DAS INVESTMENT.COM Pro & Contra: Versorgeraktien: Vorweggehen oder hinterher hinken? Während der Atomausstieg Aktien von Versorgern den Strom weitgehend abgedreht hat, bietet die Energiewende der Branche auch neue Chancen. Ob Aktionäre bald ganz im Dunklen sitzen oder ob Versorgertitel mit neuer Kraft durchstarten können, sehen Fondsmanager höchst unterschiedlich. Die für viele deutsche Standardwerte typische V-Formation, also ein nach dem steilen Absturz in der Finanzkrise wieder schnell gestiegener Kurs, hat die Aktie von Deutschlands größtem Energieversorger RWE nicht hingelegt. Im Gegenteil: Seit nunmehr knapp zehn Jahren befindet sich die Notierung im Abwärtsstrudel. Für den Kurzschluss bei der RWE-Aktie sind unter anderem die schrumpfenden Margen und die niedrige Profitabilität verantwortlich. Hohe Produktionskosten für aus Kohle und Gas erzeugten Strom sowie aus nuklearen Quellen und gleichzeitig gesunkene Preise an den Strombörsen haben im vergangenen Jahrzehnt in der RWE-Kasse ein klaffendes Loch hinterlassen. Die Nuklearkatastrophe von Fukushima und der daraufhin beschlossene Atomausstieg in Deutschland haben der Aktie im Frühjahr 2011 dann endgültig den Stecker gezogen. Seitdem dümpelt das Papier tendenziell seitwärts und erreichte im Herbst vergangenen Jahres sogar neue Tiefstände. Aktuell beträgt das Kursminus auf Zehn-Jahres-Sicht inklusive Dividenden - 66,2 Prozent (siehe Chart). Beim Konkurrenten Eon sieht es nicht viel besser aus. Informationen für Finanzprofis: www.dasinvestment.com Investmentfonds • Geschlossene Fonds • Versicherungen • Alternative Investments • Zertifikate • Märkte • Grünes Geld • Berater • Recht & Steuern • Immobilien © Fonds & Friends Verlagsgesellschaft mbH DAS INVESTMENT.COM Quelle: Bloomberg, Stichtag: 22. August 2016 Einen kleinen Freudensprung machten Versorgeraktien im Frühjahr: Damals wurde bekannt, dass die Kosten für den Atomausstieg in Deutschland für die Versorgungsunternehmen gedeckelt und eventuelle Mehrkosten vom Steuerzahler getragen werden sollen. Seitdem lässt sich sogar ein Aufwärtstrend erkennen - auf Drei-Monats-Sicht ist das RWE-Papier um mehr als ein Viertel gestiegen. Schnell auf den Beinen waren deutsche Versorgeraktien nach dem Brexit-Schock. Zwar fielen sie wie der Gesamtmarkt am Folgetag des Referendums um etwa 10 Prozent. In der darauffolgenden Woche legte RWE dann aber um 17 Prozent zu. Bei Eon betrug das Plus 9 Prozent, während sich der Dax nur um 5 Prozent erholte. Kurspotenzial für die Zukunft könnte von den geplanten Konzernaufspaltungen ausgehen. So hat RWE angekündigt, das Ökostrom-Geschäft, die Stromnetze und den Vertrieb vom 1. September 2016 an unter dem Namen Innogy zu vermarkten. Die RWE-Führung verspricht derweil Aktionären hohe Dividendenzahlungen seiner neuen Großtochter: Sie soll künftig 70 bis 80 Prozent ihres bereinigten Nettogewinns an die Eigentümer ausschütten. Die Strategie, verstärkt auf die Energiewende zu setzen, könnte aufgehen. Ohnehin haben Solar-, Wind- und Wasserkraft mit 30 Prozent bereits den größten Anteil am Strommarkt in Deutschland. So sieht Oliver Brandt, Manager des Inprimo Aktien Spezial AMI, in der Konzentration auf den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energie auch den größten Treiber für Versorgeraktien. Gerade die etablierten Energieunternehmen könnten hier von ihrer Größe profitieren. Da institutionelle Informationen für Finanzprofis: www.dasinvestment.com Investmentfonds • Geschlossene Fonds • Versicherungen • Alternative Investments • Zertifikate • Märkte • Grünes Geld • Berater • Recht & Steuern • Immobilien © Fonds & Friends Verlagsgesellschaft mbH DAS INVESTMENT.COM Investoren zum Teil noch erheblich unterinvestiert seien, haben Versorgeraktien seiner Meinung zufolge ein großes Aufwärtspotenzial. Markus Stillger, Manager des HAIG Max Value, kann Versorgeraktien hingegen nichts abgewinnen. Seiner Meinung nach hätte die Branche den Weg hin zur regenerativen Energieerzeugung schon viel früher einschlagen müssen. Der von der Politik verordnete Ausstieg aus der Atomkraft führe momentan zu unkalkulierbaren Kosten und die hierfür veranlagten Rückstellungen der Versorgungsunternehmen