VVB magazin 4/16 - Vereinigung der Versicherungs

4/2016
Erscheint 6 x im Jahr
Einzelheft € 5,51. Jahrgang
1. September 2016
3. VVBVersicherungsforum
Berichte von den beiden Fachveranstaltungen
am 3. Juni 2016 im Hause der AXA und bei der IHK
Special bAV/LV:
Test mit Echtdaten?
Fels in der Brandung?
Ausführlicher Bericht von der Frühjahrstagung des Fachkreises Betriebliche Altersversorgung und Lebensversicherung
Der Fachkreis BO/IT informiert über datenschutzrechtliche Anforderungen
Bericht vom 13. Kölner RückversicherungsSymposium
VVB magazin 4/2016
DIE SEITE DREI
3. VVB-VERSICHERUNGSFORUM
Liebe Mitglieder, Freunde und
Förderer der VVB,
FACHVERANSTALTUNG 1
128 Aktuelle Herausforderungen im Bereich
HUK-, Sach- und technische Versicherungen
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
129 Was kommt nach dem Margin Protection
Game?
das Wetter dieses Sommers ist wechselhaft und durchwachsen, ziemlich unberechenbar und unzuverlässig.
Nicht so das VVB magazin – wie hoffentlich auch Sie
uns attestieren mögen. Insofern empfehle ich Ihnen,
ebenso im Namen meines tatkräftigen Redaktionsteams, es sich mit einer Tasse Kaffee, Tee oder gerne
auch einem Glas Rotwein gemütlich zu machen und
dieses Heft zu studieren.
In der vergangenen Ausgabe 3/2016 durften wir Ihnen bereits Berichterstattungen und Zusammenfassungen zu den Jubiläumsveranstaltungen rund um
die VVB-Mitgliederversammlung 2016 in Köln inklusive der interessanten
Fachtagungen darbieten. Den zweiten Teil der Publikationen, insbesondere zu
den fachlichen Teilen in den Häusern der AXA Versicherung (Schwerpunkt
Kompositversicherung) und der IHK (Personenversicherung), finden Sie in
diesem Heft.
Aus der Fachkreis-Rubrik erfahren Sie mehr über die bAV/LV-Tagung im
Hause der Gothaer Versicherung, weiterhin zu dem fachbezogenen Thema
„Testen mit Echtdaten? Datenschutzrechtliche Anforderungen“. Zuletzt erwähnter Beitrag bietet durchaus den Prolog zur nächsten Tagung des Fachkreises BO/IT Mitte September 2016. Eine spannende wie informative Veranstaltung ist wie üblich zu erwarten.
Seitens der Treffpunkte hat der sehr aktive Kölner „Verbund“ auf Grund
der enormen Nachfrage erneut eine Domführung angeboten, bei der man die
Dächer des Kölner Wahrzeichens erklommen hat. Martin Klindt, Beirat und
engagiertes Treffpunktmitglied, schildert das Erlebte für Sie.
Darüber hinaus darf ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, noch zwei weitere Schwerpunkte dieses vierten VVB magazin empfehlen: zum einen den
Artikel zum traditionellen Rückversicherungssymposium, das Ende Mai am
IVW Köln stattgefunden hat, zum anderen das Interview mit Gottfried Rüßmann, Vorstandsvorsitzender der DEVK Versicherungen. Hr. Rüßmann hat
mit Wirkung vom 15. Mai 2016 den „Staffelstab“ von seinem Vorgänger Friedrich W. Gieseler übernommen, lenkt nun die Geschicke des bekannten Versicherungsunternehmens und war gern gesehener Gast auf der VVB-Fachver-
130 Weltweite Versicherungslösungen für mittelstänische Unternehmen mit Tochtergesellschaften
132 Löst Kraftfahrt einen Tsunami in Schaden/
Unfall aus?
133 Herausforderungen für die Rückversicherung
136 Digitalisierung betrieblicher Prozesse am
Beispiel Schaden
137Podiumsdiskussion
Perspektive Zukunft: Lassen Politik und
Regulierung genügend Spielräume?
FCHVERANSTALTUNG 2
140 Aktuelle Entwicklungen und Trends in der
Lebens- und Krankenversicherung sowie der
Digitalisierung
141 Cognitive Intelligenz – Sturm im Wasserglas
oder echte Option?
142 Smart Insurance – Versicherung neu denken
144 Altersversorgung in der Niedrigzinsphase
146 M&A – Herausforderungen und Chancen in
stürmischen Zeiten
FACHKREISE
150 Tarifpartnerrente und steuerliche Optimierung der betrieblichen Altersversorgung
Frühjahrstagung des FK bAV/LV mit hochkarätigen Referenten
162 Testen mit Echtdaten?
Informationen aus dem FK BO/IT
TREFFPUNKTE
167 Die Domdachführung – ein Klassiker
anstaltung Anfang Juni bei der IHK.
Abschließend weise ich gerne noch auf die Mitglieder- und Studierendenbefragung hin, welche im Auftrag unseres VVB-Vorstandes und mit eifriger
Unterstützung des Sonderbeauftragten Sebastian Rüsche durchgeführt wird.
Erneut holt sich unsere Vereinsführung ein fundiertes Votum von Ihnen, der
„Basis“, ein, um (selbst-) kritisch in die Organisation hineinzuhören und Gutes noch besser zu machen und weniger Gutes zu optimieren. Sie als Mitglied,
respektive Studierende/r, sind herzlich eingeladen, sich zu beteiligen.
Viel Vergnügen beim Lesen des VVB magazin wünsche ich Ihnen. Bleiben
Sie uns gewogen.
IVW
168 Rückversicherung 2016 – Fels in der Brandung?
13. Kölner Rückversicherungs-Symposium
VVB INTERN + RUBRIKEN
164Impressum
166Termine
170Geburtstage
Hinweis auf Studentenbefragung
VVB SPEZIAL
Ihr
171Exklusiv-Interview:
Stefan van Marwyk
INHALT
EDITORIAL
25 Fragen an Gottfried Rüßmann
Titelfotos:
AXA Pressefoto, Nicole Gordine (Grafikhaus CGN),
Hans-Joachim-Wilke (71/1), Thorsten Rolf (93)
127
128
3. VVB-Versicherungsforum // Fachveranstaltung 1 im Hause der AXA
VVB magazin 4/2016
Fachveranstaltung 1:
Aktuelle Herausforderungen
im Bereich HUK-, Sach- und
technische Versicherungen
Themen aus den spartenübergreifenden Bereichen der
Rückversicherung, IT sowie dem Vertrieb
Zusammenfassung der Referate von RA PETER DREYER (kor. M.) und GÜNTER LAUX (K/C)
Am 3. Juni fanden im Rahmen der Jubiläumsmitgliederversammlung zwei fachkreisübergreifende Tagungen aller Fachkreise der VVB statt. Dieser Bericht gibt die Inhalte der Fachveranstaltung 1 wieder, die sich inhaltlich mehr mit Themen aus der Nichtlebensversicherung
auseinandersetzte. An dieser Veranstaltung, die in den Räumen der AXA Versicherung in Köln
stattfand, nahmen ca. 300 Teilnehmer/Innen teil.
Jens Könemann begrüßt
die Teilnehmer der Fachtagung.
Links im Bild Dr. Michael Pickel
Jens Könemann, Sonderbeauftragter und Fachkreisleiter Sachversicherung, begrüßte für alle
mitwirkenden Fachkreise die Anwesenden und gab Informationen zur VVB: was sie ist, was
sie macht und welches Angebot sie den Mitgliedern der VVB aber auch deren Gästen bietet;
denn natürlich können auch Gäste Mitglied der VVB werden, und dies wird bei den vielen
Fachkreisveranstaltungen der VVB auch regelmäßig realisiert.
Anschließend führte er kurz in das Thema ein, um anschließend an Thierry Daucourt, Vorstand
Sachversicherung der AXA Konzern AG, Köln, zu übergeben,
VVB magazin 4/2016
Fachveranstaltung 1 im Hause der AXA // 3. VVB-Versicherungsforum
Thierry Daucourt begrüßte zunächst die Teilnehmerinnen und Teilnehmer als Gastgeber in den Räumen der AXA,
um sodann zu seinem Thema überzugehen:
Was kommt nach dem Margin
Protection Game?
D
ie Mehrheit der Versicherungswirtschaft sei noch „old fashioned“, sagte Daucourt. Er hingegen
betrat die Bühne hemdsärmelig ohne Krawatte, während das Auditorium durchweg
im Business-Outfit vertreten war.
Die aktuellen Entwicklungen seien so
rasant, dass man kaum noch vorhersehen
könne, was komme. Am Beispiel Donald
Trump zeigte er auf, dass Dinge einträten,
die man noch vor kurzem nicht für möglich gehalten habe. Einen Brexit wolle er nun
auch nicht mehr ausschließen.
Anhand von Zitaten verdeutlichte Daucourt, wie sich Menschen in der Vergangenheit mit ihren Prognosen zum Wandel der
Zeit irrten. (Abb. 1)
Die Prämieneinnahmen der Versicherungswirtschaft seien in der Vergangenheit
stetig gewachsen; nicht hingegen die Anzahl
der Mitarbeiter. Es werde mit weniger Personal mehr erwirtschaftet.
Seit ca. acht Jahren würden Kosten gespart und Reserven aufgelöst, um die Ziele
weiter zu erreichen. Der stetige Wandel
stelle die Versicherungswirtschaft vor neue
Herausforderungen: globale Trends und
Entstehung neuer Kundensegmente, Produktivitätssteigerung, soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit, Regulierung,
Technologie und Digitalisierung, Veränderung von Organisationen und des sozialen
Gefüges.
Bei Property und Casualty könne noch
verdient werden. Dies erfordere aber ein gutes Underwriting. Nach Ansicht Daucourts
führt das Zinstief zu besseren Underwriting-Techniken. Bei einer Steigerung der
Lohnkosten um 2 % müsse der Umsatz um
3 % wachsen. Dies müsse durch gutes Underwriting bewältigt werden.
Aber auch Makler seien gefordert und
müssten kreativ werden. Der Konkurrenzdruck steige. Da sei es erforderlich, neue
Modelle und Konzepte zu entwickeln.
Eine weitere Herausforderung der Versicherungswirtschaft sei die Digitalisierung.
Anhand von Bildern vom Petersplatz 2005
und 2013 wurde visualisiert, wie die modernen Techniken Einzug in die Gesellschaft
gefunden haben. (Abb. 2 und 3)
Ohne Laptop und Smartphone sei heute
kein Arbeiten mehr möglich. Hier müsse
die Versicherungswirtschaft nachholen und
Thierry Daucourt,
Vorstand Sachversicherung
der AXA Konzern AG, Köln
sich den Herausforderungen stellen. Das
Problem in Deutschland sei hierbei aber
unter anderem der hohe Datenschutz. In
anderen Ländern sei das nicht der Fall.
Weiteren Entwicklungsbedarf sieht
Daucourt in der Ausrichtung der Versicherer. Nicht mehr das Produkt sondern
der Kunde müsse im Mittelpunkt stehen.
Ihm müsse ein Value – ein Mehrwert – geboten werden. Die Dienstleistung müsse in
den Vordergrund gestellt werden. Es gelte
die Vielfalt zu erhöhen und gleichzeitig die
Komplexität zu verringern. Als positives
Beispiel hierfür nannte er die Automobilbranche, die das erkannt habe. Diese könne
Abb. 1
129
130
3. VVB-Versicherungsforum // Fachveranstaltung 1 im Hause der AXA
Abb. 2 und 3
als Vorbild fungieren. Der Mensch sei durch
Kopf und Herz zu erreichen. Es müsse Begeisterung hervorgerufen werden. In diesem Zusammenhang zog er den Vergleich
zum Uhrenkauf. Das mache Spaß. Der Einkauf von Versicherung aber nicht.
Als weiteren Punkt sprach Daucourt ferner einen Wandel im Führungsstil an. Bis-
her habe man weitgehend eine hierarchisch
geprägte Top-Down-Struktur. Dagegen
steht ein agiles Netzwerk, bei dem die Eigenverantwortung der Mitarbeiter und unternehmerisches Denken gefordert werden.
Dies fördere innovatives und kreatives Denken. Daucourt erwähnte in diesem Zusammenhang eine Firma, bei der die Führungs-
VVB magazin 4/2016
kräfte von den Mitarbeitern gewählt und abgewählt würden. So etwas müsse man erst
mal verstehen. Überraschend sei, dass selbst
die abgewählten Führungskräfte dieses System gut fänden.
Insgesamt war der lebhafte Vortrag sehr
interessant und fand ein gutes Feedback bei
der Zuhörerschaft.
Im Anschluss an Thierry Daucourt referierte Werner Döringer, stv. Vorstandsvorsitzender DVS Deutscher
Versicherungs-Schutzverband e.V., Bonn, zum Thema
Weltweite Versicherungslösungen
für mittelständische Unternehmen
mit Tochtergesellschaften
D
öringer stellte eingangs seines Referats kurz dar, was der DVS macht:
als 1901 in Berlin gegründete Interessenvertretung der versicherungsnehmenden Wirtschaft berät er seine Mitglieder und führt Veranstaltungen durch. Ebenfalls ist der DVS Herausgeber der Zeitschrift
„Die VersicherungsPraxis“. Um die Präsenz zu der versicherungsnehmenden Wirtschaft zu verstärken, haben die Gremien
der beiden Verbände DVS und bfv (Bundesverband firmenverbundener Versicherungsvermittler und -gesellschaften e. V.)
sich darauf verständigt, sich demnächst
in dem „Gesamtverband der versicherungsnehmenden Wirtschaft e.V. (GvW)“
zusammenzuschließen.
Döringer befasst sich bereits seit 30 Jahren mit der mittelständischen Industrie und
ist Geschäftsführer des VDMA, dem Makler
für Anlagenbauer. Dieser ist hauptsächlich
Ansprechpartner für die mittelständische
Industrie. Döringer bemängelte, dass dieses
Marktsegment zwar einen wichtigen Faktor
für die Versicherungswirtschaft darstellt,
dass aber viel zu wenig dafür getan wird, ob-
wohl es viele spannende „Anbieterwiesen“
gibt. Um dem zu begegnen, ist der Zusammenschluss der versicherungsnehmenden
Wirtschaft auch erforderlich. Man ist auf
hochwertigen und guten Versicherungsschutz angewiesen.
Als Beispiel nannte Döringer ein chinesisches Unternehmen, das einen deutschen
Mittelständler kaufen möchte, um Produktionsroboter zu produzieren. Dies ist darum
schwierig, da es ein Thema mit politischer
Brisanz ist.
VVB magazin 4/2016
Fachveranstaltung 1 im Hause der AXA // 3. VVB-Versicherungsforum
131
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Döringer stellte einige Kennzahlen des
VDMA e.V. dar, und zwar
Gesamtumsatz 2014
€ 212 Mrd.
(ein Plus von 2,9 %)
Unternehmenszahl6.419
Beschäftigtenzahl
1.004 Mio.
(ein Plus von 1,7 %) – ohne MA im Ausland
Umsatz je Beschäftigten
€ 210.000
Exportanteil
€ 151,5 Mrd.
Dieser entfällt auf
Europa
€ 83,2 Mrd. = 54,9 %
Asien
€ 38,9 Mrd. = 25,7 %
Nordamerika
€ 16,6 Mrd. = 11,0 %
Südamerika
€ 6,6 Mrd. = 7,7 %
Afrika
€ 4,4 Mrd. = 2,9 %
Australien
€ 1,8 Mrd. = 1,2 %
Mittelständisches Unternehmen mit Auslandsstandorten (Abb. 1):
ӹӹ Umsatz
€ 5 – 25 Mio.
(€ 50 Mio.) KMU
€ 5 – 200 Mio. Mittelstand
ӹӹ Beschäftigtenzahl
25 – 100
(250) KMU
100 – 1.000
Mittelstand
Danach stellte Döringer die Erwartungshaltung der mittelständischen Unternehmen dar. Hier geht es aus Sicht der DVS /
VDMA vorrangig um
ӹӹ Funktionierende internationale Versicherungslösungen,
ӹӹ koordinierte Versicherungsbetreuung,
ӹӹ Lösungen für nationale gesetzliche Anforderungen,
ӹӹ Absicherung von Rück- und Wechselwirkungsrisiken,
ӹӹ Schadenregulierung.
Bei Projekten (Diese haben durchaus
Werte im dreistelligen Millionenbereich.) gibt es noch spezielle projektbezogene Erwartungshaltungen bzw.
Verbesserungsbedarf, und zwar
ӹӹ Anforderungen des Bestellers (Principal),
–– Haftpflichtversicherung(en),
–– Workers Compensation,
–– Projektversicherung (CAR/EAR)
und weitere
ӹӹ Lokale Anforderungen und dazugehörende Versicherungsbestätigungen etc.
Weiterhin gibt es Bedarf bei:
ӹӹ Erwartungshaltung
–– Haftpflichtversicherungen,
–– Sach und Sach-BU Versicherungen,
–– Technische Versicherungen,
–– Transportversicherungen,
–– D&O Versicherungen,
Produktionsstandorte
(Zulieferer)
Tschechien
Produktionsstandorte
Brasilien / China
17 Mrd. EUR / 11,2 %
Mutterhaus
Vertriebsstandorte
Spanien /
Frankreich
Vertriebs- und
Servicestandorte
USA/Indien
9,8 Mrd. EUR / 6,5 %
15,1 Mrd. EUR / 10 %
Mittelständisches Unternehmen mit Auslandsstandorten
(Abb. 1):
–– und weitere . (es fehlt allerdings, was
sehr wichtig ist, Cyber)
ӹӹ Erwartungshaltung
–– Produkt-, Produktions- sowie
Dienstleistungsrisiken,
–– Standortbezogene Versicherungen,
–– Projektbezogene Risiken,
–– Mitarbeiterbezogene Risiken,
–– Verantwortungsbezogene Risiken.
Döringer zeigte international tätige Versicherer auf, wobei auch bei diesen Gesellschaften sicher noch Verbesserungen möglich sein sollten. Diese Versicherer teilen
sich auf in
ӹӹ Großindustrie
–– AGCS, AIG, AXA, FM, Generali, HDI
Global, Swiss Re, XL Catlin, Zurich und
weitere …
Beispiel einer Ausschreibung für eine internationale Haftpflichtdeckung (Abb. 2)
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132
3. VVB-Versicherungsforum // Fachveranstaltung 1 im Hause der AXA
VVB magazin 4/2016
Werner Döringer
ӹӹ mittelständische Industrie
–– Allianz, AIG, Alte Leipziger, AXA,
Basler, BVK, ERGO, Generali, Gothaer, HDI Global, Helvetia, SV, Zurich, XL Catlin und weitere …
Döringer meinte, dass es der Wunsch im
Mittelstand ist, dass die Versicherungswirtschaft ihre Angebote in den kommenden 5
bis 10 Jahren verbessert und beispielsweise
die Zurückhaltung beim Iran ändert. Probleme liegen hier aber auch in gesetzlichen
Schwierigkeiten.
In einigen Fällen bemängelte Döringer,
dass verschiedene Versicherungen keine
richtige Rundumdeckung für die mittelständische Industrie bieten, denn er sieht
seitens der Versicherungsunternehmen
den Fokus mehr auf der Großindustrie und
nicht auf dem Mittelstand. Somit könnte
hier noch einiges getan werden, wie z.B.
ӹӹ maßgeschneiderter
Versicherungsschutz für international tätige Unternehmen,
ӹӹ optimale Versicherung, wo es auch immer sei,
ӹӹ kundenbedürfnisgerechter Versicherungsschutz für die Standorte in der
Schweiz und für Betriebsstandorte im
Ausland,
ӹӹ Ausschreibungsplattform/en für den
Mittelstand.
Döringer zog am Ende seines Vortrags das
Fazit, dass die Firmen erfolgreich sind und
es gute Gespräche mit der Regierung gibt,
aber dass das Thema bei der Versicherungswirtschaft stärker in den Fokus gerückt werden sollte.
Im Anschluss an den Vortrag von Werner Döringer sprach Jörg Wälder, Senior Executive KPMG AG
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, über das Thema
Löst Kraftfahrt einen Tsunami in
Schaden/Unfall aus?
W
Wälder beleuchtete die denkbare
Entwicklung der Kfz-Versicherung für das Jahr 2030. Hierzu
habe KPMG drei Studien durchgeführt.
Man habe drei Szenarien herausgearbeitet und hieraus mögliche Entwicklungen
der Prämienvolumina für das Jahr 2030
gebildet:
ӹӹ Der technische Fortschritt verliert an
Dynamik € 20,6 Mrd.
ӹӹ Rahmenbedingungen verändern sich
analog heutiger Dynamik € 15,6 Mrd.
ӹӹ Das digitale Zeitalter als „Game Changer“ für Versicherungen
€ 13,3 Mrd.
Es gäbe vier Megatrends mit Relevanz für
Kfz, und zwar
ӹӹ Die Autobauer haben das Potenzial von
Versicherung als Instrument im ServiceLifestyle des Autos erkannt. Die Versicherung sei hierbei eine Dienstleistung im Zusammenhang mit dem Auto.
Die Marge sei hierbei nicht interessant.
Durch Aggregatoren und Direktvertrieb
entstehe ein erheblicher Kostendruck
auf die Versicherungswirtschaft. Im Jahr
2014 seien bereits 8 % der Kfz-Versicherungen durch Autohersteller und -händler sowie 15 % durch Aggregatoren vermittelt worden. Die Versicherungen mit
günstigen Kostenstrukturen hätten hierbei einen erheblichen Vorteil.
ӹӹ Ein weiterer Trend sei der Fortschritt der
Technik. Schon heute wäre es durch den
Einsatz bereits existierender technischer
Gegebenheiten möglich, 75 % der Haftpflicht- und 65 % der Kaskoschäden zu
verringern. Das Problem seien jedoch die
Altautos, die nicht über den modernsten
Stand der Technik verfügten. Doch sei
es auch möglich, diese mit vergleichsweise geringem finanziellen Aufwand
zu autonomen Fahren nachzurüsten. Als
Beispiele nannte Wälder Notbremsassistent, Einparkhilfe und Spurwechselassistent. Durch die fortschreitende Digitalisierung ginge der Trend zur Vernetzung der Fahrzeuge. Die Autobauer
werden entsprechende Hard- und Software in den Fahrzeugen einbauen und
der Fahrer bringt seine eigenen „Devices“ wie z.B. Smartphone mit.
