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IM FOKUS
Zweites
­olympisches
Einzelgold
für Michael
Jung und
Sam FBW
D
OLYMPISCHE VIELSEITIGKEIT
Auf die „Buschis“ ist Verlass:
Bei den Olympischen Spielen holten sie
Einzelgold und Mannschaftssilber.
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Die alten und neuen Olympia­sieger:
Michael Jung und
der Stan the Man xxSohn Sam FBW haben
Reitsportgeschichte
­geschrieben.
amit erlösten die Vielseitigkeitsreiter nicht nur
den DOSB (Deutscher
Olympischer Sportbund),
der bislang vergeblich auf
eine Medaille gewartet hatte, sondern auch
den deutschen Anhang inklusive Zuschauer. Denn es war bis zur letzten Teilprüfung,
dem Springen, für das deutsche Team mit
Sandra Auffarth/Opgun Louvo, Michael
Jung/Sam, Ingrid Klimke/Hale Bob OLD
und Julia Krajewski/Samurai du Thot alles
andere als rund gelaufen. Das fing mit der
Mannschaftsaufstellung an, als Andreas
Ostholt durch Reservistin Julia Krajewski
ersetzt werden musste. So is et, der Westfale des Warendorfers, hatte vor dem Trainingslager in Bonn-Rodderberg ein Eisen
verloren und war seitdem nicht immer ganz
klar gegangen. Das Risiko eines Einsatzes
war den Trainern Christopher Bartle und
Hans Melzer wohl zu groß gewesen. In der
Dressur schlichen sich bei Sandra Auffarth
und Michael Jung Fehler in der Galopptour
ein, Julia Krajewsk hatte einen guten Auftritt, lieferte aber das Streichergebnis. Die
Schlussreiterin Ingrid Klimke hätte mit auf
Hale Bob OLD durchaus das ein oder andere Pünktchen mehr verdient gehabt, so dass
der Vorsprung des deutschen Teams nach
der Dressur ganze 0,2 Punkte auf die späteren Olympiasieger aus Frankreich betrug.
„Das Gelände ist das Schwerste, was ich
bei Olympia bislang erlebt habe“, hatte Sir
Mark Todd nach der ersten Besichtigung
gesagt. Und der muss es schließlich wissen, denn er bestritt in Rio seine siebten
Olympischen Spiele. Und die Statistik gibt
ihm Recht: In Sydney waren es 47,6 Prozent hindernisfehlerfreie Runden, in Athen
74,3 Prozent, in Hongkong 64,7 Prozent
und in London 67,6 Prozent gewesen. Hier,
auf dem vom Franzosen Pierre Michelet gebauten Kurs, waren es lediglich 40,6 Prozent, die ohne Probleme ins Ziel gekommen waren. Nur zwei Mannschaften, die
der Franzosen und die der Engländer, die
allerdings bei der Medaillenvergabe nach
Vorbeiläufern aller Pferde keine Rolle mehr
spielten, waren mit allen vier Reitern ins
Ziel gekommen. Zwei Mannschaften, die
amerikanische und russische, platzten. Elf
der 65 Starter waren nicht ins Ziel gekommen, bei 13 Startern wurden Hindernisfeh-
IM FOKUS
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L I N KS | Nach einer
grandiosen Aufholjagd
Platz zwei für das deutsche Team (v.l. Sandra
Auffarth, Michael Jung,
Ingrid Klimke und Julia
Krajewski).
RECHTS |
Der von Merel Blom
gerittene Rumour
has it – einst über
die Top-EventerAuktion verkauft
– ist eine „crosscountry-­machine“.
Sie waren auf Platz
19 das bestplatzierte niederländische
Paar.
U N T E N | Über Dirk
Schrade kam Aspe in
den Stall von Ludwig
Svennerstal. Das Paar
erzielte das beste Ergebnis des schwedischen
Teams.
nen.“ Auf dem Silberrang stand der Franzose Nicolas Astier mit Piaf de B’Neville,
Bronze gewann der Amerikaner Philip Dutton, der sich mit Mighty Nice vom 15. Platz
nach der Dressur kontinuierlich vorgearbeitet hatte. Sandra Auffarth belegte Platz elf
vor William Fox-Pitt mit Chilli Morning.
Der Phantomic xx-Kolibri-Sohn ist in seine
letzte Prüfung gegangen und darf nun sein
Leben als Deckhengst genießen. William
Fox-Pitt, der nach einem schlimmen Sturz
im Herbst des vergangenen Jahres wieder
rechtzeitig für Olympia fit geworden war,
hatte nach der Dressur in Führung gelegen.
