Ausgabe 34 02. September 2016 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Mittelstand Industrie 4.0 schafft neuen Wachstumsmarkt für Unternehmer Die Digitalisierung hat in den vergangenen 18 Monaten an Fahrt gewonnen. Die deutsche Bildverarbeitungsindustrie boomt N eben Digitalunternehmen setzen vor allem die Industrieunternehmen selbst auf die Industrie 4.0. –Beispielsweise 9 von 10 Maschinenbauunternehmen glauben, sich mit Industrie 4.0 von Konkurrenten abheben zu können. 60 Prozent der Maschinenbauer setzen sich mit dieser Entwicklung auseinander, 30 davon sehr intensiv. Eine ganz bestimmte Branche der Industrie hat durch die Industrie 4.0 derzeit einen regelrechten Höhenflug. In der deutschen Bildbearbeitungsindustrie konnte im vergangenen Jahr ein Rekordumsatz von zwei Milliarden Euro erreicht werden. Damit ist die Die USA und China sind die wichtigsten Exportmärkte für die deutsche Bildverarbeitungsindustrie. Grafik: VDMA Analyse Entlastungen bei der Einkommenssteuer sind möglich Der Wahlkampf hat bereits begonnen. Die steigenden staatlichen Einnahmen lassen die Forderung nach Steuersenkungen zu. Der Vorsitzende der ChristlichDemokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Karl-Josef Laumann, sprach sich beispielsweise Mitte August für eine Verdoppelung des Arbeitnehmerfreibetrages sowie eine Erhöhung des Kinderfreibetrages auf das Niveau von Erwachsenen aus. Thorsten Schäfer-Gümbel sprach sich ebenfalls für eine Entlastung aus. „Ein Freibetrag für Sozialabgaben analog zum Steuerfreibetrag wäre ein Instrument, das wirklich hilft“, sagte er der Rheinischen Post. „Auch eine Reduzierung der Sozialabgaben für Familien mit Kindern wäre denkbar.“ Berechnungen des ifo-Instituts zeigen, dass trotz der hohen Ausgaben für Flüchtlinge und der Vermeidung einer Neuverschuldung eine Entlastung Einkommenssteuer finanzierbar wäre. Das Institut rechnet mit weiter steigenden Steuereinnahmen. Aktuellen Schätzungen zufolge wird die Steuerquote zwischen 2014 und 2020 um 0,6 Prozentpunkte steigen. „Die Steuerquote konstant zu halten, würde bedeuten, dass eine Entlastung in Höhe von 18 Milliarden Euro möglich wäre“, so das ifo-Institut. Zwar könnten vor diesem Hintergrund auch andere Steuern gesenkt werden, doch angesichts der kalten Progression präferiert das Institut eine Entlastung bei den Einkommenssteuern. Sowohl die Inflation als auch das reale Wirtschaftswachstum bewirken nämlich, dass immer mehr Steuerpflichtige in Bereiche mit höheren Steuersätzen gerieten. Es komme zu „versteckten“ Steuererhöhungen: „Die Auswirkungen der fiskalischen Drift schlagen sich darin nieder, dass der Anteil der Einkommensteuer an den gesamten Steuereinnahmen zunimmt. Legt man die Zahlen der jüngsten Steuerschätzung zugrunde, dann wird das Aufkommen aus der Einkommensteuer im Zeitraum zwischen 2014 und 2020 um 35 Prozent zunehmen, während die Steuereinnahmen insgesamt nur um 26 Prozent ansteigen. Ohne eine Senkung der Einkommensteuer würde die Struktur der Steuereinnahmen sich in Richtung eines höheren Gewichts von Einkommensteuern verlagern.“ Um tatsächlich eine gerechte Wirkung zu erzielen, müsste die Regierung dem Institut zufolge eine regelmäßige, automatische Verschiebung des Steuertarifs erfolgen. Mit einer einmaligen Entlastung könne man das Problem der kalten Progression lediglich vorübergehend lösen. „Ein Problem der deutschen Einkommensteuer liegt darin, dass der Grenzsteuersatz zwischen dem Grundfreibetrag von derzeit bei 8.653 Euro bis zu einem zu versteuernden Einkommen von 13.669 Euro recht schnell ansteigt: von 14 auf 24 Prozent. In den Einkommensbereichen darüber steigt die Steuerbelastung langsamer an“, so der Chef des Instituts, Clemes Fuest. Dieser Teil des Einkommensteuertarifs werde häufig als „Mittelstandsbauch“ bezeichnet. Wenn das Ziel darin bestünde, die Steuerzahler mit niedrigeren Einkommen an der Steuerentlastung zu beteiligen, wäre es jedoch naheliegend, diesen Mittelstandsbauch abzuflachen. „Eine vollständige Beseitigung des Mittelstandsbauches würde einen Rückgang des Steueraufkommens um rund 30 Milliarden Euro mit sich bringen.