VVB magazin 4/2016
ӹӹ Auch der Transport von Personen ändere sich. Der Trend, ein eigenes Auto
zu haben, nehme ab. Das Flottengeschäft
werde zunehmen. Plattformen zur gemeinsamen Fahrzeugnutzung nähmen
zu. Dadurch verringere sich auch die
Zahl der zu versichernden Fahrzeuge.
Auch der Fortschritt der Technik im 3DDruck wirke sich auf den Kfz-Versicherungsmarkt aus. Es werde erwartet, dass Ersatzteile zukünftig nicht mehr von einem
Produktionsstandort zur Werkstatt gebracht würden, sondern dass durch 3DDrucker lokale Produktionsstandorte entstehen. Heute würden bereits ca. 1.000 Teile
des Airbus A350 durch 3D-Druck hergestellt. Der Transport von Gütern werde somit deutlich abnehmen. Ein großer asiatischer Transporteur rechne beispielsweise
mit einem Umsatzrückgang von ca. 30 %.
Dies habe natürlich auch Auswirkungen auf
den Versicherungsmarkt.
Die Versicherer befänden sich aktuell in unterschiedlichen Positionen. Einige
befänden sich in einer Wartestellung. Andere hätten bereits eine Analyse zur Iden-
Fachveranstaltung 1 im Hause der AXA // 3. VVB-Versicherungsforum
Jörg Wälder (links) im Gespräch mit Thierry Daucourt
tifikation, Bewertung und Auswahl strate-
Entwicklung des Kfz-Versicherungsmark-
gischer Handlungsoptionen durchgeführt.
Die dritte Gruppe habe die Analyse bereits
durchgeführt und Handlungsoptionen entwickelt. Es gelte nun, diese umzusetzen.
Wälders Vortrag zu der zukünftigen
tes zeigte auf interessante und ansprechende
Art und Weise, welche Auswirkungen insbesondere die rasante technologische Entwicklung auf die Kfz-Versicherung hat
Danach referierte Dr. Michael Pickel, Vorstandsmitglied der E+S Rück AG, Hannover, zum Thema
Herausforderungen für die
Rückversicherung
P
ickel stellte zunächst dar, dass E+S für
das deutsche Geschäft zuständig ist,
wohingegen die Hannover Rück das
darüber hinausgehende weltweite Geschäft
betreut. Anschließend zeigte er auf, wie ein
Rückversicherer Risiken des Erstversicherers übernimmt. Dies erfolgt im Wege von
ӹӹ Reduzierung der Ergebnisvolatilität,
ӹӹ Bilanz- und Kapitalschutz,
ӹӹ Zugriff auf besondere Expertise,
ӹӹ Innovationspartner,
ӹӹ Realisierung von Geschäftsmöglichkeiten.
Interessant ist die Entwicklung der weltweit
agierenden Rückversicherer. Im Prämienvergleich von 2004 zu 2014 hat sich eine
Menge getan und so sind asiatische Rückversicherer jetzt stark vertreten. (Abb. 1)
Auch bei der Marktgröße hat sich einiges
verändert. (Abb. 2)
Das Rückversicherungskapital ist seit
2008 erheblich gestiegen, auch wenn es 2015
leicht gesunken ist; Grund ist auch eine Steigerung des alternativen Kapitals. Dies kann
an Abb. 3 sehr eindrucksvoll abgelesen werden anhand der Zahlen von 2008 bis 2015.
Welche Herausforderungen wirken aber
auf die Rückversicherung ein? Hier gibt es
eine Reihe von Risiken, die aber heute und
morgen veränderlich ist. Die wesentlichen
Herausforderungen sind in Abb. 4 dargestellt. Aus dieser sehr umfangreichen Liste
hat sich Pickel mit einigen wesentlichen beschäftigt, und zwar
ӹӹ Insurance Linked Securities,
ӹӹ Megastädte,
ӹӹ Klimawandel,
ӹӹ Technologische Trends – Cyber,
ӹӹ Demographie.
Seit einigen Jahren hat sich ein neuer
Rückversicherungsmarkt aufgetan, und
zwar der der Insurance Linked Securities.
Hier hat sich herausgestellt, dass ein großer Teil dieses alternativen Kapitals gefronted / besichert wird und dieser Teil ist von
2008 bis 2015 sehr stark gestiegen. Die Zahlen können Sie der nachfolgenden Übersicht
entnehmen. (Abb. 5)
Um dem Problem zu begegnen, ist es
wichtig, die sogenannte Combined Ratio, also die kombinierte Schaden-KostenQuote, auf einem auskömmlichen Stand
unter 100 % zu haben. Dafür ist es erforderlich, die Verwaltungskosten auf ein tolerier-
133
134
3. VVB-Versicherungsforum // Fachveranstaltung 1 im Hause der AXA
Abb. 1
VVB magazin 4/2016
bares Niveau zu reduzieren. Am Beispiel eines großen Rückversicherers sind die entsprechenden Werte dargestellt. (Abb. 6)
Ein besonders für Rückversicherer, bedingt durch die Internationalität, großes Risiko sind Megastädte und diese Problematik wird
sich im Laufe der Jahre noch verstärken. Hintergrund dafür ist, dass
in diesen Städten der Versicherungsbedarf steigen wird und damit
auch der Bedarf an Rückversicherung. Abbildung 7 auf der nächsten
Seite zeigt eine Übersicht der Megastädte größer 10 Millionen Einwohner aus dem Jahr 2012.
Da aber diese Städte auch stark durch den Klimawandel beeinflusst sind, wird das nächste Risiko „Klimawandel“ für die Versicherungswirtschaft enorm steigen, denn die Einflüsse durch den Klimawandel sind umfangreich. (Abb. 8)
Eine besondere Situation beim Klimawandel sind die in jüngster Zeit erfolgten hohen Anzahlen von Tornados in Europa und die
Waldbrände in Kanada zu Zeiten, in denen es üblicherweise nicht so
stark brennt.
Wesentlich problematischer dürften aber die großen Flutgefahren sein. Interessanterweise ist zu erwarten, dass sich dies insbesondere bei den Megastädten zeigen wird, denn diese werden hauptsächlich betroffen sein. (Abb. 9)
Das nächste große Risiko ist das von technologischen Trends und
das dargestellt am Beispiel von Cyber. Was kommt auf uns zu? Internetgesellschaft, Smartphones, Internet der Dinge usw. Dadurch steigen die Risiken. Anhand der folgenden Übersicht sind die Veränderungen gut aufgezeigt:
Abb. 2
Abb. 3
Abb. 5
Abb. 4
Abb. 6
VVB magazin 4/2016
Fachveranstaltung 1 im Hause der AXA // 3. VVB-Versicherungsforum
1. Internetgesellschaft
2001 = 8 %
2015 = 50 %
2. Verkaufte Smartphones
2001 = 470 Mio. 2015 = 1.250 Mio.
Abb. 7
Antriebsfaktoren
Natürliche
Solarstrahlung
Vulkanausbrüche
Plattentektonik
…..
Anthropogene
Treibhausgasemissionen
Zunahme der Wasserverdunstung
Mehr Stürme
Klimawandel/
Temperaturanstieg
Dürregebiete breiten sich aus
Zunehmender Verlust von
fruchtbarem Boden (Erosion)
Meeresspiegel steigt
Überflutung von
Küstenregionen
Abb. 8
3. Internet der Dinge
2001 = 5 Mrd. 2020 = 25 Mrd.
Es gibt eine klare Tendenz: Die Geräte sind immer an, und man ist
immer verbunden! (Abb. 10)
Aber:
ӹӹ Durch Hackerangriffe kann ein Angreifer verschiedene Bereiche
treffen und
ӹӹ es gibt im Rahmen einer Cyberversicherung keine Trennung
mehr zwischen Eigen- und Fremdschaden.
Das fünfte ausgewählte Risiko ist die Demographie bzw. der demographische Wandel. Dieses Risiko ist an sich nicht neu, denn die Aussichten hat man z.T. schon gesehen. Was passiert aber mit älteren
Menschen: Die älteren Jahrgänge werden zwar weniger, aber sie verursachen z.B. mehr Autounfälle, wobei das vielleicht mit Fahrassistenzsystemen besser werden dürfte.
Folgende Probleme sind zu erwarten:
ӹӹ mögliche Verschiebung des Renteneintrittsalters (längeres Berufsleben / Rentenzahlungen),
ӹӹ möglicher Anstieg der Pflegekosten (erhöhte Krankheitshäufigkeit – Morbidität),
ӹӹ mögliches altersbedingtes höheres Unfallrisiko (längere Teilnahme am Straßenverkehr).
Aus der Abb. 11 können Sie die Entwicklung bei britischen Neugeborenen hinsichtlich der Lebenserwartung ablesen.
Zusammenfassend stellte Pickel fest, dass die Anforderungen auf
die steigenden Risiken anzupassen sind. Der Rückversicherungssektor wird seines Erachtens wie in Abb. 12 gezeigt beeinflusst.
Dies wird dazu führen, dass zwar unter Umständen weitere Risiken aufgenommen werden müssen, dass aber andererseits die Chancen gesteigert werden können.
Abb. 9
Abb. 11
Abb. 10
Abb. 12
135
136
3. VVB-Versicherungsforum // Fachveranstaltung 1 im Hause der AXA
VVB magazin 4/2016
Als nächster Referent befasste sich Mathias Scheuber, Vorstand Allianz Versicherung
AG, München, ebenfalls mit den Herausforderungen der Digitalisierung für die
Versicherungswirtschaft.
Digitalisierung betrieblicher
Prozesse am Beispiel Schaden
Z
unächst legte er seine zwei Smartphones zur Seite und merkte dabei
scherzhaft an: Wenn man nur ein
Telefon habe, sei man nicht mehr erreichbar, wenn man telefoniere.
Digitalisierung sei in aller Munde. Die
Versicherungswirtschaft hinke da deutlich
hinterher. Es sei ja auch immer anders gegangen. Heute stelle sich aber nicht mehr
die Frage des „Ob“ sondern des „Wie“. Im
Fokus müsse hier immer die Kundenzufriedenheit stehen.
Scheuber stellte eine von der Allianz entwickelte App vor, die die Entscheidung zur
Auszahlung der Schadenregulierung im Bereich der Kfz-Versicherung in „realtime“
ermöglicht. Im günstigsten Fall melde der
Kunde morgens einen Schaden und habe
bereits nachmittags den Regulierungsbetrag
auf seinem Konto.
Bei einem Schaden nehme der Kunde
zwei Fotos aus einer 360°-Sicht auf und
sende diese per App an die Schadenabteilung. Wichtig sei es, dass der Kunde diese
App-Anwendung intuitiv bedienen könne.
Zunächst sei beispielsweise angedacht gewesen, rund um das Fahrzeug mit der automatischen Mehrfachaufnahmefunktion herumzugehen und diese Fotoserie hochzuladen. Bei den Tests zu dieser App stellte sich
aber heraus, dass dies für den Kunden zu
aufwendig sei.
In der Schadenabteilung erhalte ein Regulierer diesen Vorgang nun auf seinen
Rechner und prüfe, ob dieses Schadenszenario über die App-Funktion entschieden werden kann oder ob es einer sachverständigen
Begutachtung bedarf. Ist eine Online-Regulierung möglich, erhält der Kunde einen detaillierten Regulierungsvorschlag in Text-
form auf sein Smartphone geschickt.
Entscheidend sei bei dieser Anwendung,
dass der Kunde stets Herr des Verfahrens
sei. Er entscheide, ob er den Weg der Onlineregulierung gehen wolle. Nachdem ein
Vorschlag an ihn gesendet wurde, obliege es
einzig und allein dem Kunden, diesen anzunehmen. Er könne auch dann noch eine herkömmliche Regulierung wählen.
Auf Nachfrage aus dem Auditorium bestätigte Scheuber, dass man auch „Schleifen“ zur Betrugspräventation eingebaut
habe.
Der Vortrag Scheubers zeigte bildhaft, welche Möglichkeiten die Digitalisierung für die Versicherungswirtschaft bietet, kundenfreundliche Dienstleistungen
anzubieten.
Teilnehmer an der Podiumsdiskussion (v. li.): Professor Stefan Materne, TH Köln - IVW, Jörg Wälder, KPMG, Thierry Daucourt, AXA,
Werner Döringer, DVS und Mathias Pohl, Willis Towers Watson
VVB magazin 4/2016
Fachveranstaltung 1 im Hause der AXA // 3. VVB-Versicherungsforum
Die nachfolgende Podiumsdiskussion (s. Foto S. 136 unten) unter Moderation von Herrn
Professor Horst Müller-Peters von der TH Köln, IVW, stand unter dem Generalthema
Schwerwetterphase oder
Klimawandel für die Assekuranz?
A
uch hier war die Digitalisierung
eines der zentralen Themen. Die
Versicherungswirtschaft habe dort
noch sehr viel Aufholbedarf. Die Gefahr sei,
dass die Fintechs eine Allianz mit denen eingingen, die das Online-Geschäft besser können. Bislang werden bei der Digitalisierung
lediglich bisherige Vorgehensweisen digital
umgesetzt. Erforderlich seien aber fundamentale Änderungen.
Telematik bei Kfz-Versicherung erfordere jedoch auch günstigere Prämien, stellte
Prof. Stefan Materne fest. Dies müsse aber
auch wieder zu Einsparungen bei den Versi-
cherern führen. Herr Wälder betontet, dass
der Versicherungsnehmer durch bestimmte
Fahrweisen vom Versicherer tariflich angepasst werden könnte. Bei einer Prämienanpassung habe er jedoch die Möglichkeit, den
Versicher zu wechseln. Dem neuen Versicherer lägen jedoch die bislang gesammelten Daten des Vorversicherers nicht vor.
Ferner wurde die Frage von Online-Portalen für den Bereich der Gewerbeversicherung diskutiert. Es wurde dabei festgestellt,
dass dies nur möglich sei, wenn die Pro-
Daucourt hervor. Deshalb sei es für Versicherer aber interessant, Produkte so zu gestalten, dass diese gerade nicht vergleichbar seien. Ansonsten steige der Kostendruck
noch weiter.
Zum Abschluss der Podiumsdiskussion
folgte noch eine Befragung der Teilnehmer,
wo sich denn die Versicherungswirtschaft
befinde. Die deutliche Mehrheit entschied
sich für einen Klimawandel. Den zweiten
Rang nahm der Tsunami ein. Zwei Teilnehmer entschieden sich für einen Sturm.
dukte vergleichbar seien. In diesem Fall entscheide dann aber nur noch der Preis, hob
Als letzter Referent stand dann Dr. J. Freiherr Frank von Fürstenwerth, Vorsitzender der
Geschäftsführung des Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V., Berlin,
auf der Agenda. Er berichtete über die
Perspektive Zukunft:
Lassen Politik und Regulierung
genügend Gestaltungsspielräume?
V
on Fürstenwerth stellte sich in der
Form vor, dass er sich als Risikomanager einer nationalen aber auch
internationalen politischen Kontrolle sieht.
Heutzutage sind wir quasi bis an die Halskrause reguliert, was früher doch ein wenig
anders war. Er stellte die Frage, wieviel Freiheit wir denn heutzutage überhaupt noch
haben.
Die Politik sagt, dass die Digitalisierung
nicht so vorteilhaft sei. So gibt es Versicherer, die nutzen eine App, aber nach kurzer
Zeit wird sie von der Öffentlichkeit angefeindet und die Aufsicht ist aufgefordert,
eine Regelung dafür zu „erfinden“. Von
Fürstenwerth zeigte anhand der aktuellen
Abb. 1
137
138
3. VVB-Versicherungsforum // Fachveranstaltung 1 im Hause der AXA
VVB magazin 4/2016
3
Herausforderung Niedrigzins
Ungebremster Rückgang der Renditekurve
6,0
5,0
4,0
3,0
2,0
1,0
0,90
0,0
0,18
Bund 10y
Bund 30y
Niedrigzinsphase drückt auf die Renditen der 10- und 30jährigen Bundesanleihen
Quelle: Bloomberg, GDV
Dr. Frank von Fürstenwerth
Abb. 2
politischen Landschaft Deutschlands auf,
dass die Mehrheitsverhältnisse in Deutschland derzeit schwierig sind, denn über die
Landesregierungen gibt es Einflussmöglichkeiten auf die Landesaufsichten. (Abb. 1)
Eine weitere große Herausforderung
ist die Zinskurve in Deutschland, denn dadurch sind die Versicherer unisono beeinträchtigt. (Abb. 2)
Der Verbraucherschutz, so von Fürstenwerth, hat sich s. E. quasi verselbstständigt,
denn die Aufsicht hat nationale und internationale Aufgaben und das gilt ähnlich bei
den Marktwächtern wie z. B. dem GDV.
Die
Verbraucherschutz-Architektur
sieht in Deutschland wie folgt aus (Abb. 3)
Bundesregierung
(BMJV, BMF)
Wissenschaft
(Sachverständigenrat)
Abb.3
Aufsicht
(kollektiver
Verbraucherschutz)
Zivilgesellschaft
(Marktwächter)
Nach Start Solvency II: Regulierung ohne Ende
6
Fortführung der Diskussion in in fast allen Regulierungsbereichen
Laufende Anpassungen,
Erweiterungen und
Konkretisierungen
EURichtlinie
Bis 2018/2021:
Überprüfungsprozess
EIOPA:
Leitlinien
EIOPA:
ITS
Delegierte
Rechtsakte
BaFinSpezifikationen
Laufende
Anpassungen,
Erweiterungen und
Konkretisierungen
Abb. 4
EIOPA:
Opinions
VAGNovelle
Dr. Frank von Fürstenwerth
Was ist „gute“ Regulierung?
ӹӹ Regulierung ist weder gut noch böse.
ӹӹ Regulierung folgt Motiven:
–– Beseitigung eines Missstands,
–– Umsetzung eines politischen
Gestaltungswillens,
–– Aufrechterhaltung von Funktionsfähigkeit und Stabilität des Versicherungs- (Finanz-) Sektors.
ӹӹ Die Qualität der Regulierung bemisst
sich danach, wie gut sie ihre Zwecke erfüllt.
ӹӹ „Gute Regulierung“ folgt Prinzipien:
–– Regulierung muss flexibel sein,
–– Regulierung muss so simpel wie
möglich und so komplex wie nötig sein,
–– Regulierung muss nach Größe und
Geschäft angemessen sein.
ӹӹ „Gute Regulierung“ muss im Dialog zwischen Regulierern und Regulierten stattfinden.
Wichtig ist, so von Fürstenwerth, dass
die Regulierung ihren Zweck und ihr Ziel
erfüllt.
Ein Feld der Regulierung ist Solvency II:
Es ist zwar umgestellt, aber noch nicht fertiggestellt. (Abb. 3)
International sind sehr viele bei der Aufsicht über Versicherungsunternehmen aktiv, nämlich
ӹӹ International Association of Insurance
Supervisors,
ӹӹ Europäischer Rat und Parlament,
ӹӹ EIOPA,
ӹӹ Bundestag und Bundesrat,
ӹӹ Bundesbank,
ӹӹ BaFin,
ӹӹ Ausschuss für Finanzstabilität,
ӹӹ BMF,
ӹӹ European Systemic Risk Board,
ӹӹ EU-Kommision,
ӹӹ G-20 und Financial Stability Board.
Die Frage ist, ob das zu viele Köche sind?
Es gibt derzeit schon sehr viele Pflichten
– aktuell sind es 75 – und zukünftig soll das
noch stark steigen, nämlich auf 148 Anforderungen. (Abb. 4)
Einen speziellen Teilbereich, der zu ändern ist, ist die EU-Vermittlerrichtlinie
(IDD). Diese Veränderung ist national bis
Ende 2017 durchzuführen und eine Vielzahl
von Gesetzen ist angesprochen, und zwar
ӹӹ VVG 6 Paragraphen
ӹӹ VAG 5 Paragraphen
VVB magazin 4/2016
Fachveranstaltung 1 im Hause der AXA // 3. VVB-Versicherungsforum
ӹӹ GewO 4 Paragraphen
ӹӹ VVG-InfoV
2 Paragraphen
ӹӹ VersVermV
6 Paragraphen
Von Fürstenwerth stellte abschließend fest,
dass es schön wäre, wenn die Umsetzung
von notwendigen Anpassungen wie die EUVermittlerrichtlinie schnell gehen würde.
Man hätte z. B. als Versicherungswirtschaft
mit den Kundenwächtern bzw. dem Verbraucherschutz sprechen können, um auf
diesem Wege festzustellen: Was wollt Ihr
denn?
Schlusswort
Abb. 5
Die Schlussworte zu dieser sehr spannenden
Tagesveranstaltung sprach Markus Metzler,
VVB-Vorstand für fachliche Organisation.
Er zeigte sich mit dem Ergebnis der Fachveranstaltung 1 des 3. VVB-Versicherungs-
den. Auch interessante Diskussionspunkte
kamen nicht zu kurz.
Unser Dank gilt nochmals allen Referen-
forums anlässlich der Jubiläums MV 2016 in
Köln sehr zufrieden. Dies konnte den Äußerungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sehr eindrucksvoll entnommen wer-
ten und den Teilnehmern an der Podiumsdiskussion, die ihre Vorträge sehr eindrucksvoll gehalten haben und interessante
Einblicke in ihre jeweilige Arbeit geben
konnten, aber auch die vielschichtigen Versicherungsaspekte spannend beleuchteten.
Bedanken möchten wir uns aber auch
bei der ausrichtenden AXA Konzern AG in
Köln, die mit ihren Aktivitäten wesentlich
zu dieser erfolgreichen Veranstaltung beigetragen hat.
