60 Millionen Autos müssen in die Werkstatt zurück

Fehlerhafte Airbags von Takata sollen Audi, BMW und
Mercedes eine gute Milliarde Euro Gewinn gekostet haben
Kid Möchel , 29.08.2016
Foto: REUTERS Japanische Firma Takata
hatte Millionen fehlerhafte Airbags geliefert
Hört man von groß angelegten Rückrufen von Kraftfahrzeugen, so denkt man derzeit
automatisch an Volkswagen und die Diesel-Abgasaffäre. Fakt ist: Die Wolfsburger müssen
weltweit elf Millionen Auto zwecks Umrüstung in die Werkstätten holen. Doch der Rückruf
des VW-Konzerns ist längst nicht der größte Fall.
„Es ist immer noch der Nachhall des größten Rückruf-Debakels der weltweiten Autoindustrie
zu spüren: deutlich mehr als 100 Millionen fehlerhaften Airbags des japanischen Zulieferers
Takata“, meint Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Center Automotive Research an
der Universität Duisburg-Essen und Inhaber des Lehrstuhls für allgemeine
Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. „Allein
in Deutschland mussten im ersten Halbjahr 2016 mehr als 150.000 Fahrzeuge wegen AirbagProblemen in den Werkstätten gerufen werden. Insbesondere Honda hatte im ersten Halbjahr
2016 in Deutschland unter defekten Takata-Airbags zu leiden.“
Das Takata-Dilemma ist laut dem Universitätsprofessor mittlerweile auch bei den Gewinnen
der deutschen Autobauer zu spüren. „So fielen im zweiten Quartal 2016 bei Mercedes-Benz
Cars 400 Millionen Euro und bei den Transportern Mercedes Vans 59 Millionen Euro an
Sonderbelastungen durch Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Takata-Airbag
Rückruf-Debakel an“, weiß Dudenhöffer. „ Statt 8,4-Prozent EBIT-Marge konnte Mercedes
Car wegen des Takata-Debakels nur 6,4 Prozent EBIT-Marge im zweiten Quartal 2016
ausweisen.“ Die BMW AG hatte im zweiten Quartal zusätzliche Rückstellungen von 472
Millionen Euro gebildet, überwiegend aufgrund des Takata-Debakels. Audi hatte im ersten
Halbjahr 2016 zusätzliche Rückstellungen wegen des Takata-Rückrufs von 133 Millionen
Euro gebildet, führt der Experte weiter aus.
300 Prozent Rückruf-Quote in den USA
„Damit hat das Airbag-Problem die drei deutschen Premiumhersteller im ersten Halbjahr
2016 gut eine Milliarde Euro an Gewinnen gekostet“, stellt Dudenhöffer fest. Alleine in den
USA wurden im Vorjahr aufgrund des Takata-Mega-Gaus mehr als 51 Millionen Fahrzeuge
zurückgerufen. Im selben Zeitraum wurden 17,5 Millionen Neuwagen in der Vereinigten
Staaten verkauft.
„Damit hatte die Rückrufquote in USA im Jahr 2015 ein trauriges ‚ever high‘ von mehr als
300 Prozent erreicht“, erklärt Dudenhöffer. „Es wurden also mehr als dreimal so viele Autos
zurückgerufen wie neue verkauft. Nicht gerade das gesündeste Verhältnis für die
Unternehmensgewinne.“ Nachsatz: „Darüber hinaus hatte im Mai 2016 die USStraßensicherheitsbehörde NTHSA mitgeteilt, dass nur in den USA Takata nochmals
zusätzliche 35 bis 40 Millionen fehlerhafte Airbags austauschen muss.“
Die Abarbeitung der Rückrufe erfolge in USA nach Klimazonen und dauert bis Ende des
Jahres 2019. Das gab es bisher in der Geschichte der Autoindustrie nicht, dass Produktmängel
erst in vier Jahren nach Bekanntwerden abgearbeitet wurden.
Die sieben großen Rückrufe
1. Takata-Airbags. weitere 35 bis 40 Millionen fehlerhafte Airbags,
2. VW-Schummeldiesel: 11 Millionen Fahrzeuge, Stickoxide
3. Toyota: 3,4 Millionen Fahrzeuge; Grund: Tankproblem und Airbags,
4. FiatChrysler: 2,1 Millionen Fahrzeuge; Gründe: Elektronikproblem, Kupplungsproblem
und Automatik-Problem,
5. General Motors: 1 Million Pick-ups; Grund: Gurtprobleme,
6. Ford: 840.000 Fahrzeuge; Grund: defekte Türschlösser,
7. VW-Konzern: 800.000 SUV; Porsche und VW; Grund: Pedalprobleme.
29.08.2016
VW und Takata sind nicht die einzigen Probleme
Rückrufe
Die Rückrufe wegen gefährlicher Takata-Airbags und schmutziger VW-Diesel trüben
weltweit die Qualitäts-Statistik der Autohersteller. Und es droht schon neues Ungemach.
