge Feuer aus. Das Innere der Synagoge ist vollständig ausgebrannt. Dank dem beherzten Eingreifen des Herrn Ludwig Hirsch konnten die Sefer-Thoras (Torarollen) gerettet werden." 1916 wird das letzte jüdische Kind, Gisela Simon, in die Gemeinde geboren, wie in der Biografie ihres Bruders Kurt erwähnt wird.63 1917 wird Michael Schoemann aus Trarbach auf dem Enkircher Jüdischen Friedhof beerdigt, er ist im 1. Weltkrieg gefallen. 55 56 57 58 59 60 61 62 63 Anchiriacum-Enkirch-S.242 Dokumentration zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung, Bd.5, S.147 Statistisches Jahrbuch, 1896 Statistisches Jahrbuch, 1899 Merichonim loacharonim Statistisches Jahrbuch, 1903 Statistisches Jahrbuch, 1905 Allemannia judaica Biografie Kurt Simon 49 Micha bar Elieser ha Levi Hier ruht Michael Schoemann aus Trarbach geb. 21.2.1879 zu Lösnich gest. 29.10.1917 i. Lazarett zu Mainz 14. Cheschwan 5678 ein Leben voll Güte und Treue gab er hin dem Vaterlande. 1924 gehören 26 Personen zur Gemeinde, dazu zählen auch drei in Reil lebende Personen.64 1925 leben 18 jüdische Personen in Enkirch65 (wohl ohne die Reiler Gemeindemitglieder), 1928 sind es 20 Seelen in 7 Haushalten. Gottesdienst wird nur noch an Feiertagen zusammen mit Familien aus Cröv und Trarbach abgehalten.66 1933 verbleiben 12 jüdische Bewohner in 5 Haushalten in Enkirch67, welche letztendlich in Folge des Faschismus vertrieben werden. Wohl bald nach 1933 wird die Synagoge aufgegeben und das Gebäude verkauft. 68 64 65 66 67 68 Merischonim loacharonim Dokumentration zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung, Bd.5, S.147 Merischonim loacharonim BArch ZSG 138/45 Alemannia judaica 50 1.3.2. jüdische Familien von 1871 bis 1895 Auguste Simon Simon, Daniel * 19. Mai 1815 Enkirch † 13. April 1895 Enkirch Handelsmann Loebchen, Ester * 1815 Sonsbeck † 20. April 1875 Enkirch Simon, Auguste * 28. Februar 1848 Enkirch † 10. Mai 1920 Enkirch Handelsfrau Simon, Emma * 15. März 1880 Enkirch † Oktoer 1941 Litzmannstadt Simon, Caroline * 25. April 1873 Enkirch † 27. April 1874 Enkirch Auguste Simon ist auf dem Jüdischen Friedhof begraben, es existiert ein Grabstein. Das Geburtsdatum ist hier abweichend mit 25. Februar 1848 angegeben. Nach einem Verzeichnis von jüdischen Grabinschriften ist auf dem Grabstein als traditioneller Name auch Marat Gittel bath Gedalja angegeben, zudem eine Anmerkung: lange in Paris, verheiratet.69 Zur Geschichte von Emma Simon siehe Kapitel 3.2.4. Auguste ist wohl die Inhaberin von A. Simon Nachf., dem Kleidergeschäft in der Unterstraße 125, das bis 1938 von der Tochter Emma geb. Simon und Ihrem Mann Sigmund Loeb (Isaak) geführt wird. Die Väter ihrer beiden Töchter sind nicht aktenkundig, es ist auch nicht bekannt, ob es ein Partner war, oder zwei verschiedene. In Emma Simons Geburtsurkunde ist vermerkt, dass die Niederkunft beim Vater der „unverehelichten“ Auguste in dessen Wohnhaus stattfand, und dass die Hebamme zugegen war, die auch die Geburt auf dem Amt angezeigt hat. 69 Jüdische Friedhöfe zwischen Rhein und Maas 51 Familie Simon Isaak und Rebecca geb. Fraenkel, Heirat vor 1873, mit Sara geb. Oberdorfer, Heirat 1889, und mit Bertha geb. Oppenheim, Heirat 1890 Isaak (Loeb), Gottlieb * 9. Juli 1799 Bernkastel † 3. Januar 1842 Enkirch Handelsmann Hirsch, Johannetta * 3. Februar 1810 Talling † 13. Mai 1884 Enkirch Isaak (Loeb), Simon * 23. Juni 1843 Enkirch † 14. März 1908 Enkirch Handelsmann Fraenkel, Leopold Salomon, Babette Fraenkel, Rebecca * 1842 Rhaunen † 13. November 1887 Enkirch Loeb, N (Totgeburt) * 21. Juni 1873 Loeb, Bertha * 20. September 1875 Enkirch Loeb, N (Totgeburt) * 24. Oktober 1881 Oberdorfer, Hirsch Neumann, Sophie Oberdorfer, Sara * 1853 Hainsfarth † 3. Juli 1889 Enkirch 52 Oppenheim, Aron Schwabe, Sara * 1827 Stadtlengsfeld † 20. August 1892 Witzenhausen Oppenheim, Bertha * 11. Juni 1857 Abterode Isaack, Sophie * 1. Dezember 1897 Enkirch † 14. Juli 1942 Litzmannstadt Nach einem Verzeichnis von jüdischen Grabinschriften70 ist auf dem Grabstein von Simon Isaak als traditioneller Name auch Shimeon bar Eljakom angegeben. Simon Isaak war dreimal verheiratet, nach dem Tod seiner ersten Frau Rebecca heiratet er erneut, aber seine zweite Frau Sara stirbt noch im Hochzeitsjahr. Ob er auch seine dritte Frau überlebt hat, ist unbekannt. Auch das Schicksal seiner ersten Tochter Bertha bedarf weiterer Recherche. Simon Isaak ist auf dem Jüdischen Friedhof begraben, es existiert ein Grabstein. Zur Geschichte der zweiten Tochter (aus dritter Ehe) Sophie Isaack und ihrer Familie siehe Kapitel 3.1.5. Nach einem Verzeichnis von jüdischen Grabinschriften existiert ein Grabstein von Rebecca Fraenkel. ebenso von Sara Oberdorfer.71 70 Jüdische Friedhöfe zwischen Rhein und Maas 71 Jüdische Friedhöfe zwischen Rhein und Maas 53 Familie Heinrich Simon und Adelheid Herz, Heirat 9. Sept. 1872 Simon, Joseph * 1811 Enkirch † 10. Januar 1884 Enkirch Handelsmann Marx, Juliane Therese * um 1816 Moers † 28. November 1887 Enkirch Simon, Heinrich * 16. Oktober 1843 Enkirch Kaufmann Fraenkel, Leopold Salomon, Babette Herz, Adelheid * um 5. August 1842 Merzig Simon, N * 20. Januar 1874 Trarbach Simon, Franziska * 18. März 1875 Trarbach Ob die Familie in Trarbach lebt, und zur Gemeinde Enkirch gehörte, bedarf weiterer Recherchen. Jedenfalls ist keines der Familienmitglieder in Enkirch beerdigt. 54 Familie Moritz Simon und Jutta Hermann, Heirat 31. August 1875 Simon, Joseph * 1811 Enkirch † 10. Januar 1884 Enkirch Handelsmann Marx, Juliane Therese * um 1816 Moers † 28. November 1887 Enkirch Simon, Moritz * 23. April 1846 Enkirch † 20. November 1914 Enkirch Handelsmann Hermann, Salomon * 1804 Steinhardt † 22. August 1882 Steinhardt Schlossmann, Karolina Kehla Hermann, Jutta * 8. August 1846 Steinhardt † 18. Dezember 1916 Trier Simon, Thekla * 30. Juni 1876 Enkirch † 30. Juni 1876 Enkirch Simon, Isaak * 10. Mai 1877 Enkirch † 10. Mai 1877 Enkirch Simon, Paula * 27. Dezember 1878 Enkirch † 4. März 1957 Chicago Simon, Martha * 21. Mai 1880 Enkirch † 1944 Auschwitz 55 Simon, Oskar * 6. Februar 1882 Enkirch † 13. Juli 1899 Enkirch Simon, Hedwig * 24. August 1883 Enkirch † 21. November 1950 Aylesbury Simon, N * 30. Oktober1886 Enkirch † 30. Oktober1886 Enkirch Zur Geschichte von Paula Simon siehe Kapitel 3.1.12. Zur Geschichte von Martha Simon siehe Kapitel 3.1.13. Zur Geschichte von Hedwig Simon siehe Kapitel 3.1.14. 56 Familie Isaac Loeb und Bertha geb. Levi, Heirat vor 1881 Isaak (Loeb), Gottlieb * 9. Juli 1799 Bernkastel † 3. Januar 1842 Enkirch Handelsmann Hirsch, Johannetta * 3. Februar 1810 Talling † 13. Mai 1884 Enkirch Loeb, Isaac * 18. September 1830 Enkirch † 17. April 1909 Enkirch Handelsmann Levi, Berhta * 29. Juni 1850 Konz † 2. März 1931 Enkirch Loeb, Johanna * 25. Januar 1881 Enkirch † 10. JAugust 1942 Auschwitz Loeb, Elise * 19. April 1884 Enkirch Ob die Familie in der Unterstraße 31 wohnt, bedarf weiterer Recherche, jedenfalls ist Bertha Levi vor ihrem Tode 1931 dort gemeldet. Zur Geschichte von Johanna Loeb siehe Kapitel 3.1.8. Elise Loeb reist nach den USA, es gibt Einreisedokumente von Hamburg nach New York am 5. Juni 1910, den Angaben zufolge ist sie ledig, als bisheriger Wohnort ist einmal Enkirch, einmal Reil angegeben, eine Immigration ist aber nicht angestrebt. Sie ist 2. Klasse auf der Cincinnati gebucht, nicht auf der Titanic, die nur zwei Jahre später auf gleicher Route (Southhampton-Cherbourg-New York) startet. 57 Familie Daniel Simon und Ida Lohmann, Heirat 5. Oktober 1880 Simon, Joseph * 1811 Enkirch † 10. Januar 1884 Enkirch Handelsmann Marx, Juliane Therese * um 1816 Moers † 28. November 1887 Enkirch Simon, Daniel * 9. November 1848 Enkirch Handelsmann Lohmann, Lazarus * 14. August 1811 Baiersdorf Silbermann, Jeanette Lohmann, Ida * 15. September 1853 Baiersdorf Simon, Ludwig * 20. Juli 1881 Enkirch Die Familie verzieht wohl aus Enkirch, die Lebenswege bedürfen weiterer Recherche. 58 Familie Emil Simon und Mina geb. Kahn, Heirat 1889 Simon, Simon * 6. Januar 1818 Enkirch † 4. Juni 1889 Enkirch Handelsmann Haas, Carolina * 15. Januar 1833 Hottenbach † 15. Februar 1906 Enkirch Simon, Emil * 3. März 1859 Enkirch † 1. Juni 1919 Enkirch Handelsmann Kahn, Isaak * 28. Juli 1819 Freudenburg † 14. Mai 1896 Freudenburg Kaan, Rebekka * 24. Mai 1822 Merzig † 23. Mai 1871 Kahn, Mina * 25. Mai 1862 Freudenburg † 23. Juli 1944 Theresienstadt Simon, Friederike * 5. März 1890 Trarbach † Maly Trostinec Simon, Siegfried * 25. März 1891 Enkirch Simon, Robert * 26. Oktober 1892 Enkirch Simon, Erna * 2. Juli 1895 Enkirch † 24. April 1956 Bogota 59 Emil Simon ist auf dem Jüdischen Friedhof begraben, es existiert ein Grabstein. Nach einem Verzeichnis von jüdischen Grabinschriften72 existiert ein Grabstein von Mina Kahn. Die Familie wohnt zwischenzeitlich, vielleicht nach der Hochzeit 1889, in TrabenTrarbach, wo auch die älteste Tochter Friederike 1890 geboren wird. Emil Simon ist von Beruf Metzger und betreibt dort vielleicht einen Laden, jedenfalls ist Sohn Siegfried ein Jahr später in Enkirch geboren, und die Familie lebt seitdem auch (wieder) dort. Zur Geschichte von Mina geb. Kahn siehe Kapitel 3.1.9. Zur Geschichte von Friederike Simon siehe Kapitel 3.1.10. Zur Geschichte von Erna Simon siehe Kapitel 3.1.11. Robert Simon emigriert in die USA. Um 1917 lebt er in Cuyahoga County In Ohio, wo er zur Einberufung in die Armee registriert wird. 1926 ist Cleveland sein Wohnsitz, und 1930 ist er mit Rennie Simon verheiratet und wohnt mit seiner Frau in Euclid. 72 Jüdische Friedhöfe zwischen Rhein und Maas 60 1.3.3. Von 1895 bis 1932 undatierter Grabstein Auf dem Jüdischen Friedhof gibt es einen Grabstein für Simon Bar Jizchak, † Mai 1899, der nicht zugeordnet werden kann. Der einzig 1899 Bestattete ist Oskar Simon, der am 13. Juli siebzehnjährig gestorben war. Familie Leo Loeb (Isaak) und Greta geb. Stern, Heirat vor 1895 Isaak (Loeb), Michael * 8. Februar 1838 Enkirch † 30. März 1892 Enkirch Handelsmann Kahn, Johanetta * 11. Juli 1838 Konz † 25. Januar 1927 Enkirch Loeb (Isaak), Leo * 4. Juli 1868 Enkirch † 13. Juli 1923 Enkirch Kaufmann Stern, Greta * 21. November 1867 Kleinwallstadt † 26. November 1928 Enkirch Isaak, Max 1895 * 7. Januar 1895 Enkirch † Theresienstadt Loeb, Carl * 23. Februar 1896 Enkirch † Haifa 61 Leo Loeb (Isaak) ist auf dem Jüdischen Friedhof begraben, es existiert ein Grabstein. Nach einem Verzeichnis von jüdischen Grabinschriften ist auf dem Grabstein auch als traditioneller Name Elieser bar Meir Aissek angegeben.73 Die Familie lebt in der Königstraße Nr. 112 und 113. Greta Isaak geb. Stern ist auf dem Jüdischen Friedhof begraben, es existiert ein Grabstein. Nach einem Verzeichnis von jüdischen Grabinschriften ist dort als traditioneller Name auch Gitel bath Naftali ha Levi angegeben.74 Zur Geschichte von Max Isaak und Familie siehe Kapitel 3.1.6. Zur Geschichte von Carl Loeb siehe Kapitel 3.1.7. 73 Jüdische Friedhöfe an Rhein und Maas 74 Jüdische Friedhöfe an Rhein und Maas 62 Familie Ludwig Hirsch und Rosalie geb. Loeb (Isaak), Heirat 11. März 1895 Hirsch, Lippmann Meier, Karoline Hirsch, Ludwig * 4. Juni 1868 Enkirch † 21. August 1917 Enkirch Handelsmann Isaak (Loeb), Michael * 8. Februar 1838 Enkirch † 30. März 1892 Enkirch Handelsmann Kahn, Johanetta * 11. Juli 1838 Konz † 25. Januar 1927 Enkirch Loeb (Isaak), Rosalie * 22. März 1870 Enkirch † 8. Januar 1941 Lannemezan Hirsch, Ernst * 25. Oktober 1895 Enkirch † 19. Dezember 1911 Enkirch Hirsch, Frieda * 29. Oktober 1896 Enkirch † 1965 Haifa Hirsch, Eugen * 12. Dezember 1903 Enkirch † 16. Dezember 1951 New York Hirsch, Olga * 8. Juli 1907 Enkirch Frieda Hirsch gründet eine eigene Familie und lebt in Reil, das zur Gemeinde Enkirch gehört. 63 Rosalie Hirsch wohnt 1933 mit Tochter Olga in der Wolfsstraße 447, im Hause, in dem auch ihre Mutter Johanetta Kahn († 1927) wohnte. Zur Geschichte von Rosalie Hirsch siehe Kapitel 3.2.1. Zur Geschichte von Eugen Hirsch siehe Kapitel 3.1.3. Zur Geschichte von Olga Hirsch siehe Kapitel 3.2.1. Familie Bernhard Isaak und Jeanette geb. Freudenberger, Heirat vor 1901 Isaak (Loeb), Michael * 8. Februar 1838 Enkirch † 30. März 1892 Enkirch Handelsmann Kahn, Johanetta * 11. Juli 1838 Konz † 25. Januar 1927 Enkirch Isaak (Loeb), Bernhard * 22. November 1871 Enkirch † 22. März 1924 Enkirch Handelsmann Freudenberger, Judas Stern, Babette Freudenberger, Jeanette * 24. Februar 1869 Heßdorf † 29. November 1966 New York Loeb (Isaak), Bertha * 3. August 1901 Enkirch † 26. September 1986 New York Loeb (Isaak), Walter Meyer * 20. Februar 1903 Enkirch † 1. Juni 1970 New York 64 Zur Geschichte von Jeanette Freudenberger, Bertha Loeb (Isaak) und Walter Meyer Loeb (Isaak) siehe Kapitel 3.2.3. bzw. 3.1.16. und 3.1.15 Die Familie wohnt um 1924 in der Unterstraße 153, Jeanette Freudenberger um 1933 bis 1937 Adolf-Hitler-Straße Nr. 149. Bernhard Isaak ist auf dem Jüdischen Friedhof begraben, es existiert ein Grabstein. Nach einem Verzeichnis von jüdischen Grabinschriften ist dort als traditioneller Name auch Moshe bar Meir angegeben.75 Familie Hermann Loeb (Isaak) und Kathinka geb. Israel, Heirat 7. September 1900 Isaak (Loeb), Michael * 8. Februar 1838 Enkirch † 30. März 1892 Enkirch Handelsmann Kahn, Johanetta * 11. Juli 1838 Konz † 25. Januar 1927 Enkirch Loeb (Isaak), Hermann * 10. März 1875 Enkirch † 6. Mai 1942 Chelmno Zigarrenfabrikant Israel, Philipp Kahn, Theresia Israel, Kathinka * 31. August 1876 Schweich † 8. April 1942 Litzmannstadt 75 Jüdische Friedhöfe an Rhein und Maas 65 Isaak (Loeb), Therese * 17. August 1901 Enkirch † 13. Oktober 1901 Enkirch Isaak (Loeb), Ida * 28. März 1903 Enkirch † 13. November 1917 Enkirch Isaak (Loeb), Meta * 22. Juni 1904 Enkirch † 2. Februar 1907 Enkirch Loeb (Isaak), Gerda * 25. Juli 1907 Enkirch † nach 1941 Litzmannstadt Zur Geschichte der Familie Hermann Loeb (Isaak) siehe Kapitel 3.2.5. Ida Isaak ist auf dem Jüdischen Friedhof begraben, es existiert ein Grabstein. 66 Familie Sigmund Loeb (Isaak) und Emma geb. Simon, Heirat 27. November 1902 Isaak (Loeb), Michael * 8. Februar 1838 Enkirch † 30. März 1892 Enkirch Handelsmann Kahn, Johanetta * 11. Juli 1838 Konz † 25. Januar 1927 Enkirch Loeb (Isaak), Sigmund * 16. März 1878 Enkirch † 6. Mai 1942 Chelmno Kaufmann Simon, Auguste * 28. Februar 1848 Enkirch † 10. Mai 1920 Enkirch Simon, Emma * 15. März 1880 Enkirch † nach 19. Oktober 1941 Litzmannstadt Isaak (Loeb), Kurt * 14. August 1903 Enkirch † 1.September 1909 Enkirch Loeb (Isaak), Hans * 124. Februar 1905 Enkirch † 6. Mai 1942 Chelmno Isaak (Loeb), Ewald * 18. November 1906 Enkirch † 26. November 1906 Enkirch Loeb (Isaak), Alice * 27. September 1908 Enkirch Zur Geschichte der Familie Sigmund Loeb (Isaak) siehe Kapitel 3.2.4. 67 Familie Gottfried Simon und Johanna geb. Hermann, Heirat 1912 Simon, Simon * 6. Januar 1818 Enkirch † 4. Juni 1889 Enkirch Handelsmann Haas, Carolina * 15. Januar 1833 Hottenbach † 15. Februar 1906 Enkirch Simon, Gottfried * 15. Juli 1869 Enkirch † 2Mai 1964 USA Handelsmann Hermann, Johanna * um 1883 Oberemmel Simon, Kurt * 22. September 1913 Enkirch † 8. Januar 2013 South Bend Simon, Gisela * 25. Dezember 1916 Enkirch † 20. Februar 2007 USA Die Familie wohnt in der Priesterstraße 321, nach Angaben der Gemeinde Enkirch wohnt sie 1933 in der (Backhausstraße) Nr. 347. Zur Geschichte der Familie Gottfried Simon siehe Kapitel 3.2.2. 68 Familie Frieda Krämer geb. Hirsch und Markus Krämer, Heirat 1919 Hirsch, Ludwig * 4. Juni 1868 Enkirch † 21. August 1917 Enkirch Handelsmann Loeb (Isaak), Rosalie * 22. März 1870 Enkirch † 8. Januar 1941 Lannemezan Hirsch, Frieda * 29. Oktober 1896 Enkirch † 1965 Haifa Krämer, Isaak Mayer, Sara Krämer, Markus * 2. Mai 1894 Niederflörsheim † 1965 Haifa Kaufmann Krämer, Irene * 10. Januar 1921 Reil Krämer, Lothar † 21. Dezember 1923 Reil Krämer, Helmut * 16. August 1925 Bonn Die Familie lebt in Reil, das zur Enkircher Jüdischen Gemeinde gehört. Zur Geschichte der Familie Markus Krämer siehe Kapitel 3.1.4. 69 1.3.4. Übersicht der „20 Seelen in 7 Haushalten“ von 1928 76 1. Familie Gottfried Simon in der Priesterstraße 321, zum Haushalt gehören Gottfrieds Geschwister Hermann ,†1924, Isaak, Johanna †1933, Frau Johanna geb. Hermann, und die Kinder Kurt und Gisela. Die Familie emigriert 1937. 2. Die Witwe von Michael Loeb, Johanetta Kahn, stirbt 1927 im Hause Wolfsstraße 447, dort ist dann bis 1933 die Tochter Rosalie Hirsch mit ihrer Tochter Olga gemeldet. Michael Loeb wohnte (wohl mit der Familie) um 1892 in der Talstraße (=Unterstraße?) Nr. 152. 3. Familie Isaac Loeb (†1909) wohnt in der Unterstraße 37, jedenfalls die Witwe Bertha geb. Levi, die 1931 stirbt. 4. Familie Sigmund Loeb / Emma geb. Simon wohnt in der Unterstraße 125, wo sie das Textilwarenkaufhaus A. Simon Nachf. betreibt, bis 1939. Der Sohn Hans macht 1929 in Bonn bereits sein medizinisches Staatsexamen, der Lebensweg von Tochter Alice (*1908) bedarf weiterer Recherche. 5. Familie Bernhard Isaak (†1924), die Familie wohnt in der Unterstraße 153, später zieht die Witwe Janet geb. Freudenberger in die Unterstraße 149, wo sie 1933 gemeldet ist und bis 1937 lebt. 6. Familie Hermann Loeb wohnt in der „Oberstraße“(?) Nr. 382, zum Haushalt gehören seine Frau Kathinka geb. Israel und Tochter Gerda. Sie werden 1940 gezwungen nach Köln umzusiedeln. Höchstwahrscheinlich betreibt die Familie ein kleines Kolonialwarengeschäft Unterstraße/Ecke Bergstraße, heute Zum Herrenberg/Weingasse (=382?), das heute noch besteht; diese mündliche Quelle bedarf aber weiterer Verifizierung. 7. Familie Markus Krämer, Ehefrau Frieda geb. Hirsch, lebt bis 1924 in Reil, das zur Enkircher Synagogengemeinde zählt. Kinder Irene und Lothar († 1923) sind dort geboren, der Sohn Helmut 1925 in Bonn, die Familie lebt allerdings bis 1930 in Reil, von wo sie nach Niederflörsheim umzieht. Die Reiler Familie Krämer mitgezählt, wären das genau die 20 Personen in 7 Haushalten. 76 Merischonim loacharonim 70 Die beiden Witwen Greta geb. Stern und Mina geb. Kahn sind wahrscheinlich in der Zählung nicht erfasst: 8. Familie Leo Isaak (†1923), Frau Greta geb. Stern. Bei Ihrem Tod im November 1928 wird auch das Haus in der Königstraße 112 (und 113?) verkauft, in dem die Familie wohnte und die zwei Kinder, Max und Carl geboren wurden. 9. Familie Emil Simon (†1919) wohnt in der Unterstraße, Nummer unbekannt. Wann die Witwe Mina Kahn Enkirch verlässt, bedarf weiterer Recherche, jedenfalls ist unklar, ob der Haushalt 1928 noch besteht, da die jüngste Tochter Erna 1926 nach Koblenz heiratet. Sohn Robert lebte schon 1917 in den USA, der Verbleib des Sohnes Siegfried ist unbekannt, die älteste Tochter Friederike war 1920 zu ihrem Ehemann nach Bornheim bei Bonn verzogen, was auch als Adressort von Mina Kahn bezeugt ist. Entwicklung bis 1933 Am 1.1.1933 gibt es noch 12 Personen in 5 Haushalten, die namentlich verzeichnet sind (siehe unter Kap. 3.2.).77 Die unter Nr. 3 und 7 aufgeführten Haushalte Wwe. Bertha Levi und Fam. Krämer in Reil bestehen zu diesem Datum nicht mehr. Zudem ist Johanna Simon von Familie Nr. 1 in dieser Aufstellung nicht aufgeführt, obwohl sie erst im März 1933 in Enkirch verstorben ist. Kurt Simon ist bereits 1930 nach den USA ausgewandert. Alice Loeb Fam. Nr. 4 ist ebenfalls nicht aufgelistet, wahrscheinlich ist sie inzwischen aus Enkirch verzogen, ihr Lebensweg bedarf weiterer Recherche. 77 BArch ZSG 138/45 71 2. Enkirch ab 1933 Vorbemerkung: Wenn im folgenden Kapitel in umfangreichem Maße aus Quellen der NS-Zeit zitiert wird, liegt ein gewisses Dilemma darin, diese nicht alle in jeder ihrer Aussagen kritisch kommentieren zu können. Die Gefahr liegt dabei nahe, durch Übernahme des zeitgenössischen Sprachgebrauchs unfreiwillig Diskriminierungen, Vorurteile und die Ideologie dieses Systems darzustellen, anstatt es zu entlarven. Umbezeichnungen wie Reichspogomnacht statt des früher benutzten Terminus Reichskristallnacht, oder Ghettohäuser statt Judenhäuser und das Setzen von Anführungszeichen als Kenntlichmachung und Kommentieren solcher Begrifflichkeiten sind oft unzureichende Hilfsmittel. Trotzdem denke ich, durch die Publikation der folgenden Materialien nicht zur Verbreitung von NS-Gedankengut beizutragen, sondern glaube, dass die kritischen Leser diese Dokumente als Belege für die verbrecherische Unmenschlichkeit verstehen, mit der der Faschismus sich darin selbst bloßstellt. Auch sei nochmals erwähnt, dass hier keine zusammenhängende geschichtliche Darstellung angestrebt, sondern eine Auswahl von Texten mit regionalem Bezug wiedergegeben ist. 2.1 Institutionalisierter Antisemitismus im faschistischen Deutschland Obwohl die nationalsozialistische Bewegung bereits Ende der 1920er Jahre auch im Rheinland Anhänger findet und eine institutionelle Struktur aufzubauen beginnt, ist die NSDAP im besetzten Rheinland bis zum Abzug der Besatzungstruppen und der „Befreiungsfeiern“ am 1. Juli 1930 verboten. Die Region bleibt aber weiterhin „entmilitarisierte Zone“, bis die Wehrmacht am 7. März 1936 das Rheinland unter Bruch des Versailler Vertrages besetzt, was in der Propaganda als „Rheinlandbefreiung“ gefeiert wird. Sofort mit Übernahme der faschistischen Herrschaft 1933 beginnt auch die soziale, wirtschaftliche und rechtliche Ausgrenzung der Juden, der staatlich organisierte Antisemitismus. 72 2.1.1. Beginn des Boykotts jüdischer Geschäfte Für den 1. April wird zum Boykott jüdischer Geschäfte aufgerufen. Im gleichen Monat werden Juden aus dem öffentlichen Dienst entfernt, weiterhin aus dem Militär, sie dürfen nicht mehr als Kassenarzt oder Staatsanwalt praktizieren: Richtlinien des Gaues Koblenz-Trier im Abwehrkampf gegen die Greuellüge. Der Aktionsauschuß des Gaues Koblenz-Trier der NSDAP teilt mit: Zur Abwehr der jüdischen Greuelpropaganda im Ausland hat die Reichsleitung eine Boykottaktion gegen jüdische Kaufhäuser, Ärzte, Rechtsanwälte pp. für Samstag, 1. April 10 Uhr vormittags, angeordnet. Für den gesamten Gaubereich wurde zur einheitlichen schlagfertigen Durchführung der Abwehrmaßnahmen ein Gauaktionsausschuß gebildet, unter dem Vorsitz des Gaupropagandaleiters Dr. Meyer, dem Vertreter der politischen Leitung, der SA, SS und HJ-Führung und des Kampfbundes für den gewerblichen Mittelstand angehören. Die von diesem Ausschuß festgesetzten Richtlinien sind von allen örtlichen Aktionsausschüssen strengstens zu beachten, damit Einzelaktionen vermieden werden; sie gingen jeder Ortsgruppe und jedem Stützpunkt zu. Die bürgerliche Presse ist aufgefordert, uns im Kampf um Ehre und Ansehen der Nation zu unterstützen, die Behörden sind gebeten, auf ihre Beamtenschaft entsprechend einzuwirken, da wir es als Verrat an der deutschen Nation und als Provokation betrachten müssen, wenn die Beamtenschaft oder ihre Angehörigen noch den Weg zum Juden finden sollten. Parteigenossen! Trefft rechtzeitig Vorbereitungen, damit am Samstag schlagartig um 10 Uhr vormittags der Kampf beginnen kann, den wir mit Ernst und Disziplin durchführen wollen. Eine weitere Anordnung des Aktionsauschusses hat folgenden Wortlaut: „Das Judentum, das im Ausland durch eine gewissenlose Lügen- und Greuelpropaganda das Ansehen und die Ehre der deutschen Nation in aller Welt durch die Macht seiner Presse zu schädigen sucht, hat, soweit es sich um deutsche Juden handelt, in diesen Tagen sein Schicksal in der Hand. Es ist bisher, seit Adolf Hitler Reichskanzler ist, noch keinem deutschen Juden ein Haar gekrümmt worden, und trotzdem erscheinen die tollsten Lügen in der Auslandspresse, weil das nationale Deutschland nicht mehr länger Sklavenkolonie der internationalen jüdischen Hochfinanz sein will. Damit endlich dieser Lügenfeldzug eingestellt wird, - und das ist möglich, wenn das deutsche Judentum seinen Einfluß in dieser Richtung bei seinen Rassegenossen im Ausland geltend gemacht - sieht sich das nationale 73 Deutschland gezwungen, zum Schutz des Ansehens und der ehre des Vaterlandes, Gegenmaßnahmen in Form einer planmäßigen, einheitlich geleiteten Boykottaktion gegen jüdische Geschäfte, Ärzte, Rechtsanwälte pp. durchzuführen unter Beteiligung aller deutschen Volksgenossen. Die Juden haben eine Frist bis Samstag, 1. April, vormittags 10 Uhr. Wenn bis dahin die Greuelpropaganda nicht eingestellt ist, setzt unsere Boykottaktion schlagartig in allen Orten und Städten ein. Ich mache es allen Ortsgruppen und Stützpunkten zur Pflicht, genau nachstehende Richtsätze zu beachten. SA und SS sowie HJ wird von ihren Führern angewiesen, sich in diesem Abwehrkampf der politischen Leitung zur Verfügung zu stellen. Richtlinien: A.1. In jedem Ort, wo eine Ortsgruppe oder Stützpunkt besteht, ist sofort ein Aktionsausschuß zu bilden unter dem Vorsitz des politischen Leiters. 