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139
140
3. VVB-Versicherungsforum // Fachveranstaltung 2 im Hause der IHK
VVB magazin 4/2016
Fachveranstaltung 2:
Aktuelle Entwicklungen und
Trends in der Lebens- und
Krankenversicherung sowie der
Digitalisierung
Zusammenfassung von FRANZ-PETER WIRTZ (Kor. M )
Für die Versicherungsbranche gibt es vielfältige Herausforderungen, denen sich die Gesellschaften und Vertriebe gegenübersehen: anhaltende Niedrigzinsen, regulatorischer Druck,
Verbraucher- und Datenschutz, die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft, Reduktion von Komplexität und Kosten sowie das geänderte Kundenverhalten. Geschäftsmodelle,
Produkte, Prozesse, Vertriebswerkzeuge sowie der Einsatz neuer Technologien stehen auf
dem Prüfstand
220 Mitglieder, Gäste und Studenten konnten Dieter Bick, Vorstandsvorsitzender der VVB,
sowie Franz-Peter Wirtz, Fachkreisleiter BO/IT, der die Veranstaltung moderierte, im Hause der
IHK in Köln begrüßen. Und die Besucher wurden nicht enttäuscht:
Markus Klinger (FKL bAV/LV) und Franz-Peter Wirtz (FKL BO/IT) hatten die Veranstaltung organisiert und konnten namhafte Referenten gewinnen, die in ihren Vorträgen zu den aktuellen
Themen, Strategien und Sichten ihrer Gesellschaften referierten.
Im Folgenden die Kurzfassung einiger Vorträge der einzelnen Referenten. (Der Vortrag von
Prof. Dr. Oskar Goecke zum Thema „Faire Gestaltung einer kapitalgedeckten Altersversorgung“ ist bereits im VVB magazin 3/16 veröffentlicht worden.)
Blick in das Auditorium
Fotos auf Seite 140, 142, 146, 148:
Thorsten Rolf (93)
VVB magazin 4/2016
Fachveranstaltung 2 im Hause der IHK // 3. VVB-Versicherungsforum
Cognitive Intelligenz – Sturm im
Wasserglas oder echte Option?
von STEFAN RIEDEL, Vice-President Insurance DACH, IBM Deutschland
D
as kognitive Zeitalter hat begonnen, auch bei den Versicherern. Im
Jahre 2015 glaubten 98 % der befragten Versicherungsexecutives, dass Cognitive Computing die Versicherungsbranche
umwälzen würde. Für das Jahr 2018 wird
in einer Studie der Gardner Group („Predict 2016“) prognostiziert, dass die Hälfte
aller Verbraucher regelmäßige Dienste in
Anspruch nehmen, die auf Cognitive Computing beruhen. „Durch die Nutzung intelligenter Maschinen werden auch Versicherungsunternehmen in der Lage sein, neue
operationale Effizienzen aufzudecken, die
anders unmöglich erreichbar wären.“, so
eine Kernaussage der o.a. Studie.
Ist die digitale Ära eine Zeitwende des
digitalen Darwinismus oder nur ein neues
„Buzzword“ der IT-Industrie? Diese Frage
kann man mit den Kernveränderungen,
womit die Branche sich seit einiger Zeit beschäftigt, beantworten: Herausforderungen
durch verändertes Kundenverhalten, Bewältigung von Daten-Tsunamis sowie neue
disruptive Geschäftsmodelle sind nicht irgendein Trend oder nur Schlagworte, sondern Handlungsfelder, mit denen sich die
Branche beschäftigen muss. Der digitale
Darwinismus ist die zwingend erforderliche
Revolution des Unternehmens, da sich Gesellschaft und Technologie schneller entwickeln als dessen Fähigkeit sich anzupassen.
Die globalen Megatrends verändern in
nie da gewesener Geschwindigkeit radikal
alle Industrien und Unternehmen. Megatrends und Herausforderungen sind z.B.
der demografische und geografische Wandel, die Globalisierung sowie das digitale Leben. Der Kunde will als Individuum behandelt werden, indem jede seiner Erwartungen
an das Unternehmen berücksichtigt wird
und dafür jeder Kanal immer zur Verfügung
steht. Jedes Unternehmen hat die Aufgabe,
das Ökosystem entsprechend aufzubauen
und damit alle Wünsche und Bedürfnisse
des Kunden zu befriedigen. (Abb. 1)
Abb. 1
Abb. 2
Die Paradigmenwechsel Kunden&Daten sowie externe Kräfte treiben Innovation
und Disruption der traditionellen Wertschöpfungskette der Versicherung. Fünf
disruptive Kräfte sind hierbei von entscheidender Bedeutung: Ertrag der Geschäftsmodelle, steigende Regulierung, höhere Sicherheitsrisiken, neues Kundenverhalten und
disruptiver Wettbewerb. Diese disruptiven
Kräfte zwingen die Finanzdienstleistungsindustrie, sich auf drei Kernkompetenzen
zu fokussieren: (Abb. 2)
Kognitive Systeme wie IBM Watson verstehen und lernen durch Interaktion mit
Menschen, bilden Hypothesen und liefern
evidenzbasierte Antworten. Daraus ergeben
Abb. 3
141
142
3. VVB-Versicherungsforum // Fachveranstaltung 2 im Hause der IHK
Stefan Riedel, IBM
sich zahlreiche Einsatzgebiete für die Versicherungswirtschaft:(Abb. 3)
Das cognitive System WATSON der IBM
verändert die Zusammenarbeit von Mensch
und Computer durch Erweiterung, Skalierung und Beschleunigung der menschlichen
Expertise grundlegend. Einsatzgebiete sind
auf fast allen Prozessebenen möglich. Erste
Beispiele zeigen, dass Versicherer diesen
Trend aufgreifen: Telematik für KFZ-Unfallmeldedienste und Pay-How-You-Drive-Piloten beim GDV, Neudefinition von
Underwriting-Prozessen mit Cognitive
Analytics bei der SwissRe, Vermögensberatungsdienste basierend auf Cognitive Ana-
Abb. 4
VVB magazin 4/2016
lytics bei der ANZ sind nur einige aktuelle
Beispiele aus der Branche.
Die Aggregation verschiedener Datenquellen wird für den Versicherer zur differenzierenden Kernkompetenz.
In verschiedenen „Was-wäre-wenn“Szenarien hat Herr Riedel die Einsatzmöglichkeiten von Cognitives dargestellt.
ӹӹ Ermittlung von Verhaltensmustern des
Kunden, um seine Bedürfnisse intelligent zu erkennen und dementsprechend
in der richtigen Kundenansprache zum
richtigen Zeitpunkt den Kunden anzusprechen,
ӹӹ Erfassung von relevanten Risikoprofilen, um individuelle Empfehlungen und
Produkte anzubieten und anhand neuer
Daten besser kalkulieren zu können
(Verhaltensbasierte Segmentierung),
ӹӹ jedes Device oder Interface zur interaktiven Kundenschnittstelle nutzen,
ӹӹ Erhöhung der Beratungsqualität durch
Analyse der Daten.
Rapides Datenwachstum und neues
Kundenverhalten fordert die Versicherer,
sich als Informationsaggregatoren mit kognitiven Lösungen an die Spitze der Wertschöpfungskette zu setzen. (Abb. 4)
Smart Insurance –
Versicherung neu
denken
von DR. VINCENZO REINA, Generali Deutschland,
Head of Strategy & Smart Insurance Transformation
D
ie meisten Einwohner Deutschlands
nehmen heutzutage regelmäßig
Diensteistungen aus dem Interenet in
Anspruch, auch mobil. (Abb. 1)
Eine Herausforderung an die Versicherungswirtschaft ist der Anspruch, die neuen
Kanäle zu nutzen, aktiv mitzugestalten und
damit den Markt nicht an Wettbewerber zu
verlieren.
ӹӹ Marktveränderungen: Neue Wettbewerber wie Google, Startups etc.
ӹӹ Multi-access & Multi-channel: Hybride
Kunden nutzen alle Kanäle!
ӹӹ Einfachheit: Kundenerwartungen verändern sich.
ӹӹ Smarte Lösungen: Das Internet of Things
(IoT) eröffnet neue Marktchancen.
VVB magazin 4/2016
Fachveranstaltung 2 im Hause der IHK // 3. VVB-Versicherungsforum
Internet of Things
Das Internet of Things ist keine Vision
mehr, sondern bereits Realität. (Abb. 2)
Durch das Internet of Things kann das
Leben der Kunden mit echter Prävention
und Vorsorge verbessert werden. Bei der
Generali sind dafür 4 Dimensionen der
Smart Insurance Solutions definiert worden.
ӹӹ Finanzielle Leistungen (Geld),
ӹӹ Sachleistungen (z.B. Raparaturen),
ӹӹ Assistance-Leistungen (AssistanceDienstleistungen im Schadenfall), und
ӹӹ Risikokontrolle (echte Prävention und
Vorsorge durch Risikokontrolle).
Abb. 1
Connected Solutions
Connected Solutions stehen im Mittelpunkt
der neuen Angebote der Generali-Gruppe,
um den Kunden einen echten Mehrwert
bieten zu können. (Abb. 3)
Telematics-Solutions
Durch die Telematics-Solutions werden
mehr Dienstleistungen rund um Fahrer und
Auto möglich:
ӹӹ Verbesserung des Fahrverhaltens,
ӹӹ Telematik-Tarife,
ӹӹ Assistence-Leistungen, Road Services,
ӹӹ Reparaturdienste,
ӹӹ Diebstahlschutz und Notfalldienste.
Die Wichtigkeit dieser Solutions hat Generali u.a. mit der Übernahme von MyDrive
Solutions im Sommer 2015 dargestellt:
Das Unternehmen ist weltweit führend in
Telematics Contextual Profiling & Data
Analytics.
Abb. 2
Programm Domotics
Mit dem Programm Domotics soll das Zuhause der Kunden bequemer, sicherer und
ressourcenschonender werden. Das Programm hat folgende Aspekte: (Abb. 4, S.
144)
Generali Vitality Programm
Das „Generali Vitality Programm“, ein Gamechanger mit einem innovativen, ganzheitlichen Ansatz, um den Kunden zu einem
gesundheitsbewussten Leben zu motivieren, ist neu angekündigt und wird sukzessive in verschiedenen Bereichen/Sparten
zum Einsatz kommen. Im Vordergrund
steht hier die Bewusstseinsschaffung bei
Kunden für ein aktives, gesundes Leben, für
das der Kunde dann durch Leistungen belohnt wird. (Abb. 5, S. 144)
Abb. 3
Die Generali sieht sich auf einem guten
Weg, die Chancen der Digitalisierung und
BigData verantwortungsvoll zu nutzen.
Sensibler Umgang mit personenbezogenen
Daten, Stärkung der Solidarität, risikoge-
rechte Kalkulation und Entscheidungsfreiheit beim Kunden sind die entscheidenden
Punkte für die Generali, den Kunden verbesserte und moderne Versicherungslösungen anbieten zu können.
143
144
3. VVB-Versicherungsforum // Fachveranstaltung 2 im Hause der IHK
VVB magazin 4/2016
Abb. 4
Abb. 5
Altersversorgung in der
Niedrigzinsphase
von DR. WALTER BOTERMANN, Vorsitzender der Vorstände ALTE LEIPZIGER – HALLESCHE Konzern
Die Niedrigzinsphase stellt sämtliche Marktteilnehmer vor vollständig
neue Herausforderungen. Kunden, Makler und Versicherer müssen sich
auf diese bisher in Europa nicht bekannte Situation einstellen. Gerade
Versicherer stehen dabei im Spannungsfeld, langjährige, treue Kunden
mit hohen Garantien vertragsgemäß zu behandeln und dabei gleichzeitig
für neue Kunden attraktiv zu bleiben. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) begleitet die Versicherer eng und scheut auch
nicht vor einer „Manndeckung“ zurück.
Ursachen der Niedrigzinsphase
Dr. Botermann analysierte in seinem Vortrag vor
VVB-Mitgliedern in Köln zunächst die drei Kernursachen des Problems:
–– Durch die Liberalisierung werden inflationäre Tendenzen außer bei Mangelgütern begrenzt.
–– Die Notenbanken verfolgen eine Nullzinspolitik.
–– Die niedrigen Rohstoffpreise stabilisieren mögliche
inflationäre Preisbewegungen.
Die Notenbanken versuchen über die bekannten Instrumente der Geldpolitik eine Deflation zu verhindern.
Anfangs agierten die Notenbanken sehr vorsichtig –
mittlerweile sind ihre Eingriffe massiv und für jedermann erkennbar. Der kurzfristige Zins wird unter die
Inflationsrate gedrückt, um Impulse für die Marktteilnehmer zu setzen. Die Schmerzgrenze ist dabei nicht
bei Null, sondern darunter. „Wir haben negative Realzinsen, die Stück für Stück an die Verbraucher weiter
gegeben werden“, so Dr. Botermann. Ähnliche Szenarien kennt man seit Jahren aus Japan.
Ende der
Niedrigzinsphase
Entschuldet werden stark verschuldete Staaten, deren
Zustand geschönt wird, und Verlierer sind die Sparer,
die durch die Notenbankpolitik enteignet werden.
Dr. Botermann prognostizierte kein Ende der Niedrigzinsphase, auch wenn der Schuldenstand der
VVB magazin 4/2016
Staaten im Euro-Raum ein erträgliches
Maß von 60 % des Bruttoinlandsprodukts
erreicht hat. Das bedeutet aber auch, dass
sich die Spirale zwischen Niedrigzins und
Staatsverschuldung immer weiter in entgegengesetzte Richtungen dreht, solange
solche Staaten nicht ihre Haushalte nachhaltig konsolidieren und Reformen vermeiden. In Japan dreht man sich schon
seit zwei Jahrzehnten im Kreis, und ein
Ende ist nicht absehbar. Auf immer höhere Schulden folgen zu deren Finanzierung immer niedrigere, von der Notenbank orchestrierte Zinsen.
Folgen für die Verbraucher
Aktuell erfolgt eine schleichende Enteignung der Sparer. Vor allem diejenigen mit
hohen Sichteinlagen gehören zu den Verlierern. Die niedrigen oder negativen Zinsen reduzieren den Wettbewerb der Anlagen. Besonders problematisch ist es für diejenigen Verbraucher, die sich längerfristig
um ihre Altersvorsorge kümmern. Durch
das politisch gewollte Absenken des Rentenniveaus ist eine private oder betriebliche
Altersvorsorge essentiell, um den gewohnten Lebensstil auch im Ruhestand halten zu
können.
Individuelle Auswege
Gerade im Bereich der Altersvorsorge gibt
es nach Ansicht von Dr. Botermann für Verbraucher drei Erfolgsfaktoren aber auch
Herausforderungen als Ausweg aus der
Nominalzinsfalle:
–– mehr Sparen,
–– begrenzte Risiken beim Sparen eingehen,
–– Langlebigkeit absichern.
Insbesondere beim Thema der Langlebigkeit bietet die Versicherungswirtschaft interessante Lösungen, die mit modernen Produkten auch die Herausforderungen der
Niedrigzinsphase annehmen. Fondsprodukte und/oder betriebliche Altersvorsorge
lassen das Langlebigkeitsrisiko beherrschbar werden. Bargeld und Sichteinlagen gaukeln nur eine scheinbare Sicherheit vor. Die
Enteignung hat hier schon begonnen.
Eine Investition in Sachwerte, wie Aktien und Immobilien ist sinnvoll. Aber auch
hier kann sich nach Aussage von Dr. Botermann schnell Ernüchterung einstellen.
Nämlich dann, wenn man merkt, dass das
Investment überteuert oder gar nur im Prospekt ein gutes Geschäft ist – wie so manche
Fachveranstaltung 2 im Hause der IHK // 3. VVB-Versicherungsforum
vermeintlich lohnenden Investitionen in erneuerbare Energien. Hier haben Verbraucher schon viel Lehrgeld bezahlt.
Deutschlandrente
funktioniert nicht
Gerade der Deutschlandfonds ist aus der
Sicht von Dr. Botermann sehr kritisch zu betrachten, denn auf Dauer ist dieser nicht finanzierbar: Bis 2030 wird eine Senkung des
Rentenniveaus auf nahezu 43 % des letzten
Nettolohns erwartet. Bei einem Nettoverdienst von 3.000 € im Monat würde der Bürger von der deutschen Rentenversicherung
eine spärliche monatliche Rente von 1.400 €
bekommen. Der Deutschlandfonds solle
helfen, die Rentenansprüche in 2030 um
10 %, also von 43 % auf 53 %, aufzustocken.
Dies wäre eine Erhöhung der erwarteten
Rentenleistung der gesetzlichen Rente von
ca. 450 Mrd. € um 90 Mrd. €. Dieses Delta
von 90 Mrd. € müsste der Deutschlandfonds
in Zukunft ausschütten. Wenn die geplante
jährliche Verzinsung von 5 % erreicht wird
– welche sicherlich sehr mutig ist – müsste
der Fonds ein Kapitalvolumen von rund
1.800 Mrd. € aufweisen. Weitere Diskussionen sollten sich damit erübrigen.
Nahles Rente
Die „Nahles Rente“ und die daraus hervorgehende verstärkte Verankerung der Betriebsrenten in die Tarifverträge ist hingegen ein Schritt in die richtige Richtung.
Allerdings ist hier zu beachten, dass die Tarifpartner nicht auch gleichzeitig Risikoträger und Assetmanager sein können. Damit dieses Modell funktionieren kann, ist es
laut Dr. Botermann unumgänglich, die Versicherungswirtschaft als Risikoträger mit
einzubinden.
Pausengespräche auf dem HR-Markt
Bei Versicherern gehört
Risikobeherrschung zum
Geschäftsmodell
Man sollte bei der Auswahl einer Versicherungsgesellschaft immer auf den Rat von
Fachleuten wie Maklern vertrauen. Aus Japan weiß man, dass nicht alle Versicherer
die Niedrigzinsphase überlebt haben.
Die Versicherer in Deutschland unterstützen die Politik, um für weite Kreise der
Bevölkerung den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand zu gestalten. Gerade
um Altersarmut zu vermeiden, fordert Dr.
Botermann von der Politik eine Ausweitung
des Sparerfreibetrags sowie die Riesterrente
auch für die betriebliche Altersversorgung
mit generell niedrigeren bürokratischen
Anforderungen und damit geringeren
Verwaltungskosten.
Insbesondere die Bezieher niedriger Einkommen benötigen eine Anpassung der Zuschüsse und keine Anrechnung der angesparten Beiträge auf eine Grundversorgung.
Dies stoppt alle Sparanstrengungen dieser
Einkommensgruppen.
Zusammenfassung
Die Niedrigzinsphase ist in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Wer insbesondere im Alter nicht zu den Verlierern gehören möchte, muss mehr und anders sparen. Versicherer bieten mit ihren neuen
Produkten bzw. über die betriebliche Altersvorsorge Möglichkeiten das Langlebigkeitsrisiko abzusichern und dabei begrenzte
Risiken einzugehen. Damit die Lebensversicherer die Bevölkerung wirksam vor Altersarmut schützen können, sollte die Politik
Fehlanreize vermeiden und die betriebliche
Altersversorgung stärken.
Fotos: Ingrid Punz
145
146
3. VVB-Versicherungsforum // Fachveranstaltung 2 im Hause der IHK
VVB magazin 4/2016
M&A – Herausforderungen und
Chancen in stürmischen Zeiten
von THOMAS KORTE, EY, Partner – EMEIA Transaction Insurance Leader
D
as Umfeld bei Unternehmenstransaktionen ist
in den letzten Jahren schneller und komplexer geworden. Dabei sind die Anlässe für eine
Unternehmenstransaktion vielfältig.
Weltweit gab es im Jahre 2015 Transaktionsbewegungen und Zahlungsströme im Gesamtwert von ca.
40 Mrd. €. (Abb. 1)
Die größten Deals im Jahre 2015 fanden in den USA
und Asien statt. So kaufte die ACE das Target Chubb
für 25,6 Mrd. €.
Abb. 1
Abb. 2
Wie sieht die Entwicklung im M&A-Volumen speziell in Europa aus?
Laut EY findet man derzeit in Europa ein „positives“
M&A-Umfeld vor. Dies wird getrieben durch geringes
organisches Wachstum, freies Kapital, strategische Herausforderungen (Digitalisierung, Wettbewerb mit
Asset Managern) und geringe Finanzierungskosten.
Das Niedrigzinsumfeld und dessen Wirkung auf
die Lebensversicherung haben bereits einige Marktteilnehmer dazu bewogen, das Neugeschäft mit Garantiezins- und kapitalbildenden Produkten einzustellen. Das Entstehen eines aktiven Leben-Runoff-Marktes in Kontinentaleuropa erscheint aus
heutiger Sicht wahrscheinlich.
Auf der Suche nach Wachstums- und Diversifizierungsmöglichkeiten treten asiatische Player in
den europäischen Markt ein und europäische Player
in den asiatischen Markt (Schwellenländer).
Die steigenden Kapitalanforderungen unter Solvency II zeigen trotz Transitionals erste Wirkung
und motivieren zur Abgabe von Non-Core-Geschäft. Bankengruppen streben nach Kapitalentlastung durch die Abgabe ihrer (Lebens-) Versicherungsgesellschaften. (Abb. 2)
VVB magazin 4/2016
Fachveranstaltung 2 im Hause der IHK // 3. VVB-Versicherungsforum
147
Abb. 3
Die wesentlichen Treiber für M&A-Aktiviten
Abb. 4
In Deutschland sind im Vergleich zum britischen M&A-Markt derzeit geringere M&A-Volumina zu beobachten. Der deutliche Rückgang
gegenüber 2014 ist im Wesentlichen auf die abwartende Haltung zu Solvency II zurückzuführen. Im
Fall der Lebensversicherungsunternehmen wird
diese Haltung durch das LVRG und die Zinszusatzreserve verstärkt.(Abb. 3)
Was sind die wesentlichen Treiber für M&A-Aktivitäten? (Abb. 4)
Mögliche Treiber für Transaktionen sind
ӹӹ anhaltender Druck durch Niedrigzinsumfeld
(Sinken der laufenden Durchschnittsverzinsung von 8 % im Jahre 2008 auf ca. 3 % im Jahre
2014,
ӹӹ massive Zunahme regulatorischer Anforderungen (Solvency II, Zinszusatzreserve, LVRG,
Veränderung der Gewinnbeteiligung,
ӹӹ Konsolidierung (nicht nur) in der Lebensversicherung,
148
3. VVB-Versicherungsforum // Fachveranstaltung 2 im Hause der IHK
VVB magazin 4/2016
Abb. 5
Experten am Panel (v. li.):
Thomas Korte,
Dr. Frank Grund,
Dr. Marc Surminski,
Michael Kurtenbach,
Dr. Vincenzo Reina
ӹӹ Veränderungen im Produktprotfolio (Rückgang
des traditionellen Geschäfts durch die Veränderung steuerlicher Behandlung, Zunahme fondgebundenes Geschäft ab Beginn Niedrigzinsphase).
