PDF - Katholische Kirche beim hr

Monika Dittmann, Hochheim
hr4-Übrigens am Mittwoch, 31. August 2016
Einmachzeit
Zum Gesprächskreis mit den Bewohnern im Altenheim hatte ich Weckgläser und
Einmachgummis mitgebracht. Wir haben uns an frühere Zeiten erinnert – an den großen
Garten, an die Vielfalt der Früchte und daran, dass nichts verkommen durfte. Die reiche
Ernte des Sommers wurde in Gläser gepackt, damit man im Winter davon zehren konnte.
Die Vielfalt der Früchte und Farben wurde hinübergerettet für den trostlosen und grauen
Winter. Dann konnte man von dem leben, was der pralle Sommer geschenkt hatte. Die
Vorräte haben Sicherheit gegeben – gerade in schlechten Zeiten.
Jetzt, im Altenheim, macht niemand mehr ein. Der Garten ist Vergangenheit; Obst und
Gemüse liegen fertig bereitet auf dem Teller. Zugleich haben wir andere Vorräte entdeckt,
von denen wir zehren.
Eine alte Dame sagte: „Ich bin froh über die Bescheidenheit, mit der ich aufgewachsen bin–
und auch dankbar für die Entbehrungen – so schlimm sie damals waren. Das macht es mir
jetzt leichter, mich auf ein Zimmer zu beschränken.“
Für jemanden anderen war es der gute Familienzusammenhalt, der durchgetragen hat in
schweren Zeiten. Das hat ihr Vertrauen ins Leben gegeben.
Eine Dame erinnerte sich noch an den Kindergottesdienst früher, sie sagte: “Das Singen
und die biblischen Geschichten von damals trage ich heute noch im Herzen. Oft geben sie
mir Halt in einsamen Stunden. Da singe ich vor mich hin; ich brauche kein Liederheft.“
Für einige in der Runde waren es die alten Gebete, die sie als Kinder auswendig gelernt
hatten. Bis heute geben sie ihnen Kraft.
Wir haben ganz viele Vorräte eingesammelt, die wir in der langen Vergangenheit unseres
Lebens geerntet haben. Heute lässt sich davon zehren. Gerade, wenn das Alter und die
Einschränkungen zunehmen, sind es Kostbarkeiten, die jetzt erst richtig gewürdigt werden.
In der Runde im Altenheim haben wir alles aufgeschrieben und in ein Einmachglas gelegt
… und hatten viel Anlass zum Danken.
Als ich meine Sachen wieder eingepackt habe, die restlichen Einmachgläser und Gummis,
da ist mir bewusst geworden: Eigentlich ist unser ganzes Leben Einmachzeit – damit wir
später einmal zehren können von Erfahrungen, Erlebnissen und Begegnungen.