“ 1 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |34/16 Branche um neun Prozent gegenüber dem Vorjahr gewachsen. Der Umsatz lag doppelt so hoch wie noch vor zehn Jahren. Für dieses Jahr wird sogar noch ein Anstieg auf 2,2 Milliarden Euro erwartet. National stieg der Umsatz um 13 Prozent. Aber der Export in die EU, nach Asien und Nordamerika zog ebenfalls stark an: zwischen 12 und 23 Prozent. Besonders stark werden die Bildbearbeitungsprodukte von der Automobilindustrie nachgefragt. Diese macht mittlerweile 20 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Zweitwichtigster Abnehmer ist die Elektro-Elektronikindustrie (13 Prozent). Der Grund für den Boom ist die Zunahme der Einsatzgebiete für die Bildbearbeitungsindustrie. Die immer stärkere Forcierung auf intelligente, lernende Roboter bzw. Maschinen macht Bildbearbeitung immer unabdingbarer. Die Bildbearbeitungsindustrie gilt mittlerweile als Schlüsseltechnologie der Industrie 4.0. „Maschinen und Robotern praktisch ein Augenlicht zu geben, revolutioniert die Automation rund um den Globus“, sagt Horst Heinol-Heikkinen, Geschäftsführer von ASENTICS. „In der vernetzten Smart Factory werden auf dieser Datenbasis beispielsweise eigenständige Logistikaufträge erteilt, automatische Reparaturorders versendet oder menschliche Hilfe angefordert“, so der VDMA. Darüber hinaus ermögliche die Datenanalyse der Bildverarbeitung, den Verschleißzustand zu erkennen oder Wartungszyklen zu steuern. In anderen Bereichen der Industrie 4.0, beispielsweise in der Medizin- und Verkehrstechnik, wird der Anwendungsbereich für die Bildbearbeitungsindustrie größer. Wie wichtig die Bildverarbeitungsindustrie ist, zeigt der Roboter DUPLOcator, der in diesem Jahr vom Fraunhofer Institut auf der Hannover Messe vorgestellt wurde. DUPLOcator erkennt, wie ein 02. September 2016 Der DUPLOcator kann Muster erkennen und nachbauen. Foto: Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung Mensch ein bestimmtes Bauteil, in dem Fall eine Figur aus Legosteinen, gebaut hat und kann diese nachbilden. „Wir verbinden hierzu Erkennungsalgorithmen mit präziser selbstlernender Robotersteuerung“, sagt Professor André Stork vom Fraunhofer IGD. „Entscheidend ist hier lediglich, dass der DUPLOcator die Struktur über sein Kameraauge gut sehen kann und die gleichen Bauteile zur Verfügung hat“, so das Institut. Die zunehmende Digitalisierung zeigt mittlerweile deutliche Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Allein bei der Stellenbörse Indeed haben sich die Jobangebote im Bereich der Augmented Reality und Virtual Reality von 2014 bis heute verdoppelt. Angebote aus dem Bereich des Internets der Dinge zeigten eine Steigerung um 830 Prozent. Allerdings ist in beiden Teilen der Industrie 4.0 die Nachfrage nach Stellen weiterhin deutlich höher als die Zahl der Stellenangebote. „Durch Industrie 4.0 werden ins- gesamt mehr Jobs entstehen als verlorengehen, aber diese neuen Tätigkeiten erfordern von Arbeitnehmern deutlich mehr IT-Kompetenz als bisher und die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen“, sagt Markus Lorenz von der Boston Consulting Group. Einem Jobverlust von rund 610.000 Jobs stehen der aktuellen Studie „Man and Machine in Industry 4.0 – How Will Technology Transform the Industrial Workforce Through 2025?“ nach Berechnungen der BCG-Experten rund eine Millionen Jobs gegenüber, die bis 2025 entstehen könnten. „Neue Technologien wie Augmented Reality oder robotergestützte Arbeitsplätze können sogar dazu beitragen, dass geringqualifizierte Arbeitnehmer wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden können“, sagt Lorenz. Darüber hinaus geht die Studie davon aus, dass bis 2025 etwa 120.000 Hochschulabsolventen in den Bereichen IT-und Computeringenieurswesen fehlen werden. Auto Diesel: Deutsche Autohersteller sollten Investitionen kürzen Die E-Mobilität wird in den kommenden 20 Jahren erheblich an Fahrt gewinnen D ie Elektro-Prämie der Bundesregierung