Die Handlungsoptionen und Vorgehensweisen, die
sich aus der aktuellen Situation ableiten lassen, sind in
oben dargestellt. (Abb. 5)
In Deutschland haben sich drei wesentliche LebenKonsolidierungsplattformen für das Management von
geschlossenen Lebensversicherungsbeständen entwickelt: Athene Lebensversicherung AG, Heidelberger
Lebensversicherung AG und die Frankfurter Lebensversicherung AG. Ziel dieser spezialisierten Plattformen ist es, die Profitabilität und Effizienz der ClosedLife-Book Portfolien durch die Zusammenlegung
einzelner Portfolien in einer Plattform zu steigern.
Private-Equity-Investoren (bei allen drei o.a. wesentlichen deutschen Plattformanbietern beteiligt) möchten vor allem durch „Skaleneffekte“ bei der Verwaltung
von Kapitalanlagen und preisgünstige Akquisitionen
ihre Zielrendite erwirtschaften.
Für die Lebensversicherer bleiben die aktuellen
Marktanforderungen sowie Anforderungen an die Optimierung des bestehenden Geschäftsmodells jedoch
bestehen:
ӹӹ Freisetzung / Optimierung von (regulatorischem)
Kapital als eine wesentliche Zielgröße: Trennung
von core und non-core Geschäft,
ӹӹ technologische Transformation zwischen „altem“
und „neuen“ Geschäftsmodell (Vertriebswege,
Kunden, Produkte),
ӹӹ Innovation: Digitalisierung und InsurTech,
ӹӹ Reduktion der Komplexität,
ӹӹ Realisierung von Skaleneffekten: Quo vadis SME?
ӹӹ Wachstum in Emerging Markets,
ӹӹ Herausforderungen im regulatorischen Umfeld,
ӹӹ Markteintritt neuer (innovativer) Wettbewerber
(u.a. Apple, Google),
ӹӹ Zunehmender Kapitalfluss von Asien in Richtung
etablierter Märkte.
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Produktgestaltung sowie deren Anpassung (umfasst
Abstimmung mit anderen Fachbereichen zu den
Themen spartenspezifische Produktinhalte, ITUmsetzung, Vertriebseinführung, Profitabilität / Tarif,
Wettbewerbsanalyse, Prozess, Kommunikation, Vermarktung)
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liegen
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Endkunden sowie interne Vermarktung in Richtung
Vertriebspartner)
Mind. 1 – 2 Jahre Berufserfahrung
Kunden- und serviceorientierte Ausrichtung des eigenen Arbeitens
Teamfähigkeit, Veränderungsbereitschaft und Unternehmerisches Handeln
Fundierte Kenntnisse in der Sparte Haftpflicht
Grundkenntnisse in den Sparten Sach, TV, MAT,
sowie der Firmen-Systemlandschaft
Englischkenntnisse in Wort und Schrift
Zielgruppengerechte und kundenorientierte Formulierung von Präsentationen
Ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit
Analytisch fundierte, strukturierte Arbeitsweise
Controlling der durchgeführten Maßnahmen
Projektarbeit
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FACHKREISE // Frühjahrstagung des FK bAV/LV
VVB magazin 4/2016
Tarifpartnerrente und steuerliche
Optimierung der bAV
von OLIVER LIETZAU, ( korr. M.)
Am 22.04.2016 trafen sich Vertreter aus Politik, Verbänden, Gewerkschaften,
Wissenschaft, Beratungshäusern und die Mitglieder des Fachkreises „Betriebliche Altersversorgung und Lebensversicherung“ im Hause der Gothaer Versicherung in Köln. Fachkreisleiter Markus Klinger hat keine Mühen gescheut,
um dem Auditorium das o. g. Thema aus verschiedenen Blickwinkeln von renommierten Referenten näher zu bringen. In diesem Teil des Berichtes über die
Frühjahrstagung werden die Positionen der ersten drei Referenten (BMAS, BMF
und DLA Piper) beleuchtet. Im Bericht von Jürgen Görres werden die Positionen
aus Politik, Verbänden und Gewerkschaften dargestellt.
Die Referenten v. li.: Markus Klinger, Matthias W. Birkwald, Dr. Marco S. Arteaga, Ralf Kapschack, Florian Swyter, Dr. Judith Kerschbaumer,
Stefan Opel, Hans-Ludwig Flecken, Dr. Rolf Möhlenbrock
VVB magazin 4/2016
Frühjahrstagung des FK bAV/LV // FACHKREISE
Die Kernpunkte des BMASReformkonzepts zur betrieblichen
Altersvorsorge
stellt Ministerialdirektor Hans-Ludwig
Flecken (Leiter der Abt. IV „Sozialversicherung, Alterssicherung“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales) vor.
Dabei kommt der Gewährleistung eines
auskömmlichen Alterseinkommens nach
langjähriger Erwerbstätigkeit und der
Schließung von Gerechtigkeitslücken aus
den Reformen der vergangenen Jahre eine
besondere Bedeutung zu. Aber auch die
nachhaltige Finanzierbarkeit dieser Maßnahme steht im Fokus der Rentenpolitik. Zu
den empirischen Befunden in der Grundsicherung führt Herr Flecken aus, dass
ӹӹ im Jahre 2014 ca. 75 % der Bezieher von
Grundsicherung im Alter eine Altersrente erhalten, die auf die Grundsicherung angerechnet wird,
ӹӹ die durchschnittlich angerechnete Altersrente bei 380 € (2014) liegt,
ӹӹ die Wenigsten eine Rente von 650 € erhalten,
ӹӹ der durchschnittliche Grundsicherungsbedarf bei 790 € (2015) liegt.
In der politischen Landschaft zeichnen sich
die folgenden Positionen zur Umsetzung
der rentenpolitischen Ziele in der 1. Säule
ab:
ӹӹ Umstellung des Rentensystems auf eine
einkommensunabhängige Grund-/Sockelrente.
ӹӹ Die Anhebung der Rentenanwartschaften für Versicherte mit unterdurchschnittlichen Verdiensten und langjähriger Beitragszahlung.
ӹӹ Anhebung des Rentenniveaus in der
GRV von heute ca. 47 % auf 53 %. Dabei würde eine Anhebung und Festschreibung auf 50 % Sicherungsniveau
in der GRV bis zum Jahre 2030 eine Beitragssatzsteigerung auf mind. 24 % implizieren und damit, die nach geltendem
Recht, max. 22 % übersteigen.
Die Positionen zur Umsetzung der rentenpolitischen Ziele in der 2. und 3. Säule be-
1) Vgl. https://finanzen.hessen.de/sites/default/
files/media/das_positionspapier_zur_deutschland-rente.pdf , Abruf am 12.06.2016.
inhalten die Einführung eines obligatorischen Opting-Out-Systems, wonach alle
Beschäftigten einen Teil ihres Gehaltes in
einen Betriebsrentenanspruch umwandeln
müssen und dafür ein von der DRV betriebener staatlicher Altersvorsorgefonds als
Auffanglösung zur Verfügung stünde (sog.
„Deutschlandrente“1). Zu den weiteren Positionen bei der Verbreitung der zusätzlichen
Altersvorsorge auf freiwilliger Basis gehören die Einführung eines einfachen und kostengünstigen Basisproduktes in Form eines
(staatlichen) Pensionsfonds als Standardweg der kapitalgedeckten Altersvorsorge
als Vergleichsangebot zu den bestehenden
Riesterprodukten (Antrag DIE GRÜNEN
vom 27.01.2016), die Ermöglichung freiwilliger Zusatzbeiträge in der GRV sowie
die Verbesserung der Rahmenbedingungen
für die tarifvertraglichen bAV-Lösungen
(BMAS-Sozialpartnermodell).
Nach den Aussagen des Koalitionsvertrages soll die betriebliche Altersversorgung
weiter gestärkt und insbesondere auch für
die Arbeitnehmer von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU´s) selbstverständlich werden. Daraus resultierend will
das BMAS die Voraussetzungen schaffen,
dass die bAV auch in KMUs eine hohe Verbreitung findet. Hierzu wird geprüft, inwieweit mögliche Hemmnisse bei den KMUs
abgebaut werden können. Der BMAS-Vorschlag zur besseren Verbreitung der bAV
impliziert die Schaffung eines von den Tarifvertragsparteien getragenen, sehr einfachen Angebotes für eine bAV, welche auch
Grundlage für die bAV-Verbreitung in
KMUs sein könnte.
Nachfolgend stellt Herr Flecken die einzelnen Komponenten und Vorteile des Sozialpartnermodells vor und geht auf die Kritik der Arbeitgeber und Gewerkschaften
ein. Die neue Form der Betriebsrente soll
von den gemeinsamen Einrichtungen der
Tarifvertragsparteien mit einer reinen Beitragszusage des Arbeitgebers (pay and forget) durchgeführt werden. Die Sozialpartner gründen gemeinsame Einrichtungen,
welche entweder selbst oder über die Ein-
Ministerialdirektor
Hans-Ludwig Flecken
schaltung bestehender bAV-Einrichtungen (Pensionskassen, Pensionsfonds oder
Lebensversicherungen) den Beschäftigten
eine Mindestleistung garantieren. Diese
Mindestleistung soll über den Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) oder über den Sicherungsfonds der Versicherungswirtschaft
(Protektor) gegen Insolvenzen abgesichert
werden. Aus Sicht der Arbeitgeber liegen die
Vorteile des Sozialpartnermodells im „pay
and forget“. Mit der Zahlung der Beiträge
bestehen für den Arbeitgeber also keine weiteren Verpflichtungen bzw. Haftungsrisiken
mehr. Für die Tarifvertragsparteien leiten
sich die Vorteile aus den kostengünstigen,
passgenauen und allseits akzeptierten bAVLösungen ab. Diese sind auf die jeweils spezifischen Branchenprobleme zugeschnitten
und haben eine hohe Akzeptanz bei allen
Beteiligten. Aus der Arbeitnehmerperspektive besteht daher die Chance, mehr arbeitgeberfinanzierte Betriebsrenten zu erreichen als bisher. Durch die branchenweiten
Tariflösungen können die Portabilitätsprobleme beim Arbeitgeberwechsel gelöst werden. Aufgrund der Einschaltung des PSV ist
die Sicherheit für die Beschäftigten gegeben.
Zur Kritik der Sozialpartner trägt Herr Flecken vor, dass die Gewerkschaften durch
die Einführung einer reinen Beitragszusage
eine langfristige Absenkung des bAV-Leistungsniveaus befürchten. Die Arbeitgeberbedenken liegen in der Annahme, dass das
Sozialpartnermodell zwangsläufig zu verpflichtender, arbeitgeberfinanzierter bAV
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FACHKREISE // Frühjahrstagung des FK bAV/LV
führen könnte. Als Kritikpunkt beider Sozialpartner
wird aufgeführt, dass bestehende, gut funktionierende
bAV-Systeme durch das Sozialpartnermodell verdrängt werden könnten. Die genannten Kritikpunkte
nimmt das BMAS sehr ernst und hat u. a. deshalb im
Dezember 2015 das Rechtsgutachten zum „Sozialpartnermodell Betriebsrente“ in Auftrag gegeben. Dieses
Gutachten soll die Kritik von Arbeitgebern und Gewerkschaften am Sozialpartnermodell aufgreifen und
zu den vorgebrachten Einwänden
Vorschläge für eine Weiterentwicklung des Sozialpartnermodells unterbreiten. Des Weiteren soll die Akzeptanz des Modells durch die Sozialpartner erhöht werden.
Zum Befund der Gutachter führt
Herr Flecken aus, dass die tarifvertraglichen Lösungen in besonderem
Maße zur größeren Verbreitung der
bAV beitragen und die Komplexität
der bAV, sowie die Haftung für die
Unternehmen reduzieren bzw. beenden können. Die Sozialpartner sollten größere Gestaltungsfreiheiten bei der Einrichtung
des Modells erhalten, welche im Folgenden vorgestellt
werden.
Laut Gutachten soll die Mindestleistung tarifoffen
bleiben. Die bAV-Einrichtungen, welche die neue tarifliche Betriebsrente durchführen, garantieren den
Beschäftigten eine Mindestleistung, die im Tarifvertrag festgelegt wird. Diese Mindestleistung kann höher, aber auch niedriger als bisherige Nominalgarantien sein. Von der Höhe dieser Mindestleistung/
Garantie hängt entscheidend die Anlagepolitik der
Einrichtung ab: Niedrigere Garantien eröffnen Chancen auf höhere Erträge, aber auch die Gefahr schwankender Betriebsrenten. Jedoch soll die Absicherung
durch den PSV ein Absinken unter
Nominalgarantie vermeiden. Lt. Herr
Flecken stellen die Gutachter dazu
fest, dass das bestehende, an die In-
ӹӹ Durch die
branchenweiten
Tariflösungen
können die
Portabilitätsprobleme
beim
Arbeitgeberwechsel
gelöst werden.
ӹӹ Zu den weiteren
Vorschlägen für
eine größere
Gestaltungsfreiheit
zählt die Einführung
eines tariflichen
Opting-Out-Modells.
solvenz eines Arbeitgebers anknüpfende PSV-Sicherungssystem nicht zu
Zahlungsausfällen bei Pensionskassen
und Pensionsfonds passt. Deshalb soll
eine neuer, eigenständiger Sicherungsfonds gegründet werden, der von den
beteiligten Pensionskassen und Pensionsfonds aufgebaut werden müsste
und der beim bzw. durch den PSV verwaltet werden
könnte, sog. PSV-II-Lösung. Zu den weiteren Vorschlägen für eine größere Gestaltungsfreiheit zählt die
Einführung eines tariflichen Opting-Out-Modells. Die
Gutachter machen zudem den Vorschlag, auf der Basis von Tarifverträgen die Einführung von OptingOut-Systemen (Optionssystem) im Betriebsrenten-
VVB magazin 4/2016
gesetz zuzulassen. Damit könnten künftig komplette
Belegschaften tarifgebundener Arbeitgeber inklusive
der Nicht-Gewerkschaftsmitglieder von Modellen
einer automatischen Entgeltumwandlung erfasst werden. Herr Flecken versichert, dass das BMAS zur Frage
der Doppelverbeitragung der bAV-Leistungen in der
KVdR nichts unversucht lassen werde. Jedoch konstatiert er, dass das BMG auf die ca. drei Milliarden € pro
Jahr nicht verzichten wolle. Daraus resultiert, dass eine
komplette Eliminierung der Doppelverbeitragung unrealistisch sein dürfte. Die Lösung der weiteren Problemfelder, wie die spezifische Förderung für Geringverdiener könnte, beispielsweise über Zulagen erfolgen. Auch die Anrechnung der Grundsicherung im
Alter löst komplexe Fragestellungen aus. Man denke
nur an die Schonvermögen und Sterbegeldversicherungen. Daher ist zur Besserstellung von Geringverdienern evtl. die im Koalitionsvertrag aufgeführte solidarische Lebensleistungsrente als Alternative geeigneter.
Diese Lebensleistungsrente impliziert eine Besserstellung von langjährig (40 Jahre) in der GRV Versicherten, die trotz der langjährigen Beitragszahlung im Alter
weniger als 30 Entgeltpunkte Alterseinkommen erreichen. Diese Besserstellung soll durch eine Aufwertung
der erworbenen Rentenentgeltpunkt erreicht werden.
Dabei soll der Rentenbetrag aus der Aufwertung der
Rentenentgeltpunkte einkommensabhängig sein und
die Rente aus einer zusätzlichen Altersvorsorge nicht
angerechnet, sondern „On-Top“ gezahlt werden. Nach
einer Übergangszeit bis zum Jahre 2023 soll die zusätzliche Altersvorsorge als Zugangsvoraussetzung erforderlich sein. Die Finanzierung der Lebensleistungsrente soll aus Steuermitteln erfolgen.
Steuerliche Perspektiven der
betrieblichen Altersversorgung
In seinem Vortrag zu den steuerlichen Perspektiven
der betrieblichen Altersversorgung geht Herr Ministerialdirigent Dr. Rolf Möhlenbrock (Unterabteilungsleiter IV C „einzelne Steuern vom Einkommen und Ertrag“ des Bundesministeriums der Finanzen) auf die
folgenden vier Schwerpunktthemen ein.
ӹӹ Ausgangslage
ӹӹ Forschungsgutachten „Optimierungsmöglichkeiten der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen
Rahmenbedingungen der bAV“
ӹӹ Weitere Perspektiven
ӹӹ § 6a EStG
Als Herausforderung im umlagefinanzierten System der GRV wird der demographische Wandel identifiziert. Als besondere Herausforderung im kapitalgedeckten System der Altersversorgung wird die aktuelle
und wohl noch länger andauernde Niedrigzinsphase
beschrieben. Als weitere Herausforderung kommt die
Tatsache hinzu, dass Arbeitnehmer mit nur geringen
VVB magazin 4/2016
Einkommen schwer zur eigenen Altersvorsorge zu motivieren sind. Im Bereich der
bAV macht der Referent dafür die fehlenden
Offerten des Arbeitgebers, die geringe Sparneigung und das geringe für Vorsorgezwecke zur Verfügung stehende Einkommen
aus. Auch Herr Dr. Möhlenbrock führt, wie
sein Vorredner, die o. g. Punkte aus dem Koalitionsvertrag zur Verbesserung der Altersvorsorge auf.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hatte Ende 2014 dazu in Abstimmung mit dem Bundesministerium
für Arbeit und Soziales (BMAS) einen Forschungsauftrag an die Universität Würzburg vergeben. Die wichtigsten Punkte zum
Gutachten „Optimierungsmöglichkeiten
bei den Förderregelungen der betrieblichen
Altersversorgung“2) wurden vom Referenten vorgestellt. Demnach werden KMUs als
Unternehmen mit max. 250 Arbeitnehmern
definiert. Geringverdiener verfügen über
ein Bruttomonatsgehalt von max. 1.500 €
und Niedrigverdiener rangieren bei einem
Bruttomonatsgehalt zwischen 1.500 € bis
max. 2.500 €.
Als erste Empfehlung spricht sich das
Gutachten für eine Zuschusspflicht des
Arbeitgebers bei Entgeltumwandlung und
für einen bAV-Abzugsbetrag für kleine
Unternehmen aus. Die zweite Empfehlung
bezieht sich auf die Beseitigung der Doppelverbeitragung der Riester-geförderten
bAV (Sozialversicherungsfreistellung der
Beiträge in der Anwartschaftsphase oder
der Leistungen in der Rentenphase). Als
steuerlich flankierende Maßnahme wird
die Einführung eines bAV-Förderbeitrags
und die Erhöhung des steuerfreien bAVDotierungsrahmens gem. § 3 Nr. 63 EStG
empfohlen. Herr Dr. Möhlenbrock führt
aus, dass die daraus resultierenden weiteren Vorteile darin bestehen, dass durch die
Schaffung einer einheitlichen prozentualen Grenze das Steuerrecht vereinfacht und
verbessert werden könnte. Und dass auch
Bezieher höherer Einkommen, die bereits
eine bAV in Anspruch nehmen, die weitere
Steuerfreiheit nutzen könnten.3)
Zu den Themen Sozialpartnermodell,
Opting-Out und Doppelverbeitragung wird
bereits vom Vorredner Vorgestelltes anschaulich wiederholt. Zur säulenübergreifenden Renten- und Altersvorsorgeinformation trägt Herr Dr. Möhlenbrock vor,
dass sie der Stärkung der Transparenz dient
Frühjahrstagung des FK bAV/LV // FACHKREISE
und den Bürgerinnen und Bürgern eine
möglichst vollständige, nachvollziehbare
Information über den Stand ihrer eigenen
Altersvorsorge bieten soll. Des Weiteren
soll diese regelmäßige Information helfen,
einen möglichen zusätzlichen Vorsorgebedarf frühzeitig zu erkennen.
Zu den Pensionsrückstellungen gem.
§ 6a EStG führt der Referent aus, dass der
steuerbilanzielle Rechnungszins von 6 % seit
1982 konstant ist. Dabei wird unterstellt,
dass die gebildeten Rückstellungen bei einer
tatsächlichen Anlage bis zum Ende des Versorgungsvorgangs jährlich einen Zins von
mind. 6 % erwirtschaftet. Mit Inkrafttreten
des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes
(BilMoG) zum 29.05.2009 sind die handelsbilanziellen Pensionsrückstellungen mit
einem 7-Jahres (ab 2016 10 Jahres) Durchschnitts-Marktzins abzuzinsen, der sich bei
einer angenommenen Verpflichtungs-Restlaufzeit von 15 Jahren ergibt. Dadurch wird
die Pensionsrückstellung in der Handelsbilanz höher ausgewiesen als in der Steuerbilanz, was zu einer höheren Steuerlast führt.
Darin werde vielfach eine Benachteiligung
der Direktzusagen gesehen. Im Markt würden diverse Ansätze diskutiert, um die Benachteiligung zu beseitigen – u.a. eine Absenkung des steuerbilanziellen Rechnungszinssatzes für Pensionsrückstellungen. Eine
Senkung würde kurzfristig gewinnmindernd wirken und die Steuerlast der Unternehmen senken. So wäre eine statische Anpassung auf 5 % denkbar. Diese Änderung
von 1 % hätte allerdings Haushaltswirkungen in zweistelliger Milliardenhöhe zur
Folge. Denkbar wäre auch die Kopplung des
steuerbilanziellen Rechnungszinssatzes an
den handelsrechtlichen, durchschnittlichen
Marktzinssatz nach § 253 Abs. 2 Satz 1 und
2 HGB. Dies würde jedoch eine noch höhere Zinsänderung mit sich bringen. Herr
Dr. Möhlenbrock führt aus, dass auch einiges für eine Beibehaltung der 6 % spricht,
da sich die Pensionsrückstellungsberechnung gem. § 6a EStG ursprünglich auf die
ungefähre Eigenkapitalrendite von Unter-
Ministerialdirigent Dr. Rolf Möhlenbrock
nehmen beziehen würde. Bei unveränderten Unternehmensgewinnen und Eigenkapitalrenditen gäbe es auch im Niedrigzinsumfeld keine Veranlassung zu einer
Korrektur des Rechnungszinssatzes für
Pensionsrückstellungen.
