Helaba Volkswirtschaft/Research REGIONALFOKUS 31. August 2016 Wohnungsbau in Thüringen: Mehr Dynamik AUTOR Barbara Bahadori Telefon: 0 69/91 32-24 46 [email protected] REDAKTION Dr. Stefan Mitropoulos HERAUSGEBER Dr. Gertrud R. Traud Chefvolkswirt/ Leitung Research Landesbank Hessen-Thüringen MAIN TOWER Neue Mainzer Str. 52-58 60311 Frankfurt am Main Telefon: 0 69/91 32-20 24 Telefax: 0 69/91 32-22 44 Private Haushalte sind die aktivsten Bauherren im Thüringer Wohnungsmarkt. Allerdings haben im laufenden Jahr öffentliche Bauherren und Wohnungsunternehmen für einen starken Anstieg der Genehmigungen gesorgt. Damit dürfte es 2016 und 2017 zu überdurchschnittlichen Zuwächsen im Wohnungsbau kommen. Regional ist die Situation sehr unterschiedlich. Von den Landkreisen übertreffen nur Weimarer Land, Eichsfeld, Ilm-Kreis und Unstrut-Hainich den Landesdurchschnitt von 1,8 Wohnungen pro 1.000 Einwohner. Von den kreisfreien Städten kann Jena die höchste Wohnungsbauaktivität vorweisen. Erfurt liegt im Landesdurchschnitt, während die Fertigstellungswerte der anderen Städte zum Teil deutlich niedriger sind. In Thüringen waren 2015 die privaten Haushalte, wie in den meisten Jahren zuvor, die treibende Kraft für den Wohnungsbau. Sie beantragten 3.200 der insgesamt rund 5.200 Wohnungsbaugenehmigungen (62 %). Mit deutlichem Abstand folgen die Wohnungsunternehmen mit einem Anteil von 17 %. Bundesweit war das Gewicht der privaten Haushalte mit 51 % niedriger, dafür bei den Wohnungsunternehmen mit 35 % aber höher. 2016 hat die Aktivität der Wohnungsunternehmen und öffentlichen Bauherren deutlich zugenommen. Sie trugen in den ersten sechs Monaten jeweils über 20 % zu den insgesamt 4.300 Genehmigungen bei. Mehrheitlich schaffen private Haushalte Wohnraum Zahl der Wohnungsbaugenehmigungen in Wohngebäuden nach Bauherren, 2008 bis 2015 und Januar bis Juni 2016 3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0 Private Haushalte Wohnungsunternehmen Sonst. Unternehmen Öffentliche Bauherren Organisationen ohne Erwerbszweck Immobilienfonds Quellen: Stat. Bundesamt, Helaba Volkswirtschaft/Research Die Publikation ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden. Sonstige Unternehmen, Immobilienfonds und Organisationen ohne Erwerbszweck spielen dagegen als Bauherren von Wohnungen kaum eine Rolle. So gingen 2015 nur zwischen 100 und 500 Genehmigungen auf ihren Wohnungsbauantrag zurück. Dabei werden die meisten Wohnungen weiterhin in neuen Gebäuden geplant. Wichtig ist aber auch die Schaffung von Wohnraum im Bestand. Hier wurden in den vergangenen Jahren zwischen 20 % bis 30 % der Genehmigungen erteilt. In Thüringen übertraf der Umsatzzuwachs im Wohnungsbau 2015 mit einem Plus von 9 % sogar die kräftige bundesdeutsche Rate von 7 %. Dabei nahmen die Wohnungsbaugenehmigungen um 24 % zu, nachdem sie 2014 nahezu stagniert hatten. Die Fertigstellungen lagen dagegen 2015 mit rund 3.800 unter dem Vorjahreswert von 4.040, sodass sich inzwischen ein enormer Bauüberhang gebildet hat. Dies bestätigt auch der hohe Auftragsbestand, der im Jahresdurchschnitt 2015 fast 30 % über dem 2014er Wert lag. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 3 1 . A U G U S T 2 0 1 6 · © H E L A B A 1 REGINALF OKUS: W OHNUNGSBAU IN T HÜRI NGEN Thüringen: Wohnungsbau gut gestartet Thüringen: Genehmigungen sprunghaft gestiegen Baugewerblicher Umsatz (Betriebe ab 20 Beschäftigte), % gg. Vorjahr 25 20 15 10 Thüringen: Wohnungsbaugenehmigungen, % gg. Vorjahr 30 Insgesamt Öffentlicher Bau Wirtschaftsbau Wohnungsbau 30 25 20 15 10 5 5 0 0 -5 -5 -10 -10 -15 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Jan.