hat noch nicht den gewünschten Erfolg erzielt. Ende Juli waren erst 1.500 Anträge hierzulande gestellt worden. Die trotz der Prämie hoch ausfallenden Preise der deutschen E-Autos spielen dabei eine große Rolle. Nichtsdestotrotz gehen viele Studien von einem Durchbruch der E-Mobilität weltweit innerhalb der kommenden 2 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |34/16 Die Dieseltechnologie wird bald nicht mehr häufig zu finden sein. 20 Jahre aus. „Die Automobilindustrie muss den größten Umbruch seit Henry Ford bewältigen“, sagt Elmar Kades, vom Beratungsunternehmen AlixPartners anlässlich der Studie „A Watershed Moment for the Automotive Industry: The AlixPartners Global Automotive Outlook 2016. „Im Jahr 2030 hat die Hälfte aller Autos einen elektrischen oder hybriden Antrieb und alle Autos sind vernetzt.“ Eine konsequente Digitalisierung habe die strukturellen Kosten der Branche um bis zu einem Viertel gesenkt. „Nur wer jetzt seine Strategie umstellt, wird in diesem neuen Markt dabei sein können.“ Die Studie geht davon aus, dass sich bis 2030 die Preise für die Antriebsstränge so sehr angleichen werden, dass der Preis für Kunden kein Argument mehr Foto: Flickr/ Sean Davis/Cc by nd 2.0 gegen E-Autos sein werde. „2030 wird der Kunde zwischen elektrisch und mit Kraftstoff betriebenen Autos wählen können, die in Reichweite, Preis und Leistung auf gleichem Niveau sind“, sagt AutomotiveExperte Kades. „Dann bestimmen Kundenpräferenzen und mögliche regionale Emissionsbeschränkungen den weiteren Kampf der Antriebsstränge.“ Entsprechend muss sich bei den Autoherstellern etwas hinsichtlich der geplanten Investitionen ändern. Werden derzeit etliche Teile der E-Autos von den Herstellern zugekauft, wird bis 2030 möglicherweise eine Integration der Batterieherstellung etc. in den eigenen Produktionsprozess sinnvoller werden. Diesbezüglich sollten sich die Hersteller überlegen, wie hoch ihre Investitionen in 02. September 2016 Dieseltechnologie noch ausfallen werden. Der Studie zufolge werden bis 2030 nur mehr 9 Prozent der in Europa verkauften Automobile einen Dieselmotor besitzen, heute sind es mehr als die Hälfte. Investitionen, die jetzt noch in die Dieseltechnologie geschoben werden, sind ein Risiko für die Autohersteller. Sinken die Verkäufe der Dieselfahrzeuge so drastisch, werden die Investitionen keine Gewinne mehr abwerfen. Vielmehr drohen dann zahlreiche Abschreibungen, warnt Chris Bryant von Bloomberg. Experten der Nachrichtenagentur rechnen damit, dass die Kosten für den Erwerb eines Elektroautos bereits 2022 unter denen eines Autos mit Verbrennungsmotor liegen werden. Die Hersteller müssten dementsprechend die Investitionen in die Dieseltechnologie verringern. Doch die Auflagen der EU zwingen sie zumindest teilweise dazu, noch weiter zu investieren. Die noch geringe Zahl der E-Fahrzeuge in der EU und die Emissionsziele der Union bis 2021 lassen sich nicht vereinen. Um die Emissionsziele trotzdem zu erreichen, müssen die Autohersteller weiter in die Dieseltechnologie investieren, damit sie die Emissionen beim Verbrennungsmotor reduzieren können. Diese Investitionen könnten dann aber bereits ein Jahr nach dem selbst gesteckten Emissionsziel der EU für die Autohersteller, wie bereits beschrieben, gefährlich werden. Daimler etwa hat kürzlich angekündigt, noch einmal drei Milliarden Euro in die Dieseltechnologie zu investieren. VW und BMW haben zumindest zuletzt angedeutet, Investitionen senken zu wollen, aber keinen genauen Termin genannt. Innovation Domino’s liefert erstmals per Pizza per Drohne aus Die Schnellrestaurant-Kette Domino‘s hat als erster Lieferservice der Welt eine Pizza per Drohne zugestellt W ie Kunden in Zukunft ihre Pizza geliefert bekommen könnten, demonstrierte Domino’s im neuseeländischen Auckland. Das Unternehmen kündigte an, noch in diesem Jahr in einigen Filialen mit Test-Lieferungen an Kunden beginnen zu wollen. Möglich wird das durch die lockere Luftfahrtgesetzgebung in Neuseeland. „Domino’s kooperiert dazu mit Flirtey, einem australischen