Bei der Vorstellung des Gutachtens „Sozialpartnermodell Betriebsrente“ wird Frau
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles
mit den folgenden Worten zitiert: „Die betriebliche Altersvorsorge bleibt als zweite
Säule zentral für die Alterssicherung in
Deutschland. Sie zu stärken und besonders
in kleinen und mittleren Unternehmen weiter zu verbreiten, ist ein wichtiger Baustein
dabei, unser Rentensystem an veränderte
demographische und wirtschaftliche Bedingungen anzupassen. Das jetzt vorliegende
Gutachten bestätigt uns darin, hierbei den
Tarifvertragsparteien mehr Handlungsfreiheit, aber auch Verantwortung zu geben.
Dies und die Prüfung von Veränderungsbedarf bei der steuerlichen Förderung von betrieblicher Altersvorsorge werden wir nun
angehen.“4)
2) Der Download des Gutachtens ist unter dem folgenden Link möglich: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Weitere_Steuerthemen/Altersvorsorge/2016-04-15Optimierungsmoeglichkeiten-Foerderregelungen-betriebliche-Altersversorgung-Gutachten.html , Abruf am
21.04.2016.
3) Details zu den Empfehlungen sind im Gutachten “Optimierungsmöglichkeiten bei den Förderregelungen der
betrieblichen Altersversorgung“ auf S. 219 ff abrufbar.
4) http://www.bmas.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2016/betriebsrenten-staerken-und-ausbauen.html , Abruf am 12.06.2016.
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FACHKREISE // Frühjahrstagung des FK bAV/LV
FACHKREISLEITER
Betriebliche Altersversorgung und
Lebensversicherung
FK-Leiter: Markus Klinger (92)
Thorsten Rolf (93)
 [email protected][email protected]
Betriebsorganisation/IT
FK-Leiter: Volker Termast (94)
 0151-12999986

[email protected]
Finance
FK-Leiter: Michael Hippler (92)
02235-469676

[email protected]
HUK
FK-Leiter: Bernd Zavelberg (75/2)
02222-648369

[email protected]
Kapitalanlagen & Assetmanagement
FK-Leiter: Paul Weßling (K/G)
 0173-2188399

[email protected]
Krankenversicherung
FK-Leiter: Christian Frenzel (K/B2)
 0170-6359454

[email protected]
Marketing/Vertrieb
FK-Leiter:Christian Otten (K/B2)
 0208-60705300

[email protected]
Personalmanagement u. -führung
FK-Leiterin:Rena Geiersberger (77/2)
02204-589434

[email protected]
Rückversicherung
FK-Leiter: Günter Laux (K/C)
0221-9738-533

[email protected]
Sachversicherung
FK-Leiter: Jens Könemann (93)
0511-6453657
[email protected]
Transportversicherung
FK-Leiterin: Stefanie Tietz (03)
040-3088-3285

[email protected]
Versicherungs-Ingenieure/
techn. Versicherungen
FK-Leiter: Frank Eder (94/1)
0221-14831976

[email protected]
Versicherungs-Makler
FK-Leiter: Alfred Emmerich
02271-798800

[email protected]
Versicherungs-Recht
FK-Leiter: Peter Dreyer
0177-4909073

[email protected]
VVB magazin 4/2016
Leitgedanken der Reformvorschläge im
Rechtsgutachten von Hanau/Arteaga zum
„Sozialpartnermodell Betriebsrente“
Herr Dr. Marco S. Arteaga (Partner bei DLA Piper UK LLP, Rechtsanwalt und Gutachter im Auftrag des BMAS) stellt in seinem Vortrag die Leitgedanken der Reformvorschläge im Rechtsgutachten von Hanau/Arteaga zum „Sozialpartnermodell
Betriebsrente“ vor.5) In einer kurzen Vorgeschichte
geht der Referent darauf ein, dass das Altersvermögensgesetz (AVmG), aufgrund der deutlichen Senkung des Rentenniveaus in der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), der bAV im Jahre 2002
eine substituierende Rolle in der Altersversorgung
zuwies. Dennoch besitzen heute ca. 12 bis 13 Mio.
sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer keine
bAV. Aufgrund der bisherigen (praktisch) völligen
Freiwilligkeit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
in der bAV lässt die flächendeckende Ausdehnung
zu wünschen übrig. Als Konsequenz dieser Fakten
kam es zu folgenden Ausgangsüberlegungen:
ӹӹ Ministerin Andrea Nahles setzt mit einer „Reform im System und nicht mit einer Reform des
Systems“ weiter auf die „2. Säule“ der Altersvorsorge.
ӹӹ Die identifizierten Probleme, wie die Anrechnung der bAV auf die Grundsicherung, sowie
die Doppelverbeitragung in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) und der Mittelaufbringung bei Geringverdienern, sollen beseitigt
werden.
ӹӹ Eine flächendeckende Ausbreitung der bAV ist
dadurch alleine nicht zu erzielen.
ӹӹ Ein Lösungsansatz könnte dabei die Einbindung
der Tarifparteien oder wahlweise die Nutzung
tariflicher Druckmittel für die Teilnahme sein.
ӹӹ Wenn das Betriebsrentenstärkungsgesetz scheitert, ist das Problem nicht gelöst.
Nachdem das AVmG als partielle Kündigung des
Generationenvertrages verstanden werden kann
und diese Reform schon im Jahre 2002 auf die Beitragszusage und das Kollektiv gesetzt hat, knüpft
das „Sozialpartnermodell“ des BMAS hieran konsequent an. Im Gutachtenauftrag des BMAS zum „Sozialpartnermodell Betriebsrente“, der an die Gutachter Herr Prof. Dr. Dres. hc. Peter Hanau und
Herr Dr. Marco S. Arteaga erteilt wurde, geht es
um die Weiterentwicklung des ministeriellen Vorschlags. Zu den Leitgedanken der gutachterlichen
Vorschläge führt Herr Dr. Arteaga aus, dass die 12
bis 13 Mio. sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer ohne bAV im Fokus der Betrachtungen ste-
hen. Die bestehenden bAV-Systeme sollen dabei, mit
den folgenden zwei Ausnahmen, erhalten bleiben.
ӹӹ Ausdrücklich gewollte Konvertierung von bestehenden bAV-Maßnahmen in das neue System,
um beispielsweise Haftungsbegrenzungen oder absolute Kosten- und Budgetsicherheit zu realisieren.6)
ӹӹ Optionssystem (Einbindung ganzer Belegschaften in ein System der Entgeltumwandlung, welches dem Einzelnen jedoch ein Widerspruchsrecht
gegen diese Einbindung belässt) kann per Tarifvertrag überall eingeführt werden.7)
Als Lösungsansatz wird die max. Flexibilisierung
durch die Tarifvertragsparteien bei der Ausgestaltung
des Sozialpartnermodells Betriebsrente unter geänderter Interaktion von Versorgungsversprechen und Kapitalanlage präferiert.
Von den nachfolgenden Einzelthemen fokussierte
sich Herr Dr. Arteaga in seinem Vortrag auf die in Kursivschrift dargestellten Themen.
ӹӹ Vorrang des Tarifvertrags,
ӹӹ Beitragszusage,
ӹӹ Problematik der Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenrenten,
ӹӹ Optionsmodell bzw. -system,
ӹӹ Überwindung des Garantie- und Kapitalanlagedilemmas,
ӹӹ Ausfallsicherung durch den Pensionssicherungsverein (PSV) oder Protektor,
ӹӹ Wettbewerb der Versorgungsträger,
ӹӹ Keine ungewollten Eingriffe in bestehende Systeme,
ӹӹ Konvertierung bestehender Zusagen.
Der Tarifvertrag ist das etablierte Mittel des Arbeitsrechts und bekommt durch das Grundgesetz einen
Vorrang vor dem Gesetzgeber eingeräumt. Nach dem
Motto „Verhandeln (Kompetente Verhandlungspartner), Vereinfachen (Vorgefertigte Modelle), Verbrei-
5) Das Rechtsgutachten kann unter folgendem Link geladen werden: http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDFPressemitteilungen/2016/rechtsgutachten-sozialpartnermodell-betriebsrente.pdf;jsessionid=88B215D824BAEA189CB
EB06F5F24B0AA?__blob=publicationFile&v=1 , Abruf am
21.04.2016.
6) Vgl. Hanau, P., Arteaga, M. (2016), Rechtsgutachten zu dem
„Sozialpartnermodell Betriebsrente“ des Bundesministeriums
für Arbeit und Soziales, S. 55.
7) Vgl. Hanau, P., Arteaga, M. (2016), Rechtsgutachten zu dem
„Sozialpartnermodell Betriebsrente“ des Bundesministeriums
für Arbeit und Soziales, S. 12.
VVB magazin 4/2016
ten (durch AVE oder durch Betriebsnorm)“ soll die
bAV in der Breite, also auch bei KMUs und Geringverdienern etabliert werden. Beim Optionssystem (automatische Partizipation des Arbeitnehmers bei der bAV
durch Entgeltumwandlung, allerdings mit Widerrufsrecht des Arbeitnehmers) sollen die Tarifparteien erforderlich sein. Beim Sozialpartnermodell bieten sich
den Tarifparteien große Gestaltungsbandbreiten, mit
denen sie eine Versorgung mit allen Einzelheiten regeln könnten. Eine solche Versorgung könnte auch
verpflichtenden Charakter (AVE) bekommen. Als Alternative 1 könnte der Tarifvertrag Gestaltungsspielräume für Betriebsparteien schaffen und lediglich Mindeststandards definieren (sog. Leitplankenprinzip). Bei
der Alternative 2 handeln die Betriebsparteien die Details aus und die Tarifparteien genehmigen. Die Alternative 3 beinhaltet eine partielle Verbindlichkeit, z. B.
beschränkt auf eine kollektive Risikoabsicherung.
Als Reaktion auf die zunehmende Volatilität an den
Finanzmärkten, dient die in dem Modell vorgesehene
Beschränkung der Arbeitgeberhaftung auf eine reine
Beitragszusage. Die absolute Kostensicherheit steht als
weiterer Arbeitgeber-Vorteil bei der reinen Beitragszusage ebenso im Fokus, wie das verminderte Risiko
und geringe administrative Belastungen.8)
Durch einen Wechsel von der Beitragszusage
mit Mindestleistung (s. Definition in § 1 Abs. 2 Nr. 2
BetrAVG) zur reinen Beitragszusage, also nur der Verpflichtungen zur Beitragszahlung, entfällt der von Blomeyer („BZML ist Gazelle mit Klumpfuß“) skizzierte
Klumpfuß.9) Der BMAS-Vorschlag präferiert eine Verlagerung des Klumpfußes auf den Versorgungsträger,
die Gutachter hingegen präferieren die Beseitigung des
Klumpfußes und empfehlen, dass die Tarifparteien die
Wahl haben sollen.
Zur Überwindung des Garantie- und Kapitalanlagedilemmas wird die bisher bewährte Praxis im Kontext des Niedrigzinsumfeldes in Frage gestellt. Sind die
Festlegung von Versorgungsleistungen oder die Beitragszusage mit Mindestleistung noch zeitgemäß? Jede
harte Garantie löst Eigenmittelanforderungen gem.
Solvency II aus und impliziert die Notwendigkeit hoher Unterlegungen, die bei volatilen Anlagen, insbesondere bei der Asset-Klasse Aktien, erforderlich sind.
8) Vgl. Hanau, P., Arteaga, M. (2016), Rechtsgutachten zu dem
„Sozialpartnermodell Betriebsrente“ des Bundesministeriums
für Arbeit und Soziales, S. 6.
9) Vgl. Hanau, P., Arteaga, M. (2016), Rechtsgutachten zu dem
„Sozialpartnermodell Betriebsrente“ des Bundesministeriums
für Arbeit und Soziales, S. 23.
10)Vgl. Hanau, P., Arteaga, M. (2016), Rechtsgutachten zu dem
„Sozialpartnermodell Betriebsrente“ des Bundesministeriums
für Arbeit und Soziales, S. 45.
11)Vgl. Hanau, P., Arteaga, M. (2016), Rechtsgutachten zu dem
„Sozialpartnermodell Betriebsrente“ des Bundesministeriums
für Arbeit und Soziales, S. 43.
Frühjahrstagung des FK bAV/LV // FACHKREISE
Wie die historischen Kursverläufe zeigen, wäre gerade die
Asset-Klasse Aktien für eine
erfolgreiche langfristige Anlage besonders sinnvoll. Als
Konsequenz lässt sich konstatieren, dass aktuell, trotz
der langfristigen Anlagemöglichkeiten, keine Nutzung der
Chancen erfolgt. Als Alternative empfehlen die Gutachter
in der bAV auf nutzlose Garantien zu verzichten, um dadurch eine höhere Rendite zu
erreichen. Der präferierte Lösungsvorschlag sieht ein Zielrentensystem mit interner kollektiver Glättung und externer Pensionssicherung vor.10)
Anhand der beiden folgenden Charts visualisiert
Herr Dr. Arteaga die Ablaufleistung bei einem Einzelsparer nach 40 Jahren Laufzeit (1963 – 2003) und
100,- € monatlicher Sparrate. Die kumulierte Sparsumme beträgt 48.000,- €. Je nach Investition (Geldmarkt, REXP oder DAX 30) sind die entsprechenden
Ablaufleistungen der Abbildung 1 zu entnehmen.
Die sog. „Defined Ambition“ Systeme enthalten
für die Kapitalanlage Glättungsmechanismen, welche
den einzelnen Versorgungsberechtigten / Einzelsparer vor den Risiken einer individuellen Kapitalanlage
absichern. Diese Mechanismen bedingen eine gewisse
Poolung des Kapitalanlageergebnisses zwischen den
Planteilnehmern und werden daher oft als „CDC - Collective Defined Contribution“ Pläne apostrophiert.11)
Die graue CDC-Linie in Abbildung 1 zeigt eine auffäl-
Abbildung 1: Einzelsparer
Dr. Marco S. Arteaga
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FACHKREISE // Frühjahrstagung des FK bAV/LV
VVB magazin 4/2016
Abbildung 2: Kollektives Sparen
lig interessante Ablaufleistung und rückt damit sofort
in den Fokus des Betrachters.
In der 2. Abbildung wird das kollektive Sparen visualisiert. Es handelt sich um eine Aneinanderreihung
von Verträgen, die beginnend ab Januar 1955 jeden
weiteren Monat abgeschlossen werden und jeweils 40
Jahre laufen. Die schwankenden Ablaufleistungen der
Verträge beginnend ab dem ersten Ablauf 1995 sind
hier abgebildet. Auch in dieser Abbildung zeigt die
graue CDC-Linie einen interessanten Glättungseffekt
kollektiver Kapitalanlage mit attraktiven Ergebnissen
im Vergleich zu den Verläufen individueller Verträge/
Anlagen mit Portefeuilles des DAX 30,
des REXP und des Geldmarktes.
Die strategische Asset-Allokation
(SAA) des Government Pension Fund
Global (GPFP) und des Norway Government Pension Fund (GPFN) zeigen eindrucksvoll die Relevanz der Asset-Klasse Aktien.12) Herr Dr. Arteaga
konstatiert zum Thema Garantie- und
Kapitalanlagedilemma, dass gerade
nach einem langen Sparprozess das Ruhestandskapital bei Abwesenheit einer
formellen Garantie dieses Niveau nur
mit geringer Wahrscheinlichkeit unterschreiten würde. Die Frage, ob ein solches System weniger verbindlich sei als
die heute Existierenden, könne negiert werden. Garantien liefern in doppelter Hinsicht eine Scheinsicherheit: Erstens liefern sie keine absolute Sicherheit, da es
vielfältige Anpassungsmöglichkeiten gibt und zweitens behindern sie sinnvolle, langfristige Kapitalanla-
ӹӹ Wie alles im Leben,
so haben auch
Garantien
Vor- und Nachteile.
Daher lautet die
gutachterliche
Empfehlung:
Wahlrecht für die
Tarifparteien.
gen und mindern somit die Leistung. Wie alles im Leben, so haben auch Garantien Vor- und Nachteile. Daher lautet die gutachterliche Empfehlung: Wahlrecht
für die Tarifparteien.
Zum vierten Schwerpunkt „Konvertierung bestehender Zusagen“ schlagen die Gutachter die ausdrückliche Aufnahme ins Gesetz vor. Auf Grund der
Haftungsbegrenzung und der absoluten Kostensicherheit bei der reinen Beitragszusage ist bei vielen Arbeitgebern mit einem großen Interesse an dem Modell zu
rechnen, wenn im Tarifvertrag die Tolerierung und
die Voraussetzungen für eine Konvertierung von Leistungszusagen aller Art zu reinen Beitragszusagen fixiert werden können.13)
Im Fazit stellt Herr Dr. Arteaga zu den folgenden
Punkten die Frage „Kann man das ablehnen?“:
ӹӹ Kostensicherheit
ӹӹ Optionssystem
ӹӹ Zentrale Administration
ӹӹ Musterverträge
ӹӹ Nachfragemacht
ӹӹ Kosteneffizienz
ӹӹ Zulagenmodell
ӹӹ Haftungsbeschränkung
Der Verzicht auf Pseudosicherheiten eröffnet, aus
Sicht der Gutachter, beim kollektiven Sparen ohne formale Garantien neue Dimensionen, wie Abbildung 1
und 2 eindrucksvoll visualisieren.
Dank
Ein besonderer Dank gilt dem Gastgeber dieser Veranstaltung, vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden
der Gothaer Lebensversicherung AG Michael Kurtenbach und allen Referenten, die mit ihren Vorträgen zu
einer sehr gelungenen und informativen Tagung beigetragen haben.
12) Vgl. https://www.regjeringen.no/en/dokumenter/the-norwegian-government-pension-funds-a/id2458155/ , Abruf am
12.06.2016.
13)Vgl. Hanau, P., Arteaga, M. (2016), Rechtsgutachten zu dem
„Sozialpartnermodell Betriebsrente“ des Bundesministeriums
für Arbeit und Soziales, S. 55.
VVB magazin 4/2016
Frühjahrstagung des FK bAV/LV // FACHKREISE
Sozialpolitische Blickwinkel auf die
Weiterentwicklung der betrieblichen
Altersversorgung in Deutschland sowie auf das
Gutachten zum „Sozialpartnermodell Betriebsrente“
von JÜRGEN GÖRRES (K/J2)
Zum Auftakt der Frühjahrstagung des Fachkreises „Betriebliche Altersversorgung und Lebensversicherung“
der VVB am 22. April 2016 skizzierten zunächst jeweils
ein Vertreter des Ministeriums für Arbeit und Soziales
(BMAS) sowie für Finanzen (BMF) die Positionen ihrer
Fachbereiche zu einer möglichen Weiterentwicklung
der betrieblichen Altersversorgung (bAV). Es folgte die
Vorstellung des aktuellen Rechtsgutachtens „Sozialpartnermodell Betriebsrente“1) des BMAS durch Dr. Marco S.
Den Einstieg lieferte Matthias W. Birkwald von der Bundestagsfraktion DIE
LINKE. Der Bundestagsabgeordnete mit
Wahlkreis und Wohnort in Köln ist Obmann im Ausschuss für Arbeit und Soziales sowie rentenpolitischer Sprecher seiner
Fraktion. Mit der Vereinigung der Versicherungs-Betriebswirte sei er persönlich
über seinen Vater verbunden, welcher seit
55 Jahren Mitglied und seit dem Jahr 2000
VVB-Ehrenmitglied sei. In einem bemerkenswerten Tempo nutzte er die Vortragszeit und markierte klare Positionen. Hinsichtlich der Sicherung des Lebensstandards durch die Altersversorgung erkenne
DIE LINKE die Renaissance ihrer Haltung.
Die private Altersversorgung sei gescheitert und Riester ein „Flop“. Die diskutierte
Reform der betrieblichen Altersversorgung
sehe er unter „keinem guten Stern“. Er vertrete die These, sie werde auch kein „großer
Wurf“. Es bedürfe für Kapitaldeckungsverfahren guter Renditen, welche das Zinsumfeld aktuell eher zweifelhaft erscheinen
lasse. Er zitierte den Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD aus dem Jahr 2013, der
die Sicherheit und Planbarkeit der Alters-
1)http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/ExterneLinks/002-einmalige-Links/
Steuern/Alterseinkuenfte-Altersvorsorge/
2016-04-15-BMAS-SozialpartnermodellBetriebsrente.html
Arteaga, einem der Autoren. Im Anschluss nahmen zwei
Abgeordnete und Mitglieder des Bundestagsausschuss
für Arbeit und Soziales, ein Referent der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sowie
eine Fachbereichsleiterin der Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) Stellung zu den Vorschlägen. Je
nach gesellschaftlichspolitischer Verortung unterschieden sich die Meinungen und die sozialpolitischen Bewertungen der Reformvorschläge zur bAV recht deutlich.
versorgung zum Ziel habe. Dem widerspreche jedoch zum Beispiel die „Lex Bosch“ genannte Flexibilisierung in § 236 Abs.2 a Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), die für
den Pensionsfonds fallende Betriebsrenten
in der Rentenbezugszeit zugunsten einer chancenorientierteren
Kapitalanlage eröffnet habe. Das
Risiko der Beschäftigten steige
und DIE LINKE
erfülle Unbehagen bei der Vorstellung
von
Schwankungen
an dieser Stelle.
Dass mit dem
Verzicht auf Garantien durch eine risikoreichere Kapitalanlagepolitik möglicherweise höhere Erträge erzielt werden, wie im Gutachten von
Dr. Arteaga angedacht, wäre nicht das vorrangige Ziel oder das Interesse, das Beschäftigte an ihrer Altersversorgung hätten und
entspräche eher Wetten auf die Zukunft.
