IM FOKUS Zweites olympisches Einzelgold für Michael Jung und Sam FBW D OLYMPISCHE VIELSEITIGKEIT Auf die „Buschis“ ist Verlass: Bei den Olympischen Spielen holten sie Einzelgold und Mannschaftssilber. 8 pferd+sport 09 | 16 pferd+sport 09 | 16 9 ▲ Foto: www.sportfotos-lafrentz.de, Grafik Seite 8: designed by Ibrandify - Freepik.com Die alten und neuen Olympiasieger: Michael Jung und der Stan the Man xxSohn Sam FBW haben Reitsportgeschichte geschrieben. amit erlösten die Vielseitigkeitsreiter nicht nur den DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund), der bislang vergeblich auf eine Medaille gewartet hatte, sondern auch den deutschen Anhang inklusive Zuschauer. Denn es war bis zur letzten Teilprüfung, dem Springen, für das deutsche Team mit Sandra Auffarth/Opgun Louvo, Michael Jung/Sam, Ingrid Klimke/Hale Bob OLD und Julia Krajewski/Samurai du Thot alles andere als rund gelaufen. Das fing mit der Mannschaftsaufstellung an, als Andreas Ostholt durch Reservistin Julia Krajewski ersetzt werden musste. So is et, der Westfale des Warendorfers, hatte vor dem Trainingslager in Bonn-Rodderberg ein Eisen verloren und war seitdem nicht immer ganz klar gegangen. Das Risiko eines Einsatzes war den Trainern Christopher Bartle und Hans Melzer wohl zu groß gewesen. In der Dressur schlichen sich bei Sandra Auffarth und Michael Jung Fehler in der Galopptour ein, Julia Krajewsk hatte einen guten Auftritt, lieferte aber das Streichergebnis. Die Schlussreiterin Ingrid Klimke hätte mit auf Hale Bob OLD durchaus das ein oder andere Pünktchen mehr verdient gehabt, so dass der Vorsprung des deutschen Teams nach der Dressur ganze 0,2 Punkte auf die späteren Olympiasieger aus Frankreich betrug. „Das Gelände ist das Schwerste, was ich bei Olympia bislang erlebt habe“, hatte Sir Mark Todd nach der ersten Besichtigung gesagt. Und der muss es schließlich wissen, denn er bestritt in Rio seine siebten Olympischen Spiele. Und die Statistik gibt ihm Recht: In Sydney waren es 47,6 Prozent hindernisfehlerfreie Runden, in Athen 74,3 Prozent, in Hongkong 64,7 Prozent und in London 67,6 Prozent gewesen. Hier, auf dem vom Franzosen Pierre Michelet gebauten Kurs, waren es lediglich 40,6 Prozent, die ohne Probleme ins Ziel gekommen waren. Nur zwei Mannschaften, die der Franzosen und die der Engländer, die allerdings bei der Medaillenvergabe nach Vorbeiläufern aller Pferde keine Rolle mehr spielten, waren mit allen vier Reitern ins Ziel gekommen. Zwei Mannschaften, die amerikanische und russische, platzten. Elf der 65 Starter waren nicht ins Ziel gekommen, bei 13 Startern wurden Hindernisfeh- IM FOKUS 10 pferd+sport 09 | 16 L I N KS | Nach einer grandiosen Aufholjagd Platz zwei für das deutsche Team (v.l. Sandra Auffarth, Michael Jung, Ingrid Klimke und Julia Krajewski). RECHTS | Der von Merel Blom gerittene Rumour has it – einst über die Top-EventerAuktion verkauft – ist eine „crosscountry-machine“. Sie waren auf Platz 19 das bestplatzierte niederländische Paar. U N T E N | Über Dirk Schrade kam Aspe in den Stall von Ludwig Svennerstal. Das Paar erzielte das beste Ergebnis des schwedischen Teams. nen.