seien viel zu niedrig. Oliver Brandt, Manager des Inprimo Aktien Spezial AMI Mehr noch als von fundamentalen Daten einzelner Unternehmen oder den Aussichten einer Branche wird die Börse von den Erwartungen und der Psychologie der Anleger bestimmt. Bei den Aktien der beiden Versorger Eon und RWE kommt alles zusammen: schlechte Nachrichten und noch niedrigere Erwartungen. Viele Anleger halten weitere Belastungen aus den derzeit diskutierten Atom-Rückstellungen und eine zusätzliche Inanspruchnahme durch gesetzliche Vorgaben für möglich. Wir hingegen sehen, dass viel Negatives in den Aktienkursen bereits enthalten ist. Mit den jüngsten Kursverlusten sollten die Probleme weitgehend abgearbeitet sein. Nun ist es an der Zeit, den Blick nach vorne zu richten. Die Renovierung des Geschäftsmodells der Versorger schreitet voran weg von der Atomkraft und der Braunkohle und perspektivisch auch von der Steinkohle, hin zu Erneuerbaren Energien und Dienstleistungen rund um die Energieversorgung der Zukunft. Zwar konnte Eon trotz der jahrelangen Arbeit an dieser herausfordernden Mammut-Aufgabe bislang nur wenige kleine Erfolge melden. Doch ist es normal, dass große Konzerne einfach etwas länger brauchen, um die Früchte neuer Strategien zu ernten. Dafür fällt die Ernte umso reicher aus, wenn die großen Tanker erst einmal in Fahrt gekommen sind. Hauptsache, die Richtung stimmt. Der Weg in Richtung Erneuerbare Energien wird kraftvoll und mit Überzeugung eingeschlagen. Und die Praxis zeigt immer deutlicher, dass große und komplexe Projekte am Energiemarkt nur von potenten Unternehmen geschultert werden können, die über ein entsprechendes Know-how und Investitions-Budget verfügen. Wir gehen klar davon aus, dass die großen Energieversorger mittelfristig auch bei Erneuerbaren Informationen für Finanzprofis: www.dasinvestment.com Investmentfonds • Geschlossene Fonds • Versicherungen • Alternative Investments • Zertifikate • Märkte • Grünes Geld • Berater • Recht & Steuern • Immobilien © Fonds & Friends Verlagsgesellschaft mbH DAS INVESTMENT.COM Energien die Marktführerschaft übernehmen werden. Entsprechend lautet die Frage nicht ob, sondern wann sich ihre Aktienkurse erholen werden. Dann wird es auf einmal sehr schnell nach oben gehen - und das Kurspotential ist gigantisch. Eon zum Beispiel steht noch am Anfang einer solchen Entwicklung und ist - wie im Bereich von Private Equity üblich - noch in der J-Curve gefangen. Mit Eon kaufen wir jetzt ein Unternehmen, das eben nicht auf dem Höhepunkt des Produktionszyklus steht, sondern erst am Anfang. Bei dieser Aktie müssen wir uns nicht fragen, was eigentlich noch besser werden muss, damit der Kurs noch weiter steigen kann. Hier ist es genau umgekehrt: Alles Negative ist schon im Kurs enthalten, es kann eigentlich nur besser werden. Wie sagte schon Börsen-Altmeister André Kostolany: "Kaufen, wenn die Kanonen donnern." Oder auf Versorgeraktien bezogen: "Kaufen, wenn die Bauchschmerzen am größten sind." Da insbesondere viele größere Investoren gar nicht oder heillos unterinvestiert sind, gibt es genug Potential für neue Käufe und damit für steigende Kurse. Haben erst alle Analysten für die betreffende Aktie ein positives Votum und höhere Kursziele ausgelobt, sind schon alle investiert. Wer soll dann noch kaufen und für steigende Kurse sorgen? Markus Stillger, Manager des HAIG MB Max Value Carl von Fürstenberg, einem Banker alter Schule, wird das Bonmot zugeschrieben. Aktionäre seien dumm und frech: Dumm, weil sie Aktien kaufen und frech, weil sie auch noch Dividende haben wollen. Mit diesem Satz ist das ganze Dilemma der leidgeprüften Versorger-Aktionäre treffend beschrieben. Die negative Wertentwicklung der deutschen Versorger RWE und Eon wurde in den vergangenen zehn Jahren nur noch von der Commerzbank getoppt. Mit einer Marktkapitalisierung von gerade mal 9 Milliarden Euro (RWE) beziehungsweise 18 Milliarden Euro (Eon) haben sich die beiden großen börsennotierten Versorger-Aktien längst aus der Börsen-Champions-League verabschiedet. Und in der deutschen Börsenliga reicht es nur zu einem Relegationsplatz. Gerade bei RWE empfand ich als Außenstehender die - überwiegend von den kommunalen