Unternehmen, das sich auf Lieferungen per unbemanntem Luftfahrzeug (Unmanned Aerial Vehicle, UAV) spezialisiert hat“, berichtet die Internetseite Golem. Bei dem Fluggerät handle es sich um einen Hexacopter, der hauptsächlich aus Kohlestofffaser-verstärktem Kunststoff und Aluminium be- stehe. Einige der Komponenten seien mit dem 3D-Drucker aufgebaut. Der Copter fliege etwa 30 km/h schnell und werde in einer Flughöhe von 60 Metern unterwegs sein. Navigiert werde mit Hilfe von GPS. Das Prozedere wird wie folgt beschrieben: „Der Copter soll anfangs nur im Umkreis von 1,5 Kilometern von der Filiale ausliefern. Später könnte der Aktionsra3 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |34/16 dius auf 10 Kilometer vergrößert werden. Zur Übergabe wird die Drohne nicht landen, sondern die ausgelieferte Speise an einer Leine herablassen.“ Bestellt wird per App. Bei Ankunft gibt es eine Benachrichtigung. „Wir haben immer gesagt, dass es keinen Sinn ergibt, eine Zwei-Kilo-Bestellung mit einer Zwei-Tonnen-Maschine zu befördern“, zitiert Bloomberg Domino’s-CEO Don Meji. „Die Reichweite einer Drohne ist viel größer als die unserer anderen Optionen, die von Verkehr, Straßen und der schieren Weite des Landes eingeschränkt werden.“ Drohnen könnten es dem Unternehmen ermöglichen, die Lieferzeiten auch in Zeiten steigender Bestellungen zu verringern. Für den Startschuss in Neuseeland gibt es gute Gründe. Der Himmel ist überwiegend klar und mit rund 4,4 Millionen kurrierenden Drohnen-Hersteller X-craft Enterprises. Laut dessen Chef Philip Solaris habe Neuseeland zwar seine Gesetze angepasst, Drohnen müssten aber immer noch in Sichtweite von Menschen fliegen, berichtet die englischsprachige Ausgabe von Reuters. Er könne sich nicht vorstellen, dass ein Lieferdienst kommerziell erfolgreich betrieben werden könne, „weil man die ganze Zeit jemanden hinter der Drohne herlaufen lassen müsste, um sie im Auge zu behalten.“ Auch müsse das Fluggerät mit Gefahrenquellen wie etwa Stromkabeln, Fahrzeugen oder spielenden Kindern zurechtkommen. Nicht nur Neuseeland, auch andernorts öffnet man sich für das Thema. Im benachbarten Australien sind DrohnenLieferungen bereits ab dem nächsten Monat erlaubt. Vorausgesetzt, die Drohnen bleiben mindestens 30 Meter von Häu- Die Drohnentechnologie hat längst ihren Durchbruch erlangt. Menschen ist das Land relativ dünn besiedelt. Zudem herrscht eine entsprechend liberale Rechtsprechung. Bereits im vergangenen Jahr erlaubte das Land kommerzielle Lieferungen per Drohne. „Durch unsere Ermächtigungsgesetze und Regulierung bieten wir das ideale Umfeld“, so der neuseeländische Verkehrsminister Simon Brücken nach dem Testflug von Domino’s. Ganz unkompliziert ist das Vorhaben in Neuseeland dann aber doch nicht. Bedenken kommen hier etwa vom kon- Foto: Flickr/Richard Unten/CC by 2.0 sern entfernt. In den Vereinigten Staaten dürfen sie ebenfalls schon ausliefern. Die Drohnen dürfen dabei aber nicht über Staatsgrenzen oder über Menschen fliegen. Das Unternehmen will diese weltweiten Liberalisierungs-Tendenzen nutzen und kündigte an, die Möglichkeiten für Test-Drohnen-Lieferungen auch in Australien, Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Japan und Deutschland ausloten zu wollen. Domino’s ist mit dem Austesten neuer Lieferwege nicht allein. Mit dem Wachs- 02. September 2016 tum des Online-Handels gibt es immer neue Ideen, wie die Waren schnell die Käufer erreichen können. Aktuell kündigt sich eine Welle von Innovationen an. Zum einen Drohnen, die künftig nicht nur möglichst heiße Pizza zustellen könnten: Als Amazon-Chef Jeff Bezos Ende 2013 in einem TV-Interview den Prototypen seiner kleinen Fluggeräte zur Warenlieferung vorstellte, hielten das viele zunächst für einen Werbegag. Doch Amazon meint es ernst und hat mit „Prime Air“ sogar schon einen Namen für den Service, so die dpa. Ob und wann Amazon-Bestellungen tatsächlich im Alltag per Drohne geliefert werden könnten, ist offen – der Konzern testet noch. Eine Hürde bleibt auch die rechtliche Grundlage. Dies