2. Grundsätzlich ist das in der NS-Presse erschienene Abwehrprogramm genauestens zu beachten. B. Zusätzlich und ergänzend wird im Gau Koblenz-Trier der Kampf nach nachstehenden Richtlinien geführt: B.1. Falls nicht anders bestimmt wird, sind am Samstag, 10 Uhr vormittags, die jüdischen Geschäftsinhaber aufzufordern, die Geschäfte zu schließen und ihre Angestellten mit vollem Gehalt bzw. Lohn zu beurlauben. 2. Eine SA- oder SS-Wache von zwei Mann steht vor dem Eingang und fordert in höflichem, aber bestimmten Tone die Bevölkerung aufklärend auf, nichts in Judengeschäften zu kaufen, die es dulden, daß ihre Rassegenossen im Ausland die Ehre des deutschen Volkes mit Füßen treten. 3. Nach Möglichkeit erfolgt die Schließung im Rahmen eines Umzuges, in dem Transparente und Schilder des Inhalts zu tragen sind, daß es nationale Pflicht ist, die jüdischen Kaufhäuser, Ärzte und Rechtsanwälte zu meiden. 4. Nach Möglichkeit ist das Publikum, das trotzdem noch Juden etwas zu verdienen gibt, auf der Photoplatte festzuhalten und zu verfemen. Das gilt besonders von deutschen Beamten und ihren Familienangehörigen. 5. Im Abwehrkampf hat strenge Disziplin zu herrschen, Ausschreitungen wie Plünderungen und Tätlichkeiten sind zu unterlassen. Den Juden darf kein Haar gekrümmt werden, denn es handelt sich bei dieser Aktion nicht um Pogrome, sondern um ein nationales Kampfmittel zur Erreichung eines bestimmten Zieles. 74 6. Die christlichen Geschäfte und Gasthäuser zeichnen ihre Schaufenster durch Plakatstreifen mit der Aufschrift: „Kein Jude“. Vor der Wohnung jüdischer Ärzte stehen SA-Leute mit Schildern: „Dieser Arzt ist Jude“. Auch jüdische Künstler sind abzulehnen. 7. Die bürgerliche Presse ist aufgefordert, sich dem nationalen Abwehrkampf zur Verfügung zu stellen und jüdische Anzeigen vorerst abzulehnen. Diese Presse ist zu überwachen und gegebenenfalls zu ächten, abzubestellen und anzuprangern, daß sie es lieber mit den Juden als mit dem Vaterlande halte. 8. Wer an diesem nationalen Abwehrkampf nicht mitmacht, versündigt sich an Volk und Vaterland und bleibt geächtet. In Massenversammlungen, besonders in Hausfrauenversammlungen, ist das Volk an seine nationale Pflicht zu erinnern. 9. Wo Zweifel besteht, ob es sich um eine jüdische Firma handelt, wie bei AG oder sonstigen Gesellschaftsformen, ist durch die einzusetzende Sonderprüfungskommission bei Handelskammer oder Handelsregister Inhaber festzustellen. 10. Dieser Abwehrkampf schließt den Kampf gegen die Warenhäuser nicht aus, hat aber eine andere Zielsetzung. Er richtet sich gegen alle, auch kleine jüdische Spezialgeschäfte. 11. Der Kampf dauert so lange an, bis vom Gauaktionsausschuß durch Presse oder Rundschreiben abgeblasen wird. 12. Das Personal der jüdischen Geschäfte ist nach Möglichkeit in christlichen Geschäften unterzubringen, die Verhandlungen führt der örtliche Aktionsausschuß mit den christlichen Geschäftsleuten. Das Personal ist zu veranlassen, auf ihre jüdischen Chefs in ihrem eigenen Interesse einzuwirken, daß sie ihren Einfluß im Ausland geltend machen. 13. Um die Fleischversorgung der Städte nicht zu gefährden, bringen die Bauern ihr fettes Vieh selbst zu den Stadtmärkten, sofern keine christlichen Viehhändler vorhanden sind. Auf dem Lande sind die Metzger zu veranlassen, ihr Schlachtvieh unmittelbar unter Ausschaltung jüdischer Händler im Stall des Bauern oder auf den Wochenmärkten einzudecken. 14. Die Kreisleiter berichten über das Erfolgte im nächsten Tätigkeitsbericht. Koblenzer Generalanzeiger vom 31. März 1933 78 78 Nationasozialismus im Alltag, 1983, S. 17ff 75 Dass diese Boykottmaßnahmen nicht nur auf eine eintägige Einzelaktion beschränkt sind, zeigt der Beschwerdebrief von Alfred Allmeier aus Mülheim/Mosel im Juli 1934, der sich im Namen der jüdischen Geschäftsleute über die anhaltenden Boykottmaßnahmen beim Regierungspräsidenten ohne Erfolg beschwert (siehe Kapitel 3.1.19.). 2.1.2. „Stürmerkästen“ Ortsschilder „Juden sind hier unerwünscht“, an jüdischen Geschäften angebrachte Schriften „Kauft nicht bei Juden“,Verbotsmarkierungen an öffentlichen Sitzplätzen für Juden, die antisemitische Hetze mittels „Stürmer-Kästen“ zementieren die soziale Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung. Zwei Beispiele von Moseldörfern, denen Enkirch sicher von der Gesinnung her in nichts nachsteht, veranschaulichen diese Ausgrenzung: Nachahmenswerter Entschluß des Gemeinderats Bullay Bullay. Die in letzter Zeit von Juden betriebenen Schändungen und Vergewaltigungen deutscher Frauen und Mädchen haben innerhalb der Volksgenossen große Empörung ausgelöst und werden von jedem anständigen Volksgenossen auf das schärfste verurteilt. Wir sehen in dem Juden den unerbittlichen Feind gegen das neue Deutschland, den Schänder deutscher Frauenehre, den Ausbeuter unseres Volkes, den Fremdrassigen im Volke. Den Juden zu meiden, muß vornehmste Pflicht eines jeden deutschen Volksgenossen sein. In Erkenntnis dieser Tatsachen und in der Erkenntnis, daß ohne Lösung der Judenfrage keine Erlösung des deutschen Volkes möglich wird, faßt daher der Gemeinderat Bullay folgende Erschließung. 1. Der Zuzug von Juden nach Bullay wird hiermit untersagt. 2. Die Erwerbung von Grund und Boden, die Errichtung neuer jüdischer Geschäftshäuser, überhaupt neuer jüdischer Geschäftshäuser, überhaupt das Anlegen von Neubauten, wird ebenfalls dem Juden verboten. Kein Jude darf bei Verpachtungen und Versteigerungen ein Gebot abgeben. 3. Gemeindeaufträge werden nicht an solche Volksgenossen vergeben, die ihre Einkäufe bei Juden tätigen oder mit dieser Verkehr pflegen. Dieser Beschluß tritt sofort in Kraft und wird allen Volksgenossen durch öffentlichen Aushang, durch Bekanntgabe durch die Ortsschelle und durch Veröffentlichung in der Gaupresse und im Stürmer zur Kenntnis gebracht. 79 79 Nationalblatt, Koblenz, 14.8.1935, Nr. 188 76 Beschluß eines Gemeinderates im Kreis Bernkastel vom 13. August 1935. Das Judentum, das unser deutsches Vaterland so tief ins Unglück geführt hat, erhebt heute wieder frecher denn je sein Haupt. In Verkennung unserer Anständigkeit beginnen diese Parasiten am deutschen Volkskörper sich in dem ihnen so verhaßten nationalsozialistischen Deutschland wieder wohnlich einzurichten und ihre jüdischen Frechheiten und Gemeinheiten auf die deutschen Volksgenossen auszuschütten. In Erkenntnis dieser Tatsachen wird beschlossen: 1. An den Ausgängen der Gemeinde B werden Tafeln mit folgender Inschrift angebracht: „Juden sind hier nicht gewünscht.“ 2. Der in der Mitte des Ortes zur Aufstellung gelangte Zeitungskasten „Der Stürmer“ wird allen Volksgenossen zur Beachtung empfohlen. 3. Kein Handwerker, kein Geschäftsmann oder sonst ein Volksgenosse erhält eine Gemeindearbeit und das Gemeindenutzungsrecht wird ihm sofort entzogen, wenn er oder seine Familienangehörigen noch mit Juden Verkehr pflegen bzw. diese in ihrem Handeln unterstützten. 4. Das Kaufen bei Juden, die Inanspruchnahme jüdischer Ärzte oder Rechtsanwälte bedeutet Verrat am Volke und der der Nation. 5. Da die Rassefrage der Schlüssel zu unserer Freiheit ist, soll derjenige verachtet und geächtet sein, der diese Grundsätze durchbricht. 80 Dies geht einher mit Pöbeleien und tätlichen Angriffen gegen jüdische Mitbewohner, Schändung von jüdischen Friedhöfen oder nächtlichen Überfällen auf Wohnhäuser. Solche und weitere Vorfälle sind gerade auch für den Moselraum belegt. Oft werden solche Übergriffe aus der Bevölkerung heraus, quasi in vorauseilendem Gehorsam, verübt, so daß die Regierung, sei es wegen offenkundiger Gesetzeswidrigkeit, oder zeitweilig aus außenpolitischer Rücksichtnahme in der Zeit vor den olympischen Spiele 1936, gezwungen ist einzelne solcher „wilden“Aktionen zugunsten einer systematischen, staatlich gelenkten Verfolgung zu unterbinden oder zu verfolgen, was jedoch vor Ort meist nicht oder nur halbherzig umgesetzt wird, wie ein weiteres Beispiel verdeutlicht: Bericht des Gendarmerie Postenbereichs Monzel an den Landrat in Wittlich betr. Antijüdische Schmierereien. - 14. Oktober 1935, Monzel In der Nacht vom 12. zum 13. dieses Monats wurde das an der Hauptstraße in Osann gelegene Haus des Winzers G. Mit Ölfarbe verschmiert. Die Beschriftung lautet: „Judenmarie“. 80 Nationalsozialismus im Alltag, 1967: Akten des Landeshauptarchiv Koblenz, Abt. 655, 175 Nr. 423 77 Ebenfalls ist das an derselben Stelle gelegene Haus des Juden B. in derselben Weise verschmiert. Inschrift: „Achtung, Sonderzug nach Palästina, koscheres Mittagessen“. Im Interesse des Reiches und zwecks Unterbindung der Greuelpropaganda wäre es erforderlich, die Besitzer aufzufordern, diese Schmiererei zu beseitigen. Eine Aufforderung meinerseits ist unbeachtet geblieben. Die Ermittlungen nach diesen Tätern sind ergebnislos verlaufen. Ein Bericht ist der Ortspolizeibehörde Wittlich-Land übersandt. 81 Mit „Besitzer“ sind in diesem Zusammenhang die Opfer gemeint, die aufgefordert werden, den Schaden selbst zu beseitigen. Die „Nürnberger Gesetze“ 1935 sprechen Juden die deutsche Reichsbürgerschaft ab, weitreichende Entrechtungen sind die Folge, Juden dürfen kein öffentliches Amt mehr bekleiden, sie sind nicht mehr wahlberechtigt, und jüdische Beamten erhalten endgültig Berufsverbot. Sog. Mischehen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Eheleuten werden verboten. Die Trennung zwischen sog. Ariern „deutschen oder artverwandten Blutes“ und solchen, die es nicht sind, vor allem jüdischen Menschen, aber nach damaligem Sprachgebrauch zählten dazu auch „Zigeuner, Neger und ihre Bastarde“, wurde gesetzlich festgeschrieben, damit konnte die Entrechtung der jüdischen Mitbürger auch juristisch legitimiert und umgesetzt werden, ebenso konnten Zuwiderhandlungen gegen diese und folgende Gesetze und Verordnungen polizeilich geahndet und bestraft werden. Im Juli 1938 wird eine Kennkarte für Juden eingeführt, seit August werden die zweiten Vornamen „Israel“ und „Sara“ verbindlich, ab Oktober werden die Reisepässe mit einem rot gestempelten „J“ versehen. (siehe z.B. Meier Frank in Kapitel 3.1.14) 2.1.3. Die Pogromnacht Am 9. November (und dem folgenden Tag) kommt es zur Reichspogromnacht. Sie ist teilweise geplant und arrangiert, aber zugleich von der Bevölkerung getragen, so dass es auch auch hier notwendig wird, die Übergriffe zu kontrollieren oder einzudämmen; jedenfalls gilt es Plünderungen zu vermeiden, da der jüdische Besitz an den Staat fallen soll. Dies verdeutlichen beispielhaft die folgenden Notizen aus dem „Gau Koblenz“: 81 Nationalsozialismus im Alltag 1983, S. 72: StA Koblenz, Best. 442 Nr. 16804 S. 473 78 Erlaß des Reichsministeriums des Innern, Berlin, an die Geheime Staatspolizei – Staatspolizeidienststelle Darmstadt – Außendienststelle Main. - Dringend – Dringend – Sofort vorlegen. Abschrift blitz München 47767. 10 November 1938, 1 Uhr 20: An alle Stapoleit- und Stapostellen, an alle SD-Oberabschnitte und Unterabschnitte. Sofort vorlegen – Geheim. Dringend sofort dem Leiter doer seinem Stellvertreter vorlegen. Gez. Heydrich, SS-Gruppenführer. StA Koblenz Best. 805 Nr. 1772 S. 261-265. Auf Grund des Attentats gegen Legationssekretär vom Rath in Paris sind im Laufe der heutigen Nacht – 9. auf 10. November 1938 im ganzen Reich Demonstrationen gegen Juden zu erwarten. Für die Behandlung dieser Vorgänge ergehen folgende Anordnungen: 1. Die Leiter der Stapostellen oder ihre Stellvertreter haben sofort nach Eingang dieses Fernschreibens mit den für ihren Bezirk zuständigen politischen Leitungen, Gauleitung oder Kreisleitung, fernmündlich Verbindung aufzunehmen und eine Besprechung über die Durchführung der Demonstrationen zu vereinbaren, zu der der zuständige Inspekteur oder Kommandeur der Ordnungspolizei zuziehen ist. In dieser Besprechung ist der politischen Leitung mitzuteilen, daß die deutsche Polizei vom RFSSuChdDtP die folgenden Weisungen erhalten hat, denen die Maßnahmen der politischen Leitung zweckmäßig anzupassen wären: a. Es dürfen nur solche Maßnahmen getroffen werden, die keine Gefährdung deutschen Lebens oder Eigentums mit sich bringen (z.B. Synagogenbrände nur, wenn keine Brandgefahr für die Umgebung vorhanden ist). b. Geschäfte und Wohnungen von Juden dürfen nur zerstört, nicht geplündert werden. Die Polizei ist angewiesen, die Durchführung dieser Anordnung zu überwachen und Plünderer festzunehmen. c. In Geschäftsstraßen ist besonders darauf zu achten, daß nichtjüdische Geschäfte unbedingt gegen Schäden gesichert werden. d. Ausländische Staatsangehörige dürfen, auch wenn sie Juden sind, nicht belästigt werden. 2. Unter der Voraussetzung, daß die unter 1 gegebenen Richtlinien eingehalten werden, sind die stattfindenden Demonstrationen nicht zu verhindern, sondern nur auf die Einhaltung der Richtlinien zu überwachen. 3. Sofort nach Eingang dieses Fernschreibens ist in allen Synagogen und Geschäftsräumen der jüdischen Kultusgemeinden das vorhandene Archivmaterial polizeilich zu beschlagnahmen, damit es nicht im Zuge der Demonstrationen zerstört wird. Es kommt dabei auf das historisch wertvolle 79 Material an, nicht auf neuere Steuerlisten usw. Das Archivmaterial ist an die zuständige SD-Dienststelle abzugeben. 4. Die Leitung der sicherheitspolizeilichen Maßnahmen hinsichtlich der Demonstrationen der Juden liegt bei den Staatspolizeistellen, soweit nicht die Inspekteure der Sicherheitspolizei Weisung erteilen. Zur Durchführung der sicherheitspolizeilichen Maßnahmen können Beamte der Kripo sowie Angehörige des SD, der Verfügungstruppe und der allgemeinen SS zugezogen werden. 5. Sobald der Ablauf der Ereignisse dieser Nacht die Verwendung der eingesetzten Beamten hierfür zuläßt, sind in allen Bezirken soviel Juden, insbesondere wohlhabende, festzunehmen, als in den vorhandenen Hafträumen untergebracht werden können. Es sind zunächst nur gesunde männliche Juden nicht zu hohen Alters festzunehmen. Nach Durchführung der Festnahme ist unverzüglich mit den zuständigen Konzentrationslagern wegen schneller Unterbringung der Juden in den Lagern Verbindung aufzunehmen. Es ist besonders darauf zu achten, daß die auf Grund dieser Weisung festgenommenen Juden nicht misshandelt werden. 6. Der Inhalt dieses Befehls ist an die zuständigen Inspekteure und Kommandeure der Ordnungspolizei und an die SD-Ober- und Unterabschnitte weiterzugeben mit dem Zusatz, daß der RFSSuChdDtPol. diese polizeilichen Maßnahmen angeordnet hat. Der Chef der Ordnungspolizei hat für die Ordnungspolizei, einschließlich der Feuerlöschpolizei, entsprechende Weisung erteilt. In der Durchführung der angeordneten Maßnahmen ist engstes Einvernehmen zwischen der Sicherheitspolizei und der Ordnungspolizei zu wahren. Der Empfang des Fernschreibens ist von den Stapoleitern oder seinem Vertreter durch Fernschreiben an das Gestapa z.H. des SS-Standartenführers M. zu bestätigen. Vermerk eines Amtsbürgermeisters über ein Ferngespräch mit dem Landratsamt Wittlich betr. die Judenaktion. - 10. November 1938, 9 Uhr 30. Verbandsgemeinde Kröv o. Sig. Bl. 353 (StA Koblenz Film NR. 12.) Sofern heute Nacht bei Juden Fensterscheiben eingeschlagen worden sind, sind die Juden anzuhalten, die Fenster sofort mit Brettern zu verschalen. Die Juden müssen bis heute vormittag 10 Uhr alle Waffen abliefern. Nach 10 Uhr ist den Juden das Verlassen der Läden verboten. Zuwiderhandelnde sind in Haft zu nehmen. 80 Das Landratsamt Wittlich gibt an diesen Amtsbürgermeister telefonisch einen Funkspruch aus der vergangenen Nacht durch. - 10. November 1938, 11 Uhr. Ebd. S. 354 Im Lauf dieser Nach sind Aktionen gegen die Juden zu erwarten. Es sollen im Reich gegen 30.000 Juden festgenommen werden, besonders die reichen Juden. Es werden insbesondere Aktionen gegen die Synagogen erwartet. Das gesamte Material ist dort sicherzustellen. 1. Fühlungnahme mit dem Kreisleiter. 2. Zerstörungen nicht verhindern. 3. Plünderungen vermeiden. 4. Brandlegungen unter allen Umständen vermeiden. 5. Keine Personen verletzen. 6. Gegen ausländische Juden in keiner Weise vorgehen. Durchgabe erfolgt nur zur Kenntnis, nichts weiter veranlassen. Gegebenenfalls zur Beachtung, falls etwas entsteht. Das Ausgehverbot der Juden ist noch ungeklärt, bleibt bis auf weiteres aufrecht erhalten. Ob es sich auch auf Wohnungen bezieht, ist noch ungeklärt; vorläufig werden auch die Wohnungen einbezogen … Bei etwaigen Vorkommnissen bitte ich um sofortigen Bericht. Weiter eingehende Weisungen werde ich Ihnen fortlaufend übermitteln und bitte, für sofortige Aufnahme und Durchführung besorgt zu sein. Funkspruch des Chefs der Ordnungspolizei – Sonderbefehlsstab - , Berlin, über den Landrat von Wittlich an alle Polizeistationen des Kreises. - 10. November 1938, 21 Uhr 10. Geheim! - Az. O-Kdo. g.a. Nr. 224/38. Abschrift Ebd. S. 363 Sobald von Gauleitungen Anweisung zur Beendigung der Aktionen vorliegt, dafür sorgen, daß zertrümmerte Läden durch Holzverkleidungen usw. so verschlossen werden, daß Zerstörung möglichst wenig sichtbar. - Hausbesitzer anweisen, gegebenenfalls Arbeiten im Auftrage der Polizei ausführen zu lassen. - Trümmer von Synagogen usw. beschleunigt beseitigen lassen. Das Landratsamt Wittlich gibt telefonisch an die Amtsbürgermeistereien des Kreises die Weisung zur Einstellung der Aktion weiter. - 11. November 1938. Ebd. S. 361 Nach Mitteilung des Oberpräsidiums sind auf Anordnung des RFSSuChdDtPol alle Aktionen gegen Juden zu beenden. Die Ortspolizeibehörde setze sich mit der SS in Verbindung, um Plünderungen zu vermeiden. 81 Aktenvermerk der Amtsbürgermeisterei Birkenfeld über einen Funkspruch des Landratsamtes (Birkenfeld) betr. Judenaktion. - 10. November 1938, Birkenfeld, 9 Uhr 15. - Az. IV a-9-19; gez. i.V. Unterschrift Verbandsgemeinde Birkenfeld Fach 15 Nr. 5 Bl. 1303 (StA Koblenz Film Nr. 33) Vom Landratsamt wurde folgender Funkspruch durchgegeben: Anordnung des Herrn Oberpräsidenten der Rheinprovinz und des Herrn Regierungspräsidenten in Koblenz: 1. Juden, bei denen Schaufenster oder sonstige Fenster eingeschlagen worden sind, haben die Rolläden herunter zu lassen oder die eingeschlagenen Fenster zu verschalen. (Durchführung hat bis 10 Uhr zu erfolgen). 2. Bis 10 Uhr haben sämtliche Juden die in ihrem Besitz befindlichen Waffen abzuliefern. 3. Es ist ab 10 Uhr den Juden untersagt, ihre Wohnung oder ihre Geschäftsräume zu verlassen. Anderenfalls sind sie festzunehmen. - Die Ortspolizeibehörden bzw. Gendarmeriebeamten sind angewiesen, daß diese Maßnahmen sofort durchgeführt werden. Aktenvermerk der Amtsbürgermeisterei Birkenfeld über eine Verfügung betr. Einstellung der Protestaktion. - 11. November 1938, Birkenfeld. Az Iva-9-19; gez. Dr. Hofmann. Ebd. Bl. 1307. Von Herrn B. wurde folgender Funkspruch durchgegeben: Die Protestaktionen sind einzustellen; falls noch in dieser Nacht Aktionen erfolgen, sind sie möglichst zu verhindern. Es ist jedoch seitens der Polizeibeamten, mit Rücksicht auf die berechtigte Empörung nicht scharf durchzugreifen, sondern die Personen sind in geeigneter Form von der Aktion abzuhalten. Gegen Plünderer ist rücksichtlos einzuschreiten. Dieselben sind festzunehmen und der Stapoleitstelle zur Verfügung zu stellen. 82 In vielen Gemeinden werden im Verlaufe des Pogroms die männlichen (arbeitsfähigen) Erwachsenen zusammengetrieben und in Konzentrationslager verbracht, ein Beispiel sind die Gebrüder Loeb (vgl. Kapitel 3.1.1.), die von Quierschied nach Dachau verschleppt werden. Frauen, Kinder und Alte bleiben von dieser ersten Verhaftungswelle noch verschont, aber die systematische Erfassungs- und Vernichtungsmaschine läuft bereits. Die Pogromnacht ist der Auftakt zur physischen „Entfernung“ der Juden aus Deutschland: 82 Nationalsozialismus im Alltag 1983, S. 129 ff. 82 Am 6. Dezember wird in Berlin ein Verbot für Juden verhängt, bestimmte öffentliche Plätze zu betreten, u.a. alle Theater und Kultureinrichtungen, Badeanstalten, und zentrale Straßen wie Unter den Linden, Wilhelmstraße, Voßstraße, Hermann-GöringStraße usw., eine Ausweitung wird angekündigt. Juden sollen in „Judenvierteln“ konzentriert werden.83 Die Zusammenfassung und Zwangsumsiedlung der jüdischen Bevölkerung in sogenannte „Judenhäuser“ oder Ghettohäuser, also Wohnhäuser und zum Teil auch ehemalige jüdische Schulen, Krankenhäuser oder Betsäle, welche alle ab 1942 zusätzlich mit einem schwarzen Stern an der Eingangstür gekennzeichnet sein müssen, wird umgesetzt. Dies muss als Vorstufe zum Ghetto oder Konzentrationslager angesehen werden, es geht einher mit der Enteignung und Arisierung jüdischen Besitzes, der Wohnhäuser, Wohnungseinrichtungen, des Vermögens oder der Bankguthaben. Seit Beginn des Krieges, besonders dem Überfall auf Polen, beginnen auch die Massenerschießungen der dortigen jüdischen Bewohner, bereits 1939 werden dort ca. 7000 Juden erschossen. In Luxemburg, Belgien, Niederlanden und Frankreich wird die Erfassung der Juden und ihre Deportation ab 1940 vorbereitet. Die Wagner-Bürckel-Aktion in Baden, der Pfalz und dem Saarland markiert im Oktober 1940 den Beginn der Deportationen aus Deutschland, zuerst in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich. Ziel dieser Aktion ist noch nicht die komplette Ermordung, sondern die Abschiebung aus Deutschland. Mit dem Krieg gegen die Sowjetunion im Juni 1941weiten sich die Massenexekutionen aus, und der Plan zur „Vernichtung des Judentums“ wird gefasst. Die Kennzeichnung mit dem gelben Stern, der auf der Kleidung sichtbar zu tragen ist, wird am 1. September 1941 eingeführt. Die systematische und organisatorische Planung des Holocaust wird auf der sog. Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 unter Reinhard Heydrich koordiniert. Es beginnen die Deportationen aus Deutschland und aus den eroberten und besetzten Ländern in die in Osteuropa eingerichteten Ghettos, später in die Vernichtungslager und Tötungsstätten. 83 Nationalblatt Koblenz, 5.12.1938 83 2.2. Enkirch im Spiegel der Tageszeitung Bei der Durchsicht der Ausschnitte aus der Traben-Trarbacher Zeitung und besonders beim Nationalblatt Koblenz fällt auf, dass die Artikel mit regionalem Bezug wenig zu Aktionen gegen die jüdische Bevölkerung schreiben, bereits die Boykottaktionen im April 1933 finden darin keine Erwähnung, und auch zum Pogrom von 1938 erscheint nur ein kurzer standardisierter Bericht. Eine Ausnahme bilden die beiden Artikel aus gleicher Zeit zum Verkauf und Abriss des Hauses eines jüdischen Enkirchers. Die Aktionen gegen die Juden sollen nicht publik gemacht oder möglichst heruntergespielt werden. Dabei ist gerade das Nationalblatt voller allgemeiner Hetze gegen „den Juden“ als „Täter“, jeden Tag erscheinen entsprechend widerwärtige Artikel im Stil des „Stürmer“, es gibt laufende thematische Reihen antisemitischen Inhalts, auf die wiederzugeben ich verzichtet habe. Dies liegt zum einen daran, dass Dörfer wie Enkirch allgemein zu klein sind, um entsprechend relevant für ausführliche Artikel zu sein, zum anderen daran, dass die Faschisten zur Zeit der Konsolidierung ihrer Macht darauf bedacht sind, in der sog. „Auslandspresse“ ein nicht zu negatives Bild abzugeben, dies ist besonders vor den Olympischen Spielen der Fall. Stattdessen wird das Image der Heimat- und Volksgemeinschaft gepflegt, die einig und solidarisch Eintopfsonntage begeht, das Winterhilfswerk unterstützt und bei Luftschutzübungen verdunkelt. 2.2.1. Vor und nach den „Befreiungsfeiern“ Mit dem Beginn der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten 1933 ändern sich auch in Enkirch die Verhältnisse nicht nur für die jüdische Bevölkerung grundsätzlich. Aber bereits seit 1929 gibt es in Enkirch eine Ortsgruppe, wie in der TrabenTrarbacher Zeitung zu lesen ist: Enkirch, 7. Okt. SA.-Aufmarsch. Morgen Sonntag findet hier ein SA.-Aufmarsch statt. Es wird deshalb interessant sein, etwas über die Entstehungsgeschichte der Enkircher SA im Jahre 1929, welche damals gleichzeitig auch die Ortsgruppe führte, zu berichten. Bekanntlich war zur damaligen Zeit in unserer näheren und weiteren Umgebung, mit wenigen Ausnahmen, vom Nationalsozialismus so gut wie nichts bekannt. Da kam am 1. März 1929 der damalige Redner Albrecht hierhin 84 und zog eine nat.-soz. Versammlung auf, welche zum ersten Male gleich einen vollen Saal aufwies. Die Bresche an der Mosel war nunmehr geschlagen und es meldeten sich gleich etwa 12 junge Männer, die auch sofort die SA. gründeten. Als Ortsgruppenführer wurde Ernst Bauer bestimmt. Es wurde nun planmäßig jeder Ort in der Umgebung mit Versammlungen bedacht, und bald war Enkirch infolge seiner unermüdlichen Tätigkeit für den Nationalsozialismus als Hochburg bekannt; es hat sich diesen Ruf auch bis heute bewahrt. Mit der SA. stand und fiel damals die Bewegung in unserem Ort und den übrigen Ortschaften, wo der Nationalsozialismus schon Fuß gefaßt hatte. Manche Anfeindungen offener und versteckter Art mußten die alten SA.-Männer einstecken, und trotzdem hielten sie unserem Führer Adolf Hitler die Treue, und dürfen heute stolz sein auf den Kampf, der hinter ihnen liegt. Und wenn die SA. Enkirch am morgigen Tage einen SA.-Tag veranstaltet, dann freuen wir uns alle darüber und folgen freudig dem Rufe zum SA.-Abend um ½ 9 Uhr im Saale Kettermann. Näheres zu erfahren ist jedem Gelegenheit gegeben, indem er sich ein Programm erwirbt. Die Bürger werden gebeten, ihre Häuser zu beflaggen. 84 Wichtiges Mittel der Propaganda sind die Partei-Redner, die auf Versammlungen und Deutschen Abenden auftreten, angefangen vom Auftritt Robert Leys, der eine wichtige Rolle für obige Gründung spielt. Enkirch, 21. Okt. … Hier war es auch, wo der nat.-soz. Gedanke in den Herzen der Enkircher sofort Fuß faßte, als am 1. März 1929 ein nat.-soz. Redner die erste Versammlung im Kettermann‘schen Saale aufzog. Der Erfolg dieses Abends war, daß sich folgende jungen Leute in die Partei meldeten und sofort der SA. beitraten: … An einem schönen Septembertag, es war der 8. Sept. 1929, kam der damalige Gauführer des Gaues Köln-Koblenz Dr. Ley mit seinen Kampfgenossen Pg. Kerrl, Willickens, Schmeer und Lohse nach Enkirch, um hier gemeinsam eine Versammlung zu eröffnen. Ein starker Besuch zeigte das große Interesse für den Nationalsozialismus. 84 Tr.-Tr. Ztg., 7.10.1933 85 85 Anschließend wurde dann in Irmenach und Lötzbeuren eine Versammlung abgehalten, Pg. Max Fischer leitete in Irmenach, und Max Immich in Lötzbeuren die Versammlung, in welcher Pg. Dr. Ley sprach. Am nächsten Tag, Sonntag, 9. Sept., wurde nachmittags in Trarbach eine Versammlung eröffnet, in welcher Pg. Kerl sprach; abends fand dann in Cröv eine Versammlung statt, in welcher Dr. Ley sprach. Durch jüdische Provokateur kam es hier zu einer wüsten Saalschlacht, an welcher sich ein großer Teil der Cröver beteiligte, die jedoch heute fast restlos in unsere Reihen als gute Kämpfer eingetreten sind. Pg. Dr. Ley erhielt damals einen Messerstich am Kopfe, verschiedene SA.-Männer Kopfverletzungen von Steinwürfen. Nur dem Eintreten der Enkircher und Traben-Trarbacher SA. ist es zuzuschreiben, daß größeres Durcheinander verhütet wurde. … 86 85 Nationalblatt, Koblenz, 24.6.1938 86 Tr.-Tr. Ztg., 21.10.1933 86 Im April 1930 bereist ein Kölner Kriminalkommissar die Mosel, um über die (zu der Zeit verbotene) NSDAP zu berichten.87 Darin wird Enkirch zweimal erwähnt: Versammlungen haben stattgefunden in Veldenz, Wintrich, Andel, Mühlheim, Brauneberg, Bernkastel, Graach, Wehlen, Erden, Lösnich Ürzig, Wolf, Kinheim, Traben-Trarbach, Enkirch, Kövenig, Cochem, im Cochemer Krampen und in Zell. … In Hermeskeil ist eine Ortsgruppe von etwa 200 Personen. Die Ortsgruppe in Wittlich soll 300 bis 400 Personen zählen. Die Hochburg und Keimzelle der Nationalsozialisten ist Enkirch (zwischen Trarbach und Zell). Die Domäne der Nationalsozialisten ist vorwiegend in den protestantischen Orten Veldenz, Traben-Trarbach, Wolf und Enkirch. ... P.S.: Enkirch soll Hauptstützpunkt der Nationalsozialisten sein. Man erklärt landläufig, daß gegen die Enkirchener mit Vernunft nicht anzugehen wäre. Enkirch hat 800 Mitglieder der NSDAP. ... Die „Befreiungsfeier“ in der Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli 1930 wird auch in Enkirch offiziell begangen. Es werden „Scheiterhaufen“ entzündet, eine Ansprache gehalten, und die Kinder bekommen am nächsten Morgen eine Brezel wie früher zu Sedanfeiern und Kaiser-Geburtstag. Bereits in den Jahren 1931 und 1932 treten etliche Redner auf, um nationalsozialistisches Gedankengut hoffähig zu machen. So spricht Im Juni 1931 Karl Heinrich Carius aus Koblenz über „den Zukunftsstaat“88, im gleichen Monat Reichstagsabgeordneter Oberlindober aus München u. Pg. Pies aus Langenlonsheim89, im August tritt Pfarrer Rudolf Wolfrum als Propagandist auf (s.u.). Rudolf Georg Melsheimer aus einem Nachbarort spricht im Oktober90, im November läßt sich Major Ludwig Fürholzer glorifizierend über den 1. Weltkrieg aus, rund 160 87 88 89 90 Nationalsozialismus im Alltag, S. 23 und 25 Tr.-Tr. Ztg., 1.6.1931 Tr.-Tr. Ztg., 3.6.1931 Tr.-Tr. Ztg., 12.10.1931 87 Bilder von allen Waffengattungen und Schlachtfeldern des Weltkrieges werden dabei gezeigt.91 Im April 1932 geht Ernst Katzmann, M.d.R., Thüringen, sodann „auf die verfehlte Politik der letzten 13 Jahre ein und legt dar, daß diese Politik von falschen Grundsätzen ausgegangen sei. Nicht Friede-Pazifismus-sondern Kampf sei das Natürliche. Wohin wir sehen in der Natur ist Kampf. Kampf ist das Leben der Menschen u. Kampf das Leben der Völker. Die ganze Politik eines Volkes sei nur der Kampf um die Selbstbehauptung.“92 Im Mai tritt Superintendent Reindell aus Staudernheim auf93, im Juli Richard Franz Suchenwirth, der ausführt, „der große Reinigungsprozeß der in unserem Vaterlande nötig sei, erfordere die Mitarbeit aller treudeutschen Männer und Frauen. Alles Undeutsche müsse ausgefegt werden, dann könne Deutschland wieder gedeihen.“94 Der Reichstagsabgeordnete Max Alfred von Detten, Bad Kreuznach, erklärt, „der unaufhaltsame Vormarsch der nat.-soz. Bewegung habe uns aus der größten Gefahr, der Bolschewisierung Deutschlands und damit Vernichtung aller schaffenden Werte, herausgeführt“ und ermahnt, „zum Schluß, Vertrauen in die Staatskunst Adolf Hitlers zu haben und am 31. Juli der nat.-soz. Partei, Liste 2, seine Stimme zu geben.“95 Und zur Adventszeit predigt Karl Hermann Josef Marten, Divisionspfarrer a.D. (s.u.). Ein weiteres Instrument sind die Kino-Filme, die seit Anfang der 1930er Jahre auch in Enkirch gezeigt werden, und teils direkt als Dokumentarfilm, teils verpackt in Unterhaltung, die Ideologie des Faschismus verbreiten. Enkirch, 12. Dez. Wie wir erfahren, soll der in vielen Gemeinden mit lebhaftem Anklang entgegengenommene Film „Der große Strom“, ein Film von Mutter und Volk, am Montag, den 14. Dezember, abends 8 Uhr auch in der evangelischen Kirche Enkirchs vorgeführt werden. - 96 (s.u.) Die letzte Werbeanzeige des Textilwarenladens A. Simon Nachf. erscheint am 17. November 1932 in der Traben-Trarbacher Zeitung.97 91 92 93 94 95 96 97 Tr.-Tr. Ztg., 14.11.1931 Tr.-Tr. Ztg., 21.4.1932 Tr.-Tr. Ztg., 21.5.1932 Tr.-Tr. Ztg., 19.7.1932 Tr.-Tr. Ztg., 25.7.1932 Tr.-Tr. Ztg., 12.12.1931 Tr.-Tr. Ztg., 17.11.1932 88 Stattdessen inseriert bald nach dem 30. Januar 1933, als Adolf Hitler deutscher Reichskanzler wird, ein Schuhgeschäft am 12.4.1933 zu Ostern mit der Unterzeile Kein jüdisches Geschäft!98 98 Tr.-Tr. Ztg., 12.4.1933 89 2.2.2. „Ehrenbürger Hitler“ Der Rücktritt der Reichsregierung und Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 28. und am 30. Januar 1933 wird in Enkirch „gebührend“ gefeiert: Enkirch, 28. Jan. Uns wird geschrieben: Am Sonntag nachmittag findet hier ein Aufmarsch der SA und SS von Traben-Trarbach, Enkirch und Umgebung statt. Auch hier an der Mosel marschieren die braunen Bataillone Adolf Hitlers. Es wirken mit die SSKapelle aus Trier sowie der Spielmannszug von Enkirch. Abends um 8 Uhr beginnend findet dann im Steffensberg-Saale ein „Deutscher Abend“ mit Verlosung und einem reichhaltigen Programm statt. Als Redner wurde Pg. Keyßner, Düsseldorf, gewonnen.99 Enkirch, 2. Febr. Wohl zum ersten Male, seit im Jahre 1929 der nat.-soz. Gedanke sofort bei fast allen Enkirchern festen Fuß gefaßt hatte, ist die elementare Kraft des Nationalsozialismus bei der Bevölkerung in sichtliche Erscheinung getreten durch den SA-Aufmarsch am vergangenen Sonntag, an welchem die SS. u. HJ. der näheren Umgebung teilnahm. Etwa 350 uniformierte braune Kämpfer durchzogen unter Vorantritt der SS.-Kapelle aus Trier und des Enkircher Spielmannszuges unseren Ort. Überall sah man freudige Gesichter und mancher hatte wieder neue Zuversicht bekommen, als er die braunen Kolonnen marschieren sah. Erst recht war die Freude groß, als am Montag die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler erfolgte, und es war selbstverständlich, daß dieser Tag durch einen Fackelzug und entsprechende Nachfeier gebührend gefeiert wurde.100 Schon Ende März werden Straßen umbenannt: Enkirch, 30. März. Der neugewählte Gemeinderat hatte gestern seine erste Sitzung. ... Die NSDAP. Enkirch legte einen Antrag vor, nach welchem seitens der Gemeinde Herrn Reichskanzler Adolf Hitler das Ehrenbürgerrecht zu verleihen sei. Der Bürgermeister betonte, daß dies aufgrund der rheinischen Landgemeindeordnung nicht möglich sei. Ein weiterer Antrag, die Unterstraße mit Hohlweg in Adolf-Hitler-Straße und die Neuetalstraße in Hindenburgstraße umzubenennen, wird einstimmig gutgeheißen. Da die beiden Straßen Provinzialstraßen sind, soll antragsgemäß an letztere herangetreten werden. ...101 99 Tr.-Tr. Ztg., 28.1.1933 100 Tr.-Tr. Ztg., 2.2.1933 101 Tr.-Tr. Ztg., 30.3.1933 90 Die Ehrenbürgerschaft lässt nicht lange auf sich warten: Enkirch, 18. April. Die Gemeindevertretung unseres nat.-soz. Ortes hat nunmehr beschlossen, unseren Führer und Reichskanzler Adolf Hitler, dessen unersetzliche Verdienste um die Errettung Deutschlands aus den Klauen des internationalen Marxismus und Kommunismus heute von allen Deutschen anerkannt wird, (selbst von denjenigen, die stets mehr wissen wollten), zum Ehrenbürger zu ernennen. Damit hat die Gemeinde einem sehnlichen Wunsche der Bevölkerung Rechnung getragen. Auch für den neuen Ehrenbürger unseres Ortes wird dies eine besondere Freude sein, denn Enkirch ist seit dem März 1929, als zum erstenmal das Evangelium des Nationalsozialismus hier gepredigt wurde, einer der besten und zähesten Verteidiger der Idee Adolf Hitlers geworden, sodaß es nicht mit Unrecht eine nat.-soz. Hochburg in Deutschland genannt wird. Aber auch unserem lieben und hochverehrten Herrn Reichspräsidenten von Hindenburg, dessen hervorragenden Verdienste vor allem auch durch die Berufung der heutigen Reichsregierung bekannt sind, ist durch die Ernennung zum Ehrenbürger unseres Ortes der beste Dank zum Ausdruck gebracht worden. Im Sitzungssaal werden nunmehr die Bilder der beiden Führer den ihnen gebührenden Ehrenplatz einnehmen.102 Gleichzeitig nehmen die Repressionen gegen die jüdische Bevölkerung zu, Juden werden aus dem öffentlichen Leben verdrängt und erhalten Berufsverbote. Der Turnverein schließt bereits im Mai 1933 jüdische Mitglieder aus: Enkirch, 5. Mai. Der Turnverein hatte gestern abend zu einer Versammlung einberufen. Der Vorsitzende H. eröffnete dieselbe und teilte die neuen Richtlinien und Ziele der DT. mit. Danach wird nunmehr auch der Wehrsport in den Turnvereinen zur Pflicht gemacht. Ferner ist in den Turnersatzungen neuerdings auch der Arierparagraph aufzunehmen. Danach dürfen Nichtarier nicht mehr in den Vereinen sein. Ein weiterer Beschluß wurde sodann vorgenommen, aufgrund dessen die Turnvereinsfahne, die in den Ortsfarben gehalten ist und auf der einen Seite den alten früheren Reichsadler mit ausgebreiteten Flügeln zeigt, nunmehr mit den neuen schwarz-weiß-roten Reichsfarben umgeben werden soll. Ferner wurden die Anmeldungen für den Kreis-Turn- und Spieltag bekannt gegeben. Derselbe findet, wie schon mitgeteilt, im Juni in Enkirch statt. - Mit einem „Heil“ auf den Reichspräsidenten und Reichskanzler schloß die Versammlung.103 Seit der Faschismus sich politisch etabliert, beginnt er auch, das soziale und das Alltagsleben der Bevölkerung zu durchsetzen. Der Antisemitismus kann nun offen 102 Tr.-Tr. Ztg., 18.4.1933 103 Tr.-Tr. Ztg., 5.5.1933 91 auftreten. Über die ersten Boykottaufrufe gegen jüdische Geschäfte gibt es für Enkirch in der Zeitung keine Belege, aber es ist anzunehmen daß auch die hiesige Ortsgruppe den oben zitierten Richtlinien der Gauleitung Koblenz-Trier nachgekommen ist. Die Rednerliste für Enkirch in den Jahren 1933 bis 1935: Schon Ende Januar war Werner Rudolf Keyßner aufgetreten (s.o.), im April redet Peter Oskar Hildebrandt, Hauptschriftleiter des Koblenzer Nationalblattes104, im Mai bekommt Enkirch den Pfarrer Ludwig Johannes Herbert Martin Münchmeyer (s.u.) zu hören. Peter Paul Freiherr von Eltz-Rübenach spricht zu „Deutschlands Kampf um Gleichberechtigung und Frieden“.105 Reg.-Präs. H. Wild, Oberstein, der bei der seinerzeitigen Gründung der Ortsgruppe als Redner zugegen war gibt „einen Ueberblick von der Bewegung“.106 Im März 1934 folgt der Redner Reg.-Präsident Harald Turner107, im Dezember der stellvertretende Kreisleiter von Ahrweiler, Guthausen108, im Februar 1935 „Pg. Weimer“, er beleuchtet „die Zustände in unserem Vaterland im verflossenen Zeitalter des Marxismus und Liberalismus; dann kam er zu sprechen auf die großen Erfolge unserer Regierung im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und wies hin auf die Maßnahmen zur Hebung des Arbeiter-, Bauern- und Winzerstandes.“109 Im April schildert in einem Lichtbildvortrag Eugen Hobein, „Gaupropagandaredner der Kolonialen Arbeitsgemeinschaft, seine Erlebnisse im schwarzen Erdteil, insbesondere in Deutsch-Südwest- und Portugiesisch-Westafrika.“110 Auch Auswahl und Präsentation des Kinoprogramms wird gleichgeschaltet, seit 1935 übernimmt eine Gaufilmstelle die Abwicklung. Neben einem Spielfilm, oft mit unterhaltendem Charakter, wird die Wochenschau und/oder ein sog. Kulturfilm mit dokumentarischem Inhalt gezeigt, zudem gibt es eine Filmreihe „Deutschland gestern und heute“ bzw. „Deutschland einst und jetzt“. Aber auch „private“ Initiativen sind vorerst zu verzeichnen, wie dieser Artikel von 1933 zeigt: 104 Tr.-Tr. Ztg., 24.4.1933 105 Tr.-Tr. Ztg., 29.10.1933 106 Tr.-Tr. Ztg., 6.3.1934 107 Tr.-Tr. Ztg., 15.3.1934 108 Tr.-Tr. Ztg., 6.12.1934 109 Tr.-Tr. Ztg., 27.2.1935 110 Tr.-Tr. Ztg., 9.4.1935 92 Enkirch, 19. Mai. Filmvorführung. Nachdem schon des öfteren der Wunsch laut wurde, auch einmal in Lichtbildern den großen Aufmarsch von Potsdam und Sobernheim zu sehen, hat sich Herr O. C., Bad Bertrich, bereit erklärt, am Sonntagabend um 8 ½ Uhr den Film im Kettermann‘schen Saale vorzuführen.111 Im Januar 1934 läuft ein Film über den 1. Weltkrieg: „Die große Sommeschlacht“112, am 6. Nov. „Flüchtlinge“, von Goebbels mit dem Nationalpreis ausgezeichnet.113 Im Januar 1935 wird der „Groß-Tonfilm“ „Stoßtrupp 1917“ gezeigt, ein weiterer Film über den 1. Weltkrieg,114 am 21. Juni zeigt die Gaufilmstelle einen weiteren Groß-Tonfilm: „Die Reiter von Deutsch-Ostafrika“. Im Beiprogramm wird außer der Wochenschau noch „Thüringen, Land und Leute und ihre Arbeit“ gezeigt.115 Am 7. August läuft „Im Wald, im grünen Walde“.116 Am 12. September werden „Die beiden Seehunde“117 gezeigt, am 29. Oktober. „Abenteuer eines jungen Herrn in Polen“, begleitet von der „Tönenden Wochenschau“.118 Die Organisation zur gleichgeschalteten Freizeitgestaltung, Kraft durch Freude, von der auch eine Ortsgruppe gegründet wird, veranstaltet Mosel- und Heimatabende für den einsetzenden „Massentourismus“, auf denen ein arisch deutsches Volkstum präsentiert wird, das extra dafür von einer „Heimatdichterin“ in Form von Singspiel119, Mosellied und „traditionellem“ Tanz sowie als Winzerkostüm bzw. -tracht120 erfunden und auf die Bühne gebracht wird. Moselabend mit den KdF-Urlaubern Enkirch. Einen fröhlichen Moselabend verlebten unsere Gäste aus dem Gau Weser-Ems mit den Volksgenossen aus Enkirch am Sonntagabend im Lokale Steffensberg. Unsere bewährte Musikkapelle bot Unterhaltungs- und Tanzmusik. Der Gesangverein brachte Mosel- und Weinlieder zum Vortrag. Die Tanzgruppe des BDM und Turnvereins verschönte den Abend durch Tänze und Reigen, wobei besonders der Reigen der Winzerinnen in Tracht gefiel. Auch die Gäste halfen mit an der Gestaltung des Abends und bald herrschte eine Stimmung, die alle Sorgen des Alltags vergessen ließ. Unsern Urlaubern gefällt es ausgezeichnet im weinfrohen und gastfreundlichen Enkirch, und noch oft und 111 Tr.-Tr. Ztg., 19.5.1933 112 Tr.-Tr. Ztg., 27.1.1934 113 Tr.-Tr. Ztg., 6.11.1934 114 Tr.-Tr. Ztg., 14.1..1935 115 Tr.-Tr. Ztg., 21.6.1935 116 Tr.-Tr. Ztg., 7.8.1935 117 Tr.-Tr. Ztg., 12.9.1935 118 Tr.-Tr. Ztg., 29.10.1935 119 Natioanlblatt Koblenz, 22.6.1938, erste Aufführung des Heimatsingspiels von Hanna Bartz 120 Anchiriacum-Enkirch, S. 261f., Leitung der Tanzgruppe, Gestaltung der Tracht „nach alten Überlieferungen“ 93 gerne werden sie an die schönen Tage zurückdenken, die sie am Moselstrand verleben durften.121 Nachdem in Traben-Trarbach gleich zwei Stürmer-Kästen aufgestellt werden, will auch Enkirch im Oktober 1935 nicht nachstehen.122 Gleichzeitig wird zur offenen Denunziation aufgerufen: Enkirch, 4. Okt. Auch Enkirch erkennt die Judengefahr. In der letzten Versammlung der Politischen Leiter wurde unter anderem bekanntgegeben, daß ein neuer „Stürmer“-Kasten angebracht wird. Auf einer Tafel sollen die Namen derjenigen angegeben werden, die immer noch bei Juden kaufen.123 Ob ein neuer bereits einen älteren Stürmer-Kasten voraussetzt, bedarf weiterer Recherche. Das Kinoprogramm erfasst derweil die ganze Familie: Enkirch, 23. Nov. Filmvorführung. Am Montag abend zeigt die Gaufilmstelle im Saale des Steffensberg den GroßTonfilm „Der alte und der junge König“, sowie die Sonderschau des Reichsparteitages 1935. Nachmittags 3 Uhr findet im gleichen Saale eine Vorstellung für die Jugend, vor allem für die Schulen, statt, an der auch die Kinder aus Burg und Starkenburg teilnehmen. Vorgeführt wird ein Märchenfilm, „Dornrös‘chen“ oder „Schneewitt‘chen“.124 Am 1. Weihnachtstag läuft der Film „Polenblut“, sowie im Rahmen der Wochenschau der „Kulturfilm“ „Götter, Tempel und Fakire“.125 1936 werden im Januar „Schloß Hubertus“126, im Februar der „Soldatenfilm“ „Im gleichen Schritt und Tritt“ gezeigt.127 121 Nationalblatt, Koblenz, 18.9.1935 122 Nationalblatt, Koblenz, 1.10.1935 123 Tr.-Tr. Ztg.,4.10.1935 124 Tr.-Tr. Ztg., 23.11.1935 125 Tr.-Tr. Ztg., 24.12.1935 126 Tr.-Tr. Ztg., 24.1.1936 127 Tr.-Tr. Ztg., 14.2.1936 94 Auch die mentale Vorbereitung auf den Krieg nutzt den Film: Enkirch, 29. Febr. Luftschutz tut not! Der Reichsluftschutzbund, Ortsgruppe Traben-Trarbach, veranstaltet in der Gemeindegruppe Enkirch am heutigen Samstagabend um 8.30 Uhr im Lokale Kettermann einen Luftschutzwerbeabend, zu dem die gesamte Bevölkerung herzlich eingeladen ist. Filme und Lichtbilder werden einen Vortrag umrahmen, der uns über die Bedeutung des zivilen Luftschutzes und die Arbeiten und Aufgaben des Reichsluftschutzbundes aufklären wird. Eintritt frei.128 2.2.3. Besetzung des Rheinlands Der Einmarsch der Wehrmacht in das bis dahin entmilitarisierte Rheinland am 7. März 1936 wird mit einer Versammlung gewürdigt: Enkirch, 10 März. Die hiesige Ortsgruppe der NSDAP veranstaltete am Samstagabend im Parteilokale eine öffentliche Versammlung, die einen sehr guten Besuch aufzuweisen hatte. Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt, als unter den Klängen des Badenweiler-Marsches die Fahnen ihren Einzug hielten. Nach zwei eindrucksvollen Chören des Männergesangvereins begrüße Ortsgruppenleiter Gall die Erschienenen. In seinen weiteren Ausführungen wies er auf die große Bedeutung dieses Tags hin, da durch den Willen unseres Führers deutsche Truppen wieder in das Rheinland einmarschiert sind. Gauabteilungsleiter Pütz (Mayen) hielt eine mit großem Beifall aufgenommene Rede über weltanschauliche Fragen. Mit dem Gruß an den Führer wurde die Versammlung geschlossen.129 Der Einmarsch wird von der Gaufilmstelle im Beiprogramm von „Artisten“ neben „Deutschland einst und jetzt“ nur zwei Wochen später in einer Dokumentation „Einzug der deutschen Truppen ins Rheinland“ gezeigt.130 Am 27. März 1936 feiert der Koblenzer Gauleiter persönlich in Enkirch dieses Ereignis und macht Wahlkampf. Unser Gauleiter sprach in Enkirch. Enkirch, 28. März. Gestern hatte Enkirch seinen großen Tag. Das am Nachmittag gegebene Kommando „Heißt Flagge“ [sic!] hatte hier einen besonders freudigen Widerhall gefunden und der Ort prangte im prächtigsten Fahnenschmuck, galt es doch, 128 Tr.