-Juni -15 Quellen: Statistisches Bundesamt, Helaba Volkswirtschaft/Research 80 80 Insgesamt 60 60 40 40 20 20 0 0 Private Haushalte -20 -40 -20 -40 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Jan.-Juni Quellen: Statistisches Bundesamt, Helaba Volkswirtschaft/Research Diese Entwicklung dürfte sich 2016 sogar noch beschleunigen. Bei starken Zuwächsen der Baugenehmigungen von 74 % (private Haushalte: 18 %) stieg der Umsatz im Wohnungsbau in den ersten sechs Monaten 2016 um 19 %. Allerdings ist ein Teil der Dynamik auf den Bau von Wohnheimen zurückzuführen, die zur Unterbringung der Flüchtlinge benötigt werden. Wurden im Gesamtjahr 2015 in Heimen 755 Wohnungen geschaffen, waren es im ersten Halbjahr 2016 allein knapp 1.400 Einheiten. Davon wird die Mehrzahl in bestehenden Gebäuden errichtet. Fertigstellungen in Thüringen leicht gesunken Hoher Auftragsbestand im Thüringer Wohnungsbau Wohnungen in neuen und bestehenden Gebäuden in Tsd. Auftragsbestand Bauhauptgewerbe, in Mio. € 25 20 25 Genehmigungen Fertigstellungen 20 15 15 10 10 5 5 0 0 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 Quellen: Thür. Landesamt f. Statistik, Stat. Bundesamt, Helaba Volkswirtschaft/Research 70 70 60 60 50 50 40 40 30 30 20 20 10 10 0 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Quellen: Statistisches Bundesamt, Helaba Volkswirtschaft/Research Der Auftragsbestand im Thüringer Wohnungsbau erklomm im ersten Quartal 2016 ein weiteres Hoch und lag 10 % über dem Vorjahreswert. Auch die Auftragseingänge liefen im ersten Halbjahr mit einem Plus von 12 % in zügigem Tempo aufwärts. Zusammen mit der weitgehend guten Witterung dürfte sich für das Gesamtjahr 2016 einen deutlicher Anstieg der Fertigstellungen im Wohnungsbau einstellen. Die sprunghafte Zunahme der Genehmigungen spricht zudem für einen erfolgreichen Wohnungsbau 2017. Wohnungsfertigstellungen pro Kopf in Thüringen unterdurchschnittlich Wie sind die Bauaktivitäten im Thüringer Wohnungsbau einzuschätzen? Pro 1.000 Einwohner gerechnet wurden im Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2015 in Deutschland 2,9 Wohnungen fertiggestellt. Der entsprechende Thüringer Wert war mit 1,8 Wohnungen deutlich niedriger. Die Ursache für diesen Niveauunterschied liegt hauptsächlich in der Bevölkerungsabwanderung nach der Wiedervereinigung. 2015: Steigende Einwohnerzahl Seit drei Jahren ist der Wanderungssaldo aufgrund des höheren Zuzugs aus dem Ausland zwar wieder positiv, was bis 2014 aber nicht ausreichte, um das Geburtendefizit zu kompensieren. Mit der großen Zahl der Flüchtlinge nahm 2015 jedoch auch die Bevölkerung in Thüringen mit 0,5 % erstmalig seit 1988 wieder zu. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 3 1 . A U G U S T 2 0 1 6 · © H E L A B A 2 REGINALF OKUS: W OHNUNGSBAU IN T HÜRI NGEN Allerdings ist die Situation nicht in ganz Thüringen gleich. So gibt es weiterhin Regionen, die einen Bevölkerungsrückgang aufweisen. Andere erfahren nur aufgrund der ausländischen Neuankömmlinge einen Einwohnerzuwachs, während vorzugsweise die Städte schon seit längerem zunehmend mehr Menschen beheimaten – mit entsprechenden Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt. Nur wenige Regionen überdurchschnittlich Einwohnerzuwachs zum Teil durch Flüchtlingsunterbringung begründet Wohnungsbaufertigstellungen, Jahresdurchschnitt 2013-2015 pro 1.000 Einwohner Jena (Stadt) Erfurt (Stadt) Eisenach (Stadt) Weimar (Stadt) Gera (Stadt) Suhl (Stadt) Weimarer Land Eichsfeld Ilm-Kreis Unstrut-Hainich Hildburghausen Wartburgkreis Saale-Holzland Nordhausen Sömmerda Sonneberg Schmalk.