von Peggy Rauenstein Prolog In der Dämmerung fühlen sie sich sicher. Am Waldrand stehen fünf diffuse Gestalten. Sie sind zu sehen, aber nicht zu erkennen. In der Mitte steht Thomas. Er ist ihr Anführer. Zu seiner Linken stehen zwei Frauen. Mary, mittelgroß, schlank und blond ist eine Frohnatur. Sie versucht immer jeder unangenehmen Situation das Beste abzugewinnen. Die andere Frau heißt Eve, eher klein, rötlich blonde Locken und immer etwas verdrossen. Sie schottet sich von allen anderen ab. Die einzige, die es mit ihr aushält ist Mary. Da Mary niemandem böse sein kann, ist Eve ständig in ihrem Schatten unterwegs. Man kann sich der immer angenehmen Aura, die Mary verbreitet nicht entziehen. Auf der anderen Seite - rechts von Thomas stehen zwei Männer. Beide waren ehemals sehr gute Kämpfer. Alan, groß gewachsen, schlank, mit kurzen blonden Haaren. Der Zweite, Gilbert, auch sehr groß gewachsen, allerdings eher stämmig, mit etwas zu langen dunklen Haaren. Sie zeigen sich nicht sehr oft. Sind lieber alleine im Wald. Beide lächelten niemals. Ihre Gesichter sind stumme Masken des Schreckens, den sie erlebt haben. Ihre Rettung, das ahnen diese fünf noch nicht, kommt in Form einer Touristin. Sie stellt alles auf den Kopf und bringt ihnen endlich die ersehnte Erlösung. Kapitel 1 Ich brauche dringend Urlaub! Mein Name ist Katy. Ich bin 180cm groß und habe eine durchschnittliche Figur. Meine Haare sind lang und haben die Farbe von Vollmilchschokolade wie meine Augen. Ich arbeite heute als selbständige Bauzeichnerin und Grafikerin für verschiedene Ingenieurbüros. Das mit der Selbständigkeit war aus der Not geboren. Nach dem Studium war ich in einem Ingenieurbüro angestellt. Die Aufträge wurden weniger. Da Jeder den anderen unterbieten wollte, wurde so auch der Verdienst des Büros immer weniger. So kam es, dass mein Boss aus Mangel an Arbeit einige Stellen kündigen musste. Tja was soll ich euch sagen. Wer zuletzt kommt, geht zuerst. Danach habe ich mich mit ein paar gelegentlichen Jobs über Wasser gehalten. Ich habe sogar in einer Bar gearbeitet. Nicht als Barkeeper. Und auch nicht als Bedienung. Nein. Dazu muss man echt geboren sein. Auf einem klitzekleinen Tablett jede Menge Gläser tragen, keines davon fallen lassen (bei zu viel Bruch wird der Schaden einem vom Lohn abgezogen) war nicht meine Stärke. Ich hätte schon keinen Lohn mehr bekommen, obwohl ich gerade erst angefangen hätte. Nichts für mich. Also habe ich in der Küche geholfen. Das hat mir sogar Spaß gemacht. Bis auf das Tische abräumen und nach Feierabend die Bar putzen und den Laden wischen. Das geht aufs Kreuz sage ich euch. Hab ein Jahr durchgehalten, danach hat mein Rücken protestiert. Ständig hat sich ein Nerv eingeklemmt und entzündet. Keine schöne Sache. Ich war beim Jobcenter. Die gute Frau mir gegenüber schlug vor „Machen sie sich selbständig. Es gibt doch einen Markt für ihre Branche.“ Also ging ich zur nächsten Stadtverwaltung und meldete ein Gewerbe an. Schon war ich vom Arbeitsmarkt. Am Anfang ging es schleppend voran. Ich bin flexibel. Im Ingenieurbüro ging es nur immer wieder um Bauzeichnungen. Im Internet habe ich mich schlau gemacht und meine Dienste online angeboten. Es ist mir egal was ich zeichnen soll. Ein Haus? Ein Baumhaus? Eine Garage? Oder etwas anderes? Es könnte besser laufen. Aber geklagt wird nicht. Ich komme über die Runden. Mein Haus, in dem ich wohne stammt von meinen Eltern. Es ist bezahlt. Als Ausgaben habe ich nur meine Nebenkosten wie Strom, Wasser, Gas, Telefon. Und einmal im Jahr Steuern. Da ich sehr sparsam lebe, ist es von allem nicht sonderlich viel. Dazu bekam ich einem kleinen Teil als Miete von meinem Freund. Vergangenheitsform. Mein Beziehungsstatus im Internet lautet im Moment Single. Bis vor 8 Wochen war ich noch in einer festen Beziehung. Das änderte sich als mein Freund eine bildhübsche, platinblonde 22- Jährige kennen lernte. Dieser Mistkerl. Meine kleine Schwester und allerbeste Freundin heißt Jennifer. Alle nennen sie aber nur Jenny. Sie hat mir über die schlimmste Zeit hinweg geholfen. Sie war