-Tr. Ztg., 29.2.1936 129 Tr.-Tr. Ztg., 10.3.1936 130 Nationalblatt, Koblenz, 24.3.1936 95 dem Gauleiter, der sich diesen letzten Wahlpropagandatag für Enkirch reserviert hatte, würdig zu begrüßen. In den Abendstunden war auf den Straßen und Gassen ein geschäftiges Treiben, jeder beeilte sich, mit seiner Arbeit so schnell wie möglich fertig zu werden, um im Kettermann'schen Saale oder im Steffensberg der Stimme von Staatsrat Simon lauschen zu können. Enkirch war sich der hohen Ehre wohl bewußt, die in diesem Besuch des Gauleiters lag; andererseits hatten sich die Enkircher bereits so früh für Hitler und seine Bewegung eingesetzt, daß der Gauleiter es als eine Dankesschuld betrachtete, am Vorabend der Wahl den einstigen Ausgangspunkt der Bewegung an der Mosel zu besuchen. Schon eine Stunde vor Beginn der Wahlkundgebung füllte sich der Kettermann'sche Saal, der in kurzer Zeit bis auf den letzten Platz besetzt war, sodaß in dem Steffensbergsaal eine Parallelversammlung eingesetzt werden mußte; die Rede des Gauleiters wurde durch Mikrophon- und Lautsprecheranlage nach dort übertragen. Der kleine aber anheimelnde Kettermann'sche Saal, der in hellen und freundlichen Farben gehalten ist, war sehr geschmackvoll mit dem Hoheitszeichen der Bewegung, den Fahnen des 3. Reiches, den Symbolen der Arbeitsfront und der HJ geschmückt. Auf der Bühne war das auch in Traben-Trarbach verwandte Bild des Führers angebracht, hier hatten auch SA-Kapelle, SA-Sprechchor und HJ-Singschar Aufstellung genommen. Dazwischen Blumen und Tannengrün und als Zeichen des Frühlings um das Rednerpult gerankt einen hellen Blütenflor. 96 Als die Kundgebung punkt 8.30 Uhr begann, marschierten unter den Klängen des Badenweiler-Marsches die Fahnen ein, gefolgt von dem stürmisch begrüßten Gauleiter; ferner sah man Kreisleiter Dr. Unger, Ortsgruppenleiter Böcking, Kreiswalter Molz sowie sämtliche Mitglieder der Kreisleitung. Nach einem von einem Hitlerjungen vorzüglich vorgetragenen Gedicht von H(einri)ch. Anacker „Wir senken die Fahnen“ folgte die Totenehrung; dann eröffnete Kreisleiter Dr. Unger die Treuekundgebung für den Führer. Er begrüßte vor allem den Gauleiter und dankte ihm, daß er nach hier gekommen sei zu der Stätte, wo der Kampf der Bewegung seinen Anfang nahm (Beifall.) Jetzt in der entscheidenden Stunde stehen wir alle wie ein Mann, um ein einmütiges Bekenntnis zum Führer abzulegen. - Dann ergriff Staatsrat Simon das Wort. ... 131 Die Propaganda im Film wird fortgesetzt: Am 25. April läuft der Film „Bengali“, einer der Lieblingsfilme Adolf Hitlers132, am 12. Mai „Die Sporckschen Jäger“, ein Militärfilm, im Beiprogramm Wochenschau. „Kulturfilm“ und „Deutschland gestern und heute“.133 Am 10. Juni 1936 steht der Film über den Reichsparteitag 1934 „Triumpf des Willens“ auf dem Programm: Enkirch, 7. Okt. Filmvorführung. Am kommenden Samstag, den 10. Okt., abends 8.30 Uhr führt die hiesige SA. im Parteilokale Kettermann den Film „SA. schafft Arbeit und Brot“ vor. Die Veranstaltung findet im Rahmen der SA.-Werbeaktion statt, die augenblicklich im ganzen Reichsgebiet durchgeführt wird. Die Filmvorführung wird durch verschiedene Vorträge umrahmt werden, u.a. wird der Sturmbannführer das Wort ergreifen. Der SA.-Sturm 11/69 Enkirch lädt die ganze Bevölkerung von Enkirch zu dieser Veranstaltung ein. Die Einladung gilt besonders der HJ., sowie allen jungen Männern, die heute der SA. noch fernstehen, und denen jetzt die einmalige Gelegenheit geboten ist, in die braunen Kolonnen Adolf Hitlers eingegliedert zu werden. Der Eintritt zu der Veranstaltung ist frei.134 Im Juli läuft „Mein Herz ruft nach dir“, daneben die „Tonwochenschau“, ein „Kulturfilm“ und „das Filmwerk: „Das ganze Volk soll Wächter sein.““135, Im Oktober wird „Der Vogelhändler“ gezeigt136, im Dezember „Friesennot“.137 131 Tr.-Tr. Ztg., 28.3.1936 132 Tr.-Tr. Ztg., 25.4.1936 133 Nationalblatt Koblenz, 12.5.1936 134 Tr.-Tr. Ztg., 7.10.1936 135 Nationalblatt Koblenz, 27.7.1936 136 Nationalblatt Koblenz, 15.10.1936 137 Nationalblatt Koblenz, 14.12.1936 97 Am 18. Januar 1937 wird der „Großtonfilm“ „Der höhere Befehl“ angekündigt138, ein Historienfilm, der als einer der ersten als „staatspolitisch und künstlerisch besonders wertvoll“ ausgezeichnet und nach 1945 von den Alliierten verboten wird. Im März 1937 zeigt die Gaufilmstelle im Parteilokale Kettermann den Unterhaltungsfilm „Einer zuviel an Bord“.139 Im April folgt Luis Trenkers „Der Kaiser von Kalifornien“140, im Mai „So endete eine Liebe“ sowie „Jugend der Welt“ und „Sport und Soldaten“141, im September „Soldaten – Kameraden“.142 Der Bericht über die Maifeier 1937 vermittelt eindrücklich, wie der Faschismus bereits die gesamten Verhältnisse in Enkirch prägt: Enkirch, 3. Mai. Der nationale Feiertag der Arbeit nahm auch in unserem Ort beim herrlichsten Maiwetter einen festlichen Verlauf. Der Spielmannszug und der Musikverein zogen schon in aller Frühe zum Weckruf mit klingendem Spiel durch die festlich geschmückten Straßen und riefen alle zur frohen Maifeier, welche auf dem Marktplatz unter dem Maibaum den Feiertag der nationalen Arbeit einleiten sollte. Unter den Klängen des Lieder „Der Mai ist gekommen“ richteten die Zimmerleute den stolzen Maibaum mitten auf dem Platz auf und lustig flatterten die bunten Bänder in den frischen, sonnigen Maimorgen, während sämtliche Formationen und Verbände sowie die übrige Einwohnerschaft in einem großen Kreis Aufstellung genommen hatten. Ein Hitlerjunge sagte den Vorspruch: „Ein Volk bricht auf“; der BdM. brachte den Kanon: „Ihr Werkleut all“ und das Lied: „Nun will der Lenz uns grüßen“ zum Vortrag, aus den Reihen der SA. und der SA.-Reserve erklang in wuchtiger Form das Bekenntnis zum Führer, während die Musik einen flotten Marsch und das Potpourri „Horrido“ spielte. Sehr anmutig wirkte wieder unsere Tanzgruppe, welche mit Musik- und Gesangbegleitung einen lustigen Reigen unter dem Maibaum zur Aufführung brachte. Einen schönen Abschluß fand die Feier durch die Worte des Dichters, gesprochen von Ortsgruppenleiter G.: Wie wir hier stehen in Kolonnen, stolzestes Arbeiterheer, haben den Sieg wir gewonnen, keiner nimmt ihn uns mehr. Denn von den Sorgen und Mühen trägt nun jeder sein Teil. Unser Reich soll leben! Unserm Führer Sieg Heil! 138 139 140 141 142 Nationalblatt Koblenz, 18.1.1937 Tr.-Tr. Ztg., 20.3.1937 Tr.-Tr. Ztg., 19.4.1937 Tr.-Tr. Ztg., 24.5.1937 Tr.-Tr. Ztg., 23.9.1937 98 Begeistert stimmten alle in den Gruß auf den Führer und die Lieder der Nation ein. Nun begab sich die Jugend in das HJ.-Heim, um der Übertragung der Jugendfeier aus Berlin beizuwohnen, während die Formationen unter Vorantritt der Musikkapelle einen Umzug durch den Ort veranstalteten. Nachdem man ab 12 Uhr die Übertragung des Staatsaktes aus Berlin und die Führerrede angehört hatte, traf man sich wieder beim Platzkonzert und Preisschießen auf dem Sportplatz. Hier herrschte in den Nachmittagsstunden reger Betrieb, und die Jugend übte besonders fleißig Aug' und Hand fürs Vaterland, aber auch die Alten bewiesen,daß sie noch schießen können. Über den Abschluß des Preisschießens, das auch am gestrigen Sonntag fortgesetzt wurde, werden wir noch berichten. Abends gab es dann einen fröhlichen Ausklang des Feiertages der Arbeit im Parteilokal Schmidt, wo das Tanzbein fleißig geschwungen wurde, und man sich so recht des Lebens freute. 143 Im Oktober 1937 redet Dr. Winkelnkemper Köln, MdR. , „der als glänzender Reichsredner und Propagandist bekannt ist“, und versucht „den aufmerksamen Zuhörern ein klares Bild von den großen Linien der deutschen Politik der letzten Jahre vor Augen zu führen und im Hinblick auf die Parole des Führers: „Ein Volk hilft sich selbst“ alle zur Mitarbeit aufzurufen.144 Das Kino bereitet auch 1938 auf den Krieg vor: Enkirch, Di., 25. Jan. Jahresappell der Enkircher Kriegerkameradschaft. Am vergangenen Sonntagabend hielt die hiesige Kriegerkameradschaft im festlich geschmückten Saale Schmidt ihren traditionelle[n] Jahresappell ab, zu welchem außer den Kriegerkameraden und ihren Angehörigen noch viele andere Volksgenossen erschienen waren. So war der Saal bei Beginn des Abends übervoll besetzt und die Musikkapelle konnte mit einem schneidigen Marsch die Feier eröffnen. Eine glänzende Einleitung der Festfolge bot die Vorführung von zwei Filmen die von unserer jungen Wehrmacht handelten und die Herzen der alten Soldaten höher schlagen ließen. Der 1. Film hieß „Kreuzer Königsberg“ und zeigt das Leben und Treiben unserer blauen Jungens auf einer Fahrt in die nordischen Gewässer. Der 2. Film brachte ganz ausgezeichnete Bilder von unserer neuen Wehrmacht zu Lande, zu Wasser und in der Luft. 145 Am 1. Februar läuft der Film „Mazurka“, und „Opfer der Vergangenheit“, der das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses legitimieren soll und auf die T4Aktion vorbereitet.146 143 144 145 146 Tr.-Tr. Ztg., 3.5.1937 Tr.-Tr. Ztg., 21.10.1937 Tr.-Tr. Ztg., 25.1.1938 Tr.-Tr. Ztg., 1.2.1938 99 Im August zeigt die Gaufilmstelle „Schwert des Friedens“147, im gleichen Monat den Film „Signal in der Nacht“148, ein „Drama hinter der Dolomitenfront“ des 1. Weltkrieges, am 26. August Zarah Leander in „Zu neuen Ufern“,149 im September folgt „Unternehmen Michael“, der gleichfalls im ersten Weltkrieg spielt und heute als sog. „Vorbehaltsfilm“ eingestuft ist.150 Enkirch, Sa., 5. Nov. Schulfilm-Veranstaltung. Am kommenden Montag nachmittag 14 Uhr findet im Saale Schmidt eine Schulfilm-Veranstaltung für die Schulen des Amtsbezirks Enkirch statt. Gezeigt wird der 1. Teil des Olympiafilmes. -- Abends ist eine Filmveranstaltung der Gaufilmstelle ebenfalls im Saale Schmidt. Es gelangt zur Aufführung der Soldatenfilm „Der Etappenhase“. Im Beiprogramm Kulturfilm und Wochenschau.151 Ebenfalls im Jahr 1938 beginnt die Enteignung und „Arisierung“ jüdischen Besitzes, zunächst mit der zwangsweisen Löschung jüdischer Firmen sowie Gesellschaften und ihrer Streichung aus den jeweiligen Registern. Enkirch, Sa., 26. Febr. Bekanntmachung Gemäß § 31 Abs. 2 HGB. und § 141 FGG. sollen die nachstehend bezeichneten Firmen von Amtswegen gelöscht werden: Handelsregister: ... Nr. 133: Schoemann & Seiferheld, Kröv, ... Firmenregister: ... Nr. 33: Fa. Isaak Loeb, Inh.: Isaak Loeb, Handelsmann, Enkirch, ... Gesellschaftsregister: ... 147 Tr.-Tr. Ztg., 8.8.1938 148 Tr.-Tr. Ztg., 11.8.1938 149 Koblenzer Nationalblatt, 26.8.1938 150 Tr.-Tr. Ztg., 21.9.1938 151 Tr.-Tr. Ztg., 5.11.1938 100 Nr. 2: Fa. Gebr. Loeb (Isaak Loeb II und Herm. Loeb), Enkirch, Nr. 4: Fa. Gerson und Söhne (Simon Gerson, Josef Gerson, Jakob Gerson, Nathan Gerson in Sohren), Kirchberg, Zweigniederlassung Sohren, ... ... Die Inhaber dieser Firmen oder deren Erben werden hierdurch aufgefordert, einen etwaigen Widerspruch gegen die Löschung binnen drei Monaten bei dem unterzeichneten Gericht geltend zumachen , widrigenfalls die Löschung erfolgen wird. Traben-Trarbach, den 28. Januar 1938 Amtsgericht. 152 Neben den Enkircher Unternehmen sind hier auch die Traben-Trarbacher Firmen Schoemann und Gerson aufgeführt. Nach Verstreichen der Einspruchsfrist wird die Löschung bekanntgegeben: Enkirch, Mo., 18. Juli. Bekanntmachung. Von Amtswegen wurden heute folgende Firmen gelöscht: Firmenregister: ... n“ 24: D. Simon, Enkirch. n“ 33: Isak Löb, Enkirch. n“ 74: Meyer Isaak, Enkirch. ... Gesellschaftsregister: ... Nr. 2: Gebr. Loeb, Enkirch. n“ 4: Gerson u. Söhne, Kirchberg, Zweigniederlassung Sohren. ... Handelsregister A: ... n“ 133: Schoemann & Seiferheld, Kröv. ... Traben-Trarbach, den 18. Juli 1938. Amtsgericht.153 152 Tr.-Tr. Ztg., 26.2.1938 153 Tr.-Tr. Ztg., 18.7.1938 101 2.2.4 Der 9. November 1938 Vor und nach dem Pogrom vom November 1938 ist die Bevölkerung bereits froh, dass die jüdischen Bewohner aus Enkirch vertrieben werden: Enkirch, Di., 5. April 1938 Verkehrshindernis verschwindet. Zur Zeit ist man damit beschäftigt, in unserer sehr belebten Adolf-Hitlerstraße ein Verkehrshindernis zu beseitigen, das für manchen Autofahrer ein Schrecken war. Es handelt sich um ein kleines Haus, das dem früheren Kaufmann Loeb gehörte und nun durch Kauf an den Nachbarn übergegangen ist. Das Haus ragte weit in die Straße hinein und nahm nach beiden Seiten die Sicht. Nun verschwindet der vorspringende Teil des Hauses und aus dem übrigen Teil wird eine Scheune gemacht. So sehr die Straßenverbreiterung zu begrüßen ist, so möchten wir doch wünschen, daß die Wagenführer nun die freie Sicht nicht dazu benutzen, ein noch schnelleres Tempo bei der Durchfahrt durch unsere sehr gelebte Hauptstraße anzuschlagen, zumal mehrere Nebenstraßen rechtwinklig darin einmünden.154 Enkirch, Mi, 25. Jan. 1939 Verkehrsverbesserung. In der hiesigen sehr belebten Adolf-Hitler-Straße, der wichtigsten Durchgangsstraße unseres Ortes, ist nun eine wesentliche Verbesserung des Verkehrs erreicht worden. Das dem früher hier wohnenden Juden Loeb gehörende Haus stand weit in die Straße vor, behinderte für jeden Verkehrsteilnehmer die Uebersicht und war immer eine große Gefahrenquelle für den Kraftwagenverkehr. Das Haus wurde angekauft und abgerissen, sodaß die Fahrbahn um mehr als 2 Meter erbreitert werden konnte. Sodann wurde an der eben erwähnten Stelle und vor der Anlage auf Thones eine neue Pflasterung durchgeführt, was man besonders auch im Interesse der Sauberkeit des Orts allseits begrüßt.155 Um welches Haus es sich handelt, und wer der Besitzer, der früher dort wohnende Kaufmann Loeb genau ist, bedarf weiterer Recherche. Denn Fam. Hermann Loeb und Fam. Sigmund Loeb leben beide im April 1938 bzw. im Januar 1939 noch in Enkirch. Am Vorabend des Pogroms, zur Gedenkfeier am 9. November 1938, treffen sich alle Formationen der NSDAP zur Einstimmung: 154 Tr.-Tr. Ztg., 5.4.1938 155 Tr.-Tr. Ztg., 5.1.1939 102 Enkirch, 11. Nov. Zu einer würdigen Feierstunde versammelten sich am Mittwochabend im Saale Schmidt alle Formationen, Partei- und Volksgenossen, um der Toten Deutschlands zu gedenken. Der Saal war dem Tag entsprechend würdig ausgeschmückt. Auf der mit den Symbolen der Bewegung dekorierten Bühne standen rechts und links Opferschalen, die ein Mahnmal in der Mitte der Bühne mit ihren Flammen beleuchteten. In goldenen Buchstaben trug das Mal die Inschrift: „Ihr habt doch gesiegt!“ Nachdem die Fahnen einmarschiert und von einem SS.- und SA.- Mann mit einem Fahnenspruch gegrüßt waren, herrschte eine ernste, feierliche Stimmung über den versammelten. Der Musikzug der SA. intonierte die „Feiermusik zum 9. November“ und leitete über zu der Ehrung der Toten, die von dem Führer des Sturmes der SA., E. B., vorgenommen wurde. Unter dumpfem Trommelwirbel folgte die Verlesung der in München am 9. Nov. 1923 gefallenen Blutzeugen der Bewegung. Leise ertönte das Lied vom guten Kameraden. Dann brachte der Musikzug der SA. den Trauermarsch von Grieg zum Vortrag. Im Mittelpunkt der Feierstunde stand eine Ansprache des Bannführers Sch., Traben-Trarbach. Er erinnerte an die Schicksalstage des deutschen Volkes in den Novembertagen 1918 und 1923, an die Geschehnisse in Berlin, München und Pasewalk, wo damals der Führer im Lazarett lag und den Entschluß faßte, das darniederliegende Vaterland wieder zur Höhe zu führen. Der Redner gedachte dann in ehrenden Worten der Millionen Helden im feldgrauen Ehrenkleid, der Toten an der Feldherrnhalle, der 400 gefallenen Kämpfer der Bewegung, der ungezählten Opfer in der Ostmark, im Sudetenland und des soeben verstorbenen Mitglieds der deutschen Gesandtschaft in Paris. Sie alle gaben ihr junges Leben für ein schöneres Deutschland, und sie alle mahnen uns, daß ihr Opfer ein heiliges Vermächtnis bedeutet zum festen Glauben aller Deutschen an ein ewiges, stolzes, großes und freies Vaterland. - Ortsgruppenleiter Pg. F. schloß die feierliche Stunde mit einem Treuegelöbnis an den Führer, dann folgen die Lieder der Nation.156 Entweder noch in der Nacht oder während des Vormittags des 10. November werden in Enkirch die Geschäfte A. Simon Nachf. in der Adolf-Hitler-Straße 125 und das Geschäft Adolf-Hitler-Straße Ecke Bergstraße (heute Lebensmittelgeschäft Ecke Weingasse) angegriffen und die Schaufenster zerstört, der genaue Verlauf bzw. das Ausmaß der Ausschreitungen bedarf weiterer Recherche, auch ob noch weitere Haushalte von den Pogrom betroffen sind, laut des folgenden Zeitungsberichts wurden auch Wohnungseinrichtungen zerstört, vielleicht die Besitzer in Schutzhaft genommen. Die jüdischen Bewohner werden am nächsten Tag gezwungen die auf der Straße liegenden Scherben selbst zu beseitigen. 156 Tr.-Tr. Ztg., 11.11.1938 103 Hämisch wird eine standardisierte Verlautbarung abgedruckt: Traben-Trarbach, 11. Nov. Wie überall im Reich, so kam auch am gestrigen Donnerstag in Traben-Trarbach und Enkirch nach Bekanntwerden des Todes des von jüdischer Mörderhand niedergeschossenen Gesandtschaftsrates vom Rath die durchaus verständliche und berechtigte Empörung der Bevölkerung zum Ausdruck, Die noch hier ansässigen Juden wurden in Schutzhaft genommen, während im Laufe des Vormittags die Schaufenster und Ladeneinrichtungen in Trümmer gingen und auch zum Teil die Wohnungseinrichtungen zerstört wurden. Nirgends kam es dazu, daß sich irgend jemand Waren angeeignet hätte; es macht sich lediglich der Volkszorn Luft. Nachdem überall gründliche Arbeit geleistet worden war, wurden vor dem zertrümmerten Schaufensterscheiben Holzverkleidungen angebracht. - So hat die jüdische Unverfrorenheit, die in letzter Zeit auch in unserem engeren Heimatgebiet wieder recht frech zu Tage trat, einmal einen wohlverdienten Denkzettel erhalten.157 157 Tr.-Tr. Ztg., 11.11.1938 104 Im Dezember 1938 treten zwei Redner auf, ein Redner des Vereins für das Deutschtum im Ausland, Bruno Hübler158, und Reichsstoßtruppredner Dr. Friedrich Alfred Beck aus Dortmund predigt „Adolf Hitler, der größte Feldherr des Friedens“.159 Enkirch, Sa., 7. Jan. Morgen Filmveranstaltung. Am morgigen Sonntag, um 20 Uhr, bringt die Gaufilmstelle außer einem Kulturfilm und der Wochenschau den vielbewunderten Tonfilm „Der Katzensteg“ nach dem gleichnamigen Roman von Hermann Sudermann. Man beachte den frühen Beginn der Veranstaltung.160 Am 17. April 1939 verlassen Sigmund und Emma Loeb (Isaak) Enkirch, um in ein sog. Judenhaus in Trier, Zuckerbergstraße 19, zwangsweise umzuziehen, kurz danach eröffnet ihr Textilwarenkaufhaus unter neuem Namen und Besitzer wieder. Als letzte Familie verlassen Hermann Loeb (Isaak), seine Frau Kathinka und Tochter Gerda am 4. März 1940 Enkirch, sie ziehen nach Köln, um von dort ins Ghetto Litzmannstadt deportiert zu werden. Auch nach Beginn des Krieges wird die Indoktrination der Bevölkerung fortgesetzt, die NS.-Frauenschaft verschickt bereits im Dezember 1939 Päckchen an die Soldaten. Festfreude für unsere Soldaten Enkirch. Fleißige Hände regten sich an diesen Abenden in den Räumen des Amtsgebäudes, galt es doch, die Paketchen versandfertig zu machen, mit denen unseren Soldaten, die zu Weihnachten nicht zu Hause sein können, eine kleine Festesfreude bereitet werden soll. Mitglieder der NS.-Frauenschaft nahmen sich dieser Arbeit liebevoll an. Die von der Gemeindeverwaltung beschafften Sachen, wie Zigarren, Zigaretten, Gebäck, Aepfel und Nüsse wurden sorgsam verpackt, und der Sendung ein Schreiben und ein Tannenzweig aus heimatlichem Walde beigefügt. Unsere Soldaten draußen sollen sehen, daß auch die Heimatgemeinde ihrer gedenkt.161 158 159 160 161 Tr.-Tr. Ztg., 2.12.1938 Tr.-Tr. Ztg., 6.12.1938 Tr.-Tr. Ztg., 7.1.1939 Koblenzer Nationalblatt, 7.12.1939 105 Die Frauen rüsten weiterhin, so auch im November 1940, zur Wehrtüchtigkeit an der Heimatfront: Gemeinschaftsabend der NS-Frauenschaft Enkirch. Die NS.-Frauenschaft Enkirch begann ihre Winterarbeit mit einem Gemeinschaftsabend, zu dem die Kreisfrauenschaftsleiterin Frau W. und Frl. M. als Vortragende erschienen waren. Nach einem Gedicht „Der deutsche Weg“ verlas Frau Weiß die vielen deutschen Volksgruppen,die der Führer im Laufe des letzten Jahres heimgeholt hat ins Reich. Sie führte dann weiter aus: „Den größten Anteil an dem gewaltigen Geschehen dieses Krieges tragen unsere braven Soldaten, die Uebermenschliches geleistet und Leben und Gesundheit für unser Vaterland eingesetzt haben und noch einsetzen werden. Darum gedenken wir auch immer wieder der Gefallenen und Verwundeten. Ihrer müssen wir uns würdig erweisen, denn der Kampfgeist und die innere Haltung sind ausschlaggebend für den Sieg. Wir müssen den Kampfesmut unserer Truppen stärken, indem wir freudig Wehrarbeit auf uns nehmen und Entbehrungen ertragen, denn nur so können wir im Entscheidungskampf über England Sieger bleiben. Jeder trage zu seinem Teil dazu bei, daß das große Werk des Führers vollendet werde.“ Nach dem gemeinsam gesungenen Lied „Uns ward das Los gegeben“ sprach Frl. M. über Rasse, Vererbung und Kinderreichtum. Sie führte dabei aus, daß alle Lebewesen Naturgesetzen unterworfen sind. Auch wir als Volk müßten uns diesen unterordnen. Völker, die dieses Naturgesetz nicht beachten, müßten untergehen. Deshalb habe der Führer das Blutschutzgesetz erlassen. Nur unter Berücksichtigung des Naturgesetzes sei es uns möglich, einen wirklichen Sieg zu erringen in diesem Kampf. - Die Ausführungen fanden bei den Frauen großen Beifall.162 Und wie zum Dank zeigt die Gaufilmstelle, in der gleichen Ausgabe angekündigt: Enkirch. Am heutigen Freitag gelangt im Saale Schmidt außer der Kriegswochenschau der Film „Mutterliebe“ zur Aufführung. 162 Koblenzer Nationalblatt, 29.11.1940 106 2.3. Die Rolle der Kirche 2.3.1. Die „Deutschen Christen“ Gerne wird, mit entschuldigendem Unterton, als Ursache der „Anfälligkeit“ Enkirchs für die nationalsozialistische Propaganda der konfessionelle Hintergrund angegeben, die protestantische „Insellage“ an der katholischen Mosel. Tatsächlich scheint der Katholizismus resistenter gegen die faschistische Ideologie als die evangelische Kirche, auch wenn von der Trierer Diözese mit dem heiligen Werner von Oberwesel ein angeblich durch jüdischen Ritualmord Getöteter bis 1963 als Heiliger verehrt wird. Der Protestantismus durchlebt bereits seit der Abdankung des Kaisers als oberstem Bischof eine Krise. Schon zuvor entwickelt sich eine deutschnationale Strömung, die auch den Antisemitismus zum wesentlichen Bestandteil ihres „Glaubens“ macht. Es gibt Initiativen, den „jüdischen“ Anteil aus dem Christentum zu eliminieren und das sog. alte Testament und die Briefe des Paulus gleich ganz zu streichen, auch die vier Evangelien sollen umgeschrieben werden und Jesus zu einen arischen Siegerhelden stilisiert werden, nach einer Theorie stammte er gar von germanischen Söldnern im römischen Heer ab und hatte „deutsches Blut“. Die 1932 als Kirchenpartei gegründeten „Deutschen Christen“ nehmen diese Bestrebungen auf und verbinden sie mit der nationalsozialistischen Politik, sie fordern das Führerprinzip in der Kirche und die Einführung des „Arierparagraphen“, in diesem Zusammenhang verstanden als den Ausschluß der Judenchristen aus den Glaubensgemeinschaften. Die Wahl Adolf Hitlers zum Reichskanzler wird mit Dankgottesdiensten für den von Gott gesandten Führer begangen, viele Kirchen sind mit Hakenkreuzflaggen geschmückt. Die „Deutschen Christen“ gewinnen 1933 fast in der gesamten Evangelischen Kirche, so auch in der Kirchenprovinz Rheinland in der Kirche der Altpreussischen Union, stark an Einfluss. Hitler gibt der Evangelischen Kirche in Deutschland eine neue Verfassung mit einem Reichsbischof an der Spitze, wie es die „Deutschen Christen“ gefordert haben. Bei einer Wahl der Landeskirchen am 23. Juli 1933 ergreift Hitler in einer Radioansprache persönlich Partei für die „Deutschen Christen“, die daraufhin eine absolute Mehrheit von mehr als Zwei Drittel der Sitze erringen. 