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Schulsprache «Deutsch» / «Français» Bemerkungen zur Geschichte
des Schulfaches in der Schweiz (~1840 bis ~1990) in vergleichender
Perspektive
SCHNEUWLY, Bernard, et al.
Abstract
Im Beitrag wird die Genese und Entwicklung des Schulfaches «Schulsprache» in der
Romandie und der Deutschschweiz im Zeitraum von 1830 bis 1990 nachgezeichnet. Es zeigt
sich dabei, dass sich die beiden kulturellen Kontexte in der Organisation und in Bezug auf die
Ziele und Zwecke des Erstsprachunterrichts unterscheiden. Dies eröffnet ein weites
Forschungsfeld, das im vorliegenden Text erst in Ansätze skizziert werden kann. In den
Fokus werden die mittleren und oberen Stufen der Volksschule genommen und in Bezug auf
drei Dimensionen dargestellt: a) Genese des Faches «Schulsprache» in zwei Sprachregionen
der Schweiz in vergleichender Perspektive; b) Perioden der Entwicklung des Faches; c)
mögliche Unterschiede zwischen den Sprachregionen in drei Teilgebieten des Faches:
Grammatik, Lesen, Schreiben. Auf der Basis eines systematisch erhobenen Korpus von
Lehrplänen – unter Miteinbezug von Lehrmitteln (Lesebücher, Grammatiken) – und über die
während der Konstitution des Faches stattfindenden Diskurse in den Lehrerzeitschriften wird
das Fach von zwei Standpunkten aus beschrieben: Es wird einerseits «äusseren» [...]
Reference
SCHNEUWLY, Bernard, et al. Schulsprache «Deutsch» / «Français» Bemerkungen zur
Geschichte des Schulfaches in der Schweiz (~1840 bis ~1990) in vergleichender Perspektive.
Forumlecture.ch/Leseforum.ch, 2016, vol. 2, no. 1
Available at:
http://archive-ouverte.unige.ch/unige:85914
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Schulsprache«Deutsch»/«Français»
BemerkungenzurGeschichtedesSchulfachesinderSchweiz
(~1840bis~1990)invergleichenderPerspektive
BernardSchneuwly,ThomasLindauer,AnoukDarme,JulienneFurger,AnneMonnier,RebekkaNänny,
SylvianeTinembart
Abstract
ImBeitragwirddieGeneseundEntwicklungdesSchulfaches«Schulsprache»inderRomandieundder
DeutschschweizimZeitraumvon1830bis1990nachgezeichnet.Eszeigtsichdabei,dasssichdiebeiden
kulturellenKontexteinderOrganisationundinBezugaufdieZieleundZweckedesErstsprachunterrichts
unterscheiden.DieseröffneteinweitesForschungsfeld,dasimvorliegendenTexterstinAnsätzeskizziert
werdenkann.
IndenFokuswerdendiemittlerenundoberenStufenderVolksschulegenommenundinBezugaufdrei
Dimensionendargestellt:a)GenesedesFaches«Schulsprache»inzweiSprachregionenderSchweizin
vergleichenderPerspektive;b)PeriodenderEntwicklungdesFaches;c)möglicheUnterschiedezwischen
denSprachregionenindreiTeilgebietendesFaches:Grammatik,Lesen,Schreiben.
AufderBasiseinessystematischerhobenenKorpusvonLehrplänen–unterMiteinbezugvonLehrmitteln
(Lesebücher,Grammatiken)–undüberdiewährendderKonstitutiondesFachesstattfindendenDiskursein
denLehrerzeitschriftenwirddasFachvonzweiStandpunktenausbeschrieben:Eswirdeinerseits
«äusseren»Ordnunganalysiert,dieStellungunddieBedeutungdesFaches«Schulsprache»inBezugzu
anderenFächern.Andererseitssollauchdie«innere»Ordnung,diesichaufdieOrganisationdesschulischen
WisseninnerhalbdesFaches–aufdenAufbauderVermittlungderInhalteundFertigkeiten,aufihre
GewichtungundReihenfolge–bezieht,indenBlickgenommenwerden.DieStudiezeigtgrosse
ÄhnlichkeiteninderGeneseundallgemeinenEntwicklunginbeidenSprachregionen,aberauch
UnterschiedeinderOrdnungdesWissensindendreiuntersuchtenDimensionen.