Auch er kam nicht ungeschoren aus dem
Gelände: 20 Strafpunkten für einen Vorbeiläufer. Ingrid Klimke wurde nach einem
Abwurf von Hale Bob OLD im zweiten Umlauf 15. Am Ende war es nach den Querelen
im Vorfeld ein versöhnlicher Abschluss für
die Vielseitigkeitsreiter, dennoch bedürfen
die Ereignisse in Rio einer Aufarbeitung,
um wieder Ruhe in das Team und das dazugehörige Umfeld zu bekommen.
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RECHTS |
­Dressursieger
Christopher
­Burton und Santano II waren
die Besten im
Gelände. Nicht
nur stilistisch, sie
kamen genau in
der Bestzeit ins
Ziel.
O B E N | Nach ihrem zweiten Platz in
­Aachen zählten Shane Rose und C. P.
Qualified zu den Mitfavoriten. Am letzten
Wasser endete der Ritt für das Paar.
O B E N | Eine Klasse für sich: Michael
Jung, „The Terminator“, wie er in der eng­
lischen Presse genannt wird, und Sam FBW.
R E C H T S | Leonidas II war unter Mark
Todd auf Platz sieben bester Holsteiner. Ein
völlig misslungener Parcours kostete den
Neuseeländern eine Mannschaftsmedaille.
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ler notiert. Mit einem, wie sie selbst sagte,
„übermotivierten“ Opgun Louvo war Sandra Auffarth ins Gelände gestartet. Sie kassierte 20 Strafpunkte für einen Vorbeiläufer und Zeitfehler. Michael Jung lieferte mit
Sam FBW die gewohnt sichere und schnelle
Runde. Er war einer von drei Reitern, außer
ihm waren es der nach der Dressur auf dem
zweiten Platz liegende Australier Christopher Burton mit dem erst achtjährigen Santano II v. Sandro Hit-Brentano-Weltmeyer
und der Franzose Nicolas Astier mit Piaf de
B’Neville, die in der Zeit ins Ziel kamen.
Nach dem Ausscheiden von Julia Krajewski bekam Ingrid Klimke von den Trainern
die Order „direkt und schnell ins Ziel zu
reiten.“ Und schnell war die Münsteranerin unterwegs. Vielleicht etwas zu schnell
an der letzten der vier Wasserpassagen, wo
Hale Bob OLD an der zweiten Hecke vorbeilief. Platz vier hinter den Franzosen,
Neuseeländern und Australiern hieß es für
die Deutschen nach dem Geländetag, mehr
als zwei Springfehler von einem Medaillenplatz entfernt. Nach einer grandiosen
Aufholjagd mit drei Nullrunden im Springen wurde es am Ende Silber hinter Frankreich und vor Australien. Dabei profitierten
die Titelverteidiger auch von den Einbrüchen der Australier und Neuseländer. Pluto
Mio, dem 18-jährigen Schimmel von Stuart Tinney, unterliefen vier Abwürfe. 16
Strafpunkte mussten auch für Mark Todd
nach untypischen Fehlern von Leonidas II
v. Landos-Parco xx (Gabriele Pochhammer,
Windeby) notiert werden. Das Paar, das in
der Endabrechnung Siebte wurde, hatte
nach dem Gelände auf dem vierten Platz
ebenfalls noch in Reichweite einer Einzelmedaille gelegen, und mit zwei Abwürfen
weniger wäre es Mannschaftssilber für die
Kiwis geworden.
Nach dem ersten Umlauf im Springen
hatten Michael Jung und Sam FBW die
„Pole-Position“ übernommen, die ihnen
dann mit einer weiteren souveränen Nullrunde auch nicht mehr zu nehmen war.