107 Hitlers Wunschkandidat wird in das neue Amt des Reichsbischofs gewählt und bis zum September 1933 innerkirchlich durchgesetzt, daraufhin wird der Arierparagraf in der Kirche eingeführt, der sog. judenchristliche Geistliche und Beamte aus der Kirche ausschließt. Anlässlich ihrer Gründung proklamieren die Deutschen Christen: Wir sehen in Rasse, Volkstum und Nation uns von Gott geschenkte und anvertraute Lebensordnungen, für deren Erhaltung zu sorgen, uns Gottes Gesetz ist. Daher ist der Rassenmischung entgegenzutreten. Die deutsche Äußere Mission ruft auf Grund ihrer Erfahrung dem deutschen Volke seit langem zu: „Halte deine Rasse rein!“ und sagt uns, daß der Christusglaube die Rasse nicht zerstört, sondern vertieft und heiligt. In der Judenmission sehen wir eine schwere Gefahr für unser Volkstum. Sie ist das Eingangstor fremden Blutes in unsern Volkskörper. Sie hat neben der Äußeren Mission keine Daseinsberechtigung. Wir lehnen die Judenmission in Deutschland ab, solange die Juden das Staatsbürgerrecht besitzen und damit die Gefahr der Rassenverschleierung und –bastardierung besteht. Die Heilige Schrift weiß auch etwas zu sagen von heiligem Zorn und sich versagender Liebe. Insbesondere ist die Eheschließung zwischen Deutschen und Juden zu verbieten.163 Kritik an den staatlichen Aktionen gegen die jüdische Bevölkerung ist von dieser Kirche nicht zu erwarten, im Gegenteil hat sie den Antisemitismus befördert. Gerade in den dörflich geprägten Regionen spielt der Pfarrer als „Vertreter der Obrigkeit“ noch bis in die 1950er Jahre hinein eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Meinungsbildung der Bevölkerung, sicher nicht weniger als der Bürgermeister bzw. die Stellvertreter politischer Macht. Inwieweit die politischen Flügelkämpfe innerhalb der Deutschen Christen und ihrer Nachfolgeorganisationen in den folgenden Jahren, sowie die Radikalisierung vieler deutscher Christen hin zu einem völkisch-deutschen Neuheidentum, Auswirkungen auch auf die religiöse Praxis der Bevölkerung haben, bedarf weiterer Recherche. Mit einem Einfluss der Bekennenden Kirche ist jedenfalls in weiten Kreisen der protestantischen Gemeinden nicht zu rechnen. 163 Punkt 7. und 9. der Richtlinien der Glaubensbewegung „Deutsche Christen“ vom 6. Juni 1932 108 2.3.2. Die Enkircher Evangelische Kirche In welchem Umfang auch die Enkircher evangelischen Pfarrer in ihren Predigten solche „Richtlinien“ vertreten, bedarf weiterer Recherche. Seit 1909 ist Hermann Roetzel Pfarrer in Enkirch, er bleibt bis 1943 im Amt. Er wird abgelöst durch Johannes Bier, der zuvor die Pfarrstelle in Rhaunen im Hunsrück innehatte. Bier bleibt Pfarrer bis 1957, seinem 65. Lebensjahr. Es fällt auf, dass gerade zur Zeit bis 1933, als der Nationalsozialismus noch verboten ist, die Kirche als Verbündeter oder als Podium für die braune Propaganda genutzt wird. 1931 tritt auf einer Versammlung der NSDAP „der bekannte Redner“ Pfarrer Wolfrum auf. Pfarrer Rudolf Wolfrum ist ein überzeugter Nationalsozialist, rheinischer Gauleiter des NS-Pfarrerbundes, DC-Obmann des Obergaues Köln-Aachen, Mitglied der NSDAP, NS-Gauredner und SA-Führer. Er wird bald nach seinem Auftritt dem radikalen Thüringer DC angehören. Zum Advent 1931 wird die Kirche zur Vorführstätte des Films „Der große Strom“. „Ein jeder, ob Mann oder Frau, ob Alt oder Jung, der wünscht, daß der Strom deutschen Lebens nicht versiege und verschlamme, ein jeder, dem es Herzenssache ist, daß gesundes, reines Familienleben, die Grundlage des Volkstums, unserem deutschen Volke erhalten bleibe, und soweit es schon krank, wieder gesunden möge, ein jeder, der den unheilvollen gesundes sittliches Volksleben zersetzenden Einflüssen einen wirksamen Damm entgegengesetzt sehen möchte, um unser Volk vor dem drohenden Abgrund zu bewahren, darf nicht versäumen, selbst diesen Film kennen zu lernen und andere dazu zu veranlassen.“164 1932 wird das überregionale Gustav-Adolf-Fest in Enkirch ausgetragen. Es steht ganz im Zeichen der Christen im Ausland, so der Siebenbürger Sachsen in Rumänien, und Spaniens, das die „Rettung unserer deutschen Brüder in Westafrika nach Spanien“ im 1. Weltkrieg ermöglicht habe.165 Im gleichen Jahr lädt die Ortsgruppe den Pfarrer Minor aus Winningen ein. 164 Tr.-Tr. Ztg., 12.12.1931 165 Tr.-Tr. Ztg., 27.5.1932 109 Herr Pfarrer Dr. Minor hat einen hervorragenden politischen Weitblick, sodaß sicher mancher Zweifler durch seine Ausführungen wieder zu klarem nat.-soz. Denken zurückgeführt wird.166 Auch der „Bund Königin Luise“ ist in Enkirch vertreten und nutzt die Kirchenräume als Plattform. Der Bund ist die Frauenorganisation des Frontkämpferbundes Stahlhelm und völkisch-national, antisemitisch, er unterstützt in der Folge offen die NSDAP, bevor er sich im Zuge der Gleichschaltung selbst auflöst. Am 1. Dezember 1932 lädt die Ortsgruppe zu einer Adventsfeier. Es predigt ein Divisionspfarrer a.D. Marten: Als die alttestamentlichen Propheten- und Adventsworte entstanden, lag das jüdische Volk in babylonischer Gefangenschaft und sehnte sich nach Freiheit, auf den Befreier hoffend. So ergeht es auch dem deutschen Volke, gerade im Advent. Dem jüdischen Volke wurde Jesus gesandt. Aber er brachte ihnen nicht das irdische Reich der Freiheit, sondern das Gottesreich. Auch unsere Adventssehnsucht und – Erwartung soll in erster Linie dem Gottesreich gelten, daß es in uns sein möge. Wohl sollen wir für die Neugestaltung unseres Vaterlandes glühen, jedoch müssen wir bedenken, daß diese nur Menschenwerk sein kann mit seinen Fehlern. Aus diesem Gedanken heraus werden wir duldsam gegen die, die andere Wege dabei einschlagen. Dagegen wer Erdenreich und Gottesreich gleichsetzt, wird sagen, nur mein Weg ist der richtige. Nur Jesus konnte sagen: Wer nicht für mich ist, ist wider mich. Die Unduldsamkeit und der Parteihaß sind ein Fluch für das deutsche Volk. Wir wollen doch die Weihnachtsbotschaft „Friede auf Erden“ nicht pazifistisch gedacht – im Advent in uns erklingen lassen. Dies gerade ist besonders Frauenaufgabe.167 Nach 1933 scheint die Kirche fest eingebunden in die nationalsozialistische Propaganda, der 1. Mai, Erntedankfest, „Heldengednktag“ und sonstige Veranstaltungen beginnen oder enden mit einem Gottesdienst, das Ehrenmal an der Kirche ist zentraler Veranstaltungsort. Bereits der 1. Mai 1933 wird parteipolitisch gefeiert. Die einzigartige Beflaggung unseres Ortes mit Hakenkreuz- und schwarz-weißroten Fahnen, sowie die sonstige Ausschmückung war für jeden ein herrlicher Anblick. So ist Enkirch und war es gewesen vom ersten Tage an, wo der Funke des nat.-soz. Wollens in unserem Orte Feuer gefangen hatte.- Am Vorabend bewegte sich ein endloser Fackelzug sämtlicher Enkircher Verbände durch den 166 Tr.-Tr. Ztg., 24.9.1932 167 Tr.-Tr. Ztg., 1.12.1932 110 Ort. Die verschiedenen Spielmannszüge sowie der Musikverein sorgten dafür, daß der Rhythmus deutscher Marschart den nötigen Schneid bekam. Nach Beendigung des Umzuges auf dem Sportplatz wurde ein Feuerwerk von der Köveniger Seite aus abgebrannt. Währenddessen leuchtete plötzlich ein riesiges Hakenkreuz über der Mosel am Fährseil auf. Es war jene Stelle, an welcher vor Jahresfrist die Hakenkreuzfahne „verbotswidrig“ flatterte. - Dann sprach Pg. Weiß über die Bedeutung des 1. Mai und symbolisierte das von der H.-J. nunmehr angezündete Freudenfeuer. Das Horst-Wessel-Lied und anschließend die Rundfunkübertragungen beendeten die Vorabendfeier. - Am 1. Mai morgens Wecken und anschließend Antreten zum Feldgottesdienst. Die Feldpredigt hielt Herr Pfarrer Roetzel. Seine überzeugenden und von tiefem christlichen Glauben getragenen Worte wiesen auf die Bedeutung des 1. Mai und der göttlichen Gnade und Hilfe als Voraussetzung für ein segensreiches Arbeiten der Menschen hin. ... 168 Ebenfalls im Mai bekommt Enkirch „den weltberühmten Redner und Pg. Pfarrer Münchmeier zu hören, vor dessen Rede die Novemberlinge zitterten, und die nichts unversucht ließen, ihn unschädlich zu machen, was ihnen jedoch nicht gelang, denn Pg. Pfarrer Münchmeier war in ca. 130 Prozessen stets Sieger. Als einer der ältesten und mutigsten Pg., als Reichsredner und Reichstagsabgeordneter lag er stets mit ihnen in Fehde.“169 Zur Reichsgründungsfeier am 23. Januar 1934 hält auf der Versammlung der Ortsgruppe im Kettermann‘schen Saal Pfarrer Roetzel eine Rede. Der Redner schloß mit den Worten: „Nimmer wird das Reich zerstöret, wenn ihr einig seid und treu.“ Reicher Beifall wurde Pg. Pfr. Roetzel für seine ausgezeichnete Ausführungen zuteil.170 1934 stimmt die Kirchengemeinde selbstverständlich der Nutzung des Kindergartens in den Wintermonaten als Versammlungsraum des BdM. zu.171 168 Tr.-Tr. Ztg., 3.5.1933 169 Tr.-Tr. Ztg., 23.5.1933 170 Tr.-Tr. Ztg., 23.1.1934 171 Tr.-Tr. Ztg., 1.11.1934 111 Parteigenosse Pfarrer Rotzel ist auch Vorsitzender der Winzergenossenschaft und weiß die Arbeit der „neuen Zeit“ zum Wohle der Winzer zu loben.172 Nicht nur an den „Heldengedenktagen“ im Frühjahr sowie an den Aufmärschen zum 9. November ist das Ehrenmal an der Außenwand der Kirche Veranstaltungsort, nachdem in der Kirche ein Gottesdienst stattgefunden hat, ebenso zu Veranstaltungen des Kriegervereins Enkirch, und sogar an Feuerwehr-Verbandstagen oder dem „Tag der deutschen Polizei“.173 Auch am Ehrenmal predigt Pfarrer Roetzel, so etwa 1938: Enkirch, Mo., 14. März. Der Heldengedenktag wurde auch in unserem Ort wieder in gebührender Weise begangen und begann mit einem Gottesdienst, der gut besucht war. Anschließend fand am Ehrenmal an der Kirche die Gedenkfeier für die gefallenen Helden statt. Das Ehrenmal war mit frischen Blumen und Kränzen würdig geschmückt. Hier hatten die Formationen, Verbände und Vereine mit ihren Fahnen Aufstellung genommen. Zur Einleitung der Feierstunde spielte die Musikkapelle den Choral „Näher mein Gott zu Dir“, dann sang der MännerGesangverein den Chor „An die gefallenen Helden“ von Sonnet. Nach einem Sprechchor des Jungvolkes widmete Pfarrer Roetzel den gefallenen Helden in einer kurzen Gedächtnisansprache eindrucksvolle und ergreifende Worte. Dann senkten sich die Fahnen und leise erklang das Lied vom „Guten Kameraden“. Zahlreiche Kränze wurden niedergelegt, so unter anderen seitens der NSDAP., der NSKOV., Kriegskameradschaft, NS.-Frauenschaft und des Reichsbundes für Leibesübungen. Der kommissarische Ortsgruppenleiter Fischer schloß die Feier mit einem Gruß an den Führer, die Lieder der Nation gaben einen würdigen Abschluß der Feierstunde.174 Dass die Kirche oder kirchliche Arbeit einen gewissen Schutz vor den Nationalsozialisten geboten hätte, wie nach dem Krieg teilweise behauptet wird, ist für Enkirch nicht zu erkennen oder belegbar. 172 Tr.-Tr. Ztg., 14.2.1935 173 Tr.-Tr. Ztg., 30.1.1939 174 Tr.-Tr. Ztg., 14.3.1938 112 3. Verfolgung und Vertreibung der jüdischen Enkircher 3.1. jüdische Enkircher, die vor 1933 aus Enkirch verzogen sind 3.1.1. Familie Isidor Loeb Isidor Loeb (1867-1929) wird in Enkirch geboren, seine Frau ist als Adelheid Schlachter am 3. August 1876 in Merchweiler im Saarland geboren. Die Familie wohnt bis ca. 1914 in Enkirch.175 Hier wird der Sohn Hermann am 31. August 1900 geboren, am 19. April 1902 folgt Tochter Helene, am 6. August 1904 wird Sohn Albert geboren, am 3. November 1910 Sohn Karl und am 4 Dezember 1912 Hilda Loeb. Um 1914 zieht die Familie nach Quierschied im Saarland um und wohnt in der Spielmannsgasse. Hier werden die beiden letzten Kinder geboren, am 27. Juli 1914 Erna und am 4. Februar 1918 der jüngste Sohn Helmut. Adelheid Loeb geb. Schlachter „Adelheid Loeb war inhaftiert im Lager Camp de Gurs in Frankreich, bei Pau. Sie kam über Drancy mit dem 69. Transport am 7.März 1944 nach Auschwitz, Ankunft in Auschwitz am 10. März 1944. Mit dem 69. Transport des RSHA aus Frankreich sind 1501 jüdische Männer, Frauen und Kinder aus dem Lager Drancy eingetroffen. Nach der Selektion werden 110 Männer, die die Nummern 174904 bis 175013 erhalten, und etwa 80 Frauen als Häftlinge ins Lager eingewiesen. Die übrigen mehr als 1300 Menschen werden in den Gaskammern getötet.“176 Darunter auch Adelheid Loeb. Sie wurde 67 Jahre alt. Adelheid Loeb kann zunächst aus dem Saarland nach Luxemburg auswandern, wohl zusammen mit Tochter Erna und Sohn Helmut, die Luxemburger Adresse ist Neypergstraße 51. Am 21. Januar 1941 gelangt Sie mit den Kindern nach Dijon im besetzten Frankreich, nachdem Luxemburg bereits im Mai 1940 von den Deutschen 175 Brief von Doris Deutsch 176 Brief von Doris Deutsch, nach Angaben aus dem Deportiertenbuch Auschwitz 113 besetzt worden war und die jüdische Bevölkerung (und die jüdischen Flüchtlinge aus Deutschland) Repressionen nach deutschem Muster ausgesetzt wude. Ca. 1450 Juden emigrieren zwischen September 1940 und Oktober 1941, als ein Auswanderungsstop verhängt wird, aus Luxemburg. 177 Wie und wann Adelheid Loeb von Dijon aus ins Internierungslager Gurs verbracht wird, bedarf weiterer Recherche, auch wann Sie von Gurs nach Drancy deportiert wird. Dokumente aus Drancy geben Ihre Häftlingsnummer mit 15079 (bzw. 15077) an. Auf der entsprechenden Deportationsliste ist sie unter der Transportnummer 922 genannt.178 177 www.genami.org/documents/Luxembourg_notes.pdf 178 www.memorialdelashoah.org/ 114 Hermann Loeb Hermann Loeb arbeitet als Kaufmann. Er wird kurz nach der Pogromnacht, am 15. November 1938, ins Konzentrationslager Dachau deportiert. Ein knappes Jahr später, am 26. September 1939, wird er von dort ins Konzentrationslager Buchenwald überstellt. Ob Hermann Loeb zwischenzeitlich aus der Haft freikommt und nach Esch sur Alzette in Luxemburg flüchten kann,179 bedarf weiterer Recherche. Vielleicht kann er mit seiner Mutter und den Geschwistern Erna und Helmut dorthin emigrieren. Die Zeit von 1941 bis 1945 bedarf weiterer Recherche. Am 6. Februar 1945 wird er vom Konzentrationslager Sachsenhausen aus ins Konzentrationslager Flossenbürg verschickt, Haftnummer ist 46755. Am 20.2.1945 wird er in das Außenlager des KZ Flossenbürg nach Plattling überstellt. Das Außenlager wird am 24. April 1945 von der SS geräumt und die Häftlinge auf einen sog. Todesmarsch getrieben.180 Hermann Loeb stirbt am 19. Mai 1945 an den Folgen der Haft. Nach Auskunft seiner Schwägerin Doris Deutsch wird er erschossen, entweder von Partisanen oder von fanatischen SS-Angehörigen. Er wurde 44 Jahre alt. Nummernbuch des KZ Flossenbürg (Auszug) 179 Angaben von Doris Deutsch bei Yad Vashem 180 Antwortschreiben der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg 115 Helene Moseler geb. Loeb Helene Moseler heiratet einen katholischen Ehemann, lebt also nach damaligem Sprachgebrauch in einer Mischehe, die sie vor den ersten Verfolgunswellen schützt. Wann und unter welchen Umständen Sie in die Fänge der faschistischen Verfolgung gerät, bedarf weiterer Recherche. In der Zugangsliste Theresienstadt wird Helene Moseler unter der Nr. 41 genannt. Als Adresse ist die Brefelder Straße 4 genannt, wahrscheinlich in Quierschied. Die nächstgenannte Station ist „Hühnerfeld“, also das Lager bei Niederbardenberg, von dort wird sie mit dem Sammeltransport von Köln am 14. März 1945 nach Theresienstadt deportiert.181 Da die Befreiung Deutschlands vom Faschismus kurz bevorsteht, überlebt Helene Moseler die Inhaftierung und kann nach Kriegsende ins Saarland zurückkehren. Albert Loeb, seine Kinder Walter, Marlies und Albert Über das Schicksal von Albert Loeb (sen.) wissen wir hauptsächlich durch seinen ältesten Sohn Walter, der als Zeitzeuge über die Verfolgungen seiner Familie in der NS-Zeit Auskunft geben konnte. Demnach heiratet Albert Loeb, von Beruf Bauarbeiter, die katholische Barbara, die Familie hat insgesamt sechs Kinder. Die Familie lebt in Saarlouis, damals Saarlautern, und Albert Loeb wird in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 nachts aus seinem Wohnhaus verschleppt und mit den anderen jüdischen Bewohnern auf einem Dorfplatz zusammengetrieben. Am nächsten Morgen werden die Gefangenen mit Lastwagen nach Saarbrücken gebracht und von dort nach Dachau deportiert. Albert Loeb kommt wohl wieder frei und kann nach Shanghai emigrieren, von wo er nach dem Krieg wieder in seine Heimat zurückkehrt. Walter Loeb berichtet: „Auch mein Vater kehrte Jahre später heim – aus dem Exil in Shanghai. Er erkannte mich nicht mehr.“ Fast zehn Jahre war die Familie getrennt. Walter Löb hatte viele Fragen an seinen Vater, dessen Zeit im Exil und im Konzentrationslager Dachau. Doch er kannte stets nur eine Antwort darauf: „Lass mich in Ruhe!“182 181 BArch ZSG 138/86 182 Interview mit Pascal Becher, 9.11.2013 116 Walter Loeb wird 1928 geboren, ist also bei der Verhaftung des Vaters zehn Jahre alt. 1943 arbeitet er für den französichen Widerstand, er macht Botengänge und übermittelt Nachrichten in Lothringen und dem Elsass. 1944 wird er vom deutschen Militär zwangsrekrutiert und gerät in britische Kriegsgefangenschaft, wo er das Kriegsende erlebt. Walter Loeb 2013 Walters Bruder Albert Loeb (jun.) stirbt im Alter von 18 Monaten 1939 an Keuchhusten und einer Lungenentzündung. Der Arzt hatte noch in der Todesnacht die Behandlung verweigert, da die Gestapo ihm verboten hätte, Nicht-Arier zu behandeln. Walter Loebs Schwester Marlies Loeb, geboren 1933, wird 1942 in ein Heim eingewiesen, weil sie Wachstumsstörungen hat und lispelt, außerdem „Halbjüdin“ ist. 1943 wird Marlies in der Heilanstalt Hadamar, einem überregionalen EuthanasieZentrum, ermordet. 117 Karl Loeb und seine erste Frau Martha Margarethe geb. Nelson Karl Loeb lebt 1941 mit seiner Frau in Berlin-Halensee, die Adresse ist Schweidnitzer Straße 8. Er hat am 18. Dezember 1941 Martha Margarethe Nelson geheiratet, die am 23. November 1912 in Xions in Polen geboren wurde. Die genauen Umstände der Deportation bedürfen weiterer Recherchen. Nach Angabe des Gedenkbuches des Bundesarchivs wird Martha von Frankfurt/Main aus am 15. September 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert und am 16. Mai 1943 nach Auschwitz überstellt und dort ermordet. Nach Angaben der zweiten Frau von Karl Loeb, Doris Deutsch183, ist Martha gezwungen, bei Siemens und Halske als Einrichterin Zwangsarbeit zu leisten, bevor sie von Berlin aus am 1. März 1943 direkt nach Auschwitz deportiert wird. Diese Angabe stimmt auch überein mit der Transportliste des 31. Osttransportes von Berlin nach Auschwitz, auf dem Martha Loeb unter der Nummer 1213 aufgeführt ist. Martha Margarethe Nelson wird 1943 in Auschwitz ermordet. 183 Brief von Doris Deutsch 118 Karl Loeb wird mit dem 33. Osttransport zwei Tage später als seine Frau am 3. März 1943 unter Transportnummer 1501 nach Auschwitz deportiert. Da ist er 42 Jahre alt. Das weitere Schicksal von Karl Loeb berichtet Alex Deutsch, der mit dem gleichen Transport von Berlin nach Auschwitz transportiert wird und Karl wohl bereits in Auschwitz kennenlernt184. Alex Deutsch und wohl Karl Loeb werden nach Auschwitz III Monowitz überstellt, wo Alex Maschinen und Maschinenteile entladen muss. Am 18. Januar 1945 werden die noch Arbeitsfähigen auf einem sog. Todesmarsch nach Gleiwitz (Gliwice) gebracht und von dort nach Buchenwald und weiter in das KZAußenlager Langenstein-Zwieberge verschickt. Am 15. April flüchtet die SS aus dem Lager, am 20.April werden Alex Deutsch, Karl Loeb und zwei weitere Kameraden von amerikanischen Soldaten gefunden, während sie bei einem Fliegerangriff in Magdeburg, wo sie Zwangsarbeit leisten müssen, sich in den Ruinen verstecken können. Sie gehen zu Fuß zu einer Schwester von Karl Loeb nach Luxemburg, wahrscheinlich Erna Loeb, deren Mann sie weiter nach Belgien geleitet. Von dort gelangen sie nach Lyon in Frankreich, um Anträge zur Einreise in die USA stellen zu können. Allerdings ist Karl Loeb so erkrankt, dass er keine entsprechende ärztliche Bescheinigung für die Emigration beibringen kann und in Frankreich bleiben muss, Alex Deutsch gelangt in die USA und lässt sich in St. Louis, Missouri nieder. Karl Loeb kehrt zurück ins Saarland und lernt dort seine zweite Frau Doris kennen. In der Ausgabe vom 14. Februar 1947 vermeldet die Zeitschrift Aufbau die Rückkehr von Karl Loeb nach Quierschied: Er stirbt 1971 an den Spätfolgen seiner Haft im Konzentrationslager. 184 Alex Deutsch 119 Hilda Obermann und Sohn Horst Hilda Obermann geb. Loeb lebt zu Kriegsbeginn in Bamberg, sie hat einen Sohn Horst, der am 4. Januar 1931 in Homberg geboren ist. Auf der Deportationsliste vom 21. November 1941 ist Sie unter der Nummer 134 als Arbeiterin aufgeführt, die Bamberger Adresse ist Zinkenwörth 2. Für den Transport am 23. November ab Nürnberg werden Juden aus ganz Franken zuvor in das Sammellager Nürnberg-Langwasser verbracht. Am 27. November erreicht der Transport das Ghetto in Riga. Von dort wird Hilda Obermann ins Konzentrationslager Stutthof verlegt. Dort überlebt Hilda das Kriegsende und kann 1945 ins Saarland zurückkehren. Vielleicht heiratet Hilda ein zweites Mal, wie die Auskunft für die Datenbank von Yad Vashem zu ihrem Bruder Hermann nahelegt, wo sie als dessen Schwester Hilda Frosh unterzeichnet. 120 Ihr Sohn Horst Obermann wird er am 21. Januar 1941 nach Frankreich, vielleicht nach Dijon, deportiert, als Wohnsitz ist Luxemburg angegeben, der Zehnjährige wird als Schüler gelistet.185 Ob er in Begleitung seiner Mutter oder anderer Familienanghöriger ist, und wo und wie er den Faschismus überlebt, bedarf weiterer Recherche. Jedenfalls findet er nach Kriegsende zurück zu seiner Mutter, und die beiden emigrieren wohl in die USA, jedenfalls stellen sie nach 1945 in München einen Antrag auf Auswanderung aus Deutschland. 185 USHMM 121 Erna Hoffmann geb. Loeb Erna Hoffmann ist wohl mit einem katholischen Ehemann verheiratet. Ihre Biografie bedarf weiterer Recherche. In einer Luxemburger Liste zur Volkszählung 1940 wird Sie unter N° 960 unter p.17 als Teilnehmende an einem Transport vom 24. Dezember 1940 mit Ziel in das unbesetzte Frankreich aufgeführt. Während die Deportation der Mutter Adelheid Loeb aus Luxemburg nach Dijon erst für den 21. Januar 1941 anzunehmen ist, kann Erna vielleicht in das unbesetzte Frankreich entkommen und dort dem Zugriff der faschistischen Verfolgung entgehen, nach Kriegsende kehrt Sie anscheinend zurück ins Saarland, wo Sie von Ihrem Bruder Karl und Freunden aufgesucht wird, die aus der KZ-Haft zurückkehren. (Ernas Ehemann geleitet die Besucher weiter nach Belgien, s.o. zu Karl Loeb). 