DiepräsentiertenErkenntnissesindimKontexteinesdurchdenSchweizerischenNationalfonds
gefördertenSinergia-Projekteszur«TransformationschulischenWissensseit1830»(CSRII1_160810)in
ZusammenarbeitderUniversitätenZürichundGenfsowiederPädagogischenHochschulenFHNW,Tessin
undZürichentstanden.
Schlüsselwörter
GeschichtedesSprachunterrichts,Schreiben,Lesen,Grammatik,Volksschulcurriculum,Lehrplangeschichte,
GeschichtedesSchulbuchs,Schulfachentwicklung
⇒Titre,chapeauetmots-clésenfrançaisàlafindel’article
AutorInnen
BernardSchneuwly,Sectiondessciencesdel’éducationdel’UniversitédeGenève
BoulevardPontd’Arve40,1205Genève,[email protected]
AnoukDarme,Sectiondessciencesdel’éducationdel’UniversitédeGenève
BoulevardPontd’Arve40,1205Genève,[email protected]
AnneMonnier,Sectiondessciencesdel’éducationdel’UniversitédeGenève
BoulevardPontd’Arve40,1205Genève,[email protected]
ThomasLindauer,PädagogischeHochschuleFHNW,InstitutForschungundEntwicklung,ZentrumLesen,
Bahnhofstrasse6,5210Windisch,[email protected]
JulienneFurger,PädagogischeHochschuleFHNW,InstitutForschungundEntwicklung,ZentrumLesen,
Bahnhofstrasse6,5210Windisch,[email protected]
RebekkaNänny,PädagogischeHochschuleFHNW,InstitutForschungundEntwicklung,ZentrumLesen,
Bahnhofstrasse6,5210Windisch,[email protected]
SylvianeTinembart,HauteécolepédagogiqueVaud,AvenueCour33,1007Lausanne,[email protected]
www.leseforum.ch|www.forumlecture.ch–2/2016
1
Schulsprache«Deutsch»/«Français»
BemerkungenzurGeschichtedesSchulfachesinderSchweiz
(~1840bis~1990)invergleichenderPerspektive1
BernardSchneuwly,ThomasLindauer,AnoukDarme,JulienneFurger,AnneMonnier,RebekkaNänny,
SylvianeTinembart
1EinheterogenesFachmit(zu)vielenFunktionen
«SogelangdemDeutschunterrichtdieAbgrenzungvonanderenUnterrichtsfächernunddieBegründung
alseigenesFacherstspätundnurunvollkommen[...]»(Frank,1973,S.153)
DasSchulfach«Deutsch»–unddasselbegiltauchfürdasSchulfach«Français»–kanningewissemSinnals
«unvollkommen»charakterisiertwerden.Indizdafürist,dassihm,mehralsdenmeistenanderenFächern,
eineArtDauerkrise2diagnostiziertwird;undnochmehr,dieVersuche,eszuzerstückeln,zumBeispielin
FrankreichoderinAustralien.3DieKrise,wieBronckart(1983)undFrank(1973)zeigen,resultiertausden
zahlreichenZielenundZwecken,welchendasFachmitunterschiedlicherGewichtungüberdieZeitdienen
sollunddiesichzumTeilwidersprechen.AufgrunddieserbeidenArbeitenkannfolgende,sichernicht
vollständigeListevonZielenundFunktionenfürdenSchulsprachunterrichterstelltwerden:
−
−
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−
−
−
−
grundlegendesprachlicheFähigkeitenvermitteln,vorallemLesenundSchreiben;
DenkenundWissenentwickeln,unteranderemdurchArbeitamWortschatz;
dieFunktionsweisevonSprachelehren,wasauchzurEntwicklungdesDenkens,aberauchdesStils
beitragensoll;
(bildungs-)sprachlicheNormenvermittelnundihreAkzeptanzdurchsetzen;
BasisfürdasLernenandererSprachenschaffen;
zurmoralischenErziehungundzuGesinnungsbildungbeitragen;
Zugangzumkulturellen,vorallemliterarischenErbeherstellen,unddadurchzurBildungderPerson
inBezugaufeinhumanistischesMenschenbildbeitragen;
dienationaleIdentitätsbildungfördern.4
AlledieseZielezugleichineinemFachzuverfolgen,istansicheinaussichtslosesbzw.wenigzielführendes
Unterfangen.DieBildung,diemiteinemsolchenmulti-funktionalenFacherzieltwerdenkann,istalso
notwendigerweiseunvollständig,weilesnichtalleZielebzw.InhalteingleichemMasseberücksichtigen
1
DervorliegendeTextisteinevonunserstellteundkontrollierteÜbersetzungdesfranzösischenParalleltexts–und
umgekehrt[http://www.forumlecture.ch/fr/myUploadData/files/2016_2_Schneuwly_Lindauer_et_al_fr.pdf].