“ Auf dem Silberrang stand der Franzose Nicolas Astier mit Piaf de B’Neville, Bronze gewann der Amerikaner Philip Dutton, der sich mit Mighty Nice vom 15. Platz nach der Dressur kontinuierlich vorgearbeitet hatte. Sandra Auffarth belegte Platz elf vor William Fox-Pitt mit Chilli Morning. Der Phantomic xx-Kolibri-Sohn ist in seine letzte Prüfung gegangen und darf nun sein Leben als Deckhengst genießen. William Fox-Pitt, der nach einem schlimmen Sturz im Herbst des vergangenen Jahres wieder rechtzeitig für Olympia fit geworden war, hatte nach der Dressur in Führung gelegen. Auch er kam nicht ungeschoren aus dem Gelände: 20 Strafpunkten für einen Vorbeiläufer. Ingrid Klimke wurde nach einem Abwurf von Hale Bob OLD im zweiten Umlauf 15. Am Ende war es nach den Querelen im Vorfeld ein versöhnlicher Abschluss für die Vielseitigkeitsreiter, dennoch bedürfen die Ereignisse in Rio einer Aufarbeitung, um wieder Ruhe in das Team und das dazugehörige Umfeld zu bekommen. Alle Foto:s www.sportfotos-lafrentz.de, Grafik Seite 10: designed by Ibrandify - Freepik.com RECHTS | Dressursieger Christopher Burton und Santano II waren die Besten im Gelände. Nicht nur stilistisch, sie kamen genau in der Bestzeit ins Ziel. O B E N | Nach ihrem zweiten Platz in Aachen zählten Shane Rose und C. P. Qualified zu den Mitfavoriten. Am letzten Wasser endete der Ritt für das Paar. O B E N | Eine Klasse für sich: Michael Jung, „The Terminator“, wie er in der eng lischen Presse genannt wird, und Sam FBW. R E C H T S | Leonidas II war unter Mark Todd auf Platz sieben bester Holsteiner. Ein völlig misslungener Parcours kostete den Neuseeländern eine Mannschaftsmedaille. ▲ ler notiert. Mit einem, wie sie selbst sagte, „übermotivierten“ Opgun Louvo war Sandra Auffarth ins Gelände gestartet. Sie kassierte 20 Strafpunkte für einen Vorbeiläufer und Zeitfehler. Michael Jung lieferte mit Sam FBW die gewohnt sichere und schnelle Runde. Er war einer von drei Reitern, außer ihm waren es der nach der Dressur auf dem zweiten Platz liegende Australier Christopher Burton mit dem erst achtjährigen Santano II v. Sandro Hit-Brentano-Weltmeyer und der Franzose Nicolas Astier mit Piaf de B’Neville, die in der Zeit ins Ziel kamen. Nach dem Ausscheiden von Julia Krajewski bekam Ingrid Klimke von den Trainern die Order „direkt und schnell ins Ziel zu reiten.“ Und schnell war die Münsteranerin unterwegs. Vielleicht etwas zu schnell an der letzten der vier Wasserpassagen, wo Hale Bob OLD an der zweiten Hecke vorbeilief. Platz vier hinter den Franzosen, Neuseeländern und Australiern hieß es für die Deutschen nach dem Geländetag, mehr als zwei Springfehler von einem Medaillenplatz entfernt. Nach einer grandiosen Aufholjagd mit drei Nullrunden im Springen wurde es am Ende Silber hinter Frankreich und vor Australien. Dabei profitierten die Titelverteidiger auch von den Einbrüchen der Australier und Neuseländer. Pluto Mio, dem 18-jährigen Schimmel von Stuart Tinney, unterliefen vier Abwürfe. 16 Strafpunkte mussten auch für Mark Todd nach untypischen Fehlern von Leonidas II v. Landos-Parco xx (Gabriele Pochhammer, Windeby) notiert werden. Das Paar, das in der Endabrechnung Siebte wurde, hatte nach dem Gelände auf dem vierten Platz ebenfalls noch in Reichweite einer Einzelmedaille gelegen, und mit zwei Abwürfen weniger wäre es Mannschaftssilber für die Kiwis geworden. Nach dem ersten Umlauf im Springen hatten Michael Jung und Sam FBW die „Pole-Position“ übernommen, die ihnen dann mit einer weiteren souveränen Nullrunde auch nicht mehr zu nehmen war. Mit ihrem Sieg schrieb das baden-württembergische Paar olympische Geschichte, denn zuvor war es lediglich dem Holländer Charles Mortangues Parout mit Macroix (1928 und 1932) und Sir Mark Todd mit Charisma (1984 und 1988) gelungen, den Olympiasieg zu wiederholen. Und der überragende Sam FBW wird als das erfolgreichste Vielseitigkeitspferd aller Zeiten in die Geschichtsbücher eingehen: 2010 Weltmeister, 2011 Europameister, 2012 Olympiasieger, 2015 Sieger in Burghley, 2016 Sieger in Badminton und Olympiasieger. „Ein Wahnsinnstag“ strahlte Michael Jung, „besser hätte es