-Mein. Saalfeld-Rudolst. Gotha Kyffhäuserkreis Saale-Orla Altenburger Land Greiz 5,7 1,8 1,7 1,4 1,3 1,2 2,5 2,4 2,2 1,9 1,8 1,8 1,6 1,5 1,4 1,4 1,3 1,2 1,2 1,1 1,1 Thüringen - Durchschnitt 1,1 0,6 Quellen: Thür. Landesamt f. Statistik, Stat. Bundesamt, Helaba Volkswirtschaft/Research Jena mit hoher Bauaktivität bei Wohnungen Veränderung Einwohnerzahl in %: 31.12.2015 gegenüber 31.12.2013 Suhl (Stadt) Erfurt (Stadt) Eisenach (Stadt) Jena (Stadt) Weimar (Stadt) Gera (Stadt) Saale-Holzland Gotha Unstrut-Hainich Ilm-Kreis Weimarer Land Eichsfeld Nordhausen Sömmerda Wartburgkreis Kyffhäuserkreis Schmalk.-Mein. Sonneberg Hildburghausen Saale-Orla Saalfeld-Rudolst. Greiz Altenburger Land 3,1 2,6 2,0 1,7 1,3 1,1 2,6 1,2 1,0 0,6 0,5 0,4 0,0 -0,3 -0,5 -0,7 -0,8 -0,8 -0,8 -0,8 -0,9 -1,0 -1,3 Thüringen - Durchschnitt Quellen: Thür. Landesamt f. Statistik, Stat. Bundesamt, Helaba Volkswirtschaft/Research Jena sticht hier aus dem Städtesextett hervor. Hier wurden im Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2015 rund 1.870 Wohnungen und somit 5,7 Wohnungen pro 1.000 Einwohner fertiggestellt. Als größte Universitätsstadt Thüringens mit moderner Wirtschaftsstruktur zieht Jena offensichtlich Menschen wie Unternehmen gleichermaßen an. Die in der Landeshauptstadt steigenden Einwohnerzahlen unterstützen den dortigen Wohnungsbau. Mit 1,8 fertiggestellten Wohnungen pro 1.000 Einwohner liegt Erfurt auf dem zweiten Platz der kreisfreien Städte Thüringens. Von den Landkreisen übertreffen mit Pro-Kopf-Werten zwischen 1,9 und 2,5 nur vier – Weimarer Land, Eichsfeld, Ilm-Kreis und Unstrut-Hainich – den Landesdurchschnitt von 1,8 Wohnungen pro 1.000 Einwohner. Der Zuzug von Flüchtlingen bedeutet für den Thüringer Wohnungsmarkt dauerhaft nur zusätzliche Nachfrage, wenn es gelingt, die Neuankömmlinge in Regionen mit Arbeitskräftebedarf zu lenken und ihnen entsprechende Angebote in puncto Sprache und Ausbildung zu vermitteln. Mietpreisbremse nur in Erfurt und Jena Die Mietpreisbremse wurde in Thüringen inzwischen für die Städte Erfurt und Jena eingeführt, nachdem das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft mit den Kommunen Erfurt, Jena und Weimar im Gespräch gewesen war. Die Einführung erforderte neben der Feststellung der Miethöhe in den Städten auch Maßnahmenpläne seitens der Kommunen, wie sie dem Wohnungsmangel entgegen wirken. Das Ministerium sieht in diesem Zusammenhang die Priorität beim Sozialwohnungsbau und hat entsprechende Mittel bereitgestellt. Langfristig sind die Aussichten für den Thüringer Wohnungsbau eher verhalten. So steigt zwar die Zahl der Haushalte in den kreisfreien Städten seit längerem und sorgt damit für Nachfrage am Wohnungsmarkt. In vielen Landkreisen nehmen aber die Bevölkerung und die Zahl der Haushalte weiter ab, mit negativen Auswirkungen auf den Wohnungsbestand. Altersgerechtes Wohnen ist für alle Regionen Thüringens ein relevantes Thema. Bezahlbare Lösungen für Eigentümer und Wohnungsunternehmen mit den entsprechenden Finanzierungsangeboten sind gefragt. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 3 1 . A U G U S T 2 0 1 6 · © H E L A B A 3
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