Mit ihrem Sieg schrieb das baden-württembergische Paar olympische Geschichte,
denn zuvor war es lediglich dem Holländer Charles Mortangues Parout mit Macroix (1928 und 1932) und Sir Mark Todd
mit Charisma (1984 und 1988) gelungen,
den Olympiasieg zu wiederholen. Und der
überragende Sam FBW wird als das erfolgreichste Vielseitigkeitspferd aller Zeiten
in die Geschichtsbücher eingehen: 2010
Weltmeister, 2011 Europameister, 2012
Olympiasieger, 2015 Sieger in Burghley,
2016 Sieger in Badminton und Olympiasieger. „Ein Wahnsinnstag“ strahlte Michael Jung, „besser hätte es nicht laufen kön-
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IM FOKUS
Das Gold ist zurück
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Deutschlands DRESSURREITER sind wieder Mannschaftsolympiasieger. Nach einer
Unterbrechung 2012 knüpften Isabell Werth mit Weihegold OLD, Dorothee Schneider
mit Showtime FRH, Kristina Bröring-Sprehe mit Desperados FRH und Newcomer Sönke Rothenberger mit Cosmo in Rio de Janeiro mit einem fulminanten Sieg an die von
1984 bis 2008 andauernde Goldserie deutscher Dressurteams an.
L I N KS | „Das war
einfach phantastisch,
etwas ganz Besonderes, was man so nicht
erwarten konnte“,
sagte eine strahlende Isabell Werth nach
dem Gewinn der Silbermedaille.
A
nders als bei Welt- und Europameisterschaften wird die Teamwertung bei Olympischen Spielen
durch Addition der Ergebnisse aus Grand
Prix und Grand Prix Special ermittelt. Bereits im Grand Prix legte das deutsche Quartett den Grundstein für seinen Sieg und bestätigte die gezeigten Leistungen auch im
Grand Prix Special. Das Motto hatte Isabell
Werth vorgegeben: „Wir wollen unser Gold
zurück”, sagte sie und lieferte das beste Ergebnis dafür ab. Für ihre glänzende Vorstellung erzielte sie 83,711 Prozentpunkte, die
auch Titelverteidigerin Charlotte Dujardin
mit Valegro nicht überbieten konnte. Die
Britin Dujardin kam auf 82,983 Prozent
und landete damit nur knapp vor Dorothee
Schneider und Showtime FRH. Mit 81,401
Prozentpunkten ordnete sich Vize-Europa-
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meisterin Kristina Bröring-Sprehe mit Desperados FRH auf Platz vier ein. Auch die
Youngster im Team, der 21-jährige Sönke
Rothenberger und sein erst neunjähriger
Wallach Cosmo, konnten bei ihrer Olympiapremiere trotz kleiner Unsicherheiten mit
76,261 Prozent in die Top Ten vordringen.
Das Team aus Großbritannien sicherte sich
die Silbermedaille, vor der Equipe aus den
USA, die Bronze gewann.
Auch in der Einzelwertung, die in der
Grand Prix-Kür entschieden wurde, hatten
die Reiter und mitgereisten deutschen Fans
allen Grund zum Jubeln: Isabell Werth und
Weihegold OLD tanzten zu Silber, Kristina
Bröring-Sprehe und ihr schmucker Hengst
Desperados FRH freuten sich mit Bronze
über ihre erste olympische Medaille in der
Einzelwertung. Ganz oben auf dem Trepp-
chen als Olympiasiegerin stand wie vor vier
Jahren Charlotte Dujardin mit Valegro. Dorothee Schneider wurde mit Showtime FRH
Sechste.
Bundestrainerin Monica Theodorescu zog eine mehr als positive Bilanz nach
vier Tagen spannendem Dressursport in
Brasilien: „Gold, Silber, Bronze, was will
man mehr.“ Zusammen mit den Medaillen der Vielseitigkeitsreiter, Silber für das
Team und Gold für Michael Jung, haben die
deutschen Reiter ihr vom DOSB auferlegtes
Soll von drei bis fünf Medaillen bereits voll
erfüllt. „Wenn jetzt die Springreiter noch
nachlegen, wäre das das „Tüpfelchen auf
dem i“, sagt Dr. Dennis Peiler, Geschäftsführer des Deutschen Olympiade-Komitees
für Reiterei (DOKR) und Chef de Mission
der deutschen Reiter.
O B E N | So sehen
Sieger aus! Die Goldmedaillengewinner
Isabell Werth, Dorothee Schneider, Sönke Rothenberger und
Kirstina Bröring-Sprehe (v.l.)
R E C H T S | Bronze­
medaillengewinnerin
Kristina Bröring-Sprehe
war begeistert: „Es war
mein Traum, noch eine
Olympische Medaille
zu holen. Jetzt sind es
zwei. Das ist unglaublich. Ich bin zufrieden
mit dem Ergebnis und
stolz auf Desperados.“
O B E N | Ein Paar von einem anderen Stern:
Charlotte Dujardin und ihr Valegro erzielten
in der Kür beeindruckende 93,857 Prozent –
olympischer Rekord!
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