schreckt Konkurrenten jedoch nicht von eigenen Versuchen ab. So hat die Deutsche Post den automatischen „Paketcopter“, der 2014 testweise die Nordseeinsel Juist unter anderem mit Medikamenten versorgte. Und Google arbeitet bei „Project Wing“ an Mini-Fliegern mit Seilwinde. Zum anderen Lieferroboter: Die Fahrzeuge, die äußerlich an einen großen Mars-Rover erinnern, sollen neben Fußgängern auf Gehwegen unterwegs sein. Die Firma Starship zum Beispiel, mit der unter anderem der Paketdienst Hermes und der Handelskonzern Metro zusammenarbeiten, will damit Waren mit einem Gewicht von bis zu 15 Kilogramm auf eine Entfernung von fünf Kilometern befördern. Die Vision ist, dass ein Mitarbeiter über das Internet 50 bis 100 automatische Lieferroboter überwacht. Starship peilt Kosten von rund einem Dollar pro Zustellung an. Neuerdings dient auch der Kofferraum als Paketstation: Warum die Pakete immer nach Hause liefern, wenn der Adressat vielleicht gerade woanders unterwegs ist? Die Idee, die Pakete vom Zusteller einfach im Kofferraum zu platzieren, nimmt dabei konkrete Formen an. Der Zusteller bekommt dafür einen einmalig gültigen Code, mit dem er die Klappe öffnen kann. Die Position des Fahrzeugs wird per GPS bestimmt. Ab September will DHL die Kofferraum-Zustellung in sieben deutschen Städten mit jeweils mehreren hundert Smart-Fahrern testen. Unter anderem auch Audi, BMW und Volvo arbeiten an einem solchen Verfahren. 4 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |34/16 02. September 2016 Innovation Ripple-Technologie: Konkurrenz für den Dollar Die Zahl der Transaktionen, welche unter Umgehung des Dollar abgewickelt werden, steigt D er Grund ist die Enttäuschung über die US-Politik: Nach Ansicht vieler Marktteilnehmer hat die US-Regierung den Dollar als Weltwährung missbraucht, um ihre eigenen Interessen mit Gewalt durchzusetzen. Eine neue Technologie mit dem Namen Ripple könnte das globale Monopol des US-Dollar brechen. Neue Finanz-Technologien und Zahlungssysteme bedrohen nach Ansicht von Experten die globale Dominanz des US-Dollar im internationalen Zahlungsverkehr, berichtet der Finanzblog Sovereign Man. Diese ermöglichten Überweisungen zwischen zwei Parteien auf direktem Wege unter Umgehung des amerikanischen Finanzsystems und des Dollar. Bislang wurden praktisch alle Transaktionen weltweit über Dollar-Konten bei amerikanischen Großbanken abgewickelt. Neue, innovative Zahlungssysteme wie Ripple, die auf der Blockchain-Technologie basieren, beginnen, sich als Alternativen zu etablieren: Ripple, zu dessen Investoren Andreesen Horowitz, Google Ventures, CME, IDG Capital und Santander gehören, bietet die Möglichkeit der direkten internationalen Überweisungen – eine Methode, die den Dollar schlicht überflüssig macht. Setzen sich diese Technologien international in großem Stil durch, droht den USA ein empfindlicher Machtverlust. Sie würden dadurch ihre Dominanz über das internationale Finanzsystem, dessen Architektur immer noch weitgehend auf den Beschlüssen von Bretton Woods aus dem Jahr 1944 ruht, verlieren. Der Dollar als Weltleitwährung ist eine der beiden tragenden Säulen amerikanischer Macht – die andere ist die globale Präsenz der amerikanischen Streitkräfte. Auch der immense Vorteil der USA, praktisch immer neue Geldgeber zu finden, würde geschwächt. Da der Dollar und das US-Bankensystem Dreh- und Angelpunkt des Weltfinanzsystems sind, mussten Investoren und Staaten bislang praktisch gezwungenermaßen ständig in Dollar-Anlagen und amerikanische Staatsanleihen investieren. Angesichts einer Staatsverschuldung von derzeit rund 19,5 Billionen Dollar muss deshalb jegliche Alternative zum bestehenden Schuld- und Zahlungssystem von den US-Eliten als Bedrohung verstanden werden. Simon Black von Sovereign Man argumentiert, dass die oft rücksichtslose Wirtschafts- und Geopolitik der Vereinigten Staaten den Anreiz anderer Länder und Banken verstärken dürfte, nach Alternativen zu suchen. Er ver- Viele misstrauen dem Dollar wegen der US-Politik. weist dabei in erster Linie auf die