186 186 www.genami.org/documents/Luxembourg_notes.pdf 122 Helmut Loeb Nach Angaben des Gedenkbuches des Bundesarchivs kann Helmut Loeb zunächst nach Esch sur Alzette in Luxemburg emigrieren und wird von dort am 21. Januar 1941 nach Vichy, Allier, in Frankreich deportiert. In der Luxemburger Erfassungsliste wird er unter N°1276 aufgeführt, als Adresse wird die Neypergstraße 51, als Beruf Landwirt angegeben. Die Adressangabe ist auch die der Mutter, mit der und seiner Schwester Erna er wohl nach Luxemburg emigriert war. Der Transport von Luxemburg nach Dijon erfolgt einen Tag nach dem der Mutter zum 21. Januar 1941, zwei Wochen vor seinem 23. Geburtstag.187 Wie er von dort in das unbesetzte Frankreich gelangt, bedarf weiterer Recherche. Nach einem Bericht von Doris Deutsch188 versucht Helmut, von Frankreich aus der deutschen Verfolgung zu entkommen, wird aber in Marseille verhaftet. Die Häftlingsliste von Drancy weist ihn als Häftling aus Les Milles aus, das ist ein Internierungslager bei Aix-en Provence unweit Marseille.189 Von diesem Lager wird er zum Camp Drancy deportiert, und von dort am 28. August 1942 mit Transport Nr. 25 nach Auschwitz überstellt, auf der entsprechenden Transportliste wird er unter der Nummer 64 genannt. Von Auschwitz wird Helmut Loeb nach Buchenwald verbracht, wo sich seine Spur verliert. 187 www.genami.org/documents/Luxembourg_notes.pdf 188 Telefonat mit Doris Deutsch 189 www.memorialdelashoah.org/ 123 3.1.2. Emma Beermann geb. Loeb, Sohn Julius mit Familie Emma Beermann wird als Tochter von Isaac Loeb (*1831) und seiner Frau Elisabetha geb. Kahn am 26. Juli 1864 geboren. Wann Sie heiratet, und wie ihr Mann mit Vornamen heißt, bedarf weiterer Recherche. Ihr Sohn Julius Beermann wird am 21. September 1900 geboren, Geburtsort ist entweder Paris, oder nach einer anderen Quelle Tholey, der Geburtsort von Emmas Mutter Elisabetha. Emmas Nachname ist in den unterschiedlichsten Schreibweisen angegeben, von Bär, Beer (früherer Name) bis Berman, Beerman oder Beermann (neuerer Name). Wohnort der Familie ist wohl auch zeitweise Düsseldorf; vielleicht hat Julius Bermann dort seine Frau kennengelernt, Friederike geb. Markus, die am 24. Juli 1912 in Düsseldorf geboren ist. Irgendwann vor 1923 muss Emma Beermanns Mann gestorben sein, und sie zieht mit ihrem Sohn nach Tholey, denn in diesem Jahre ist Witwe Emma Beer, geb. Loeb, ohne Stand, sowie deren Sohn Julius Beer, Handelsgehilfe, geboren 28.9.1900, in Tholey bezeugt, die Adresse ist wohl „in der Judenschule“ Trierer Straße 32 bzw. später in der Trierer Straße 4 in Tholey. „Sie verdient ihren Unterhalt als Büglerin.“190 Am 13. Februar 1935 wird dem Ehepaar Julius und Friederike Bermann ein Sohn Manfred geboren. Laut der gleichen Quelle wird die gesamte Familie 1940 von der Gestapo in Schutzhaft genommen und nach Frankreich deportiert. Allerdings tauchen die Namen nicht auf der Deportationsliste der 134 Saarländer Juden nach Gurs im Zuge der sog. Wagner-Bürckel-Aktion am 22.10.1940 auf; stattdessen ist Emma Beermann spätestens 1942 in Berlin gemeldet, unklar ist unter welchen Umständen sie von Tholey nach da umgezogen ist. Von Berlin wird sie jedenfalls am 15. Dezember 1942 mit dem sogenannten AltenTransport I/80 ins Ghetto Theresienstadt deportiert, unter Häftlingsnummer 9986, die Nummer auf der Transportliste ist 17, ihre Berliner Adresse ist mit Gipsstraße 12a im Berliner Stadtteil N4 (Mitte) angegeben. 190 Dokumentation über ehemalige jüdische Einwohner von Tholey 124 Am 23. November 1943 stirbt Emma Beermann in Theresienstadt, sie ist 79 Jahre alt. Auf der Geburtsurkunde wird als Todeszeit angegeben: Zwischen 15.12.1942 und 23.11.1943 in Theresienstadt. Sonderstandesamt Arolsen, Abteilung I Nr. 289/1988 125 Julius Bermann und Familie Julius Bermann emigriert 1939 nach Belgien, von wo aus er am 10./15. Mai 1940 in die Internierungslager Saint Cyprien, Rivesaltes, und Gurs verschleppt wird.191 Die Deportationsliste vom Durchgangslager Drancy weist ihn als Häftling von Rivesaltes aus und zeigt seine Verbringung nach Auschwitz mit dem Transport Nr. 31 am 11. September 1942 an, die Nummer ist 267 auf der Liste. 192 Ob seine Frau Friederike ihn begleitet, ist unklar, sie wird von Gurs aus nach Drancy, und von dort mit Transport Nr. 60 aus Drancy am 7. Oktober 1943 nach Auschwitz verbracht, Nr. 76 auf der entsprechenden Deportationsliste.193 Für beide ist der 7. Oktober 1943 als Todestag angegeben.194 Julius ist 43 Jahre alt, seine Frau Friederike 31 Jahre. Der Verbleib des gemeinsamen Sohnes Manfred ist unbekannt; es lassen sich keine Belege für seine Deportation finden. Er ist aber auf dem Gedenkstein in Tholey genannt: Auf dem jüdischen Friedhof ist nach 1945 ein solcher für die Ermordeten der Synagogengemeinde Tholey errichtet worden. Die Inschrift lautet: "Zum Andenken an die aus hiesiger Gemeinde 1933-1945 Deportierten“ Es folgen die Namen, darunter auch: „Emma Bär geb. Löb, Julius Bär mit Frau und Kind".195 191 192 193 194 195 Gedenkbuch des Bundesarchivs Memorial de la shoa Memorial de la shoa Gedenkbuch des Bundesarchivs Allemannia judaica 126 3.1.3. Eugen Hirsch Eugen Hirsch wird am 12. Dezember 1903 als drittes Kind von Ludwig Hirsch (1868-1917) und Rosalie Hirsch geb. Loeb (siehe Kapitel 3.2.1.) geboren, er hat noch einen älteren Bruder, Ernst (1895-1911), eine ältere Schwester Frieda (siehe Kapitel 3.1.4.), sowie eine jüngere Schwester Olga (siehe Kapitel. 3.2.1.). Die Biografie von Eugen bedarf weiterer Recherche, erst 1943 berichtet eine Kleinanzeige in der New Yorker jüdischen Zeitschrift Aufbau von seiner Heirat mit Jane Roseboom. Offensichtlich konnte Eugen Hirsch also nach New York emigrieren. Eine weitere Anzeige im Aufbau gibt 1951 seinen plötzlichen Tod bekannt: 127 3.1.4. Markus Krämer und Frieda geb. Hirsch, Sohn Helmut Krämer und Tochter Irene Krämer Frieda geb. Hirsch wird am 29. Oktober 1896 als zweites Kind von Ludwig Hirsch (1868-1917) und seiner Frau Rosalie geb. Loeb geboren, sie hat noch einen älteren Bruder, Ernst (1895-1911), einen jüngeren Bruder Eugen (siehe Kapitel 3.1.3.), sowie eine jüngere Schwester Olga (siehe Kapitel 3.2.1.). Frieda heiratet 1919 Markus Krämer und zieht mit ihrem Mann ins benachbarte Reil, dessen jüdische Bewohner zur Gemeinde Enkirch zählen. Am 10. Januar 1921 wird die Tochter Irene geboren, ein Sohn Lothar stirbt bereits nach der Geburt 1923, am 6. August 1925 folgt Sohn Helmut. Markus Krämer ist Kaufmann und wird am 2.5.1894 in Niederflörsheim geboren. Er arbeitet in einem Wormser Kaufhaus, unterbrochen von seinem Kriegsdienst beim Jägerbataillon Nr. 8 als Soldat im 1. Weltkrieg. 1930 zieht die Familie von Reil vorübergehend nach Niederflörsheim, vom 15. Januar bis 20. November 1930, dann nach Worms in die Römerstraße 42. Markus Krämer arbeitet als Kaufmann für Möbel en gros. Am 18. August 1936 zieht die Familie in die Herzogenstraße 22. Nach der Pogromnacht zieht die Familie Anfang 1939 nach Mannheim, GJ 5, und einige Monate später nach H7, Nr. 13. Von dort aus werden sie am 22.10.1940 bei der sogenannten Wagner-Bürckel-Aktion, einer der ersten Deportationen, in das Lager Gurs in Südfrankreich verbracht. Auf der Deportationsliste ist die Familie unter den Nummern 3680 bis 3684 aufgeführt. Sie können aber aus dem Lager Gurs entkommen und sich mit falschen Papieren in Frankreich verstecken. Die Familie überlebt die Verfolgung durch die faschistischen Deutschen. Helmut Krämer kann 1944 als 18- oder 19-Jähriger über Spanien flüchten und emigriert nach Palästina, dort lebt er in Kfar-Aza. Die Eltern folgen ihm nach dem Krieg nach Israel und sterben beide 1965 in Haifa. Die um drei Jahre jüngere Schwester Irene Krämer bleibt in Frankreich, sie heiratet Claude Israel und lebt mit ihm in Dijon. Jenny Mayer geb. Krämer, eine Schwester von Markus Krämer, wird zusammen mit Ihrem Mann David und dem 1926 geborenen Sohn Lothar im März 1942 von Niederflörsheim aus nach Piaski deportiert und dort ermordet.196 196 wwww.wormserjuden.de/Biographien/Kraemer-I.html 128 197 197 Auszug aus dem Verzeichnis der am 22. Oktober 1940 aus Baden ausgewiesenen Juden 129 3.1.5. Sophie Levy geb. Isaack, Tochter Eva und Sohn Kurt Sophie Levy wird am 1. Dezember 1897 in Enkirch als Tochter von Simon Isaak (1841-1908) und seiner zweiten Frau Bertha Oppenheim aus Abterode geboren, sie hat noch eine ältere Halbschwester Bertha Loeb. Sophie heiratet Elias Levy, er ist sehr wahrscheinlich1885 in Könen geboren und ebendort auch 1924 gestorben und begraben, auf dem Grabstein wird er als „Gatte und Vater“ bezeichnet.198 In den Dokumenten wird Sophie Levy 1939 als Witwe geführt. Am 22. Juli 1922 wird Tochter Eva Hilde bei oder in Könen geboren, am 11. Januar 1924 folgt Sohn Kurt. Im gleichen Jahr stirbt Elias Levy. Nach dem 16. September 1939 muss die Familie Könen verlassen und ein sog. Judenhaus in der Zuckerbergstraße 19 in Trier bewohnen, wie die Enkircher Eheleute Sigmund und Emma Loeb (Isaak) (siehe Kapitel. 3.2.4.). Der Auszug der Liste des Finanzamts gibt beschlagnahmtes Mobiliar und ein Sparguthaben bei der Dresdner Bank an: Eva Levy hält sich 1940 in Berlin-Charlottenburg auf, vielleicht hat sie dort als Lehrerin gearbeitet, am 19.2.1940 muss sie anscheinend von Berlin in die Zuckerbergstraße 19 in Trier umziehen. Am 19.September 1940 muss sie wohl nach Stuttgart gehen, kommt aber am 25. Januar 1941 zurück nach Trier.199 Eva Levy versucht aus Deutschland zu emigrieren, es gibt eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vom Arbeitsamt Trier wegen einer Auswanderung, noch am 4. Oktober.1941 fragt sie bei der „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, Abteilung Wanderung“ in Köln nach einem Termin nach, der am 8.10.1941 stattfindet. Sie ist zu diesem Zeitpunkt 19 Jahre alt. 198 Jüdische Friedhöfe zwischen Rhein und Maas, S. 157 199 Trier vergisst nicht 130 131 Kurt Levy gelangt von Trier aus am 8. März 1940 nach Schniebinchen, dort befindet sich ein Ausbildungslager zur Auswanderung nach Palästina200, aber die Emigration gelingt nicht. Am 26. April 1941 kommt er nach Berlin201 und von dort zurück nach Trier. Gemeinsam mit Familie Loeb und anderen Hausbewohnern werden Sophie Levy und ihre beiden Kinder von dort aus am 16. Oktober 1941 nach Luxemburg gebracht, wo sie in der Nacht zum 17. Oktober den Transport ins Ghetto Litzmannstadt besteigen müssen. Dort stirbt Sophie Levy am 14. Juli 1942. Für Eva Hilde Levy sind mehrere Adressen im Ghetto und eine Berufsangabe „Gymnastiklehrerin“ belegt.202 Sie wird am 28. Juni 1944 in Kulmhof ermordet. Kurt Levy bleibt bis zum 4. März 1944 in Litzmannstadt, kommt am 24. März 1944 nach Theresienstadt203, von dort wird er am 27. August 1944 ins KZ Buchenwald verbracht und am 14. September 1944 ins Außenlager Sonneberg transportiert.204 Er hat das Kriegsende und die Befreiung von Buchenwald nicht mehr erlebt, Kurt Levy stirbt im Alter von gerade 20 Jahren. 200 www.mahnmal-trier.de/Koenen.pdf 201 T rier vergisst nicht 202 www.mahnmal-trier.de/Koenen.pdf 203 BArch ZSG 138/86 204 www.mahnmal-trier.de/Koenen.pdf 132 3.1.6. Max Isaak, Greta Isaak geb. Goldschmidt, Söhne Hans Herbert und Helmut Max Isaak wird am 7. Januar 1895 als Sohn von Leo Loeb (Isaak) (1868-1923) und seiner Frau Greta geb. Stern (1867-1928) in Enkirch geboren, er hat einen um ein Jahr jüngeren Bruder Carl Loeb (siehe Kapitel. 3.1.7.). Die Familie wohnt in der Königstraße 112 und 113. Als der Vater stirbt, unterzeichnet Max Isaak die Traueranzeige mit Dr. Max Isaak, er ist also schon Arzt und wohnt wohl auch bereits in Köln. Am 9. März 1928 heiratet er Grete Goldschmidt, die am 21. September 1905 in Düren geboren wurde. Am 27. Juni 1930 wird Sohn Hans Herbert geboren, am 16. November 1935 folgt Sohn Helmut. "Die Eheleute führen auf Grund der Ermächtigung des Preuß. Justizministers seit 16.08.1930 den Familiennamen "Isaak" statt ursprünglich "Loeb"".205 Die Familie wohnt 1928 am Karolingerring 11 in Köln, 1933 ist sie an den Ubierring 7 umgezogen; 1941 ist als Adresse „Köln-Müngersdorf, Baracke“ angegeben.206 Im Adressbuch von Köln 1938 ist als Wohnsitz Ubierring 11 genannt. 205 Namensliste Düren 206 Namensliste Düren 133 134 Am 16. Juni 1942 wird die Familie mit Transport III/1 von Köln ins Ghetto Theresienstadt deportiert, die Listennummern sind 913-916. Die ganze Familie wird am 19. Oktober 1944 mit Transport Es, Nr. 97, nach Auschwitz transportiert und wohl am gleichen Tag ermordet, Hans Herbert ist 14 Jahre, Helmut erst 8 Jahre alt. In Köln, Ubierring 11, sind für Max Isaak, seine Frau Grete geb. Goldschmidt und seine Söhne Hans Herbert und Helmut Stolpersteine zum Gedenken an die Deportation und Ermordung verlegt worden. 135 3.1.7. Carl Loeb und Frau Carl Loeb wird am 23. Februar 1896 als Sohn von Leo Loeb (Isaak) (1868-1923) und seiner Frau Greta geb. Stern (1867-1928) in Enkirch geboren, er hat einen um ein Jahr älteren Bruder Max Isaak (siehe Kapitel 3.1.6.). Die Familie wohnt in der Königstraße 112 und 113. Als der Vater stirbt, unterzeichnet Carl Loeb die Traueranzeige mit Max Isaak, er ist Direktor und wohnt wohl in Mainz. 1927 heiratet Carl Loeb in Dortmund; der Name seiner Frau sowie deren weiterer Lebensweg bedarf weiterer Recherche. Am 16. November 1930 ist Carl Loeb auf einer Wahlliste zur Gründung der liberalen jüdischen Synagogengemeinde mit der Adressangabe Wildenbruch 22 in Gelsenkirchen aufgeführt. Von dort aus wandert Carl Loeb nach Jaffa in Palästina aus, das genaue Datum bedarf weiterer Recherche. 207 207 www.gelsenzentrum.de/wahlliste_juedische_1930.htm 136 3.1.8. Johanna Klinger geb. Loeb, Kinder Eugen, Paula und Lucie Springer mit Ehemann Albert Johanna Klinger wird am 19. April 1884 als Tochter von Isaak Loeb (1830-1909) und dessen Frau Bertha Levi (1850-1931) in Enkirch geboren. Johanna heiratet Sigmund Klinger, der 1878 in Mannheim geboren ist und dort lebt. Am 10. Oktober 1905 wird Sohn Eugen geboren, am 4. Juni 1907 die Tochter Paula, am 15. Juni 1918 Lucie Charlotte Lieselotte. Die Familie wohnt in Mannheim in der Dammstraße 16. Sigmund Klinger verstirbt am 7. April 1936, er ist auf dem Mannheimer Hauptfriedhof begraben. Der Adressbucheintrag von 1938 für Mannheim weist zu Sigmund Klinger „Möbelgeschäft S 2. 6“ aus: (Adressbuch Mannheim 1938, unter Klinger, Sigmund) Um 1940 wohnt Johanna Klinger mit ihrer Tochter Paula in der Werderstraße 55 in Mannheim. Sie waren höchstwahrscheinlich gezwungen, ihre alte Wohnung zu verlassen. Von der Werderstraße aus werden beide im Zuge der Wagner-Bürckel-Deportation nach Gurs verschleppt. Dort kommen sie am 22. Oktober 1940 an. Von Gurs werden sie mit Transport 17 Zug 901-12 am 5. August 1942 Richtung Auschwitz deportiert208, mit Zwischenstation im Übergangslager von Drancy bei 208 Yad Vashem 137 Paris, von wo sie am 10. August 1942 nach Auschwitz überstellt werden, die Listennummer des Transportes sind 688 und 689.209 (Auszug)210 Dort werden Johanna Klinger und ihre Tochter Paula ermordet, Johanna ist 61, ihre Tochter 35 Jahre alt. Eugen Klinger wohnt auch während des Krieges in Mannheim S 2. 6, (Hinterhaus 3. Etage?), eine weitere Anschrift ist Waldhofstraße 47. (Adressbuch Mannheim 1938, unter S 2. 6) Er wird am 17. Feburar 1945 mit Transport XIII/6, Häftlingsnummer 49 von Mannheim nach Theresienstadt deportiert. Da der Transport Juden, die in bestehender Mischehe lebten, unabhängig von bestehenden Arbeitsverhältnissen deportiert, ist dies auch für Eugen anzunehmen.211 Wahrscheinlich musste er bis vor dem Transport in Mannheim Zwangsarbeit leisten, ob er das Möbelgeschäft noch innehatte, ist höchst zweifelhaft. Eugen Klinger überlebt den Holocaust. Nach dem Krieg wohnt er in Römhild in Thüringen.212 209 210 211 212 http://www.memorialdelashoah.org/ Auszug aus dem Verzeichnis der am 22. Oktober 1940 aus Baden ausgewiesenen Juden http://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger.html USHMM 138 Die Tochter Lucie Charlotte Lieselotte heiratet den am 8. Oktober 1907 in Schwetzingen geborenen Albert Aron Springer, die Familie wohnt in Mannheim. Lucie wird am 22 Oktober 1940 zunächst gemeinsam mit ihrem Mann Albert Aron Springer nach Gurs verschleppt, von dort über das Durchgangslager Drancy am 10. August 1942 deportiert, ihre Nummern sind 854 und 855 auf Seite 29 der Liste von Transport N° 17 nach Auschwitz. Das Todesdatum von Lucie Springer geb. Klinger ist der 23. November 1942. Albert Aron Springer ist offiziell für tot erklärt.213 214 Auch zwei Geschwister von Sigmund Klinger, Abraham Albert Klinger, der in der Obermainanlage 28 L in Frankfurt wohnt, und die vor 1938 verwitwete Babette Engel geb. Klinger, wohnhaft in Mannheim G 7 - 5a, sterben in Litzmannstadt bzw. in Auschwitz. 213 Gedenkbuch des Bundesarchivs 214 Yad Vashem, Datenblatt 139 3.1.9. Mina Simon geb. Kahn Mina Simon wird am 25. Mai 1862 als Tochter von Isaak Kahn (1819-1896) und seiner Frau Rebekka geb. Kaan (1822-1871) in Freudenburg an der Saar geboren, Sie hat acht weitere Geschwister.. Als Sie 1889 Emil Simon (1859-1919) heiratet, zieht Sie mit ihrem Ehemann zuerst nach Traben-Trarbach, dann 1890 nach Enkirch. Dort wohnt die Familie im Unterdorf, das Haus ist regelmäßig vom Hochwasser betroffen, das oft bis ins Erdgeschoss steigt.215 1890 wird die Tochter Friederike in Traben-Trarbach geboren (siehe Kapitel 3.1.10), 1891 kommt Sohn Siegfried in Enkirch zur Welt, 1892 Robert und schließlich 1895 Erna Simon (siehe Kapitel 3.1.11). Vielleicht zieht Mina nach dem Tod ihres Mannes zu der ältesten Tochter Friederike, die nach ihrer Heirat 1920 am Wohnort ihres Mannes lebt, Bornheim-Walldorf bei Bonn, nachdem auch die beiden Söhne und die jüngste Tochter das Haus verlassen haben: Ob Sohn Siegfried ähnlich wie sein Bruder Robert nach den USA auswandert, ist unbekannt. Robert scheint 1914 nach Euclid in Ohio ausgewandert zu sein, er wird 1917/18 zur Armee eingezogen, 1924 lässt er sich einbürgern und ist 1930 verheiratet, im November 1951 ist seine Sozialversicherungsnummer in Euclid gelistet. Erna Simon heiratet 1926 und verlässt wohl spätestens zu dieser Zeit Enkirch; ob und wie lange Mina noch alleine in Enkirch lebt, bedarf weiterer Recherche, ihr Wohnort wird vor Köln mit Bornheim angegeben. Dies ist der Wohnort der Familie ihrer Tochter Friederike. Die Familie wird von Bornheim aus ins Lager Hühnernest in Niederbardenberg verschleppt und von dort über Köln deportiert; wie Mina Kahn von der Familie getrennt wird und nach Köln gelangt, bedarf weiterer Recherche. 215 Biografie Kurt Simon 140 1942 jedenfalls wohnt Sie in Köln am Horst-Wessel-Platz 14, dies ist wahrscheinlich ein sog. Judenhaus, in das Sie zwangseingewiesen wurde, von wo aus Sie am 19. September 1942 mit Transport III/5 unter Listennummer 43 ins Ghetto Theresienstadt deportiert wird. Transportliste Köln (Auszug) Mina Simon stirbt am 23. Juli 1944 im Alter von 82 Jahren im Ghetto Theresienstadt. 141 3.1.10. Friederike Schmitz geb. Simon, Leopold Schmitz, Töchter Margot, Lilli und Sohn Emil Friederike wird am 5. März 1890 als Tochter von Emil Simon (1859-1919) und seiner Frau Mina geb. Kahn (siehe Kapitel 3.1.9) in Traben-Trarbach geboren, kurzfristig Wohnsitz der Familie, sie hat drei jüngere Geschwister, Siegfried, Robert und Erna Simon (siehe Kapitel 3.1.11), die in Enkirch geboren sind, wohin die Familie zwischenzeitlich verzogen war. Dort wohnt die Familie im Unterdorf, das Haus ist regelmäßig vom Hochwasser betroffen, das oft bis ins Erdgeschoss steigt.216 Am 1. November 1920 heiratet Sie Leopold Schmitz und zieht in die Geburtstadt ihres Mannes nach Bornheim-Waldorf bei Bonn. Dort wird am 17. Dezember 1921 Tochter Margot geboren, am 9. Juni 1923 folgt Tochter Lilli, am 4. Januar 1925 Sohn Emil Schmitz. Die Familiengeschichte bedarf weiterer Recherchen; bekannt ist erst, dass die gesamte Familie aus dem Lager „Hühnernest“ in Niederbardenberg am 20. Juli 1942 in einem dritten großen Transport von Köln aus direkt ins Vernichtungslager Maly Trostinec deportiert wird. Leopold Schmitz (62 Jahre), Friederike Schmitz geb. Simon (52 Jahre) und ihre Kinder Margot (20 Jahre), Lilli ( 19 Jahre) und Emil (17 Jahre) werden sehr wahrscheinlich direkt nach der Ankunft ermordet. Gedenkblatt Yad Vashem, Ausschnitt 216 Biografie Kurt Simon 142 Gedenkblatt Yad Vashem, Ausschnitt Gedenkblatt Yad Vashem, Ausschnitt 143 Gedenkblatt Yad Vashem, Ausschnitt Gedenkblatt Yad Vashem, Ausschnitt 144 3.1.11. Erna von der Walde, geb. Simon Erna wird am 2. Juli 1895 als Tochter von Emil Simon (1859-1919) und seiner Frau Mina geb. Kahn (siehe Kapitel 3.1.9) geboren, sie hat drei ältere Geschwister, Friederike (siehe Kapitel 3.1.10.), Siegfried und Robert Simon. Dort wohnt die Familie im Unterdorf, das Haus ist regelmäßig vom Hochwasser betroffen, das oft bis ins Erdgeschoss steigt.217 Die Biografie von Erna von der Walde bedarf noch weiterer Recherche. Bekannt ist lediglich, dass Erna 1926 José von der Walde heiratet und dass sie 1953 in Rio de Janeiro einwandert. Wahrscheinlich hat Sie zwei Kinder, Simon von der Walde und Cain Nudelmann. Am 24. April 1956 stirbt Erna von der Walde in Bogota in Kolumbien. 217 Biografie Kurt Simon 145 3.1.12. Paula Wirth geb. Simon, Wilhelm Wirth, Tochter Selma und Familie, Sohn Paul Oskar und Familie Paula Wirth wird am 27. Dezember1878 als drittes Kind von Moritz Simon (18461914) und seiner Frau Jutta geb. Herrmann (1846-1916) in Enkirch geboren. Sie heiratet Hermann Wirth, der am 12. August 1871 in Gemünden im Hunsrück geboren ist, und verzieht dorthin. Dort wird am 3. April 1898 Tochter Selma geboren. Am 26. Juni 1916 folgt der Sohn Paul Oskar. Die Biografie der Familie bedarf weiterer Recherchen. Wahrscheinlich flüchtet die Familie vor der faschistischen Bedrohung nach Argentinien. Aufbau 1946 146 Im November 1946 erreichen sie New York, wo Paula Wirth ihren 75. Geburtstag begeht. Aufbau 1948 Hermann Wirth stirbt 85jährig am 5. Februar 1957 in Chicago, Paula nur einen Monat später am 4. März 1957 ebendort. Die Kinder Selma und Paul Oskar Wirth Tochter Selma Wirth heiratet am 4. Mai 1920 in Gemünden Sally Samuel Aron, geboren am 6. Februar 1892 in Koblenz. Die Familie hat zwei Söhne, Fred Siegfried und Larry Lothar Aron. Die Familie emigriert am 22. Juni 1938 von Rotterdam aus nach New York. Die Mutter von Sally Samuel, Karoline Aron geb. Heilbronn, begleitet die Familie. 