Der Diesel-Skandal bei VW und die gefährlichen Takata-Airbags haben im ersten Halbjahr 2016 für ein
unverändert hohes Rückruf-Niveau gesorgt.
© Foto: Picture alliance / dpa
Der Diesel-Skandal bei VW und die gefährlichen Takata-Airbags haben im ersten Halbjahr
2016 für ein unverändert hohes Rückruf-Niveau in der Autobranche gesorgt. Allein in
Deutschland wurden zwischen Januar und Juni 850.000 Pkw zurückgerufen, wie eine
Untersuchung des Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen
ergeben hat. In Relation zu den 1,73 Millionen Neuzulassungen in Deutschland entspricht das
einer Quote von 50 Prozent. In den Gesamtjahren 2014 und 2015 lag dieser Wert auf
ähnlichem Niveau.
Weltweit rechnet das CAR für das laufende Jahr mit 60 Millionen Pkw-Rückrufen, was einem
Anteil von 75 Prozent an den Fahrzeug-Neuzulassungen entspräche. Den größten Beitrag zu
diesem Trend leisten bislang die Rückrufe von Fahrzeugen mit den Airbags des Zulieferers
Takata – 40 Millionen Autos waren allein im ersten Halbjahr betroffen. Dazu kommen elf
Millionen VW-Modelle mit Schummel-Diesel, 3,4 Millionen Toyota mit Tank- oder AirbagProblemen sowie 2,1 Millionen Fahrzeuge aus dem Fiat-Chrysler-Konzern wegen diverser
Mängel.
Auch wenn die Rückrufe von VW und Takata in Kürze abgearbeitet sein dürften, rechnet das
CAR mit weiter steigenden Zahlen. Vor allem in der bislang stiefmütterlich behandelten ITSicherheit sehen die Experten Potenzial für künftigen Ärger. Dazu kommen die bekannten
Probleme, die die Rückrufe in den vergangenen Jahren stark haben ansteigen lassen. Dazu
zählen neben dem hohen Kostendruck, der bei Zulieferern und Herstellern zu Lasten der
Qualität gehen kann, auch die steigenden Produktionszahlen und die allgemein wachsende
Komplexität von Technik und Modellpaletten. Zudem führt der Trend zum Einsatz möglichst
vieler Gleichteile in unterschiedlichen Modellen dazu, dass bei einem Fehler gleich Millionen
Autos betroffen sein können. (Holger Holzer/SP-X)
29.08.2016, Berlin
Wissenschaftler warnen vor Gefahren durch
Autohacker
Von Björn Hartmann
IT-Sicherheitslücken könnten Zahl der Rückrufe erhöhen
Berlin. Defekte Airbags, fehlerhafte Türschlösser, Gurtmängel, Tankprobleme: Auch
in diesem Jahr müssen die Autohersteller Millionen von Autos in die Werkstätten
rufen, um sie zu reparieren. Künftig könnten zu solch "klassischen" Fehlern auch
Softwarerisiken gehören. Die Gefahr wird bisher unterschätzt, wie eine Studie des
CAR-Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen zeigt.
Im Gesamtjahr 2016 werden demzufolge mehr als 60 Millionen weltweit in die
Werkstätten gerufen. Darunter sind allein mehr als 40 Millionen Fahrzeuge
verschiedener Hersteller, in die defekte Airbags des japanischen Zulieferers Takata
eingebaut sind. Dazu kommen die rund elf Millionen Dieselautos von VW, in der eine
Schummelsoftware die Abgase manipuliert. Bei 3,4 Millionen Fahrzeugen von Toyota
gibt es Probleme mit den Tanks und Airbags, Fiat Chrysler machen Elektronik,
Schlösser und Kupplung bei 2,1 Millionen Autos zu schaffen.
Die Rückrufquote, das Verhältnis von zurückgerufenen Fahrzeugen zu neu
verkauften, wird Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des CAR, zufolge in diesem Jahr
etwa 75 Prozent betragen – weniger als im vergangenen Jahr, als wegen der TakataAirbags allein in den USA mehr als 51 Millionen Fahrzeuge in die Werkstätten
mussten. In Deutschland beträgt die Quote im ersten Halbjahr 50 Prozent – 850.000
Fahrzeuge mussten repariert werden, 1,73 Millionen wurden neu zugelassen. Die
Quote ist ähnlich hoch wie 2015 (51 Prozent).