zahlreichen militärischen Interventionen in anderen Ländern sowie auf die teilweise aggressive Art und Weise, wie US-Recht international durchgesetzt wird. „Sie haben das Vertrauen und die Zuversicht, welche der Rest der Welt in sie gesetzt hat, missbraucht, indem sie Schulden in riesigem Umfang aufgetürmt, Kriege in anderen Ländern geführt und ferngesteuerte Bomben auf Krankenhäuser geworfen haben. Sie haben absurde Vorschriften erschaffen und hatten die Dreistigkeit zu erwarten, dass ausländische Banken sich daran halten“, schreibt Black. Er verweist in diesem Zusammenhang auf das Beispiel der französischen Großbank BNP Paribas, die den amerikanischen Behörden 9 Milliarden Dollar zahlen musste, woraufhin die französische Regierung den amerikanischen Machtanspruch auf das Weltfinanzsystem öffentlich hinterfragte. Die Nutzung alternativer Zahlungssysteme steht zwar noch am Anfang, funktioniert aber bereits. Vor zwei Monaten habe eine kanadische Bank die Foto: Flickr/Images Money/CC by 2.0 erste Überweisung mit dem RippleProtokoll nach Deutschland getätigt, schreibt Black. Auch die Schweizer Großbank UBS und die Deutsche Bank bündeln ihre Kräfte bei der Entwicklung einer neuen Cyber-Währung. Sie soll Transaktionen zwischen Finanzhäusern vereinfachen und günstiger machen. Das von der Schweizer Bank vorangetriebene System könnte in Absprache mit Zentralbanken und Regulierern bereits in zwei Jahren auf den Markt kommen. 5 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |34/16 02. September 2016 Finanzen Zentralbanken diskutieren offen über Bargeld-Verbot Der Kurs von Strafzinsen kann nur mit einem Bargeld-Verbot gehalten werden Fed-Chefin Yellen diskutierte in Jackson Hole mit anderen Zentralbankern offen die Abschaffung des Bargelds. Foto: Flickr/ International Monetary Fund / CC by nc nd 2.0 D as Symposium der Federal Reserve Bank of Kansas City in Jackson Hole förderte in überraschender Offenheit eine zentrale Erkenntnis der finanziellen Repression zu Tage: Eine extreme Geldpolitik, die mit Strafzinsen dafür sorgen will, dass Geld in den Umlauf gebracht wird, funktioniert nicht, solange es Bargeld gibt. Einer der Experten des Symposiums, Marvin Goodfriend von der Carnegie Mellon University, präsentierte zu diesem Zweck an prominenter Stelle ein Working Paper über die „Schaffung eines Rahmens für eine belastbare Geldpolitik der Zukunft“. Darin macht Goodfriend deutlich, dass negative Nominalzinsen generell ein brauchbares Instrument sein können, um zukünftig notwendige monetäre Impulse zu setzen. Er spricht von der Schaffung einer „schuldenfreien“ Zinspolitik (unencumbering interest rate policy), die es möglich machen soll, „in einer zukünftigen Krise nominale Leitzinsen unbegrenzt und effektiv als realistische politische Option einzusetzen“. Goodfriend führt diesbezüglich verschiedene Möglichkeiten an, um eine solche Zinspolitik möglich zu machen. Eine davon ist die „Abschaffung von Cash“. Die „einfachste Art und Weise (…) ist es, das Bargeld abzuschaffen“, so Goodfriend. Das wäre effektiv, würde keiner neuen Technologie bedürfen und würde keine institutionellen Modifizierungen nach sich ziehen. Damit würde verhindert, dass Bankkunden ihr Geld von der Bank holen und unter der Matratze lagern. Alternativ schlägt Goodfriend eine elektronische Währung vor, mit der die Zentralbanken negative oder positive Zinsen alternativlos verordnen könnten. Allerdings würde man der Bevölkerung einige Annehmlichkeiten, die das Bargeld mit sich bringt, berauben, so Goodfriend weiter. Er spricht dabei unter andere, von einem „gewissen Maß an Privatsphäre (…), einem Wertspeicher außerhalb des Bankensystems“, etc. Die Öffentlichkeit werde sich aber wahrscheinlich so lange gegen eine Abschaffung des Bargeldes wehren, bis die mobilen Bezahlmöglichkeiten günstiger und einfacher in ihrer Anwendung sind. Einer seiner Vorschläge zum Übergang zu einer bargeldlosen Gesellschaft ist daher die Schaffung einer elektronischen Währung als Ersatz für Bargeld. Dabei geht es Goodfriend nicht einfach um das