147 Karoline Aron geb. Heilbronn stirbt schon am 7. Juli 1940 in Chicago.218 Sally Samuel Aron stirbt am 5. Mai 1964 in Chicago. Selma Wirth stirbt am 1. März 1982 in Los Angeles.219 Wie der Sohn Paul Oskar Wirth in die USA emigriert, bedarf weiterer Rechere. Er scheint nicht mit seinen Eltern aus Argentinien nach New York gekommen zu sein. Er heiratet Ruth Doro Wirth, die beiden bekommen eine Tochter Diane, Paul gründet einen us-weiten Schmuckhandel, die Familie lebt in Beverly Hills. Paul Oskar stirbt am 2. August 2010 in Beverly Hills.220 218 http://www.wikitree.com/wiki/Heilbronn-19 219 Raphael Schoemann‘s family tree 220 Los Angeles Times, 4. Aug. 2010 148 3.1.13. Martha Mayer geb. Simon und Sohn Hans Martha Mayer wird am 1. Mai 1880 als viertes Kind von Moritz Simon (1846-1914) und seiner Frau Jutta geb. Herrmann (1846-1916) in Enkirch geboren. Sie heiratet Peter Mayer (1879-1927), die Familie wohnt in Frankfurt und hat einen Sohn Hans, der 1905 geboren wird. Vater und Sohn gehören der Dreikönigsgemeinde an und sind evangelisch christlich, aber Hans gilt als Mischling 1. Grades. Die Familie wohnt in der Brückenstraße 4, nach dem Tod des Vaters in der Offenbacher Landstraße 43. Aufgrund der sog. Mischehe wird Martha Mayer wohl von den ersten Verfolgungen verschont, aber am 15. März 1943 wird sie in ein „Judenhaus“ in der Ostendstraße 18 zwangseingewiesen und von dort am 8. Januar 19444 ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Am 9. Oktober 1944 wird Sie nach Auschwitz verbracht und dort ermordet. Hans Mayer ist mit einer katholischen Frau verheiratet vom 2. Juni 1943 bis zum 11. April 1945 bzw. 12. Mai 1945 Häftling in Buchenwald, Hans Mayer überlebt und wird befreit, 1946 wird eine Tochter geboren. Ein Stolperstein in der Löherstraße 2 (ehemals Brückenstraße 4) erinnert an die Ermordung von Martha Mayer.221 221 www.stolpersteine-frankfurt.de/downloads/doku2012_WEB.pdf 149 3.1.14. Hedwig Frank geb. Simon, Meier Frank, Töchter Henriette Henny und Gertrud Hedwig Frank wird am 24. August 1893 als sechstes Kind von Moritz Simon (18461914) und seiner Frau Jutta geb. Herrmann (1846-1916) in Enkirch geboren. Sie heiratet Meier Frank, der am 12. März 1885 in Osann/Monzel geboren wurde, wahrscheinlich zieht die Familie nach Trier. Dort wird am 8. Januar 1914 Tochter Henriette Henny geboren. Die Biografie bedarf weiterer Recherchen, auch in Bezug auf die zweite Tochter Gertrud. Die Familie ist gezwungen, in die Zuckerbergstraße 19 in Trier umzuziehen, das gleiche sog. „Judenhaus“, in dem auch Familie Siegfried Loeb (siehe Kapitel 3.2.4.) und Fam. Sophie Levy (siehe Kapitel 3.1.5) wohnen müssen. 222 222 Alemannia judaica, zur Gemeinde Osann 150 Von dort kann die Familie nach Großbritannien emigrieren, am 27. März 1939 Meier Frank nach London und Hedwig Frank nach Oxford, Tochter Henriette Henny gelingt die Emigration über Luxemburg bereits am 15. Oktober 1938, und am 14. April 1939 weiter nach London, vielleicht war der ursprüngliche Plan, weiter in die USA zu übersiedeln. Hedwig Frank geb. Simon stirbt am 21. November 1950 in Aylesbury, Buckinghamshire. Sie ist 67 Jahre alt. Meier Frank stirbt am 2. November 1965 in London als 80-Jähriger. Henriette Henny heiratet Siegfried Müller und stirbt am 26. August 2004 in Bridgewater in Somerset. 151 3.1.15. Berta Liebenstein geb. Loeb und Emil Liebenstein, Sohn Eric und Tochter Ilse Berta Liebenstein geb. Loeb ist die Tochter von Bernhard Isaak (Loeb) und Jeanette Loeb (Isaak) geb. Freudenberger. Sie wird am 3. August 1901 in Enkirch geboren, ein jüngerer Bruder Walter Meyer folgt etwa eineinhalb Jahre später. Die Familie wohnt in der Unterstraße 153. Berta heiratet am 9. Dezember 1921 vor dem Standesbeamten in Enkirch den Viehhändler Emil Liebenstein aus Hüttenheim, geb. am 29. Oktober 1890. Trauzeugen sind der Vater und dessen Bruder Leo Loeb (Isaak), der auch in Enkirch wohnt. Vielleicht zieht die Familie nach Hüttenheim. Noch vor 1924 wird ein Sohn Erick geboren, das Geburtsdatum der Tochter Ilse bedarf weiterer Recherche. Am 4.10.1937 kommt Berta mit ihrem Mann Emil und den zwei Kindern in New York an, denn Tochter Ilse heiratet 1949 in New York, muss also 12 Jahre zuvor bereits geboren sein. Die Einzelheiten der Emigration bedürfen weiterer Recherche. Emil Liebenstein stirbt 1982, Berta Liebenstein 1986. Aufbau, 1982 und 1986 152 3.1.16. Walter Meyer Loeb (Isaak) und Mathilde Loeb geb. Mayer Walter Meyer Loeb ist der Sohn von Bernhard Isaak (Loeb) und Jeanette Loeb (Isaak) geb. Freudenberger. Er wird am 20. Februar 1903 in Enkirch geboren, er hat eine ältere Schwester Bertha. Die Familie wohnt in der Unterstraße 153. Wie lange Walter Meyer in Enkirch lebt, bedarf weiterer Recherche, jedenfalls ist er 1935 in Oberwesel als mit Mathilde (Tilly) geb. Mayer verheiratet gemeldet. Die Adresse ist Simmernerstraße 4c. Von dort aus kann Walter Meyer Loeb (Isaak) gemeinsam mit seiner Frau Mathilde am 25.5.1938 nach Kuba flüchten und weiter am 22. Juli 1938 über Miami in die USA und nach New York reisen, wo er spätestens 1940 im entsprechenden USCensus erfasst ist: Ausschnitt aus dem US-Census 1940 Im Haushalt wohnt auch Walters Mutter, Jeanette Loeb (siehe Kapitel 3.2.3.) 153 Aufbau 1970 Walter Meyer Loeb (Isaak) stirbt 1970 in New York, seine Frau Mathilde 2009 im Alter von 102 Jahren. 154 3.1.17. Hans Loeb (Isaak) Hans Loeb (Isaak) wird am 24. Februar 1905 als zweites Kind von Sigmund Loeb (Isaak) und Emma Loeb geb. Simon in Enkirch geboren, ein zwei Jahre älterer Bruder Kurt stirbt als Sechsjähriger, ein jüngerer Bruder Ewald wird nur eine Woche alt, und 1908 wird die Schwester Alice geboren. Hans macht am Trarbacher Gymnasium sein Abitur. 1929 legt er sein Medizinisches Staatsexamen in Bonn ab. Sein Lebensweg bedarf weiterer Recherche. Hans kann am 10.Oktober 1941 in die Schweiz flüchten, wie aus den Flüchtlingsakten des Schweizer Archivs für Zeitgeschichte hervorgeht, dort verbleibt er wohl bis zum 8. Oktober 1947. Da ist er 42 Jahre alt. Ob er nach Deutschland zurückkehrt, in der Schweiz bleibt oder emigriert, bedarf weiterer Recherche. 155 3.1.18. Alice Loeb (Isaak) Alice Loeb (Isaak) wird am 27. September 1908 als jüngste Tochter von Sigmund Loeb (Isaak) und Emma Loeb geb. Simon in Enkirch geboren, der älteste Bruder stirbt 1909 im Alter von sechs Jahren, das dritte Kind, Ewald, stirbt bereits eine Woche nach der Geburt. Der gesamte Lebensweg von Alice bedarf weiterer Recherche. Sie ist wahrscheinlich vor 1933 aus Enkirch verzogen. Ob und wie sie der Verfolgung durch die Nationalsozialisten entgehen konnte, ist ungewiss. Es lässt sich kein eindeutiger Nachweis zuordnen, der ihre Ermordung bescheinigt, aber auch keiner, der Auskunft über ihren Verbleib gibt. 156 3.1.19. Alfred Allmeier, dessen Ehefrau Johanna geb. Kahn, Kinder Ruth und Edgar Allmeier Paulina Allmeier geb. Simon ist die Tochter von Joseph Simon und Juliane Therese Marx, sie ist am 28. Juli 1850 in Enkirch geboren und heiratet den 1852 geborenen Marx Allmeier, die Familie lebt in Mülheim/Mosel, dort wird der Sohn Alfred Allmeier am 30. April 1878 in Mülheim geboren. Johanna Allmeier geb. Kahn 223 Während Marx Allmeier 1927 in Mülheim/Mosel verstirbt, und auch Paulina bereits am 30. März 1907 ebendort gestorben und beerdigt ist, wird der Sohn Alfred mit seiner Frau Johanna geb. Kahn, die 1881 in Wöllstein geboren wurde, von Köln aus deportiert, beide sterben im Ghetto in Riga, während die beiden Kinder, und damit die Enkel von Paulina Allmeier geb. Simon, Ruth und Edgar Allmeier, nach USA flüchten können. Alfred Allmeier hat ein Konfektions- und Lebensmittelgeschäft und eine Weinhandlung in Mülheim. Sein Geschäft ist vom Boykott durch die Nationalsozialisten betroffen, so dass er am 26.7.1934 eine Eingabe an den Regierungspräsidenten in Trier richtet: 223 www.geni.com/people/Johanna-Allmeier/6000000033835772619 157 Eingabe des Juden Alfred Allmeier aus Mülheim/Mosel an den Regierungspräsidenten zu Trier mit der Bitte um Abhilfe gegen die Boykotthetze der HJ. - 26. Juli 1934, Mülheim/Mosel. Ausfertigung. StA Koblenz Best. 442 Nr. 16804 S. 39 Wir hiesigen jüdischen Geschäftsleute müssen uns heute Beschwerde führend an Sie, Herrn Regierungspräsidenten, wenden. Hier wird in jeder Zusammenkunft der HJ, BDM, Jungvolk usw. die Parole ausgegeben „Kauft nicht bei Juden, nich in und nicht ohne Uniform“. Soviel mir bekannt ist, ist doch vom Wirtschaftsministerium der strenge Befehl ausgegangen, nicht in die Wirtschaft einzugreifen. Nebenbei bemerkt, sind hier drei jüdische Kolonialwarengeschäfte und zwei Metzgereien, alle waren im Felde (!), von zwei Inhabern ist je ein Sohn gefallen, einer davon war Kriegsfreiwilliger. Ich selbst war viereinhalb Jahre während dem Kriege eingezogen, drei Jahre davon als Fronstsoldat, Infanterist. Dies war zu einer Zeit, als diejenigen, die heute hier den Boykott gegen uns predigen, noch nicht auf der Welt waren. Ich frage nun hierdurch höflichst an, ob diese Maßnahmen erlaubt sind und ob das Vaterland dies billigt. Ich war bis zum letzten Tage draußen und habe meine Pflicht voll und ganz wie jeder andere erfüllt. Wir bitten den Herrn Regierungspräsidenten, hier Abhilfe zu schaffen. Der Landrat von Bernkastel bitten den Bürgermeister von Mülheim/Mosel um Bericht in dieser Angelegenheit. - 10. August, 1934, Bernkastel-Kues. - I. 3984; gez. … Ausfertigung. Ebd. S. 41 In der Anlage übersende ich, gegen Rückgabe, eine Verfügung des Herrn Regierungspräsidenten in Trier vom 4. dieses Monats betreffend Beschwerde des Alfred Allmeier in Mülheim vom 26. vorigen Monats. Ich bitte um Bericht zu dem Sachverhalt bis zum 14. dieses Monats, bestimmt. Ich bitte, dabei insbesondere zu prüfen, ob die Weisungen, nicht bei Juden zu kaufen, öffentlich oder aber – wie aus der Eingabe entnommen werden kann – in einer geschlossenen innerparteilichen Zusammenkunft der HJ pp. gegeben worden sind. Falls Letzteres der Fall sein sollte, dürfte ein Verstoß gegen die bekannten Weisungen des Herrn Reichsminister nicht vorliegen, da lediglich Boykottmaßnahmen, d. h. In der Öffentlichkeit in Erscheinung tretende Maßnahmen, verboten sind. 158 Bericht des Bürgermeister von Mülheim/Mosel an den Landrat von Bernkastel. 14. August 1934, Mülheim/Mosel. Ausfertigung Ebd. S. 42 Ich habe nicht feststellen können, daß jemals hier in der Öffentlichkeit zu einem Juden-Boykott aufgefordert worden ist. Die jüdischen Geschäfte gehen nach wie vor sehr gut; zu einer Beschwerde liegt keinerlei Anlaß vor. Wenn Mülheimer Juden sich aber erdreisten, das, was ihnen etwa von unverantwortlichen Elementen aus Dienst- oder Mitgliederversammlungen der NS-Gliederungen zugetragen wird, zum Gegenstand einer Eingabe zu machen und damit beabsichtigen, ein NS-Erziehungswerk zu stören, so ist dies Vorgehen für die Unverfrorenheit der hier ansässigen Juden bezeichnend. Ich bitte zu veranlassen, daß der Alfrd Allmeier darüber vernommen wird, woher er seine Informationen hat. 224 Die Beschwerde läuft nicht nur bürokratisch ins Leere, sondern der Landrat weist bereits auf, wie die Eingabe widerlegt werden kann, und der Bürgermeister in seinem Zynismus unterstellt gar Alfred Allmeier antifaschistische Agitation und schlägt vor, ihn zu verhören. Ruth ist um 1910 geboren, Edgar vielleicht etwas jünger. Die beiden sind Mitglieder des Jüdischen Jugendbundes, und sie emigrieren noch vor der Pogromnacht in die Vereinigten Staaten. Die Passagierliste weist für Ruth April 1936 als Einreisedatum aus. Ausschnitt Passagierliste vom 29. April 1936 Cherbourg nach New York 224 Natioanlsozialismus im Alltag, 1983 159 In der Nacht des 9. November 1938 wird auch das Wohnhaus von Alfred und Johanna Allmeier von SA-Männern überfallen und verwüstet, Möbel werden aus dem Fenster geworfen. Zwei Monate später, am 14.1.1939, ziehen Alfred und seine Frau nach Köln, die Adresse ist Salierring 47, später Lothringer Str. 39. Am 7.12.1941 werden sie nach Riga transportiert, nach Aussagen einer Bekannten wird Alfred vergast, während Johanna Freitod verübt. 225 Ruth und Edgar (über-)leben in den USA.226 225 www.geni.com/people/Ruth-Allmeier/6000000033836375968 226 www.alemannia-judaica.de/images/Images%20400/Muelheim%20Mosel%20Sachor%201-2000.pdf 160 3.2. jüdische Enkircher, die nach 1933 in Enkirch wohnen Abschrift: Amtsverwaltung Enkirch Kreis: Zell/Mosel Verzeichnis der im Amtsbezirk Enkirch wohnhaften jüdischen Personen Stand 1.1.1933 Aufgestellt: Enkirch/Mosel, den. 21. März 1962 Amtsverwaltung Enkirch An den Internationalen Suchdienst Arolsen Betr.: Unterstützung der Arbeiten von „Yad Washen“ Bezug: Runderlaß des Ministeriums des Innern von Rheinland/Pfalz vom 29.12.1960 MBI.Sp. 13 u. 73 Unter Bezugnahme auf vorstehenden Runderlaß übersenden wir umstehende Aufstellung. 161 Lfd. Nr. Name Vorname Geb.Tag Geb. Ort Früherer Wohnhort Verzogen am Verzogen nach B . 1 LOEB Hermann 10.3.75 Enkirch Enkirch 382 4.3. 1940 Köln, Brüsselerstr. 89/III 2 LOEB geb. Isaak Kathinka 31.8.76 Enkirch Enkirch 382 4.3. 1940 dto. 3 LOEB Gerda 25.7.07 Enkirch Enkirch 382 4.3. 1940 dto. 4 LOEB geb. Freudenberger Jeanette 24.2.69 Heßdorf Enkirch 149 14.12. Wesel 1937 5 LOEB Siegmund 16.3.78 Enkirch Enkirch 125 17.4. 1939 Trier 6 LOEB geb. Simon Emma 15.3.80 Enkirch Enkirch 125 17.4. 1939 Trier 7 SIMON Gottfried 15.7.69 Enkirch Enkirch 347 18.6. 1937 South-Bend, Nord-Amerika 8 SIMON geb. Johanna Herrmann 17.3.83 Oberemmel Enkirch 347 18.6. 1937 dto. 9 SIMON Gisela 25.12.16 Enkirch Enkirch 347 18.6. 1937 dto. 10 SIMON Isaak 3.3.72 Enkirch Enkirch 347 18.6. 1937 dto. 11 HIRSCH geb. Loeb Rosalie 22.3.70 Enkirch Enkirch 447 25.4. 1933 Merschweiler 12 HIRSCH Olga 8.7.07 Enkirch Enkirch 447 18.3. 1933 dto. Heute sind keine jüdischen Familien bezw. Personen im Amtsbezirk ENKIRCH wohnhaft. 227 [der Geburtsname unter 2. Isaak statt Israel ist falsch angegeben. Es fehlt Johanna (geb.) Simon, Schwester von Gottfried und Isaak, die erst im März 1933 in Enkirch verstorben ist. Merchweiler unter 11. schreibt sich nur mit ch statt sch.] 227 BArch ZSG 138/45 162 3.2.1. Rosalie Hirsch und Tochter Olga Levy, ihr Mann Albert Levy und Sohn Kurt Rosalie Hirsch geb. Loeb Rosalie Loeb (Isaak) wird am 22. März 1870 in Enkirch geboren, Ihre Eltern sind Michael Isaak (1838-1892) und Johanetta geb. Kahn (1838-1927). 228 Rosalie hat sechs Geschwister, der älteste Bruder Gustav ist 1867 geboren, stirbt aber im gleichen Jahr. Ein weiterer älterer Bruder, Leo Loeb (Isaak), wird 1868 geboren, er stirbt 1923 in Enkirch. Ein jüngerer Bruder, Bernhard Isaak, wird am 22 November 1871 geboren, er stirbt 1924 in Enkirch. Der Bruder Hermann Loeb (Isaak) wird am 10. März 1875 geboren, er stirbt nach der Deportation nach Litzmannstadt im Vernichtungslager Chelmno (siehe Kapitel 3.2.5). Sigmund Loeb (Isaak) wird am 16. März 1878 geboren, er muss in ein Judenhaus nach Trier umziehen, wird von dort aus nach Litzmannstadt deportiert, und stirbt ebenso wie sein Bruder Hermann im Vernichtungslager Chelmno (siehe Kapitel 3.2.4). Das jüngste Geschwister stirbt nur zwei Tage nach der Geburt im Juli 1882. Die Familie wohnt in der (Talstraße) Nr. 152. 228 Yad Vashem 163 Am 11. März 1895 heiratet Rosalie den am 4.6.1868 in Treis geborenen Handelsmann Ludwig Hirsch, der am 21.August 1917 in Enkirch verstirbt und auf dem Enkircher jüdischen Friedhof beerdigt wird. Das Ehepaar hat vier Kinder, der älteste, Ernst, wird 1895 geboren und verstirbt bereits 1911. Tochter Frieda wird 1896 geboren (siehe Kapitel 3.1.4), Eugen Hirsch folgt 1903 (siehe Kapitel 3.1.3.), die jüngste Tochter Olga wird am 8. Juli 1907 geboren und lebt 1933 bei ihrer Mutter in Enkirch, die Adresse ist Hausnr. 447229 im ehemaligen Wohnhaus der Großmutter Johanette geb. Kahn in der Wolfsstraße (die vielleicht nach dem Tod ihres Mannes 1892 dorthin umgezogen war). Am 25. April 1933 verzieht Rosalie Hirsch nach Merchweiler, gemeinsam mit Tochter Olga, die dort heiratet. 230 229 BArch ZSG 138/86 230 Auszug aus dem Verzeichnis der am 22. Oktober 1940 aus Baden ausgewiesenen Juden. 164 Als Olga mit ihrem Mann 1935 emigriert, verzieht Rosalie Hirsch zu ihrer älteren Tochter Frieda Krämer nach Mannheim.231 Allerdings weicht die Adresse „Collinistraße 53“ von der der Familie der Tochter ab. In der Liste wird Rosa unter der Nummer 3433 verzeichnet, als Geburtsdatum ist statt dem 22. der 20. März 1870 angegeben, zudem ist hier der zweite Zwangsvorname „Sara“ dokumentiert. Von Mannheim aus wird Rosalie Hirsch im Zuge der sog. Wagner-Bürckel-Aktion am 22. Oktober 1940 in das Lager Gurs in Südfrankreich deportiert. Danach wird sie wohl in das Nebenlager Lannemezan verbracht, wo sie am 8. oder am 14.1.1941 im alter von 70 Jahren verstirbt. Ein Grabstein auf dem Enkircher jüdischen Friedhof erinnert an ihr Schicksal. Ludwig Hirsch * 4.5.1869 † 18.8.1917 Rosalie Hirsch geb. Loeb *22.3.1870 † 14.1.1941 Im Gedenken an unsere unvergeßliche Mama und Großmutter, im Oktober 1940 von den Nazis von Mannheim zum Lager Gurs (Frankreich) deportiert, im Januar 1941 im Lager gestorben. 231 Geschicke der Merchweiler Juden 165 Tochter Olga Levy geb. Hirsch, Alfred Levy, Sohn Kurt Olga geb. Hirsch wird am 8. Juli 1907 in Enkrich geboren, sie wohnt bis 1933 mit ihrer Mutter in der Wolfsstraße 447 in Enkirch. Im gleichen Jahr heiratet sie Alfred Levy aus Merchweiler und zieht mit der Mutter nach Merchweiler. Am 17. August 1934 wird ein Sohn Kurt geboren. Die Familie wohnt vom 28. März 1933 bis zum 28. November 1935 in Merchweiler und emigriert dann nach Forbach, Olgas Mutter Rosalie zieht zur Familie von Olgas älterer Schwester Friederike Krämer. Bei Kriegsbeginn flüchtet Olga mit Familie nach Montmoreau (Charente) und weiter nach St. Amand (Cher). Alfred Levy kämpft in der französichen Armee gegen die deutsche Wehrmacht. Er stirbt als Soldat am 11. Juni 1940 in Rixensart in Belgien. Nach dem Krieg kehrt Olga mit ihrem Sohn zurück nach Forbach.232 1949 erstattet sie eine Restitutionsklage. 233 Sie unterzeichnet 1951 in der in New York erscheinenden jüdischen Zeitschrift Aufbau die Todesanzeige für ihren Bruder Eugen (siehe Kapitel 3.1.3.). Eine Randbemerkung auf ihrer Geburtsurkunde zeigt für das Jahr 1954 im Alter von 46 oder 47 Jahren eine zweite Heirat in Forbach an, wie der Ehemann heißt sowie der weitere Lebensweg von Olga Hirsch bedarf weiterer Recherche. 232 Geschicke der Merchweiler Juden 233 www.hfrg.de/index.php?id=572 166 Alfred Levy ist am 15. September 1904 in Merchweiler geboren, seine Eltern sind Salomon Levy (16. März 1876, † Auschwitz) und seine Frau Elma geb. Schlachter (13. November 1878, † Monmoerau). Er hat zwei Geschwister, Helene Raber geb. Levy (21. März 1909) und Walter Levy (25. Juni 1912, † 17 Mai 1940). Die Familie Levy flüchtet zunächst nach Forbach, Walter arbeitet dort als Metzger. 1939 werden sie nach Montmoreau verschickt, wo die Mutter Elma geb. Schlachter an einem Herzleiden stirbt. Alfred Levy und sein Bruder Walter treten in die französische Armee ein, Alfred stirbt am 11.September 1940 in Belgien, Bruder Walter fällt bereits am 17. Mai 1940 und ist auf dem französischen Soldatenfriedhof Haubourdin bei Lille bestattet. Der Vater, Salomon Levy, war ebenfalls nach Frankreich geflüchtet und versucht 1942, zu seiner Schwiegertochter Olga nach Monmoreau zu gelangen. Er wird aber von der Gestapo verhaftet. Er wird am 10. Februar 1944 mit Transport N° 68 unter Listennummer 863, Häftlingsnummer 13747, über Drancy nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Ob Tochter Helene Levy, die mit Albert Raber verheiratet ist und eine 1936 geborene Tochter Ruth verh. Lapré hat, auch nach Frankreich flüchtet, bedarf weiterer Recherche. Sie ist in Mellin inhaftiert, in der dortigen Grube (Steinkohlebergwerk) bei Sulzbach existiert ein Arbeitserziehungslager bzw. ein Lager für polnische oder russische Zwangsarbeiter, am 5. März 1945 wird sie von dort nach Theresienstadt überstellt, kann aber die letzten Kriegswochen überleben und kehrt im Juli 1945 zurück. Der Sohn von Alfred und Olga Levy, Kurt Levy, geboren 17. August 1934 in Merchweiler, emigriert mit den Eltern nach Frankreich und lebt wohl bei der Mutter in Montmoreau (Charente) und St. Amand (Cher). Er überlebt Krieg und Verfolgung. 234 234 Geschicke der Merchweiler Juden 167 3.2.2. Gottfried Simon, Johanna Simon geb. Hermann, Tochter Gisela, Sohn Kurt, und Isaak Simon Die Familie Gottfried Simon emigriert am 18. Juni 1937 nach South Bend in den USA. Neben Gottfrieds Ehefrau Johanna geb. Hermann, die um 1883 in Oberemmel geboren wird, und der Tochter Gisela, geboren am 25. Dezember 1916, reist auch der blinde Bruder von Gottfried, Isaak Simon, geboren am 3. März 1872, mit aus. Der mit im Haushalt wohnende Bruder Hermann war bereits 1924 verstorben, die Schwester Johanna Simon lebte bis zu ihrem Tod 1933 im Haus, die Adresse ist (Backhausstraße) 347, nach der Erinnerung von Kurt Simon, des älteren Sohnes von Gottfried Simon, wohnte die Familie aber in der Priesterstraße Hausnr. 321. Kurt Simon war bereits am 4. März 1930 zu seinem Onkel Charles Sigmund Simon nach South Bend gezogen, und rettet 1937 seine Familie vor dem Faschismus in Deutschland, wie in seiner Biografie nachzulesen ist, aus der die folgenden Ausführungen entnommen sind.235 Kurt Simon wird am 22. September 1913 geboren und geht von 1918-23 in die Enkircher Grundschule, in der gleichen Straße, in der sein Geburtshaus steht. Danach wechselt er zum Gymnasium nach Traben-Trarbach, wohin er die ersten Jahre zu Fuß laufen muss. 235 Biografie Kurt Simon 168 Sein Vater und dessen zwei blinde Brüder Hermann und Isaak betreiben ein Seilmacher-Gewerbe und verkaufen ihre Produkte auch selbst. Auf einem fast fußballfeldgroßen Gelände stellen sie mithilfe spezieller hölzerner Gestelle236 Stricke und Taue her. Diese sog. Seilerbahn liegt an dem Pfad, der von der katholischen Kirche abzweigend nach Starkenburg führt und von dieser den Namen „Seilerpfad“ erhalten hat.237 Kurt ist nach der Schule oft in Traben-Trarbach mit seinem Onkel Isaak unterwegs, um die selbstgemachten Hanfseile zu verkaufen. 1929 beendet er die Schule, und folgt einem Onkel, Sigmund Simon, der mit seinem Bruder Benjamin nach den USA ausgewandert war (die beiden nannten sich dort in Charles und William um), um dort ein Studium zu absolvieren und in den Lebensmittelhandel der Brüder einzusteigen. Zunehmend besorgt über die Nachrichten von seiner Familie und über die Lage in Hitler-Deutschland, drängt Kurt seine Familie, Enkirch zu verlassen und zu ihm nach South Bend in den USA zu emigrieren, wo er ihnen ein Leben in Freiheit und Würde ermöglichen kann, da das Geschäft der Simons auch durch Kurts Mitwirken aufblüht. Die Familie entscheidet sich endlich 1937 zur Ausreise, am 4. Juli 1937 kommen Gottfried Simon, seine Frau Johana geb. Hermann, sein Bruder Isaak und seine Tochter Gisela in New York an, wo Kurt sie empfängt und nach South Bend begleitet. Im Oktober 1937 stirbt Kurts Onkel Charles Sigmund Simon. 1942 heiratet Kurt Tessye Dounn, 1947 adoptieren sie einen Sohn Robert, der 1990 stirbt. Godfrey Simon, Kurts Vater, stirbt im Mai 1964 mit 94 Jahren. Im Oktober 2008 besucht Kurt Simon anlässlich eines Urlaubs in Deutschland für einen Tag Enkirch. Er wird vom Bürgermeister empfangen, und er besucht sein Geburtshaus, das er mithilfe einer Enkircherin, die ihn auf der Straße erkennt, findet. Er besichtigt die ehemalige Synagoge in der Backhausstraße sowie den jüdischen Friedhof, anschließend das Trarbacher Gymnasium. Kurt Simon stirbt 2013 in South Bend. Er wird 99 Jahre alt. Seine Schwester Gisela (Gizelle), verheiratete Bennett, war bereits 2007 verstorben. 