Vernetzte Autos werden angreifbar von außen
Dudenhöffer vermutet, dass sich die Zahl der Rückrufe zunächst verringern wird. Das
Takata-Desaster mit mehr als 100 Millionen betroffenen Fahrzeugen ist demzufolge
weitgehend abgearbeitet, ein ähnliches Problem bei einem wichtigen Zuliefererteil
bisher nicht bekannt. Allerdings gibt es dem CAR-Leiter zufolge Unwägbarkeiten.
Gefahren sieht Dudenhöffer vor allem bei der IT-Sicherheit der Fahrzeuge – "ein
schlummerndes Rückruf-Problem". Die Autos würden immer stärker vernetzt,
nutzten das Internet und würden dadurch potenziell angreifbar – für die Autobauer
ein ganz neues Feld.
Offensichtlich wurden die Gefahren im Juli 2015. Damals kaperten zwei Hacker von
ihrem Wohnzimmer aus einen Jeep Cherokee, der fuhr. Fiat musste in 1,4 Millionen
Autos ein Sicherheitsupdate aufspielen. Die Vernetzung wird noch zunehmen, weil
viele Hersteller etwa am autonomen Fahren arbeiten. Dafür braucht das Auto Daten
von außen, etwa Wetter- und Verkehrsinformationen. Autos würden verwundbarer
gegen Datenangriffe, befindet Dudenhöffer und fordert, die Hersteller müssten die
Software der Fahrzeuge regelmäßig zu aktualisieren. Einzig der USElektroautohersteller Tesla, heißt es, verschicke bisher Updates über das Internet.
60 Millionen Autos müssen in die Werkstatt
zurück
Pfusch beim Autobau: Dieselgate und kaputte japanische Airbags sorgen
2016 für hohe Rückrufzahlen der Hersteller. 60 Millionen Autos weltweit
haben Probleme. Die globale Rückrufquote ist enorm hoch.
Die Zahl der weltweit zurückgerufenen Fahrzeuge wird 2016 voraussichtlich über 60 Millionen liegen.
Das geht aus einer Studie des Center Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen
hervor, die der "Welt" vorliegt. Neben dem Dieselskandal bei Volkswagen belasten die Autoindustrie
weiterhin die defekten Airbags des Zulieferers Takata.
Weil insgesamt rund 100 Millionen defekte Airbags des japanischen Herstellers Takata eingebaut
worden waren, mussten allein im ersten Halbjahr 2016 weltweit rund 40 Millionen Fahrzeuge
zurückgerufen werden. Davon sind auch die deutschen Hersteller massiv betroffen – nicht zuletzt
finanziell.
Mercedes und BMW stellten jeweils mehr als 400 Millionen Euro in den ersten Monaten des laufenden
Jahres für die Folgekosten des Rückrufs zurück, Audi legte 133 Millionen Euro zur Seite. Damit
kostete das Airbag-Debakel allein die drei deutschen Premiumhersteller rund eine Milliarde Euro.
Auch im vergangenen Jahr hatte der Takata-Rückruf bereits die Zahl der in die Werkstätten gerufenen
Autos extrem hochschnellen lassen. Eine globale Vergleichszahl für 2015 liegt laut den Autoren der
Studie zwar nicht vor. Allein in den USA wurden im vergangenen Jahr aber 51,3 Millionen Fahrzeuge
wegen der Airbags zurückgerufen. 2016 dürfte daher, nach 2015, das Jahr mit den zweitmeisten
Rückrufen der Geschichte sein.
Die globale Rückrufquote liegt bei etwa 75 Prozent
Auf dem zweiten Platz der Rückrufaktionen hinter dem Takata-Debakel landet mit rund elf Millionen
betroffenen Fahrzeugen der Dieselskandal von Volkswagen. Doch auch andere Hersteller hatten, von
der Öffentlichkeit allerdings deutlich weniger wahrgenommen, Probleme mit Millionen Autos. So
musste Toyota allein im ersten Halbjahr 2016 laut der Studie 3,4 Millionen Fahrzeuge in die
Werkstätten rufen, weil es Schwierigkeiten mit Airbags oder dem Tank gab.