nicht laufen kön- pferd+sport 09 | 16 11 IM FOKUS Das Gold ist zurück Alle Foto:s www.sportfotos-lafrentz.de, Grafik Seite 10: designed by Ibrandify - Freepik.com Deutschlands DRESSURREITER sind wieder Mannschaftsolympiasieger. Nach einer Unterbrechung 2012 knüpften Isabell Werth mit Weihegold OLD, Dorothee Schneider mit Showtime FRH, Kristina Bröring-Sprehe mit Desperados FRH und Newcomer Sönke Rothenberger mit Cosmo in Rio de Janeiro mit einem fulminanten Sieg an die von 1984 bis 2008 andauernde Goldserie deutscher Dressurteams an. L I N KS | „Das war einfach phantastisch, etwas ganz Besonderes, was man so nicht erwarten konnte“, sagte eine strahlende Isabell Werth nach dem Gewinn der Silbermedaille. A nders als bei Welt- und Europameisterschaften wird die Teamwertung bei Olympischen Spielen durch Addition der Ergebnisse aus Grand Prix und Grand Prix Special ermittelt. Bereits im Grand Prix legte das deutsche Quartett den Grundstein für seinen Sieg und bestätigte die gezeigten Leistungen auch im Grand Prix Special. Das Motto hatte Isabell Werth vorgegeben: „Wir wollen unser Gold zurück”, sagte sie und lieferte das beste Ergebnis dafür ab. Für ihre glänzende Vorstellung erzielte sie 83,711 Prozentpunkte, die auch Titelverteidigerin Charlotte Dujardin mit Valegro nicht überbieten konnte. Die Britin Dujardin kam auf 82,983 Prozent und landete damit nur knapp vor Dorothee Schneider und Showtime FRH. Mit 81,401 Prozentpunkten ordnete sich Vize-Europa- 12 pferd+sport 09 | 16 meisterin Kristina Bröring-Sprehe mit Desperados FRH auf Platz vier ein. Auch die Youngster im Team, der 21-jährige Sönke Rothenberger und sein erst neunjähriger Wallach Cosmo, konnten bei ihrer Olympiapremiere trotz kleiner Unsicherheiten mit 76,261 Prozent in die Top Ten vordringen. Das Team aus Großbritannien sicherte sich die Silbermedaille, vor der Equipe aus den USA, die Bronze gewann. Auch in der Einzelwertung, die in der Grand Prix-Kür entschieden wurde, hatten die Reiter und mitgereisten deutschen Fans allen Grund zum Jubeln: Isabell Werth und Weihegold OLD tanzten zu Silber, Kristina Bröring-Sprehe und ihr schmucker Hengst Desperados FRH freuten sich mit Bronze über ihre erste olympische Medaille in der Einzelwertung. Ganz oben auf dem Trepp- chen als Olympiasiegerin stand wie vor vier Jahren Charlotte Dujardin mit Valegro. Dorothee Schneider wurde mit Showtime FRH Sechste. Bundestrainerin Monica Theodorescu zog eine mehr als positive Bilanz nach vier Tagen spannendem Dressursport in Brasilien: „Gold, Silber, Bronze, was will man mehr.“ Zusammen mit den Medaillen der Vielseitigkeitsreiter, Silber für das Team und Gold für Michael Jung, haben die deutschen Reiter ihr vom DOSB auferlegtes Soll von drei bis fünf Medaillen bereits voll erfüllt. „Wenn jetzt die Springreiter noch nachlegen, wäre das das „Tüpfelchen auf dem i“, sagt Dr. Dennis Peiler, Geschäftsführer des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR) und Chef de Mission der deutschen Reiter. O B E N | So sehen Sieger aus! Die Goldmedaillengewinner Isabell Werth, Dorothee Schneider, Sönke Rothenberger und Kirstina Bröring-Sprehe (v.l.) R E C H T S | Bronze medaillengewinnerin Kristina Bröring-Sprehe war begeistert: „Es war mein Traum, noch eine Olympische Medaille zu holen. Jetzt sind es zwei. Das ist unglaublich. Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis und stolz auf Desperados.“ O B E N | Ein Paar von einem anderen Stern: Charlotte Dujardin und ihr Valegro erzielten in der Kür beeindruckende 93,857 Prozent – olympischer Rekord! pferd+sport 09 | 16 13
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