es auch die mich überredet hat endlich nach fünf Jahren Urlaub zu machen. Weit weg. Da ich aber nicht alleine in Urlaub wollte habe ich sie überredet mit ihrer Tochter Amy mitzukommen. Da Amy noch eine halbe Woche Schule hat, soll ich schon mal die Lage sondieren. Als ich den Urlaubsort aussuchen wollte, kam mir ein Wort in den Sinn: „Drumnadrochit“. Das habe ich noch nie gehört oder gelesen – Was ist das? Woher kommt das? Ich fragte das Internet und siehe da: Drumnadrochit ist ein Ortsteil von Inverness am Loch Ness in Schottland. Schottland – das klang gar nicht schlecht und ich war noch nie dort. Also: Urlaub in Schottland! Jenny fuhr mich also zum Flughafen. Ich habe Flugangst und wollte eigentlich nicht mehr fliegen. Jenny bat einen Betreuer der Fluggesellschaft dafür zu sorgen, dass ich in den Flieger einsteige und drinnen bleibe. Na ja ich habe es geschafft. So schlimm war es auch wieder nicht. Gott sei Dank gab es nichts zu Essen. Ich landete also in Edinburgh. Von dort soll es nach Inverness und danach bis Drumnadrochit gehen. Dort soll es ein kleines Bed & Breakfast geben, wo man entspannen kann. Es soll kein Touristenmagnet sein. Perfekt für mich. Am Flughafen sollte mich eigentlich jemand von meiner Pension abholen. Das Gedränge und die hunderte von Menschen waren mir schon wieder zu viel. Ich beschloss einfach zum nächsten Taxistand zu gehen und mein Glück versuchen zur Pension zu kommen. Als ich mich durch die Menge gedrängelt habe sah ich einen Mann mit einem Schild „Mildred McGregor Bed & Breakfast Lodge“. Zum Glück habe ich das Schild noch rechtzeitig gesehen. Ich steuerte geradewegs auf den Mann zu zeigte erst auf das Schild und dann auf mich. Der Mann freute sich und sagte auf Deutsch zu mir „Ich habe von meiner Tante den Auftrag bekommen jemanden am Flughafen abzuholen. Ich wusste nicht einmal ob Mann oder Frau. Gut dass sie gewartet haben. Ich war etwas spät dran.“ Ich erwiderte „Ich bin gerade erst gelandet. Mein Name ist Katy.“ Wir gaben uns die Hand und er nahm mir mein Gepäck ab. Er heißt Bryan und hilft in der Urlaub Saison seiner Tante. Sie hat ihn aufgenommen als seine Eltern bei einem Verkehrsunfall vor zehn Jahren gestorben sind. Auf dem Parkplatz steuerten wir direkt auf einen Alfa Romeo Spider zu. Feuerrot. Ich staunte nicht schlecht als Bryan den Wagen aufmachte um meine Koffer zu verstauen. Er sagte ich soll schon mal einsteigen. Ich machte die Tür auf und wollte einsteigen, blieb aber erschrocken stehen. Bryan fragte ob ich wohl fahren will? „Um Gottes willen! Ich liebe Alfa Romeo. Und der Spider ist bestimmt toll, aber mit einem Montagsauto bin ich noch nicht gefahren.“ Bryan schaute mich verständnislos an und stammelte, dass er ihn eigentlich bloß am Wochenende fährt. Ich klärte ihn auf. Mit einem Montagsauto meint man ein Auto mit Mängeln. Und dieser Alfa hat das Lenkrad auf der falschen Seite. Bryan brach in schallendes Gelächter aus. Als er wieder Luft bekam versprach er mir Fahrstunden. Wir einigten uns aufs du. So förmlich komme ich mir sehr alt vor. Bryan sagte, bei ihnen im Ort geht es auch nicht so förmlich zu. Alle duzen sich. Wir redeten noch über das Wetter und die Landschaft dann waren wir auch schon fast am Ziel. Bryan sagte das ihr kleiner Ort eher ruhig und abgeschieden ist. Ich fragte nach seinen Deutsch Kenntnissen. Er sagte die Einwohner sind alle Immigranten aus Deutschland. Deshalb spricht jeder deutsch. Auch die Nachkommen haben alle Deutsch als Muttersprache gelernt. Deshalb können einige von ihnen auch in Deutschland arbeiten oder Studieren, da sie keinerlei Probleme mit der richtigen Aussprache und der Grammatik haben. Prima für mich. Mein Englisch ist ziemlich eingerostet. Wir fuhren die Landstraße entlang des Loch Ness. Ab und zu waren wir bis fasst am Wasser. Ein anderes Mal sah ich nur Bäume. Die Berge gehen nicht als richtige Berge durch, da es eher Hügel sind. Jetzt näherten wir uns Drumnadrochit. In einiger Entfernung kamen die ersten Häuser in Sicht. Es war eine wunderschöne Kleinstadt. Mit alten und sehr alten Häusern. Milly’s Lodge liegt etwas abgelegen am Ortsende von Drumnadrochit. Als wir in eine Sackgasse einbogen sah ich schon eine Frau winken. Das muss Mildred sein. Bryan sagte mir, dass Mildred nur Milly genannt werden möchte. Wir stiegen aus dem Auto und Milly umarmte mich stürmisch. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich war gerührt. Milly zeigte mir erst mal das ganze Haus. Mein Zimmer und das von Jenny und Amy sind im zweiten Stock. Wir haben unser eigenes Badezimmer. Prima. Milly machte erst einmal etwas zu Essen für mich. Sie zwang auch Bryan dazu zu bleiben und etwas zu essen. Es gab Brot und Aufschnitt. Das reicht vollkommen beruhigte ich Milly. Danach verabschiedete sich Bryan und versprach am nächsten Morgen wieder zu kommen. Ich wollte noch nicht nach Oben. Also beschloss ich noch einen kleinen Spaziergang zu machen. Milly wies auf eine Burg Namens Urquhart Castle am Ortsende. Sie wurde um das Jahr 1230 erbaut und ist jetzt teilweise eine Burgruine. Ein kleiner Teil der Burg steht noch, ist aber nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Ich versprach vor Sonnenuntergang wieder hier zu sein. Ich ging hinaus ins Sonnenlicht und genoss die friedliche Idylle. Nach etwa vierzig Minuten Wanderung erreichte ich die Burg. Leider wurde hier keine Führung angeboten. Ich wollte Milly oder Bryan fragen ob sie mir die Burg zeigen können. Vielleicht sollte ich aber mit der Besichtigung auf Jenny und Amy warten. Das würde die beiden sicher auch interessieren. Es war so warm. Ich setzte mich ins Gras vor die Burgmauer. Die Mauer war aufgeheizt von der Sonne. Ich versuchte an nichts zu denken und bin anscheinend eingeschlafen. Ich wusste später nicht mehr ob ich geträumt habe oder nicht. Ich sah eine wunderschöne junge Frau aus dem Wald kommen. Sie hatte ein weißes Sommerkleid an. Ich sah sogar ihre Stiefel. Stiefel? Ja tatsächlich. Bis zu den Knien. Aber irgendetwas stimmte nicht. Sie war nicht so deutlich zu sehen. Als ob sich ein Schleier über meine Augen gelegt hat. Die Frau schaute mich an, lächelte und ging an mir vorbei um die Burg herum. Kurze Zeit später kam sie zurück und schaute mir direkt ins Gesicht. Sie sagte zu mir: „Aufwachen!“ und schaute zurück in den Wald. Ich schaute in die gleiche Richtung und sah zwei dunkle Gestalten am Waldrand stehen. Die sahen nicht vertrauenswürdig aus. Als ich nicht reagierte sagte sie energischer: „Aufwachen! Katy! Aufwachen! Du musst aufwachen, sofort!“ Ich schreckte hoch und sah mich nach allen Richtungen um. Keine Menschenseele zu sehen. Ich schaute zum Waldrand wo diese unheimlichen Gestalten waren, irgendetwas war da. Da bemerkte ich wie dunkel es schon geworden ist und bekam es jetzt doch mit der Angst. Ich nahm die Beine in die Hand. So schnell ich konnte rannte ich zurück zu Millys Haus. Dort angekommen empfing mich Milly und fragte nach meinem Spaziergang. Ich beschloss nichts von meiner Halluzination oder was immer das war zu erzählen. Ich möchte nicht den Rest meines Urlaubs in der Psychiatrie verbringen. Daher erzählte ich nur von meiner Wanderung zur Burg und fragte ob auch Führungen angeboten werden. Sie sagte, dass ich morgen Bryan deswegen fragen sollte. Milly hatte noch ein kleines Abendbrot vorbereitet. Sandwiches mit Gurken und Tomaten. Ich war müde und wollte nicht länger als nötig aufbleiben. Deshalb nahm ich meinen Anteil mit. Wir wünschten uns gute Nacht und gingen auf unsere Zimmer. Ich duschte so lange, bis es kein warmes Wasser mehr gab. Milly hatte mir extra große Badetücher und einen Bademantel ins Bad gelegt. Also hüllte ich mich in den weichen Bademantel und ging in mein Zimmer zurück. Danach kuschelte ich mich in die Bettdecke und versuchte zu ergründen was an der Burg geschehen ist. 1. Wer oder was war diese Frau? 2. Woher kannte sie meinen Namen? 3. Wer waren diese Gestalten am Waldrand und 4. Hat diese Frau mich vor den Gestalten beschützt? Aber heute bekam ich so wie so keine Antworten mehr. Also beschloss ich, die Überlegungen auf morgen zu verschieben.
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