Bei FiatChrysler waren es insgesamt 2,1 Millionen Autos, die Probleme mit der Elektronik, der
Kupplung oder der Automatik hatten. General Motors rief eine Million Pick-up-Trucks zurück, weil die
Gurte nicht richtig funktionierten. Bei Ford machten die Türschlösser von 840.000 Autos
Schwierigkeiten und bei VW kam zum Dieselbetrug auch noch ein Problem mit den Pedalen bei rund
800.000 SUVs hinzu.
Die mehr als 60 Millionen zurückgerufenen Fahrzeuge entsprechen einer globalen Rückrufquote von
etwa 75 Prozent. Dabei wird die Zahl der in die Werkstätten georderten Autos ins Verhältnis zu den
insgesamt im gleichen Jahr verkauften Neuwagen gesetzt. Laut CAR werden die Pkw-Verkäufe im
laufenden Jahr weltweit bei etwa 80 Millionen liegen. Dabei sind nicht alle zurückgerufenen Autos
Neuwagen.
Wie hoch die Zahl der Rückrufe allein in Deutschland dieses Jahr ausfallen wird, schlüsselt die Studie
nicht auf. Laut dem Kraftfahrt-Bundesamt fanden 2015 insgesamt 326 Rückrufaktionen statt, rund
1,65 Millionen Halter betroffener Fahrzeuge wurden angeschrieben. Das entsprach einer erneuten
deutlichen Steigerung gegenüber dem Vorjahr, als für 235 Rückrufaktionen rund 1,52 Millionen Halter
angeschrieben wurden. Noch im Jahr 2013 hatte die Zahl der Aktionen bei nur 180 gelegen, die der
betroffenen Halter bei lediglich 770.000.
Kein Grund zur Entwarnung
Für 2016 ist eine erhebliche Steigerung gegenüber dem Vorjahr zu erwarten, da allein Volkswagen in
Deutschland als Folge der Dieselmotorenmanipulation rund 2,4 Millionen Autos in die Werkstätten
rufen muss. Allerdings werden wohl nicht alle Rückrufe noch in diesem Jahr stattfinden.
Da der Großteil der Takata-Rückrufe inzwischen verbucht sein dürfte, erwarten die Autoren der Studie
global gesehen eine sinkende Rückrufquote in den kommenden Jahren – vorausgesetzt, es entstehen
keine neuen großen Probleme wie durch den Dieselskandal bei VW. Grund zur Entwarnung gebe es
aber nicht, schreibt CAR-Leiter Ferdinand Dudenhöffer. Denn vor allem eine Region, die bislang noch
so gut wie gar nicht von Rückrufen betroffen ist, holt deutlich auf: China.
Durch den im Verhältnis zu anderen Ländern extrem jungen Fahrzeugbestand habe es 2015 in der
Volksrepublik nur 5,5 Millionen von Rückrufen betroffene Autos gegeben, heißt es in der Studie. Doch
schon in den ersten sechs Monaten dieses Jahres stieg die Zahl auf 8,8 Millionen Fahrzeuge.
"IT-Sicherheit ist eine offene Flanke bei den
Autobauern"
Für das laufende Gesamtjahr müsse man daher von mehr als 15 Millionen Autos ausgehen, die in die
Werkstätten müssen. Neben den Takata-Airbags, die auch in China Rückrufe auslösten, musste
beispielsweise auch General Motors in der ersten Jahreshälfte schon 2,16 Millionen Fahrzeuge mit
defekten Kurbelgehäusen in die Werkstätten rufen.
Dudenhöffer geht außerdem davon aus, dass die zunehmende Vernetzung der Autos zu steigenden
Rückrufzahlen führen wird. "Die IT-Sicherheit ist eine offene Flanke bei den Autobauern", schreibt er.
"Wir bewegen uns in eine neue Zeit, bei der Rückrufe zu Cyber-Krimis werden, wenn wir nicht ITausgerichtete Rückrufsysteme entwickeln." Das bisherige System, bei dem Halter langwierig
angeschrieben und in die Werkstatt geordert werden, funktioniere in der vernetzten Welt nicht mehr.
Stattdessen müsse man mit aus der Ferne aufgespielten Updates erkannte Sicherheitslücken schnell
schließen.
Auch global agierende Zulieferer wie der Airbaghersteller Takata führen dazu, dass bei einem
Problem, das früher nur einzelne Regionen oder Autobauer betroffen hätte, heute eine deutlich höhere
Zahl von Fahrzeugen zurückgerufen werden muss. Hinzu komme noch der Kostendruck, der in der
ganzen Branche dafür Sorge, dass Produkte schneller vermarktet werden und Kontrollsysteme
schlechter funktionieren. Nach einem kurzzeitigen Rückgang der durch den Fall Takata extrem in die
Höhe geschnellten Rückrufzahlen sei in den kommenden Jahren daher insgesamt weiterhin ein
steigender Trend zu erwarten, heißt es in der Studie.