Betriebsrentner würden auf ein einmal erreichtes Rentenniveau vertrauen und Kaufkraftverluste ausgeglichen haben wollen. Im
Bereich der Niedrigverdiener könnten derartige Schwankungen schon erst gar nicht
verkraftet werden. Die höheren (Anfangs-)
renten seien eben nicht sicher und könnten unter den Wert fallen, der bisher garantiert wurde. Altersvorsorge bedeute jedoch
Sicherheit, Planbarkeit und Verlässlichkeit.
Die Kürzung laufender Renten würde das
Risiko für die Beschäftigten erhöhen, ihre
Vorsorgelücke nicht
schließen zu können.
Eine weitere These von
Matthias W. Birkwald
zu den Reformplänen
war, dass diese lediglich als „Verschnaufpause“ dienten, um
die Niedrigzinsphase
zu überleben. Man
könne auch die Frage
stellen, ob die Reformpläne nicht insgesamt eine „künstliche Beatmung“ des kapitalgedeckten Systems seien.
Als Alternative zu den Reformvorschlägen fordere DIE LINKE mindestens 50 Prozent Beteiligung der Arbeitgeber am Beitrag
zur bAV, die Doppelverbeitragung durch
die gesetzliche Krankenversicherung für Betriebsrenten abzuschaffen sowie die gesetzliche Rentenversicherung auszubauen. Verwiesen wurde auch auf Axel Kleinlein vom
Bund der Versicherten e.V., welcher die
Produkte der Versicherungswirtschaft als
ӹӹ Man könne auch
die Frage stellen,
ob die Reformpläne
nicht insgesamt
eine „künstliche
Beatmung“ des
kapitalgedeckten
Systems seien.
157
158
FACHKREISE // Frühjahrstagung des FK bAV/LV
VVB magazin 4/2016
tien, Ausstieg aus der Haftung etc.) im Blick
hätten. Kapitalgedeckte Systeme würden
nicht den Erhalt des Lebensstandards im
Alter sichern. Man wolle daher die gesetzliche Rentenversicherung stärken und keine
Steuergelder mehr zur Förderung kapitalgedeckter Vorsorge geben. Anzustreben sei
eine Rückkehr zum früheren Rentenniveau
von 53 Prozent, die echte paritätische Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung sowie die Einführung freiwilliger
Zusatzbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die Lebensstandardsicherung als
Aufgabe gehöre nach Ansicht von Matthias
W. Birkwald ausschließlich in den Bereich
der gesetzlichen Rentenversicherung.
Florian Swyter
unattraktiv beklage. Zur Kompensation eingesparter Sozialversicherungsbeiträge der
Arbeitgeber in der bAV mahne dieser eine
Zuschusspflicht an. Auf Betriebsrenten den
vollen Beitragssatz zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung anzuwenden,
bezeichnete der Referent als „kalte Enteignung“. Zum Ende seines Vortrags ging der
Referent kurz auf das Gutachten der Universität Würzburg zu „Optimierungsmöglichkeiten bei den Förderregelungen der
betrieblichen Altersversorgung“2) im Auftrag des BMF ein. Gerade für Geringverdiener seien hier die Hemmnisse für eine
bAV mit mangelndem Interesse auf Seiten der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber
und auf Seiten der Beschäftigten mit fehlenden Mitteln, mangelndem Vertrauen und
dem Nachteil einer Absenkung der gesetzlichen Rentenansprüche bei einer Entgeltumwandlung zusammengefasst.
Hinsichtlich der Reformpläne zur Weiterentwicklung der bAV fasste der Referent
für DIE LINKE die Position dahingehend
zusammen, dass die Reformpläne maßgeblich die Vorteile für die Anbieterseite der Altersvorsorgeprodukte (verminderte Garan-
2)http://www.bundesfinanzministerium.de/
Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Weitere_Steuerthemen/Altersvorsorge/
2016-04-15-OptimierungsmoeglichkeitenFoerderregelungen-betrieblicheAltersversorgung-Gutachten.
pdf?__blob=publicationFile&v=2
„Betriebliche Altersvorsorge – Ersatz oder
Ergänzung?“ unter dieser Fragestellung
erläuterte Ralf Kapschack seine Positionen zur Weiterentwicklung der bAV und
zum Sozialpartnermodell.
Als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter der SPD im Ennepe-Ruhr-Kreis
ist er Mitglied im Ausschuss für Arbeit
und Soziales sowie Spezialist seiner Partei
für die bAV. Er empfinde es grundsätzlich
als gut, dass „Rente“ aktuell ein intensives
Thema sei. Das „3 Säulenmodell“ und darin
die Betonung der bAV bewerte er als positiv. Zurzeit sei Altersarmut eher ein Randthema, es bestehe jedoch die Sorge, dass
zukünftig jeder Zwanzigste betroffen sein
könnte. Prekäre Arbeitsverhältnisse sowie
unterbrochene Erwerbsbiografien würden
zunehmend zum Regelfall. Entgegen etlicher Aussagen halte er die demografische
Entwicklung, z.B. auch die Auswirkungen
der aktuellen Fluchtbewegungen, nicht für
langfristig einschätzbar. „Demografischer
Wandel“ stelle aber „keine Apokalypse“ dar.
Sozialpolitisch sehe er die betriebliche Altersversorgung als Ergänzung. Die gesetzliche Rentenversicherung bleibe die tragende
Säule, für die die Kapitaldeckung kein Ersatz
sein könne. Die bAV sei wünschenswert und
notwendig sowie die beste Form der privaten und kollektiven Absicherung. Betriebliche Altersversorgungsangebote existierten
überwiegend in Großbetrieben. 50 Prozent
der Arbeitnehmerschaft hätte jedoch keinen
Zugang zu entsprechenden Lösungen und
Kleinbetriebe seien oftmals überfordert.
Aus diesem Grund würden Ansätze für obligatorische sowie Branchenlösungen, wie
etwa das Sozialpartnermodell, von einem
positiven Konsens getragen. Tarifvertragliche Lösungen böten erhebliche Vorteile und
hätten für die SPD Vorrang. Kämen jedoch
derartige Regelungen nicht zur Wirkung,
seien Regelungen per Gesetz, etwa wie zum
Mindestlohn, erforderlich. Ein verpflichtender Beitrag der Arbeitgeber an der bAV
sei wünschenswert. Die von der CDU/CSU
angestrebte Ausweitung der Gehaltsumwandlung halte er aufgrund der Nachteile
durch verminderte Sozialversicherungsbeiträge für falsch. Ebenfalls sei zu bedenken,
dass Nichterwerbstätige, Selbstständige und
Arbeitslose nicht vom System erfasst würden. Eine Kernfrage sei, wie Geringverdiener besseren Zugang zur Altersversorgung
bekämen. Eine Verbesserung der Steuerförderung der bAV für Arbeitgeber sei sinnvoll. Für Geringverdiener müsse jedoch ein
selbständiges Zulagensystem in der bAV geschaffen werden, um eine tatsächliche Förderung zu erreichen. Eine noch nicht gelöste Problematik sei auch die Anrechnung
der späteren Versorgungsleistungen bei der
Grundsicherung. Für die Grundsicherung
gelte der Grundsatz der Bedürftigkeit und
diesem widerspreche ein Freibetrag, was
eine Lösung erschwere.
Unter dem Strich habe für die SPD die
Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung Vorrang, die bAV ersetze diese nicht.
Im System der betrieblichen Altersversorgung bevorzuge man tarifvertragliche Lösungen. Soweit keine Lösung durch die Sozialpartner möglich oder geschaffen würden, seien dann aber auch Lösungen per
Gesetz anzustreben.
Für die Bundesvereinigung der Deutschen
Arbeitgeberverbände (BDA) vertrat Florian Swyter – Referent „Betriebliche Altersvorsorge“ – deren Position zum „Sozialpartnermodell Betriebsrente“ und zu
Optimierungsmöglichkeiten in der bAV.
Er schickte voraus, dass bei der BDA
keine Freude über die aktuelle Rentendiskussion herrsche. Ausgangslage sei die teilweise völlig übertriebene Darstellung einer
steigenden künftigen Altersarmut, für die
plausible Annahmen fehlten. Der Nachhaltigkeitsfaktor in der gesetzlichen Rentenversicherung führe nicht zu fallenden Renten. Die insgesamt höhere Erwerbstätigkeit
sowie etwa die steigende Erwerbstätigkeit
der Frauen werde bei diesen Darstellungen
nicht angemessen berücksichtigt. Die „Ries-
VVB magazin 4/2016
ter-Rente“ werde aktuell zu schlecht geredet.
Sie sei durch ihre soziale Komponente der
Zulagenförderung zielgerichtet und habe
anders als die bAV kein Portabilitätsproblem. Nichts spräche auch dagegen, diese
Förderung zu verbessern, etwa durch eine
Anpassung der Zulagen. Der beklagte Rückgang der reinen Arbeitgeberfinanzierung in
der bAV sei relativ und die absolute Förderung durch die Arbeitgeber mit etwa 87 Prozent Anteil an 35 Mrd. € jährlichem Finanzierungsaufwand weitgehend konstant. Die
Mischfinanzierung bzw. Beteiligung durch
Gehaltsumwandlung der Arbeitnehmer in
der bAV sei sozialpolitisch erwünscht und
dadurch eben auch gestiegen.
Die BDA sieht beim Sozialpartnermodell
die Gefahr, dass bestehende bAV ausgezehrt
werden könnte. Auch sei fraglich, ob die bestehende Subsidiärhaftung das wesentliche
Verbreitungshemmnis der bAV darstelle.
Die Wirtschaft habe „kein Niedrigertragsproblem, wir haben ein Niedrigzinsproblem.“ Beim Sozialpartnermodell bestünden
zudem offene Fragen, z.B. zur Absicherung
der Zusagen über den Pensions-SicherungsVerein aG (PSVaG). Das Gutachten greife
aber mit einem erhöhten Gestaltungsspielraum zugunsten der Tarifpartner, dem Verzicht auf Vorgaben für die gemeinsamen
Einrichtungen und zu reinen Beitragszusagen wichtige Kritikpunkte auf. Die Zielrente entfalte einen besonderen Charme,
da sie durch eine risikoreichere Kapitalanlage eine höhere Versorgung bei gleichem
Aufwand wahrscheinlich mache und gleichzeitig die Sorgen der Betriebe wegen Haftungsrisiken entschärfe. Die Ausführungen
zu der Übertragung von Altbeständen von
Versorgungszusagen seien ebenfalls interessant. Fragen zur Insolvenzsicherung, wie
etwa einem separaten Abrechnungskreis im
PSVaG oder bei der Übertragung von Altbeständen zur Haftungskonstruktion des
(neuen) Versorgungsträgers und dessen
PSV-Absicherung, blieben unbeantwortet.
Hinsichtlich der Anregungen zur Einführung tarifvertraglicher Opting-Out-Lösungen frage man sich, warum diese Pläne auf
tarifliche Regelungen beschränkt werden
sollten.
Unter dem Strich sei für Florian Swyter
aus Sicht der BDA ein Verbreitungserfolg
eines Sozialpartnermodells aber weiter ungewiss, da nicht tarifgebundene Unternehmen eben schwer erreichbar seien. Bei ta-
Frühjahrstagung des FK bAV/LV // FACHKREISE
rifgebundenen Unternehmen sei der Verbreitungsgrad bereits hoch. Daher sei auch
die Sorge, dass die Verbreitung doch mit
einer Ausweitung allgemeinverbindlicher
Tarifverträge gesteigert werden soll, nicht
ausgeräumt. Das Gutachten der Universität Würzburg im Auftrag des BMF zu Optimierungsmöglichkeiten der steuer- und
sozialversicherungsrechtlichen Regelungen sei unzureichend. Die Abschaffung der
Doppelverbeitragung der Riesterförderung
innerhalb der bAV sei längst überfällig sowie ein eigenständiges Zulagenmodell für
die bAV ein möglicher Impulsgeber. Der im
Gutachten postulierte bAV Abzugsbetrag
(~ § 7 g EStG) für Arbeitgeber sei vom Verfahren und Nutzen fragwürdig. Die Einführung obligatorischer arbeitgeberfinanzierter Zuschüsse zur bAV lehne der BDA ab.
„Zu guter Letzt“, mit diesen Worten eröffnete Dr. Judith Kerschbaumer ihren Vortrag „Position von ver.di zur Tarifpartnerrente und zu Optimierungsmöglichkeiten in der bAV“.
Sie ist Rechtsanwältin und Leiterin des
Bereichs Sozialpolitik in der ver.di Bundesverwaltung mit Tätigkeitsschwerpunkt Alterssicherung und Allgemeine Sozialpolitik.
Die Gewerkschaft ver.di möchte das Thema
„Rente“ als Schwerpunkt im Bundestagswahlkampf vorantreiben. Es sei noch ein
erheblicher Aufwand erforderlich, um Geringverdiener in der Altersvorsorge zu stärken. Mit der diskutierten Sozialpartnerrente
in der bAV entstünde ein neues sehr komplexes Konstrukt, das weitreichende Auswirkungen auf die bAV-Welt haben wird,
wie wir sie heute kennen. Die Niedrigzinsphase sei eine schlechte Zeit für kapitalgedeckte Altersvorsorge. Pläne und Vorhaben in diese Richtung dürften in keinem Fall
zu einer Reduzierung der Versorgung aus
der gesetzlichen Rentenversicherung führen, die den Lebensstandard sichern müsse.
Positiv sei, dass die Tarifpartnerrente von
den Tarifparteien verhandelt werde. Betriebliche Altersversorgung sei eine gute
Ergänzung zur Alterssicherung. Sehr kritisch sehe man die Anrechnung der bAV
bei der Grundsicherung. Es gebe mit ver.
di keine entsprechenden Tarifverträge bevor dieses Thema nicht gelöst sei, etwa mit
einem „Anrechnungsfreibetrag“. Wie die
Vorredner sehe man die aktuelle Verbeitragung von bAV-Versorgungsleistungen in
der Sozialversicherung als problematisch an
und wolle hier zum Status quo vor dem Jahr
2004 zurück. Einer Erhöhung des Förderrahmens des § 3 Nr.63 EStG um zusätzliche
4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze
zur gesetzlichen Rentenversicherung stehe
man offen gegenüber, allerdings solle dieser
nicht sozialversicherungsbeitragsfrei sein.
Eine neue Zulagenförderung für die bAV
dürfe nicht in Zusammenhang mit „Riester“ stehen, auch nicht hinsichtlich 154 €
Zulagenbetrag, da die „Riester-Rente“ bei
den Menschen völlig diskreditiert sei. Eine
neue bAV-Zulagenförderung müsse gesetzlich mit Rechtsanspruch verankert werden.
Das im Sozialpartnermodell angeregte Optionsverfahren (Opting-Out, auto-enrolment, automatische Einbeziehung) bewerte
man bei ver.di zustimmend und würde sogar noch eine Nachfragepflicht der Arbeitgeber alle 3 Jahre befürworten. Der Einführung einer reinen Beitragszusage im Sozialpartnermodell stelle man ein klares „nein“
entgegen. Dies sei ein Element, mit dem
man als Gewerkschaft tarifvertraglich nicht
in Verbindung gebracht werden wolle. Dem
Gedanken einer „Zielrente“ stehe man skeptisch gegenüber. Sie sei schwammig und
gewinne kein Vertrauen, wenn deren Entwicklung unklar sei. Den Eingriff in bestehende Versorgungssysteme und die Idee
der Möglichkeit einer enthaftenden Übertragung für den Arbeitgeber lehnen die Gewerkschaften ab. Für die Einsparung von
Sozialversicherungsbeiträgen der Arbeitgeber durch die Einrichtung von bAV fordere
man deren obligatorische Weitergabe an die
Arbeitnehmer.
Abschließend vermutete Frau Dr.
Kerschbaumer, dass wahrscheinlich alle
Vorhaben zur Verbesserung der Versorgungssituation die avisierte Klientel der Gering- und Niedrigverdiener nur schwer erreichen würden. Sie appellierte, dass der gesetzliche Rahmen zunächst eindeutig fixiert
sein müsse, bevor ein „Sozialpartnermodell“ erfolgreich funktionieren könne.
159
160
FACHKREISE // Frühjahrstagung des FK bAV/LV
VVB magazin 4/2016
Berufsunfähigkeit in der Belegschaft
– ein Gewinn für Mitarbeiter und
Unternehmen
Von STEFAN OPEL, GOTHAER
Berufsunfähigkeit – die
unterschätzte Gefahr
Vorteil: Stark reduzierter Preis der
Absicherung
Nahezu jeder in der (Lebens-)Versicherungsbranche
Tätige weiß es: Jeder 4. Arbeitnehmer wird im Laufe
seines Erwerbslebens teilweise oder vollständig berufsunfähig. Aus welchen Erkrankungen aber resultiert
die Berufsunfähigkeit? Dominierend sind inzwischen
psychische Erkrankungen, gefolgt von Schädigungen
des Skeletts und Bewegungsapparats sowie Krebs und
ähnliche Erkrankungen. Es folgen andere Krankhei-
Die Reduktion des Netto-Preises, den der Arbeitnehmer zahlt, erfolgt hierbei durch unterschiedliche Mechanismen: Zunächst ist der Preis aufgrund der geringeren Beratungsaufwände (kein Besuch vor Ort,
Serien-Beratungen in der Firma) etwas niedriger. Ein
Beispiel: Bei der Gothaer reduziert sich der Preis für
eine Absicherung von 1.000 Euro Berufsunfähigkeits-
ten; Unfälle spielen mit nur rund zehn Prozent Anteil
eine eher untergeordnete Rolle. Ein Unfallschutz allein
reicht also nicht aus.
Gleichzeitig ist auch die staatliche Absicherung im
Falle der Berufsunfähigkeit minimal: Zum einen wird
nur geleistet, sofern keine drei Stunden (100%ige Erwerbsunfähigkeit) respektive sechs Stunden (50%) pro
Tag gearbeitet werden kann. Zum anderen sind die zu
erwartenden, staatlichen Leistungen äußerst dürftig:
Regelmäßig bewegen diese sich auf einem Niveau nur
leicht oberhalb oder sogar unter dem Hartz IV Satz.
Kein Wunder also, dass Verbraucherverbände und natürlich Finanzberater in den meisten Fällen zum Abschluss einer Berufsunfähigkeitsabsicherung raten.
Belegschaftslösungen in der
Berufsunfähigkeitsabsicherung
ӹӹ Hier bieten
Belegschafts­
konzepte eine
interessante
Alternative.
Wieso dümpelt dann die Durchdringung bei der Berufsunfähigkeitsabsicherung in Deutschland weiter
bei nur ca. 25% hin, dazu noch oft in nicht ausreichenden Höhen? Hierzu sind folgende Faktoren aus unserer Erfahrung entscheidend: zum einen der oft als hoch
empfundene Netto-Preis einer ausreichenden Absicherung, zum anderen die Schwierigkeit, bei Vorerkrankungen einen Vertrag ohne Ausschlüsse abzuschließen. Hier bieten Belegschaftskonzepte eine interessante Alternative: Oft kann eine Absicherung im
Kollektiv deutlich günstiger angeboten werden. Und
in der Regel steht den Arbeitnehmern – bei Kollektiven ab zehn versicherten Personen – ein Antrag mit
reduzierten oder nahezu ohne Gesundheitsfragen zur
Verfügung.
rente im leistungsstärksten Tarif in einem Beispielfall
(beste Berufsgruppe) im Kollektiv von 31,30 Euro/Monat auf 28,80 Euro. Hinzu kommt der Vorteil für den
Arbeitnehmer aus dem weitgehenden Entfall der Gesundheitsprüfung, nämlich dem Entfall von Zuschlägen, die bei einer regulären Gesundheitsprüfung entstanden wären. Der größte Preishebel ist aber oft die
bAV: Durch die nachgelagerte Besteuerung, den möglichen Entfall der Sozialversicherungsbeiträge in entsprechend zu wählenden Durchführungswegen sowie mögliche Zuschüsse des Arbeitgebers reduziert
sich die Prämie in aller Regel um mehr als die Hälfte,
im obigen Beispiel also auf unter 15 Euro Nettobeitrag.
Vorteil: Stark vereinfachter Zugang
Insbesondere bei größeren Kollektiven kommt regelmäßig eine sogenannte „Dienstobliegenheitserklärung“ (DOE) oder „Dienstfähigkeitserklärung“ (DFE)
zum Einsatz. Eine im Markt bei größeren Unternehmen anzutreffende Regelung ist hierbei, dass der
Arbeitnehmer und/oder Arbeitgeber bestätigen, dass
der Arbeitnehmer nicht länger als 14 Tage ununterbrochen arbeitsunfähig war. Vergleicht man diese Regelung mit den effektiv aufgetretenen Tagen der Arbeitsunfähigkeit pro Fall, so wird deutlich, dass Arbeitnehmer bis max. 50 Jahre in aller Regel diese Bestätigung
werden abgeben können. Erst darüber steigt die durchschnittliche Dauer einer AU im Mittel über 14 Tage an.
(Grafik)
In Summe lässt sich also sagen, dass tatsächlich die
Mehrheit der Arbeitnehmer – auch in arbeitnehmerfinanzierten Varianten der Berufsunfähigkeitsabsicherung – einen einfachen Zugang erhält. Natürlich stellt
sich dann die Frage, wie diese Rechnung für den Ver-
VVB magazin 4/2016
Frühjahrstagung des FK bAV/LV // FACHKREISE
sicherer aussieht – Weitergabe von Vorteilen ohne
Kompensation?
Herausforderung
Durchdringungsquote
Fest steht: Eine DOE/DFE hat eine deutlich geringere
Selektionswirkung als eine volle Gesundheitsprüfung.
So ergab eine kürzlich durchgeführte Analyse der Anträge des Berufsunfähigkeits-Bestands (die Gothaer
bietet diesen Schutz seit 1914 an), dass mit der o.a.