Aktionären angezettelte - Diskussion über die Höhe der letzten Dividende, die dann zu Recht gestrichen wurde, mehr als bedenklich. In der jetzigen Verfassung braucht RWE jeden Cent in der Kasse. Informationen für Finanzprofis: www.dasinvestment.com Investmentfonds • Geschlossene Fonds • Versicherungen • Alternative Investments • Zertifikate • Märkte • Grünes Geld • Berater • Recht & Steuern • Immobilien © Fonds & Friends Verlagsgesellschaft mbH DAS INVESTMENT.COM Die Zeiten, in denen Versorgerpapiere als Witwen- und Waisenpapiere galten, die armen Hinterbliebenen quasi ein gefühltes Grundrecht auf Versorgungsleistungen in Form von hohen Dividenden gaben, sind seit Fukushima unwiderruflich vorbei. Doch der von Angela Merkel 2011 überhastet verkündete Atomausstieg war nur der Deckel auf dem Sarg dieser Dinosaurier-Branche. Der in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunkene Strompreis - nach 5 Cent im Jahr 2010 kostet die Kilowattstunde an der europäischen Energiebörse EEX aktuell nur noch 2,5 Cent - und die damit verbundenen sinkenden Margen im Brot und Butter-Geschäft sorgen für den Grabschmuck. Viel zu lange hat man vorher den Trend hin zur regenerativen Energieerzeugung verschlafen und stattdessen auf Kohle- und Atomkraft gesetzt. Der von der Politik verordnete Ausstieg aus der Atomkraft führt zu momentan noch unkalkulierbaren Kosten. Lediglich eines scheint sicher: Die hierfür veranlagten Rückstellungen sind viel zu niedrig. Höhere Rückstellungen lassen die Bilanzen aber derzeit nicht zu, und so gibt es nicht wenige Propheten, die den beiden Konzernen das gleiche Schicksal wie der Commerzbank prognostizieren, nämlich die Rettung durch eine teilweise Verstaatlichung. Was das für den Aktienkurs bedeutet, haben wir am Beispiel der "Bank an Ihrer Seite" in den vergangenen acht Jahren gesehen. Unter Berücksichtigung des Reverse-Splits von 10:1 wäre hier jeder Aktionär heute froh, für einen Euro einen Käufer zu finden. Richtig beeindruckt hat mich in den vergangenen Jahren nur die eiserne Disziplin einiger verantwortlicher Vorstände. So verzichtete Jürgen Großmann, er war zwischen 2007 und 2012 Vorstandsvorsitzender bei RWE, in den ersten 1.000 Tagen seiner Amtszeit auf jeglichen Alkohol, was für ihn als bekennenden Gourmet die selbst auferlegte Askese doppelt schwer machte. Und Johannes Teyssen - seit 2010 Vorstandsvorsitzender bei Eon - nahm in den vergangenen zwölf Monaten durch eine spezielle Diät, gekoppelt mit mehr Bewegung, 30 Kilo ab. Die 100-prozentige Korrelation mit dem Aktienkurs wirft allerdings auch die Frage auf, ob ihm unter Umständen der Appetit vergangen ist. Bei meiner Prognose für den Eon-Aktienkurs wünsche ich ihm deshalb in Zukunft eine negative Korrelation, noch mehr Gewicht kann und darf der Mann nicht verlieren. Und sollte er den Turnaround schaffen, sei ihm auch eine Bratwurst oder ein Schweinsbraten gegönnt. Aktuelle Hintergrundartikel zum Thema: Muss Eon 380 Millionen Euro zahlen? (Hannoversche Allgemeine Online vom 4. Juli 2016) Kommunale Versorger: Gemeinsam eine Macht im Energiegeschäft (Frankfurter Rundschau Online vom 27. Juni 2016) Eon und RWE spalten sich auf - wer macht es besser? (Manager Magazin Online vom 8. Juni 2016) Informationen für Finanzprofis: www.dasinvestment.com Investmentfonds • Geschlossene Fonds • Versicherungen • Alternative Investments • Zertifikate • Märkte • Grünes Geld • Berater • Recht & Steuern • Immobilien © Fonds & Friends Verlagsgesellschaft mbH DAS INVESTMENT.COM Verpassen Sie keinen Beitrag aus unserem wöchentlichen Online-Magazin DER FONDS und melden Sie sich hier kostenlos per E-Mail an. Autor: Carsten Krüger Dieser Artikel erschien am 01.09.2016 unter folgendem Link: http://www.dasinvestment.com/der-fonds/news/datum/2016/09/01/versorgeraktien-vorweggehen-oder-hinterher-hinken/ Informationen für Finanzprofis: www.dasinvestment.com Investmentfonds • Geschlossene Fonds • Versicherungen • Alternative Investments • Zertifikate • Märkte • Grünes Geld • Berater • Recht & Steuern • Immobilien © Fonds & Friends Verlagsgesellschaft mbH Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)
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