Bezahlen mit dem Smartphone oder einer Kreditkarte in einem Onlineshop oder an der Kasse eines Supermarktes. Goodfriend spricht von nummerierten „Währungskarten“, die einen bestimmten Wert haben und ausgegeben werden, ähnlich einer Gutscheinkarte, wie sie auch schon hierzulande für Google Play, Amazon oder für Prepaid-Handys gekauft werden kann. Damit wäre wie beim Bargeld die Anonymität, die Sicherheit und die Aufbewahrung von Warenwerten möglich, so Goodfriend. Der Bargeld-Vorschlag illustriert die Ratlosigkeit der Zentralbanker. Sie sind nicht imstande, aus der Geldschwemme auszusteigen. Wie immer in einer Krise gibt es auch in der Geldpolitik nun die obligate Suche nach einem Schuldigen: Die Zentralbanker fühlen sich laut Reuters von der Politik im Stich gelassen. An den Reformbemühungen der Regierungen gibt es scharfe Kritik. Das wurde beim jährlichen Treffen internationaler Zentralbanker im amerikanischen Jackson Hole deutlich, das am Samstag zu Ende ging. „Wir erkunden, wie wir in einer Welt agieren, die ganz anders ist als vor der Krise“, sagte Dennis Lockhart, Chef des US-Notenbankablegers in Atlanta. Auch Jahre nach der Finanzkrise kommt die globale Konjunktur nur mäßig in Schwung. Trotz extrem niedriger Zinsen bleibt das Wachstum schwach, und auch die Inflation zieht nicht an. Lockhart spricht von einer „schönen neuen Welt“ – in Anlehnung an Aldous Huxleys berühmten gleichnamigen Roman, der das Schreckensbild einer utopischen Gesellschaft zeichnet. Als zentrales Problem gilt, dass die Geldpolitik die Erwartungen von Firmen und Verbrauchern zur Konjunktur- und Inflationsentwicklung offenbar nicht mehr im gewünschten Ausmaß beeinflussen kann. Demnach halten sich die Wirtschaftsakteure mit Ausgaben und Investitionen zurück, weil sie nicht an einen Aufschwung glauben und sich zugleich nicht durch einen Anstieg der Teuerung unter Druck sehen. Da sich die Zinsschraube kaum noch weiter zurückdrehen lässt, haben viele Notenbanken die Märkte mit Geld geflutet, indem sie massenweise Staatsanleihen aufkauften. Nun stellt sich die Frage, ob diese Instrumente auf Dauer Wirkung zeigen. In den USA hält Fed-Chefin Janet Yellen das aktuelle Arsenal noch für ausreichend. Ihren Worten zufolge müssen künftige Fed-Vertreter entscheiden, ob sie sich weiterer Mittel bedienen, wie sie andere Notenbanken bereits einsetzen. Manche von Yellens Kollegen dringen jedoch darauf, die Diskussion bereits jetzt zu führen – also in einer Zeit, in der die Zeichen in den USA wieder auf Zinsanhebungen stehen. Als Möglichkeiten führte Yellen unter anderem eine Anhebung des Inflationsziels auf sowie eine Ausweitung des Kaufprogramms auf andere Wertpapierarten. Die Europäische Zentralbank (EZB) etwa erwirbt seit Juni auch Firmenanleihen. In dieser Frage droht der Fed allerdings erheblicher Gegenwind aus dem Parlament. Dort stieß bereits das laufende Kaufprogramm auf erhebliche Kritik. Die Notenbanker stehen zudem vor der Frage, ob sie die erworbenen Papiere wie geplant wieder verkaufen oder doch zu großen Teilen in der Bilanz lassen. Nicht genannt wurde 6 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |34/16 von Yellen das Vehikel der Strafzinsen, unter denen bereits Banken in der EuroZone und in der Schweiz ächzen. In Jackson Hole am Rande der Rocky Mountains debattierten die Teilnehmer auch über sogar noch radikalere Konzepte – neben der Abschaffung des Bargeldes. So wurde der Fed nahegelegt, die Geldpo- litik wegen mangelnder Effizienz schlichtweg aufzugeben und stattdessen von der Politik immense Ausgabenprogramme einzufordern. Hilferufe an die Adresse der Regierungen waren auf der hochrangig besetzten Veranstaltung an der Tagesordnung. EZBDirektor Benoit Coeure etwa warf den 02. September 2016 europäischen Ländern Zögerlichkeit vor. Diese hätten sich lediglich zu „halbgaren und halbherzigen Strukturreformen“ durchringen können, kritisierte Coeure. Japans Notenbankchef Haruhiko Kuroda forderte für sein Land eine Öffnung für Einwanderer, um der Überalterung der Gesellschaft entgegenzuwirken. USA