„14-Tage-Frage“ nur ein Teil der Krankheiten, die effektiv zu einer BU führen können, erkannt wird. Der
Versicherer ist also gut beraten, die Unternehmen
und Kollektive, die er versichert, gewissenhaft zu analysieren, möchte er Beitragssprünge in der BU-Absicherung vermeiden. Innerhalb des Kollektivs ist zudem eine ausreichende Durchdringung erforderlich:
Es dürfen sich nicht nur die Risiken, die auf eine DOE
angewiesen sind, versichern, sondern es müssen auch
genügend kerngesunde Versicherte der Gemeinschaft
beitreten. Hierzu sind aus unserer Erfahrung zwei Faktoren maßgeblich: wiederum der oben erwähnte Netto-Preis der Absicherung sowie das Vertriebskonzept.
Bei letzterem zeigte sich, dass die Art der Beratung entscheidend ist: Ist z.B. bei reiner Information gekoppelt mit telefonischer Beratung eine Konversionsquote
(Beratungen zu Abschlüssen) von oft unter 20% zu beobachten, so steigt diese Quote bei persönlicher Beratung vor Ort in der Firma oft auf deutlich über 50%.
Angebot der Gothaer
Die Gothaer bietet in den Durchführungswegen Direktversicherung, Unterstützungskasse, Direktzusage
sowie privat (3. Schicht) Lösungen zur Berufsunfähig-
keitsabsicherung im Belegschaftsgeschäft an. Das Angebot zeichnet sich durch einen leistungsstarken Tarif
(M&M 5 Sterne, FFF bei Franke&Bornberg) verbunden
mit einem günstigen Preis aus. Insbesondere für größere Unternehmen werden individuell zugeschnittene
Konzepte einschließlich Unterstützung bei der Durchdringung angeboten. Gothaer ist exklusiver Deutschland-Partner des weltweit (nach Anzahl Konzernen)
größten Pooling-Netzwerks IGP. Zu den teilweise erst
kürzlich gewonnenen Kunden zählen sehr namhafte
Konzerne unter anderem aus der Chemie/Pharma-,
Einzelhandels-, Luftfahrt- und Finanzbranche.
Blick in das Auditorium
161
162
FACHKREISE // Informationen aus dem Fachkreis BO/IT
VVB magazin 4/2016
Informationen zur Tagung des Fachkreises Betriebsorganisation/IT am 16.09.16:
Testen mit Echtdaten?
Datenschutzrechtliche Anforderungen
von BERND SEBALD (kor. M.)
B
ei der Implementierung von IT-Systemen
und Datenbanken werden personenbezogene
Echtdaten oftmals ohne Beachtung des Datenschutzes zu Testzwecke verwendet. Zum Teil wird
die Anforderung von Echtdaten aber auch damit begründet, dass nur mit den Echtdatensätzen geladene
Datenbanken sich so auch im Testverfahren verarbeiten lassen, wie später im Echtbetrieb. Die Verwendung von Echtdaten beim Testen der Software
ist deshalb nicht nur in der Integrationsphase sondern auch in der Testphase oftmals gängige, aber gefährliche und rechtswidrige Praxis.
Die Nutzung von Echtdaten zu Testzwecken ist
mit erheblichen Risiken für den Datenschutz und
die Datensicherheit verbunden. Zudem drohen wegen Datenschutzverstößen Bußgelder, bei Berufsgeheimnisträgern sogar Strafen.
Datenschutzrisiken
Abb. 1:
Die sieben Säulen des
Bundesdatenschutzgesetzes
(BDSG)
Im Allgemeinen haben wesentlich mehr Personen Zugriff auf Testsysteme als im regulären Betrieb, da dort verschiedenste Tests, auch mit anderer Software und anderen Daten, durchgeführt werden. Der Zugriff von nicht Berechtigten kann somit
nicht ausgeschlossen werden und birgt dementsprechende Missbrauchsgefahren. Ein weiteres Missbrauchsrisiko besteht in der Versendung der Daten
an Dritte zur Fehleranalyse, die den Kreis der Datennutzer noch einmal wesentlich erweitert.
Enger Rahmen des
Datenschutzrechts
Personenbezogene Daten dürfen nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) grundsätzlich nur
zweckgebunden, d.h. nur für die Zwecke genutzt
werden, für die sie erhoben wurden. Die Nutzung der Daten ist also nur für die Erfüllung der
jeweiligen Vertragszwecke gestattet, z.B. eines
Versicherungsvertrages.
Der Nutzung von Echtdaten für Testzwecke
stellt eine Zweckänderung dar. Ausnahmsweise ist
auch eine zweckändernde Nutzung zulässig. Diese
ist nach der Vorgabe des BDSG aber nur dann zulässig, wenn dies zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist, zudem kein Grund zu der Annahme besteht, dass das
schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem
Ausschluss der Nutzung überwiegt.
Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist bereits zweifelhaft, ob die Nutzung von personenbezogenen Echtdaten zu Testzwecken erforderlich ist.
Eine solche Erforderlichkeit ist zu verneinen, wenn
auch ohne Echtdaten in geeigneter Weise getestet
werden kann durch Anonymisierung, Pseudonymisierung oder Synthetisierung mittels geeigneter
Softwarelösungen.
Bei der Beurteilung entgegenstehender Betroffeneninteressen ist neben den vorgenannten Datenschutzrisiken zu prüfen, welche Sensibilität die zum
Test vorgesehenen Datenkategorien haben. So sind
reine Basisdaten (Name, Adresse) in der Regel weniger sensibel als detaillierte Kundeninformationen,
wie Vermögenswerte, Gesundheitsdaten, Zahlungsrückstände etc. Im Rahmen der Interessenabwägung ist zusätzlich zu berücksichtigen, wer den Test
durchführt. Ist es das Unternehmen selber oder ein
VVB magazin 4/2016
Dienstleister? Wenn ein Dienstleister den
Test durchführt, ist dessen Datenschutzund Datensicherheitskonzept zu prüfen.
Das BDSG fordert vor der Vergabe des
Dienstleistungsauftrags im Rahmen der
sogenannten Auftragsdatenverarbeitung
die Kontrolle der technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Datenschutz des Dienstleisters. Besonders problematisch ist der Einsatz von Dienstleistern außerhalb der EU. Hier gelten die
komplexen Datenschutzanforderungen
für den Drittlandtransfer. (Abbildung 1)
Besonders sensible
personenbezogene Daten
Nach dem BDSG unterliegt die Verarbeitung besonders sensibler personenbezogenen Daten sehr strengen Zulässigkeitsvoraussetzungen. Betroffen sind neben
anderen Daten Informationen zur Gesundheit. Diese Daten finden sich regelmäßig in Personalinformationssystemen
aber auch im Versicherungs- und Bankenbereich. Deren Verarbeitung kann nicht
auf eine Interessenabwägung gestützt
werden. Damit ist die Nutzung jedenfalls
für Funktionstests ausgeschlossen.
Datenvermeidung und
Datensparsamkeit
Das BDSG fordert als grundlegendes
Prinzip des Datenschutzes die Datenvermeidung und Datensparsamkeit. Die
Verarbeitung personenbezogener Daten
und die Gestaltung und Auswahl von
Datenverarbeitungssystemen haben sich
- so der Wortlaut des BDSG - an dem Ziel
auszurichten, keine oder so wenig personenbezogene Daten wie möglich zu erheben, zu verarbeiten oder zu nutzen. Personenbezogene Daten sind zu anonymisieren bzw. pseudonymisieren, soweit dies
möglich ist und der Aufwand in einem
angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck steht. Klassisches
Anwendungsszenarium dieser Norm sind
Funktions- und Programmtests. Die Beachtung des Prinzips der Datenvermei-
Abbildung 2:
Die 8 Gebote der
Datensicherheit
(BDSG §9 und Anlage)
Informationen aus dem Fachkreis BO/IT // FACHKREISE
dung drängt die Frage nach geeigneten
Softwarelösungen auf, mit der sich die
Nutzung von produktiven Testdaten vermeiden lässt.
Datensicherheit
Neben den mit Blick auf die Nutzung
von Testdaten restriktiven Zulässigkeitsrahmen hat das BSDG auch Vorgaben
zum technischen und organisatorischen
Datenschutz, die auch das Testen von
Software und Systemen betreffen.
Nach der Anlage zu § 9 BDSG haben
Unternehmen unter anderem zu gewährleisten, dass personenbezogene Daten
bei der Verarbeitung, Nutzung und nach
der Speicherung nicht unbefugt gelesen,
kopiert, verändert oder entfernt werden
können (Zugriffskontrolle) sowie personenbezogene Daten gegen zufällige Zerstörung oder Verlust geschützt sind (Verfügbarkeitskontrolle). Damit fordern die
technischen und organisatorischen Maßnahmen des § 9 BDSG eine Trennung von
Produktiv- und Testsystem. Eine Lösung
ist damit nicht das Testen im Livebetrieb.
Als Konsequenzen für den Testbetrieb
muss der Einsatz von personenbezogenen Echtdaten auch unter dem Gesichtspunkt der Datensicherheit als grundsätzlich unzulässig beurteilt werden, da er
nicht nur eine Zweckdurchbrechung darstellt sondern auch die Integrität und die
Vertraulichkeit der Daten gefährdet. Die
Anforderungen an Ausnahmen sind sehr
hoch zu setzen, z.B. wenn das System eine
solche Komplexität aufweist, dass ohne
Andreas Jaspers (Rechtsanwalt),
Geschäftsführer der Gesellschaft für
Datenschutz und Datensicherheit (GDD)
e.V., einer der größten Fachverbände der
Informations- und Kommunikationsbranche. Die GDD unterstützt Unternehmen
bei der Lösung von technischen, rechtlichen und organisatorischen Fragen im
Zusammenhang mit Datenschutz/Datensicherheit.
Echtdaten nicht aussagekräftig getestet werden kann. Allerdings sind hier immer die
Möglichkeiten moderner Softwarelösungen
zur Anonymisierung, Pseudonymisierung
oder Erzeugung synthetischer Testdaten zu
berücksichtigen. (Abbildung 2)
163
164
FACHKREISE // Informationen aus dem Fachkreis BO/IT
IMPRESSUM
Herausgeber:
Vorstand der Vereinigung der
Versicherungs­-Betriebswirte e.V.
(Anschrift siehe Verlag)
Vorstand für Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit:
Stefan van Marwyk
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Vereinigung der Versicherungs­Betriebswirte e.V. Geschäftsstelle
Frank Ackermann
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Redaktionsschluss
für Heft 5/2016 ist am 15.09.2016
Erscheinungstermin: 15.10.2016
Keine Haftung für unverlangt
eingesandte Texte und Fotos. Die
Redaktion behält sich vor, Artikel und
Leserbriefe zu bearbeiten und zu kürzen.
Namentlich gezeichnete Artikel geben
nicht unbedingt die Meinung der
Redaktion wieder. Jeder Nachdruck muss
durch die Redaktion genehmigt werden
und ist honorarpflichtig. Zitate sind
erlaubt, Belege davon erbeten.
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für Nichtmitglieder: Einzelpreis Euro 5,einschließlich Versand.
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VVB magazin 4/2016
Orientierungshilfe der
Datenschutz-Aufsichtsbehörden
Die Datenschutz-Aufsichtsbehörden fordern
in einer Orientierungshilfe „Datenschutz und
Datensicherheit in Projekten“1) eine Differenzierung zwischen Projekt- und Produktivbetrieb. Für den Projektbetrieb sollen bei Funktions- und Integrationstests grundsätzlich
keine personenbezogenen Echtdaten genutzt
werden dürfen. Zudem bedarf es einer Kurzfassung eines IT-Konzepts sowie eines auf die
Testbedingungen angepassten Sicherheitskonzepts. Auch für den Produktivbetrieb wird
ein Sicherheitskonzept gefordert. Notwendige
Tests mit Echtdaten sollten sich auf Daten von
Personen beschränken, die für das Verfahren
verantwortlich oder Mitarbeiter des Projekts
sind und diesen Tests zugestimmt haben. Zudem wird die Freigabe für den Produktivbetrieb durch die Unternehmensleitung gefordert, wohl um die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit zu unterstreichen.
Konsequenzen von
Datenschutzverstößen
Datenschutzverstöße können ein Einschreiten der Datenschutz-Aufsichtsbehörden zur
Folge haben. Diese können Bußgelder bis zu
300.000,- € verhängen sowie Auflagen für die
System – und Programmtests erteilen.
Datenverluste können zudem Strafbewährungen erfüllen wie die Verletzung von
Amts-, Berufs- und Privatgeheimnissen, die
Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses oder Verrat von Geschäfts- und
Betriebsgeheimnissen.
Bei Verlusten von sensiblen Daten oder
Daten zu Versicherungsverträgen auf Grund
sicherheitstechnisch unzulänglicher Systemund Programmtests sind nach einer Risikobeurteilung zudem auch die Aufsichtsbehörden
und die Betroffenen hiervon zu informieren.
Der Imageverlust des Unternehmens ist dabei
sicherlich der größte Schaden.
Die GFB EDV Consulting und Services
GmbH ist seit fast 20 Jahren ein erfolgreiches,
inhabergeführtes Beratungshaus mit ca. 30
Mitarbeitern, welches sich auf die Geschäftsfelder IT-Consulting, Testdatenmanagement
und die Q-up Produktfamilie konzentriert.
1)http://www.bfdi.bund.de/DE/Infothek/Orientierungshilfen/Artikel/OH_Projekt-Produktivbetrieb.pdf;jsessionid=F085E704EABFA1758F43D8523E52D0C6.1_
cid329?__blob=publicationFile&v=4
Frank Ossig ist Berater bei der GFB EDV
Consulting und Services GmbH und seit
über 25 Jahren in den Bereichen Softwareentwicklung und Qualitätssicherung
für verschiedene Branchen mit Schwerpunkt Versicherungen tätig. Zuletzt hat
er sich auf das Spezialgebiet Testdatenmanagement fokussiert und hält Vorträge zu diesem Thema auf Konferenzen.
Sie bedient dabei verschiedene Kundenbranchen wie Logistik, Telekommunikation und Finanzdienstleitung. Im Bereich
Testdatenmanagement und zur Q-up
Produktfamilie bietet sie Seminare und
Zertifizierungen an. Mit dem Testdatengenerator Q-up generieren Sie Ihre spezifischen Testdaten und verkürzen Ihre
Testzyklen. Mit Q-up können Sie Ihre
Testdaten einfach, schnell, datenschutzkonform und nachvollziehbar erzeugen
sowie bereitstellen. Überzeugen Sie sich
selbst unter http://www.gfb-consulting.
de oder rufen Sie an unter +49 6171 506060 und vereinbaren Sie einen Termin für
ein Beratungsgespräch. Oder kommen Sie
zur Tagung des Fachkreises Betriebsorganisation/IT der VVB am 16.09.16 zum
Thema Testdatenmanagement, Datenschutz, Anonymisierung nach Köln und
sprechen Sie dort mit unseren Experten.
VVB magazin 4/2016
ANZEIGE
CRM im Beschwerdemanagement:
„Es sollte viel mehr Beschwerden geben!“
von OLIVER HECHLER
Kunden, die sich beschweren, sind nachweislich die treueren und profitableren Kunden – vorausgesetzt, ihre
Beschwerde wird schnell und wertschätzend bearbeitet. Die Basler Versicherungen Schweiz sorgen mit neuen
Wegen im Beschwerdemanagement im Moment der Wahrheit für ein positives Kundenerlebnis.
D
ie Basler Versicherungen haben das Potenzial, das in Beschwerden schlummert, früh
erkannt. Schon vor sieben Jahren wurde
ein professionelles Team zur Deeskalation bei Beschwerden etabliert, was massgeblich zur Kundenzufriedenheit beigetragen hat. „Ein organisiertes
Beschwerdemanagement ist eine der wichtigsten
Massnahmen für die Kundenzufriedenheit“, bestätigt Sacha Truffer, Leiter Kundenzufriedenheit der
Basler Versicherungen Schweiz. Ein professionell
organisiertes Team widmet sich seit sieben Jahren
der raschen und kundenorientierten Beschwerdebearbeitung. Im Beschwerdefall zählt nämlich jede
Minute, weiss Sacha Truffer: „Beschwerden muss
man schnell anpacken. Je später, desto grösser der
Abgangswille.“ Vor allem im Zeitalter von Social
Media steige die Erwartungshaltung der Kunden in
Bezug auf die Reaktionszeit.
Zweite Stufe der
Professionalisierung
Das Beschwerdemanagement der Basler Versicherungen hat nun eine zweite Stufe der Professionalisierung erfahren. Der vormals eigenständige Beschwerdeprozess wurde neu vollständig in
die CRM-Lösung bei der Basler Versicherung integriert. Ziel war es, eine optimale Informationslage für die Mitarbeiter im Kundenkontakt und im
Aussendienst sicherzustellen und die interne Zusammenarbeit mit den relevanten Bereichen zu fördern, um Beschwerdeursachen rasch zu erkennen
und zu eliminieren.
„Im Beschwerdemanagement gibt es zwei Philosophien“, klärt Sacha Truffer auf. Die meisten Unternehmen würden sich auf die Prozess-
risiken fokussieren und sich mit Priorität 2 dem
Kunden widmen. „Bei uns hingegen steht der
Kunde und die Deeskalation der Situation an erster Stelle. Dies liefert uns wichtige Hinweise auf die
Prozessoptimierung.“
Beschwerden als Chance zur
Kundenbindung
Die Basler hat den Weg der Kundensicht gewählt
und das Beschwerdemanagement in BSI CRM integriert. Damit kann das Versicherungsunternehmen
den Einfluss von Beschwerden auf die Kundenzufriedenheit im Detail analysieren und rasch geeignete Massnahmen ergreifen. Die First Contact Resolution ist eine wichtige Kennzahl für das Team. Die
Anzahl Folgebeschwerden möglichst tief zu halten,
ist in den Zielen verankert. „Der gesamte Beschwerdeprozess ist in BSI CRM zentralisiert, was nicht nur
die Erstlösungsrate positiv beeinflusst, sondern auch
die Durchlaufzeiten verkürzt und die Informationslage für die Mitarbeiter verbessert. Zudem ermitteln
wir regelmässig die Beschwerdegründe und -ursachen und informieren die betroffenen Bereiche, was
wiederum der proaktiven Lösungsfindung dient“, so
Sacha Truffer. Das habe positive Auswirkungen auf
die Geschwindigkeit und die Qualität der Beschwerdebearbeitung: „Wir können heute aufgrund der
integrierten Lösung schneller auf Beschwerden reagieren. Wir sind sehr gut an die Abläufe in den relevanten Bereichen und an unsere internen Ansprechpartner angebunden. Das trägt sehr zu einer positiven Dynamik bei“, erklärt Sacha Truffer. Und so
passiert es nicht selten, dass aus einem Beschwerdeführer ein treuer Wiederkäufer wird, weil sein Vertrauen in der Beziehungsprobe gestärkt wurde.
KONTAKT
Oliver Hechler, BSI Business Systems Integration AG
E-Mail: [email protected]
Tel.: +49 (89) 189 170 912 · www.bsi-software.com
Oliver Hechler
ist Geschäftsführer BSI
Deutschland und
Community Manager
für Versicherungen
Sacha Truffer, Leiter
Kundenzufriedenheit und
Mitglied der Direktion
der Basler Versicherungen
Schweiz
165
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TERMINE // Fachkreise und Treffpunkte
Fachkreise
Treffpunkte
Datum
VVB magazin 4/2016
Fachkreis
Themen/Referenten
Ort
16.09.2016
Betriebsorganisation/IT
„Testdatenmangement / Testdatenoptimierung“.
HDI Köln
16.09.2016
Kapitalanlagen &
Assetmanagement
Zehn Jahre Fachkreis Kapitalanlagen:
Herausforderungen durch Niedrigzins und neues Steuerrecht – Umbau der
BAV und die Situation der Versorgungswerke
Berlin
23.09.2016
Rückversicherung
Themen und Referenten werden noch bekannt gegeben
AON Benfield,
Hamburg
06.10.2016
Krankenversicherung
Schwerpunktthemen werden das eHealth Gesetz und verhaltensorientierte
Tarife in der Krankenversicherung sein.
PKV Verband,
Köln
14.10.2016
Betriebliche Altersversorgung Herbsttagung – Fortsetzung der Tagung vom 22.04.2016 , Themen:
und Lebensversicherung
Gesetzliche Maßnahmen zur Verbreitung der bAV und Sozialpartnermodell
Barcelona (Beteta-Meinert)
Zu den Veranstaltungen wird jeweils eingeladen.
Berlin (Eberhard)
Veranstaltungsinformationen und Treffen auf der Internetpräsenz der
VVB – Treffpunkt Berlin , E-Mails erhalten am TP Berlin registrierte
Mitglieder.
10. 11 2016, 19:00 Uhr
Ne, ne Keule … dit Stemmzeug ham se - Essen wie unsere
prähistorischen Vorfahren
Sauvage, Pflügerstraße 25, 12047 Berlin www.sauvageberlin.com/de ,
Bonn (Peters)
Zu Veranstaltungen und Treffen wird im VVB magazin und per E-Mail
eingeladen.
07.09.2016, 18.00 Uhr
Gasthaus Nolden
Magdalenenstr. 33, Bonn-Endenich
15.10.2016, Wandertag am Waldsee”traum”pfad Rieden.
Start ist um 11:00 Uhr vom Parkplatz des Restaurants Eifeler Seehütte
(Am Waldsee; 56745 Rieden). Anmeldungen bis zum 30.09.2016
per E-Mail an ([email protected] oder guenter.laux@
vvb-koeln.de). Nähere Informationen können auch über diese E-Mail
Adressen angefordert werden.
Dortmund (Bennmann)
Zu Sonderveranstaltungen wird schriftlich eingeladen und per E-Mail
erinnert.
04.10.2016, 17.30 Uhr
Gaststätte „Wenkers am Markt“
Betenstr. 1, Dortmund
Düsseldorf (Termast)
Zu Veranstaltungen und Treffen wird schriftlich eingeladen.
06.09.2016, 19.00 Uhr
Füchschen Brauhaus
Ratinger Str. 28, Düsseldorf
Hamburg/Bremen/Oldenburg (Röbe-Oltmanns)
21.09.2016, 19.00 Uhr
Gasthaus an der Alster
Ferdinandstr. 65-67, Hamburg
Hannover (Wente)
Zu Veranstaltungen und Treffen wird schriftlich eingeladen.