236 Biografie Kurt Simon, S. 14 237 Anchiriacum-Enkirch 169 Das Grab von Kurt Simon und seiner Frau Tessye Simon befindet sich auf dem Hebrew Orthodox Cemetery Mishawaka St. Joseph County Indiana, USA 238 238 http://www.findagrave.com/cgi-bin/fg.cgi?page=gr&GRid=104024111 170 3.2.3. Jeanette Loeb geb. Freudenberger Jeanette Loeb (Isaak) wird am 24. Februar 1869 in Heßdorf geboren, die Eltern sind Judas Freudenberger und Babette geb. Stern. Sie ist das dritte von neun Geschwistern, zudem gibt es zwei Halbgeschwister aus der zweiten Ehe des Vaters. Nach der Hochzeit mit dem 1871 geborenen Geschäftsmann Bernhard Isaak lebt sie in Enkirch, wo 1901 die Tochter Berta geboren wird, 1903 folgt Sohn Walter Meyer. Die Familie wohnt 1924 in der Unterstraße 153 und betreibt vielleicht im Erdgeschoss einen Tabakwaren- oder Kolonialwaren-Laden. Am 22. März 1924 stirbt Jeanettes Ehemann Bernhard Isaak und wird auf dem jüdischen Friedhof in Enkirch beerdigt239. Tr.-Tr. Ztg. 1924 Jeanette gehört zu dem Familienzweig, der ab 1927 den Nachnamen von Isaak zu Loeb wechselt. 239 Merischonim loacharonim 171 In einer Werbeanzeige in der Enkircher Zeitung von 1930 werden unter dem Namen „Bernhard Loeb Ww., Enkirch“ „Cigarren - Cigaretten - en gros - en detail“ angeboten. Tr.-Tr. Ztg. 2.8.1930 Jeanette ist spätestens 1933 mit Adresse Unterstrasse/Adolf-Hitler-Strasse 149 gemeldet240. Am 14. Dezember 1937 verzieht Jeanette Loeb nach Wesel (vielleicht Oberwesel, wo ihr Sohn mit Frau lebt)241, wahrscheinlich eine Zwischenstation zur Ausreise in die USA, am 1.1.1938 emigriert Sie nach New York. Ob Sie mit Hilfe von Geschwistern, der Tochter oder des Sohnes die Einreise ermöglichen konnte, bedarf weiterer Recherche. Jedenfalls teilt Sie 1940 in Manhattan gemeinsam mit ihrem Sohn und dessen Ehefrau eine Wohnung242. Zum 24.2.1949 erscheint in der New Yorker jüdischen Zeitschrift Aufbau eine Glückwunsch-Anzeige zum 80. Geburtstag von Jeanette Loeb: 240 BArch ZSG 138/45 241 BArch ZSG 138/45 242 US-census 172 Aufbau, 1949 Am 29. November 1966 stirbt Jeanette Loeb, wie die Todesanzeige, ebenfalls in der Zeitschrift Aufbau vermeldet. Unterzeichnet ist sie von Walter und Tillie Loeb, Emil und Berta Liebenstein, und den Halbgeschwistern Richard (mit Ehefrau Paula) Freudenberger und Josef (mit Ehefrau Jenny) Freudenberger (deren Sohn Herbert ein bekannter und sozial engagierter Psychologe wird), sowie Enkelkindern und Urenkeln. Aufbau 1966 173 3.2.4. Sigmund Loeb (Isaak) und Emma Loeb (Isaak), geb. Simon Sigmund Loeb (Isaak) wird am 16. März 1878 als vorletztes Kind von Michael Loeb und dessen Frau Johanetta geb. Kahn in Enkirch geboren. Am 27. November 1902 heiratet er Emma Simon. Emma ist ebenfalls in Enkirch am 15. März 1880 als Tochter von Auguste Simon (1848-1920) geboren, welche wohl bereits ein Bekleidungsgeschäft in der Unterstraße 125 betreibt. Die Wohnung ist vermutlich im gleichen Haus. 1903 wird der erste Sohn Kurt geboren, der aber bereits 1909 stirbt. 1905 folgt Sohn Hans. Ein weiterer Sohn, Ewald, wird 1906 geboren, stirbt aber schon nach einer Woche. Als letzte kommt 1908 Tochter Alice zur Welt. Sigmund und Emma betreiben das Bekleidungsgeschäft von Emmas Mutter in der Unterstraße 125 mit dem Namen A. Simon Nachf. Bis zum Jahr 1932 erscheinen regelmäßig Werbeanzeigen in der Traben-Trarbacher Zeitung: Tr.-Tr. Ztg., Dez.1928 174 Sigmund und seine Frau Emma nehmen die ab August 1938 zwangsweise verordneten zweiten Vornamen „Israel“ bzw. „Sara“ an. In den Standesamtsurkunden wird folgender handschriftlicher Vermerk angefügt: Der Nebenbezeichnete hat auf Grund der Anordnung des Reichsministers des Innern vom 17.8.1938 durch Erklärung vom 9. Dezember 1938 zu seinem nebenbezeichneten Vornamen Siegmund zusätzlich den weiteren Vornamen – Israel angenommen. Traben-Trarbach, den 9. Dezember 1938 der Standesbeamte In Vertretung: (Unterschrift des Standesbeamten) 1945 wird der Randvermerk durchgestrichen und ein neuer Randvermerk darunter angefügt: „Ungültig!“ Verfügung des Landrats -Standesamtsaufsicht- in Zell/Mosel vom 12. Juli 1945 Tgb. Nr. 257W. Traben-Trarbach, den 16. Juli 1945 Der Standesbeamte In Vertretung (Unterschrift des Standesbeamten) In der Zwischenzeit war das Geschäft der beiden von der Pogromnacht am 9.11.1938 betroffen, es werden die Scheiben eingeschlagen, was darüber hinaus geschieht, bedarf weiterer Recherche. Wenig später ist die Familie gezwungen, den Laden sowie das Wohnhaus zu verkaufen. Am 16. oder 17. April 1939 ist Sigmund Loeb (Isaak) gezwungen, in ein sog. Judenhaus nach Trier, Zuckerbergstrasse 19, zu verziehen, seine Frau folgt ein oder zwei Tage später. Das Geschäft wird bereits im Mai 1939 „arisiert“ und wiedereröffnet, wie eine Annonce verrät: 175 Tr.-Tr. Ztg. 6.5.1939 Am 16.Oktober 1941 werden die beiden von Trier aus zuerst nach Luxemburg verbracht und in der Nacht auf den 17. Oktober mit einem der ersten „systematisch“ organisierten Bahntransporte ins Ghetto Litzmannstadt deportiert, die Nummern auf der entsprechenden Deportationsliste sind 439 bzw. 440. In den Unterlagen des Trierer Finanzamt sind sie wie folgt vermerkt: 176 In Litzmannstadt ist ein Brief und ein ärztliches Attest erhalten243, das Sigmund Loeb (Isaak) sich noch zwei Tage vor der Deportation, am 14. Oktober ausstellen lässt. Wie daraus hervorgeht, erleidet er bereits im Frühjahr 1941 einen Gehirnschlag, in dessen Folge sein linkes Bein und sein linker Arm gelähmt sind. Höchstwahrscheinlich treffen Sigmund Loeb (Isaak) und seine Frau im Ghetto den nur ein paar Tage später nach dort von Köln aus deportierten Bruder Hermann Loeb (Isaak) mit seiner Frau Kathinka und deren Schwester Mathilde Israel, deren Adresse vermutlich im Nachbarhaus Talstraße 11 Zimmer 23 ist. In seinem Brief am 8.5.1942 an die Aussiedlungskommission bittet er aufgrund dieser Krankheit, von der bevorstehenden „Ausweisung“ aus dem Ghetto abzusehen. Das Gesuch wird abgelehnt. Der Brief lautet: Sigmund Loeb v.8.5.1942 Talweg 12/13 Aufgrund dieses ärztlichen Attestes bitte ich die Ausweisung von mir und meiner Frau vorläufig zurückstellen zu wollen, da ich infolge meiner körperlichen Gebrechen meistenteis das Bett hüten muß. - Ein weiteres Attest von meinem hiesigen Arzt werde ich im Laufe des Tages beibringen.- Ich bitte eine ärztliche Kommission nach meiner Wohnung Talweg 12-Zimmer 13 entsenden zu wollen. Ergebenst Sigmund Loeb 243 Überlebenskampf jüdischer Deportierter 177 Er wird mit seiner Frau wohl noch im Mai 1942 ins Vernichtungslager Chelmno deportiert und dort höchstwahrscheinlich direkt nach der Ankunft ermordet. 178 3.2.5. Hermann Loeb (Isaak) und Kathinka Loeb geb. Israel, Tochter Gerda Loeb (Isaak) und Kathinkas Schwester Mathilde Israel Hermann Loeb (Isaak) wird am 1. März 1875 als fünftes Kind von Michael Isaak und dessen Frau Johanetta geb. Kahn in Enkirch geboren. Er heiratet am 7.9.1900 Kathinka Israel, geboren am 31. August 1876 in Schweich bei Trier, das Ehepaar lebt in Enkirch und hat vier Kinder: 1901 wird Tochter Therese geboren, die allerdings im zweiten Lebensmonat stirbt. 1903 wird Tochter Ida geboren, sie verstirbt 1917 im Alter von 14 Jahren und ist auf dem Enkircher jüdischen Friedhof bestattet. Auch die dritte Tochter, Meta, geboren 1904, stirbt bereits 1907. 1907 wird die vierte Tochter Gerda geboren. Hermann ist Zigarrenfabrikant, die Adresse ist (1933) Hausnr. 382.244 Diese Adresse ist eigentlich in der Oberstraße, heute Sponheimer Straße, an der Viehport Richtung Ortsausgang. Sehr wahrscheinlich betreibt die Familie aber auch das kleine (Lebensmittel-) Geschäft Unterstraße Ecke Bergstraße, heute Zum Herrenberg Ecke Weingasse. Hermann gehört zu dem Familienzweig, der sich 1927 von Isaak in Loeb umbenennt, wie auf der Geburtsurkunde als Randvermerk verzeichnet ist. Jedenfalls ist dieses Geschäft vom Pogrom am 9.11.1938 betroffen, die Scheiben werden eingeschlagen, der Inhaber und seine Frau sind am nächsten Tag gezwungen, selbst die Scherben auf der Straße zu beseitigen. Diese Inhaber sind vermutlich Hermann Loeb (Isaak) und seine Frau Kathinka, sowie Tochter Gerda, die im Haushalt der Eltern wohnt. Am 3. April 1940 müssen Hermann Loeb (Isaak), seine Frau Kathinka und die Tochter Gerda Enkirch verlassen und nach Köln verziehen, dort ist ihre Adresse Brüsseler Straße 89/III. Es handelt sich dabei vermutlich um ein Haus, in das jüdische Menschen zwangsumgesiedelt werden, ein sog. Judenhaus, was eine Vorstufe der Deportationen darstellt und neben der Ausgrenzung eine besseren Kontrolle und einen schnelleren Zugriff der Behörden gewährleistet. Jedenfalls lassen die Namen der meisten Hausbewohner eine jüdische Familientradition als möglich erscheinen. 244 BArch ZSG 138/45BArch ZSG 138/45 179 Löb Herm. Isr. Auszug aus dem Adressbuch Köln von 1941/42, unter dem Straßennamen Brüsseler Str. die Hausnummer 89 (rechte Spalte) Bei der Deportation ist allerdings als Adresse Eburonenstraße angegeben245, so dass die Familie wohl noch einmal umzuziehen gezwungen ist. Am 22. Oktober 1941 erfolgt die Deportation mit dem „8. Transport" gezählt seit Beginn der Herbstdeportationen, ins Ghetto Litzmannstadt. Die Transportlisten-Nummer von Hermann Loeb (Isaak) ist 395, da er die dreifache Summe für den Transport bezahlen muss (300,- für 3 ), ist anzunehmen, dass seine Frau Kathinka und seine Tochter Gerda unter gleicher Nummer miterfasst sind. Zudem wird die Schwester von Kathinka, Mathilde Israel, unter Nr. 394 aufgelistet: 245 Überlebenskampf jüdischer Deportierter 180 Nr. 394 Israel, Sara Mathilde Sara Nr. 395 Löb Hermann Isr. 181 Bei der Deportation von Hermann Loeb wird bei ihm ein Sparbuch aufgefunden und beschlagnahmt, wie ein Akt des Trierer Finanzamtes zeigt. Es handelt sich bei der Besitzerin um eine Verwandte seiner Frau Kathinka, nämlich die Witwe von deren Bruder Moses Israel aus Schweich. Die Schwester Mathilde Israel (s.u.) macht bei einem Verhör durch die Gestapo, das auf den folgenden Seiten dokumentiert ist, Angaben zu der Witwe und ihren Kindern. Ob Hermann Loeb das Guthaben von Köln aus sichern wollte oder weshalb er im Besitz dieses Sparbuches war ist unbekannt, auch der Verbleib der betreffenden Familie bedarf weiterer Recherche. Das Amt forscht nach, ob die Besitzerin bereits deportiert sei bzw. ob das Guthaben eingezogen werden kann: Aus der Antwort lässt sich schließen, dass Sara Israel geb. Kahn, die Witwe von Moses Israel, wahrscheinlich nach Argentinien entkommen und sich dem Zugriff der Verfolgungsbehörden entziehen konnte: 182 246 246 LHKo, Bestand 572 / 15959 Bl. 57 f. 183 Kathinka Loeb stirbt am 8. April 1942 im Ghetto Litzmannstadt. Hermann Loeb (Isaak) wird am 6. Mai 1942 ins Vernichtungslager Kulmhof deportiert und wahrscheinlich bereits am gleichen Tag dort ermordet. Auf der Geburtsurkunde von Hermann Loeb (Isaak) vermerkt der Standesbeamte: Durch rechtskräftigen Beschluß des Amtsgerichts Köln vom 27.7.1953 unter Feststellung des 8.5.1945 als Todestag für tot erklärt. (Am. 4. II 589-91 und 594/52) Buch für Todeserklärugen St. Amt Berlin I. Nr. 14201/1954 Gerda Loeb (Isaak) wird zusammen mit ihrem Vater Hermann am 6. Mai 1942 ins Vernichtungslager Kulmhof deportiert und dort ermordet. Mathilde Israel Auf der Deportationsliste ist zudem die Schwester von Kathinka, Mathilde Israel aus Schweich, mitaufgeführt, die laufende Nummer ist 394. Auch Mathhilde Israels Kölner Adresse ist Eburonenstraße 10/12, sie lebt vorher in Schweich. Im Ghetto lebt sie gemeinsam mit Kathinka und Hermann Loeb, die Adresse im Ghetto ist Talweg 11 Zimmer 23, sie treffen dort zudem Sigmund Loeb (Isaak), Hermanns Bruder, und dessen Frau Emma, die im Talweg 12/13 leben. Mathilde Israel wird in Litzmannstadt von der Gestapo am 6. März 1942 vorgeladen, da Unklarheiten zu ihrem Vermögen bestehen. Der Vorgang soll hier ausführlich dokumentiert werden. Das Finanzamt Trier sendet einen Bericht nach Köln. Die darin angesprochenen 133 Juden aus Trier und insgesamt 190 (davon 56 aus dem Bezirk Bernkastel) werden über Luxemburg ins Ghetto Litzmannstadt deportiert, darunter Sigmund Loeb mit Frau Emma geb. Simon. Unter Punkt c) ist Mathilde Israel verhandelt, die mit Hermann Loeb und dessen Frau Kathinka Israel, der Schwester von Mathilde, und der Tochter von Hermann und Kathinka, Gerda Loeb, von Köln aus nach Litzmannstadt verbracht wird. 184 247 247 LHA Ko Best. 572, Nr. 15959, Bl.103 185 Das Finanzamt Trier wendet sich an die Geheime Staatspolizei Trier: diese und folgende Seiten: 248 248 LHA Ko Best. 572, Nr. 15959, Bl. 121-122v 186 Ausschnitt Ausschnitt 187 Die Geheime Staatspolizei Trier antwortet dem Finanzamt am 18. März 1942: Ausschnitt Zuvor hat die Gestapo Mathilde Israel im Ghetto Litzmannstadt am 6. März 1942 vorgeladen und verhört, der Bericht ist als Anlage beigelegt: 188 249 249 LHA Ko, Best. 572 Nr. 15959, Bl. 187 189 Dabei sagt Sie aus, ihr gesamtes Erbe ihrer Schwester Kathinka übertragen zu haben. Was mit der Witwe ihres Bruders Moses und den sechs Kindern geschieht, die noch in dem betreffenden Haus in Schweich wohnen, bedarf weiterer Recherche. Die beiden angesprochenen Schwestern sind Kathinka verh. Loeb, und Emma Israel, die mit Hugo Frenkel verheiratet ist. Wahrscheinlich lebt letzteres Ehepaar nicht mehr in Schweich, vielleicht konnten sie emigrieren, jedenfalls sind sie nicht als Opfer des Holocaust nachweisbar, vielleicht sind sie aber auch, wie Bruder Moses, bereits vorher verstorben. Aus der Aussage lässt sich rückschließen, dass Mathilde wohl bereits befürchtet hat, dass Sie den nationalsozialistischen Terror nicht überleben würde, weshalb sie im Frühjahr 1941 eine „letztwillige Verfügung“ notariell aufnehmen lässt, vielleicht in der Hoffnung, ihre Schwester Kathinka habe größere Chancen der Verfolgung zu entkommen. Aber zur Zeit der Aussage ist auch Kathinka bereits im Ghetto Litzmannstadt, die beiden waren zusammen von Köln aus deportiert worden. Einen Monat später stirbt Kathinka im Ghetto infolge der Bedingungen der Unterbringung. Mathilde Israel wird wahrscheinlich gemeinsam mit ihrem Schwager Hermann Loeb (Isaak) und dessen Bruder Sigmund Loeb (Isaak) am 6.5.1942 ins Vernichtungslager Chelmno verbracht und dort ermordet.250 Mathilde ist 68 Jahre alt, Hermann Loeb 67 Jahre, Sigmund 64 Jahre. 250 Überlebenskampf jüdischer Deportierter 190 4. Anhang 4.1. Danksagung Besonderen Dank möchte ich Frau Doris Deutsch aussprechen, die mir in einem ausführlichen Brief Unterlagen zu Ihrem ersten Ehemann, Karl Loeb, und eine Broschüre ihres zweiten Mannes, Alex Deutsch, zugeschickt hat. Durch einen weiteren Briefen und Telefonate hat Sie mir zudem wichtige Informationen zur Familie von Karl Loeb mitgeteilt, die über die „amtlichen“ Daten hinaus eindrucksvoll die Verfolgung und das Leid der Betroffenen belegen. Ebenso hat mich auf Anfrage Herr Willi Körtels bei meinen Recherchen unterstützt, indem er extra das Stadtarchiv Konz für mich aufsuchte und Daten zu Sophie Levy geb. Isaack und ihren beiden Kindern recherchierte. Herzlichen Dank dafür, und für die umfangreichen Untersuchungen zur Verfolgungsgeschichte jüdischer Mitbürger im Raum Trier und im Saarland, die mich mit zu meiner Arbeit angeregt haben. Herr Ulrich Conrath hat mich mit einer Vielzahl von Personenstandsurkunden unterstützt und seine Datenbank im Internetportal Gedbas zu Enkirch war wesentliche Grundlage der Familienstammbäume, die unten aufgeführt sind. Herzlichen Dank für die vielen Informationen sowie für die Erlaubnis, die Urkunden zu Daniel Simon veröffentlichen zu können. Einen wichtigen Hinweis zu Emma Beer(mann) geb. Loeb und ihrem Sohn Julius und dessen Familie, die in Tholey lebten, habe ich Herrn Eberhard Wagner vom Verein „Wider das Vergessen und gegen Rassismus“ e.V. Marpingen zu verdanken. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn René Richtscheid vom Emil-FrankInstitut in Wittlich für Informationen zur Familie Israel in Schweich. Ein besonderer Dank geht zudem an das Landeshauptarchiv in Koblenz für die unkomplizierte Zusendung wichtiger Unterlagen und Dokumente. 191 4.2. Abkürzungsverzeichnis DAF Deutsche Arbeits-Front (Einheitsgewerkschaft) DC Deutsche Christen DT Deutsche Turnerschaft GHG Gesamtverband des deutschen Handwerks, Handels, und Gewerbes HJ JV BdM JM Hitler-Jugend Jungvolk (auch DJ: Deutsches Jungvolk), „Pimpfe“ Bund Deutscher Mädel, weiblicher Zweig der Hitlerjugend Jungmädelbund KdF Kraft durch Freude, Organisation zur Gleichschaltung der Freizeitgestaltung MdR Mitglied des Reichstages NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-Partei NSF NS-Frauenschaft NS-Hago Nationalsozialistische Handels-, Handwerks- und GewerbeOrganisation NSKOV Nationalsozialistische Kriegsopferversorgung NSRL Nationalsozialistischer Reichsbund für Leibesübungen NSV Nationalsozialistische Volkswohlfahrt Pg. Parteigenosse RFSSuChdDtPol Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei RLB Reichsluftschutzbund Stahlhelm BdF Bund der Frontkämpfer VDA Volksbund für das Deutschtum im Ausland SA Sturm-Abteilung SD Sicherheitsdienst des Reichsführers SS SS Schutz-Staffel Stapo Staatspolizei T-4 Aktion Ermordung psychisch Kranker, beschlossen in der Villa mit der Berliner Adresse Tiergartenstr. 4 WHW Winterhilfswerk 192 4.3. Literaturverzeichnis und Linkliste Nachweis der Fußnoten in der Reihenfolge ihrer Erwähnung: Anchiriacum-Enkirch 733 - 1983, Gemeinde Enkirch 1983 Die rheinpreussischen Landrechte. Dr. Romeo Maurenbrecher, zweiter Band , Eduard Weber Bonn 1831 Peter Schichtel: Das Recht des zünftigen Handwerks im Herzogtum PfalzZweibrücken während des 18. Jahrhunderts, Duncker und Humboldt, Berlin 1986 Die Handhabung des Judenregals im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken. Dr. Karl Lillig, In: Saarpfalz. Blätter für Geschichte und Volkskunde, Sonderheft 1989 Juden im Aufbruch. Zur Sozialgeschichte einer Minderheit im Saar-Mosel-Raum um 1800, Cilli Kasper-Holtkotte: Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1996 Spuren der Vergangenheit. Die Geschichte der Juden im Landkreis Cochem-Zell. Angelika Schleindl: Rhein-Mosel-Verlag 1996, Onlineversion: http://mosella-judaica.de/index.html Synagogen Rheinland-Pfalz / Saarland, Mainz 2005 Monumenta Judaica. Konrad Schilling, 2. Auflage 1964 Merischonim loacharonim, Hugo Friedmann: 1929 (Selbstverlag) Dokumentation zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Rheinland-Pfalz und im Saarland von 1800 bis 1945, herausgegeben von der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz in Verbindung mit dem Landesarchiv Saarbrücken, Bd. 5 und 7, Selbstverlag gedbas: Genealogie-Datenbank des Vereins für Computergenealogie, für Enkirch u.a. zusammengestellt von Ulrich Conrath, Wuppertal https://gedbas.genealogy.net/ Jüdische Friedhöfe, Begräbnisstätten, Gedenkstätten in Rheinland-Pfalz, Dieter Peters/Martina Strehlen, in: Sachor 1998 Band 8 (1988) 2, Heft 16 Jüdische Friedhöfe zwischen Rhein und Maas. Grabinschriften: Dieter Peters, 1996 (mit Auswertung und Übersetzung der hebräischen Grabinschriften) 193 Allemannia judaica: http://www.alemannia-judaica.de/enkirch_synagoge.htm Zeugnisse jüdischen Lebens in der Osteifel. Das Familienbuch der Juden in Mayen bis um 1875. Klaus H. S. Schulte, Mayen 1995 Statistisches Jahrbuch des deutsch-israelitschen Gemeindebundes, 1887-1905, zitiert nach: Zeugnisse jüdischen Lebens in der Osteifel, Mayen 1995, Anhang 8, S. 107 ff. Biografie Kurt Simon: Gabrielle Robinson: Kurt Simon – Businessman and Benefactor, 2009, ISBN 978-09799532-3-1 Bundesarchiv Berlin: BArch ZSG 138/45: Bundesarchiv Berlin, Kopie von ITS Bad Arolsen, Brief an das Amt Enkirch und Antwort BArch ZSG 138/86: Bundesarchiv, Kopie von ITS Bad Arolsen: Zugangsliste Theresienstadt Gedenkbuch des Bundesarchivs online: https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/directory.html.de Nationalsozialismus im Alltag : Quellen zur Geschichte des Nationalsozialismus im Raum Mainz-Koblenz-Trier, Franz Josef Heyen, Harald Boldt Verlag, Boppard 1967 Nationalsozialismus im Alltag : Quellen zur Geschichte der NS-Herrschaft im Gebiet des Landes Rheinland-Pfalz aus dem Landeshauptarchiv Koblenz und Landesarchiv Speyer, Anton Doll, Speyer 1983 Nationalblatt, Koblenzer Ausgabe, NSDAP-Tageszeitung, Ausgaben in der Staatsbibliothek Berlin, Zeitschriftenarchiv Traben-Trarbacher Zeitung … der Bürgermeistereien Traben-Trarbach und Enkirch, ab 1935 mit Untertitel Enkircher Zeitung, die Artikel zu Enkirch herausgegeben von Hans Schneis: Enkirch im Pressespiegel der Jahrhunderte, Selbstverlag Brief von Doris Deutsch an den Verfasser Alex Deutsch: Ich habe Auschwitz überlebt. ISBN 3-9801611-3-7 Interview Walter Loeb in der SZ mit Pascal Becher: http://www.saarbruecker-zeitung.de/politik/themen/Diese-Nacht-veraenderte-meinLeben;art2825,5012831 194 Antwortschreiben der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg an den Verfasser Dokumentation über ehemalige jüdische Einwohner von Tholey, Aloys Schneeberger: 1975 http://www.genami.org/documents/Luxembourg/Luxembourg_notes.pdf Memorial de la Shoa: http://www.memorialdelashoah.org/ USHMM: United States Holocaust Memorial Museum: http://www.ushmm.org/online/hsv/person_advance_search.php wwww.wormserjuden.de/Biographien/Kraemer-I.html Auszug aus dem Verzeichnis der am 22. Oktober 1940 aus Baden ausgewiesenen Juden, http://digital.blb-karlsruhe.de/blbihd/content/pageview/1082440 Trier vergisst nicht: Gedenkbuch für die Juden aus Trier und dem Trierer Land, Stadtarchiv, 2010 www.mahnmal-trier.de/Koenen.pdf email von Willi Körtels an den Verfasser zu Fam. Sophie Levy geb. Isaack Namensliste Düren: http://www.geschichtswerkstatt-dueren.de/juedische-mitbuerger-innen/article/2201isaak www.gelsenzentrum.de/wahlliste_juedische_1930.htm Datenbank von Yad Vashem: http://db.yadvashem.org/names/search.html?language=de www.stolpersteine-frankfurt.de/downloads/doku2012_WEB.pdf www.geni.com/people/Johanna-Allmeier/6000000033835772619 Aufbau-online: https://archive.org/details/aufbau 195 Die Geschicke der Merchweiler Juden in den 30er und 40er Jahren, Josef Martin. In: Merchweiler Heimatblätter, Bd. 21 (2001), S. 104-146 http://www.hfrg.de/index.php?id=572 Historische Forschungen Roland Geiger: Restitutionsakten 1947-1949 aufbewahrt im Landesarchiv Saarbrücken http://www.findagrave.com/cgi-bin/fg.cgi?page=gr&GRid=104024111 US-Census, online-Datenbanken Raphael Schoemanns family tree: http://gw.geneanet.org/rschoemann? lang=en&pz=benjamin&nz=schoemann&ocz=0&p=larry+lothar&n=aron Der Überlebenskampf jüdischer Deportierter aus Luxemburg und der Trierer Region im Getto Litzmannstadt: Briefe Mai 1942, Pascal Eberhard: Katalog zur Ausstellung, Blattlausverlag 2012 zitiert als: Überlebenskampf jüdischer Deportierter LHA Ko: Landeshauptarchiv Koblenz weitere Datenbanken Deportationslisten: http://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger.html Gedenkbuch Köln: http://www.museenkoeln.de/ns-dokumentationszentrum/pages/1214.aspx? s=1214&buchstabe=A Theresienstadt Datenbank: http://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/ American Jewish Joint Distribution Committee http://names.jdc.org/search-detail.php?id=124497 196
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