US-Immobilienmarkt kommt ins Schlittern Vor allem Luxuswohnungen finden derzeit kaum Interessenten Z weitausendvierzehn und 2015 gab es in Europa wie in den USA eine starke Nachfrage nach Luxusimmobilien. Die niedrigen Zinsen und die Verwerfungen an den Aktienmärkten haben den Immobilienmarkt wieder in den Fokus gerückt. Doch in diesem Jahr dreht sich der Trend – zumindest in den USA – gerade um. In Easthampton kam es zu regelrechten Einbrüchen am Markt. Das Volumen der Hausverkäufe ging im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahresmonat um 53 Prozent auf 44,7 Millionen Dollar zurück. In Southampton sanken die Verkaufspreise beispielsweise um 21 Prozent. In den 12 Gebieten, die den Immobilienmarkt Hamptons ausmachen, sank das Verkaufsvolumen um 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr, so Town & Country Real Estate. Die Hamptons sind jedoch nicht die einzige Region, in der der Immobilienmarkt vor möglichen Umbrüchen steht. Der hochpreisige Markt in Aspen etwa ist einer der stabilsten des Landes. Käufer wählen hier zwischen zahlreichen Kaufoptionen und geben dafür gern auch mal 10 Millionen Dollar aus. Wie die Denver Post berichtet, erlebt aber der Immobilienmarkt in Aspen gerade seinen „allerersten Sturzflug“. Normalerweise werden hier im Jahr um die zwei Milliarden Dollar umgesetzt. So ist zum Beispiel in Pitkin County im Bundesstaat Colorado das Volumen der Hausverkäufe im ersten Halbjahr um 42 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeit- raum gesunken. So wie die Zahl der Ver- mobilienmarkt das Vorkrisenniveau wiekäufe zurückgegangen ist, so sind auch der erreicht, 2014 wurden neue Rekorde die Preise gesunken. Das Umsatzvolumen bei den Verkäufen erzielt. „Die Luxus-Käufür ein Einfamilienhaus in Aspen ist in fer sind verschwunden“, sagt Tim Estin, den ersten sechs Monaten des Jahres um ebenfalls Broker, der regelmäßig Berichte zum Immobilienmarkt in Aspen publi62 Prozent gesunken. Ähnlich wie in den Hamptons werden ziert. Estin schätzt, dass die potentiellen von verschiedenen Experten ganz unter- Käufer angesichts der drohenden Rezesschiedliche Gründe für diese Entwicklung sion eine neue Finanzkrise erwarten. „Das angegeben. Diese reichen von Nachwir- macht die Menschen einfach vorsichtig.“ Im aktuellen Bericht zu dem Immokungen der Marktturbulenzen zu Beginn des Jahres, über Unsicherheit hinsichtlich bilienmarkt in Miami wird jedoch gemutder Präsidentenwahl bis hin zu den fallen- maßt, dass der lokale Luxus-Markt genauden Ölpreisen der vergangenen Monate, so schlecht, wenn nicht sogar schlechter, dem Brexit oder auch den wirtschaftli- dasteht, wie der in den Hamptons und in chen Schwierigkeiten vieler südamerika- Aspen. Im Juli beispielsweise wurden in nischer Länder. „Die Menschen sind über Miami 73 Einfamilienhäuser in der Klasse alles Mögliche beunruhigt“, zitiert die von einer Million Dollar und mehr verDenver Post den Broker Bob Ritchie. „Ich kauft: ein Rückgang um 31,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. habe so etwas noch nie zuvor gesehen.“ Aspen gilt als relativ stabiler Immobilienmarkt, der von makroökonomischen Turbulenzen meist nicht so stark getroffen wird. Zwar kam es auch hier 2009 im Zuge der Finanzkrise zu Verwerfungen, aber diese fielen nicht annähernd so stark aus wie im Rest des Landes. Bereits 2012 Käufer von Luxus-Immobilien ziehen sich immer stärker aus Miami zurück. hatte Aspens ImFoto: Flickr/Ines Hegedus-Garcia/Cc by 2.0 Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Redaktion: Anika Schwalbe, Nicolas Dvorak. Sales Director: Kurfürstendamm 206, D-10719 Berlin. HR B 105467 B. Telefon: com. Erscheinungsweise wöchentliches Summary: 52 Mal pro www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV). Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright: Blogform Social Media GmbH, +49 (0) 30 / 81016030, Fax +49 (0) 30 / 81016033. Email: info@blogform-group. Jahr. Bezug: [email protected]. Mediadaten: [email protected]. 7
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