10.10.2016, 17.30 Uhr
Lokal „Ständige Vertretung“
Friedrichswall im Hause der Nord LB, Hannover
Karlsruhe (Knitter)
Zu Veranstaltungen und Treffen wird schriftlich eingeladen.
KAS Bank,
Frankfurt
Köln (Bliznina)
Zu Veranstaltungen und Treffen wird im VVB magazin und per
E-Mail eingeladen.
06.10.2016, 18.00 Uhr
Gilden im Zims, Heimat Kölscher Helden
Heumarkt 77, Köln
Mannheim (Dahlke)
Zu Veranstaltungen und Treffen wird schriftlich eingeladen.
Mönchengladbach (Correnz)
Einladung erfolgt telefonisch.
München (Basic)
Zu Veranstaltungen und Treffen wird schriftlich und per E-Mail
eingeladen sowie über die VVB-Webseite des TP informiert.
12.09.2016, 18.30 Uhr, Augustinerkeller,
Arnulfstr. 52, München, Nähe Hauptbahnhof
10.10.2016, 18.30 Uhr, Café Saha in Schwabing, Giselastr. 10,
München/ Schwabing
Münster (Giese)
Zu Veranstaltungen und Treffen wird schriftlich eingeladen.
08.09.2016, 18.30 Uhr
Gasthaus Stuhlmacher, Prinzipalmarkt 6/7 in Münster
Nürnberg (Giebfried)
Zu Veranstaltungen und Treffen wird schriftlich eingeladen.
Osnabrück (Wissmann)
Zu Veranstaltungen und Treffen wird schriftlich eingeladen.
RheinMain (Reinschmidt)
Zu Veranstaltungen und Treffen wird per E-Mail über die VVBWebseite und per Post an Mitglieder ohne E-Mail eingeladen.
17.11.2016, 18.00 Uhr
La Famiglia, (Nähe Westbahnhof) Voltastraße 77, 60486 Frankfurt
Saarbrücken (Ferrang)
Zu Veranstaltungen wird schriftlich eingeladen.
07.11.2016, 18.00 Uhr
Schröders Restaurant
Straße des 13. Januar, 66121 Saarbrücken
Stuttgart (Schanz)
Zu Treffen und Veranstaltungen wird per E-Mail eingeladen und
erinnert.
10.10.2016, 18.00 Uhr
Weinstube Trollinger am Feuersee
Rotebühlstr. 50, Stuttgart
Zürich (Peters)
15.09.2016, 19.00 Uhr
Aufgrund der wechselnden Lokalitäten, wird der „Treffpunkt“
abhängig von der Teilnehmerzahl und den Optionen erst vor den
jeweiligen Treffen bekanntgegeben.
VVB magazin 4/2016
TREFFPUNKTE
Die Domdachführung – ein Klassiker
von MARTIN KLINDT (90)
gen, die uns immer wieder neue Eindrücke und faszinierende Einblicke sowohl in
die Kathedrale selbst als auch in die Arbeit
der Mitarbeiter aller dort tätigen Gewerke
ermöglichten.
Dazu gehörte natürlich auch Werbung
für den Dom – übrigens seit 1996 Weltkulturerbe – der wir uns hier gerne anschließen.
Ein Besuch in der Kathedrale des Erzbistums Köln lohnt immer, ob nun auf dem
Dach, unter dem Dom oder auch auf ebener
Erde.
Ein paar Zahlen dürfen nicht fehlen – sie
sind doch irgendwie unerlässlich:
–– 1248 Grundsteinlegung;
–– 1322 Einweihung des gotischen Chors;
–– Bis ca. 1530 wurde am Dom gebaut und
das Gebäude mit wichtigen Ausstattungsstücken geschmück:t
–– Über 300 Jahre bis 1842 kein Weiterbau;
–– 1880 wurden dann die Türme und damit
der Dom fertig gestellt.
Übrigens: Auch im nächsten Jahr wollen wir
diese Führung wieder anbieten.
;
Der Höhepunkt des Programms des TP Köln
war auch in diesem Jahr die Domdachführung auf und im Kölner Dom – so sehen es
jedenfalls die Teilnehmer dieser immer wieder außergewöhnlichen Dombesichtigung.
Dieses Mal führte uns ein Steinmetz als
fachkundiger Führer durch die verschlungenen Wege, Treppen und Rundgänge des
Doms. Wie wahrscheinlich auch die übrigen
100 Mitarbeiter der Dombauhütte, die den
Dom das ganze Jahr in Schuss halten (müssen, damit er so bleibt, wie er ist), ist er mit
Herzblut dabei und setzt sich sehr für den
Erhalt des Doms ein.
Das zeigte sich bei seinen Erklärun-
167
168
IVW // 13. Kölner Rückversicherungs-Symposium
VVB magazin 4/2016
13. Kölner Rückversicherungs-Symposium
Rückversicherung 2016 –
Fels in der Brandung?
FORSCHUNGSSTELLE RÜCKVERSICHERUNG, Institut für Versicherungswesen, Technische Hochschule Köln
D
er Blick in die Zukunft in der Rückversicherung ist derzeit geprägt von
„Negative Outlook“ und „schwieriger Lage“. Die Geschäftsstrategien der traditionellen Rückversicherung angesichts des
zunehmenden Überangebots von Risikotransferkapazität, die Auswirkungen auf die
Branche durch die Implementierung von
Solvency II sowie die speziellen Herausforderungen an die Lebensrückversicherung
bildeten die thematischen Schwerpunkte
des 13. Kölner Rückversicherungs-Symposiums der Forschungsstelle Rückversicherung der Technischen Hochschule Köln am
31. Mai 2016. Rund 550 Teilnehmerinnen
und Teilnehmer bestätigen mit ihrer Anwesenheit die essentielle Relevanz dieser Fragestellungen für die Branche.
Gastgeber Professor Stefan Materne,
Lehrstuhl für Rückversicherung, sieht als
zentrale Herausforderung für die Rückversicherungsbranche nach wie vor die
Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Mangels rentierlicher Anlagealternativen ströme zunehmend Kapital
in den Rückversicherungsmarkt mit der
Hoffnung auf eine angemessene Rendite.
Das Überangebot an Rückversicherungskapazität bei zugleich sinkender Nachfrage u.a. durch höhere Konzernselbstbehalte führe zu weiteren Bedingungsaufweichungen und Preisabrieben. Dennoch
wurden sehr gute, zum Teil sogar Rekordergebnisse erzielt. Dies sei allerdings auf
zufällig ausbleibende Schäden im Bereich der Naturkatastrophendeckungen,
Wechselkurseffekte und teilweise Reserverauflösungen zurückzuführen. „Nicht
alle diese Faktoren sind nachhaltig, das
heißt sie werden sich nicht jedes Jahr wie-
derholen, sondern können stagnieren
oder sich auch einmal im Effekt umkehren“, so Materne.
In einer ersten Diskussionsrunde
unter Leitung von Philipp Krohn (Frankfurter Allgemeine Zeitung) wurden die
Auswirkungen des Niedrigzinsumfelds
auf die Lebensrückversicherung thematisiert. Hier spiele alternative Kapazität
nur eine marginale Rolle, so Greig Woodring (CEO, RGA). Denn eine für Kapitalmarktinvestoren notwendige Standardisierung sei kaum möglich. Es erfordere
außerordentliche Expertise in der Analyse
von großen Datenbeständen, um langfristig erfolgreich zu sein. Im Unterschied zur
Nicht-Lebensrückversicherung schaffe
vielmehr der Beratungsaspekt und KnowHow-Transfer als der originäre Risikotransfer einen Mehrwehrt, so Dr. Win-
VVB magazin 4/2016
fried Heinen (Stv. Sprecher des Vorstands, Gen Re).
Zum Beispiel durch die Entwicklung neuer Produkte zur Absicherung der klassischen biometrischen und Langlebigkeits-Risiken schaffe der Rückversicherer veritable Kundenvorteile, so dass das bestehende Geschäftsmodell nicht bedroht sei, eher
im Gegenteil. So könne der drohenden Altersarmut
mit Hilfe der ureigenen Kernkompetenz, der Diversifikation im Versicherungskollektiv, entgegengewirkt werden. Heinen verwies diesbezüglich auf die
Forschungsergebnisse von Dr. Oskar Goecke (Professor für Versicherungsmathematik und Kapitalmarkttheorie am IVW) zum kollektiven Sparen für
die Altersvorsorge. Kollektive Sparprozesse erlauben den Sparern einen hohen Anteil an rentablen –
und somit notwendigerweise risikobehafteten – Kapitalanlagen, wie z. B. Aktien.
Im Interview mit Herbert Fromme (Süddeutsche Zeitung) nahm Dr. Frank Grund (Exekutivdirektor Versicherungsaufsicht, BaFin) zu den Anfang des Jahres implementierten neuen Eigenkapital- und Aufsichtsregeln Solvency II Stellung. „Wir
werden uns Ende Juni, Anfang Juli zu den Solvabilitätsquoten äußern“, kündigte Grund an. Jedoch
mahnte Grund, die Lage der Unternehmen nicht auf
eine Zahl zu reduzieren. „Unternehmen und Bürger
müssen erst Erfahrung sammeln mit der Volatilität
der Kennzahlen. Da ist es gut, wenn man das behutsam angeht“. Die Versicherer sind in diesem Jahr
noch nicht verpflichtet, die unternehmensindividuellen Ergebnisse zu publizieren, sondern erst in der
kommenden Berichtsperiode. Bisher haben nur kapitalmarktorientierte Konzerne mit internem Modell ihre Solvabilitätsquoten veröffentlicht. Daneben relativierte Grund die vermehrte Diskussion zu
den „FinTechs“. Der BaFin liege bisher kein einziger Antrag auf Zulassung vor, man beobachte diese
Unternehmen jedoch durchaus in der Peripherie.
Eventuelle, zukünftige Anträge werde man zügig
prüfen, einen „regulatorischen Rabatt“ werde es jedoch nicht geben. Grund äußerte sich zudem auch
zu den aufsichtsrechtlichen Änderungen im Zuge
der kürzlichen VAG-Novellierung hinsichtlich der
Geschäftstätigkeitszulassung von Drittstaatenrückversicherern (§ 121i VAG a.F. vs § 67, 68 VAG n.F.)
und erwähnte hierbei Anwendungsmöglichkeiten
von Korrespondenzrückversicherung.
In einer zweiten Paneldiskussion wurden unter
Leitung von Dr. Marc Surminski (Zeitschrift für
Versicherungswesen) unter anderem die Wechselwirkungen von traditionellem und alternativem Risikotransfer diskutiert. So sehe Axel Flöring (Managing Director, Guy Carpenter DACH) als Makler für seine Kunden mit Vehikeln wie Collaterized
Reinsurance oder Cat Bonds eine „neue Spielwiese“,
insbesondere bei der Platzierung von Naturkatast-
13. Kölner Rückversicherungs-Symposium // IVW
rophenrisiken, zur Verfügung. Jedoch sei
der Einsatz für andersgelagerte Risiken,
wie zum Beispiel Haftpflicht, nur begrenzt
bis gar nicht möglich. Monica Cramér
Manhem (President & CEO, Sirius International) erwartet einen dauerhaften Anteil alternativen Kapitals für die weltweite
NatCat-Kapazität von rund einem Drittel. Nach Bernd Zens (Vorstand, DEVK)
erhöhe der einhergehende Preisverfall
und die Bedingungsaufweichung zunehmend den Konsolidierungsdruck auf die
Rückversicherungsbranche. „Ich rechne
in den kommenden fünf Jahren mit zwei
Fusionen im Kreise der 15 größten Rückversicherungsunternehmen“, so Zens.
Heinen erwartet nach einem Zinsanstieg
oder größeren Schadenfall, dass ein großer - im Wesentlichen opportunistischer Teil der alternativen Kapazität den Markt
schnell wieder verlassen wird. Stephan
Ruoff (CEO, Tokio Millennium Re) sah
dagegen Anpassungsbedarf bei dem Geschäftsmodell der Rückversicherer. So erfordere beispielsweise die Digitalisierung
eine Neuorganisation der bestehenden
Wertschöpfungskette.
Im Anschluss an das Symposium nutzten die Teilnehmer bei dem „Get-Together“ die Gelegenheit, die diskutierten
Themen zu vertiefen.
Panel 1 (v. li.:) Dr. Winfried Heinen,
Phlipp Krohn, Greig Woodring
Bilder: Katrin Lübeck
Im Gespräch (v. li.:)
Herbert Fromme, Dr. Frank Grund
Panel 2 v. li.:
Monica Cramér-Manhem,
Stephan Ruoff, Axel Flöring,
Dr. Marc Surminski, Bernd Zens,
Dr. Winfried Heinen
169
170
VVB INTERN // Geburtstage
VVB magazin 4/2016
Geburtstage Wir gratulieren!
50 Jahre
Martin Klindt
90
Frank Buschmann
Hans-Jörg Wagner
K/U
Florens Chakraborty
87
Bernd Zimmermann
Christian Gerwinat
91/I
Johannes Glößner
Bernhard Epping
90
Christian Alberts
88
Alexander Leschner
89
Sabine Klinkenbusch K/
Uta Fischer
90
Prof. Dr. Christian Rolfs
04.09.1966
13.09.1966
14.09.1966
15.09.1966
27.09.1966
03.10.1966
04.10.1966
10.10.1966
12.10.1966
15.10.1966
15.10.1966
21.10.1966
28.10.1966
55 Jahre
Jörg Seffert
86
Thomas Niemann
87
Anne Pfeiffer
K/S
Petra Gärtner
Heike Baumann
83
Rüdiger Gerlach
85
Michael Verhasselt
K/U
01.09.1961
15.09.1961
21.09.1961
05.10.1961
06.10.1961
09.10.1961
16.10.1961
60 Jahre
82 Jahre
Wolfgang Uellenberg 86 10.09.1956
Volker Kühl
79/2 02.10.1956
Prof. Dr. Oskar Goecke 05.10.1956
Robert Behrens
Kurt Martin
Karl-Josef Linden
Alfred Grimberg
65 Jahre
Michael Ehlers 04.10.1951
James Bbuzibwa
78/2 09.10.1951
70 Jahre
Rolf Eckmann
70/2 02.10.1946
75 Jahre
Gert-Dieter Seikat
63/1
Prof. Dr.Helmut Bujard
Karl-Heinz Fenderl
67/2
Ulrich Boecking
66/2
09.09.1941
10.09.1941
14.10.1941
15.10.1941
P - E.M.01.09.1934
P 10.09.1934
P 13.09.1934
O 10.10.1934
MITGLIEDERBEFRAGUNG
83 Jahre
Kurt Meinzer
Wilhelm Kalenberg
R 06.10.1933
Q 09.10.1933
84 Jahre
Heinz Habermann
Guenther Kiebert
Friedrich Kettler
U 11.09.1932
K 11.09.1932
N 28.10.1932
88 Jahre
Gerd Lewening
F 10.09.1928
80 Jahre
Rolf Inderfurth
62/2 05.09.1936
Karl-Wilhelm Kaufmann U 10.10.1936
Wir rufen in diesem Jahr erneut zur
Teilnahme an einer Mitgliederbefragung auf. Nach 2011 möchten wir ein
weiteres Stimmungs- und Meinungsbild von unseren Mitgliedern erhalten.
Die Ergebnisse der Befragung werden
bei Workshops in die Arbeit der Beiräte
und des Vorstands eingehen. Unser Ziel
ist es, die VVB damit auch weiterhin attraktiv zu gestalten und Impulse für die
weitere Entwicklung zu erhalten.
Informationen und Link zur Umfrage
im internen Teil der VVB-Website unter
www.vvb-koeln.de.
Die SIGNAL IDUNA Gruppe gehört zu den ersten Adressen im Bereich von
Versicherungen und Finanzdienstleistungen in Deutschland.
Für unsere Hauptverwaltung am Standort Hamburg oder Dortmund
suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine(n)
Spezialisten/in Rechnungswesen
Ihr Aufgabengebiet:
Ihr Profil:
• Bearbeitung von bilanziellen
Konzerngrundsatzfragen
• Betriebswirtschaftliches Studium mit Schwerpunkt Rechnungswesen
und/oder Bilanzbuchhalter IHK
• Gesellschaftsübergreifende Bilanzierungsarbeiten (z. B. bei Erstellung der Lageberichte)
• Mehrjährige Berufserfahrung im Rechnungswesen (idealerweise in der
Versicherungsbranche) oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
• Bilanzierung Jahresabschluss SIGNAL IDUNA
Pensionskasse
• Fundierte Kenntnisse in der Bilanzierung von Versicherungsunternehmen nach HGB
• Berichterstattung an den Aufsichtsrat sowie
der BaFin (DÜVA)
• Fundierte MS-Office-Kenntnisse
• Solvency II Berichterstattung
• Analyse und Optimierung von Arbeitsprozessen im Rechnungswesen
• Idealerweise SAP-Kenntnisse
•Projekterfahrung
• Selbstständige und zuverlässige Arbeitsweise
• Mitarbeit in Projekten und Arbeitsgruppen
(auch in leitender Funktion)
• Analytische Fähigkeiten
•Sonderaufgaben
• Englischkenntnisse wünschenswert
• Engagement, Teamfähigkeit und Durchsetzungsvermögen
Wir bieten Ihnen ein anspruchsvolles und vielseitiges Aufgabengebiet, eine leistungsgerechte Bezahlung sowie die
Sozialleistungen eines Großunternehmens.
Haben wir Ihr Interesse geweckt? Dann senden Sie Ihre Bewerbungsunterlagen online mit Angabe Ihrer
Gehaltsvorstellung und dem möglichen Eintrittstermin an:
SIGNAL IDUNA Gruppe
Personalwirtschaft Hamburg
Neue Rabenstr. 15-19 · 20354 Hamburg
Telefon (040) 4124-3888 (Frau Allers)
[email protected]
VVB magazin 4/2016
Das Interview // VVB SPEZIAL
19 Die drei wichtigsten Trends für die Zu-
1 Was wollten Sie ursprünglich einmal
werden?
Pilot
25
2 Was würden Sie heute noch gerne erlernen, wozu Sie bisher keine Gelegenheit hatten?
Fragen
Die italienische Sprache
an
3 In welcher Branche könnten Sie sich
Gottfried Rüßmann
auch noch vorstellen zu arbeiten?
Luftverkehr, zumal ich dort meine
Diplomarbeit geschrieben habe
4 Welche Eigenschaft schätzen Sie an
Mitarbeitern/Vorstands-Kollegen am
meisten?
ständnis bei Mitarbeitern/VorstandsKollegen?
Intoleranz kann ich nicht akzeptieren.
6 Welche Fehler entschuldigen Sie am
ehesten?
Alle, die der Verursacher aus eigenem
Antrieb behebt
7 Was war Ihre beruflich größte Fehleinschätzung?
Dass sich die Anzahl der Wettbewerber in der Versicherungslandschaft
reduzieren wird.
8 Sie haben einen Wunsch frei…
Der 1. FC Köln wird Deutscher Meister
(man darf ja mal träumen)
9 Gibt es eine Lebenswahrheit, die sich
bei Ihnen immer wieder gezeigt hat?
Wer etwas bewegen will, muss sich
der herausragenden Bedeutung von
Emotionen bewusst sein. Mit der Ratio
alleine ist es nicht getan.
10 Ihr Lebensmotto?
Wer immer tut, was er schon kann,
bleibt immer das, was er schon ist.
(Henry Ford)
11 Wo möchten Sie leben?
Köln
12 Wobei können Sie am besten entspannen/abschalten?
Bei einem Glas Wein am Comer See
13 Ihre Lieblingssportart?
Fußball
14 Zwei Monate Auszeit – wie würden Sie
die Zeit nutzen?
Eine Rundreise durch die USA mit
meiner Frau
15 Welche historische Persönlichkeit
laden Sie zum Tee ein?
Konrad Adenauer
16 Mit welcher prominenten Persönlichkeit möchten Sie einen Abend verbringen?
Barack Obama
17 Auf welches Lebensmittel können Sie
unter keinen Umständen verzichten?
Keines
18 Welches Buch empfehlen Sie unseren
Lesern?
Tagebuch der Anne Frank
GOTTFRIED RÜSSMANN,
geboren 1961 in Stolberg/Rhld., verheiratet
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20 Die drei wichtigsten Dinge, die Sie in
Ihrem Konzern in den nächsten 12
Monaten initiieren wollen?
– Aktualisierung der Unternehmensstrategie,
– Entwicklung eines Innovationsmanagements und
– Projektstart für ein neues IT-System
in der Schadenversicherung.
21 Welche Eigenschaften erwarten Sie
Offenheit für Neues
5 Wofür zeigen Sie wenig/kein Ver-
kunft der deutschen Versicherungswirtschaft?
– Demografische Entwicklung,
– Fokussierung auf die Kundeninteressen
– und Digitale Revolution
Studium der Betriebswirtschaft an der Universität zu Köln,
seit 1988 bei den DEVK Versicherungen in Köln beschäftigt,
Stationen im Controlling und als Assistent des Vorstandsvorsitzenden,
ab 2003 Vorstand in mehreren Gesellschaften der DEVK,
seit 15.05.2016 Vorstandsvorsitzender.
von Nachwuchsführungskräften?
Neugier, Engagement und die Fähigkeit
zuzuhören
22 Welche Empfehlung geben Sie
unseren jungen Lesern (Studierenden)
mit auf den beruflichen Lebensweg?
Stellen Sie sich thematisch breit auf,
bleiben Sie hartnäckig aber auch geduldig und finden Sie (mindestens) einen
Sponsor.
23 Was schätzen Sie an der VVB?
Die gebotene Möglichkeit zum Austausch
über Unternehmensgrenzen hinweg
schätze ich sehr. Die Förderung des Nachwuchses ist vorbildlich.
24 Eine Empfehlung an die VVB?
Weiter so!
25 Lesen Sie das VVB magazin regelmäßig?
Das Magazin gehört zur angenehmen
„Pflichtlektüre“.
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