2
Bronckart(1983)zeigtdieExistenzeinesDiskursesbezüglichderKrisedesFranzösischenüber150Jahre.Derbekannte
LinguistCharlesBallyschrieb1930einevielgelesene,detaillierteAnalyse«Lacrisedufrançais».FrüheKritikamdeutschen
SprachunterrichtfindetsichinHildebrandsstarkrezipiertemWerk«VomdeutschenSprachunterrichtinderSchule»(1867)
bishinzuGlinz,einemdenDeutschunterrichtinderDeutschschweizinvielfältigerWeiseprägendenLehrer,Lehrmittelautor
undSprachwissenschaftler:«[…]dennobwohler[derReferentGlinz]sozusagenGrammatikervonBerufist,gibtesfürihnin
derSchulekeinFach‹Grammatik›,sondernnureinFach‹Sprache›,undauchdasistkein‹Fach›,sonderneineGrundlagealles
Schulehaltens,nichtnurdesSprachunterrichts»(Glinz1961;zitiertnachGlinz1993,S.278).ManfindetauchBeiträgezur
«KrisisdesmuttersprachlichenUnterrichts»(SchweizerischeLehrerzeitung,1929ff.;oderBruckner(1943),«Vonder
VerwahrlosungunsererSprache»);dieSociétépédagogiquedelaSuisseromandepubliziertebenfallseinenlangenArtikelüber
die«Crisedufrançais»Jacot(1932).
3
DerStudienplanvon2002inFrankreichfürdiePrimarschulesahinderTateineZerstückelungdesFachesvor:eswurdein
zweiTeileaufgeteilt,nämlichLiteratureinerseits,ReflexionüberSpracheanderseits.SprachtätigkeitenwieLesenund
SchreibenwurdenandieanderenFächerüberantwortet.ÄhnlicheTendenzenfindetmanzumBeispielimStudienplan
Australiens,dervonSawyer(2002)undSawyerundWatson(2001)starkkritisiertwurde;siehedazuSchneuwlyundCordeiro
Sales(2015).
4
BisindieMittedes20.JahrhundertswirdinderSchweizvomFach«Sprachunterricht»dasErlernendermotorischen
AspektedesSchreibensgetrennt:EsistdafüreineigenesFach(Schön-)Schreiben,zumTeilinVerbindungmitZeichnenund
geometrischemZeichnen,angesetzt;siehedazuLindauerundManzimvorliegendenHeft.
Schneuwly,Lindauer,Darme,Furger,Monnier,Nänny,Tinembart
2
kann;undesist«heterogen»,weileskeinerOrdnungsstrukturdesWissensausserhalbderSchule
entspricht.UndtrotzdemscheintdasFachheuteganzselbstverständlichzusein:Manfindetesim
Lehrplan,indenLektionentafeln,inSchulprogrammenundpädagogischenDiskursenundauchinder
entsprechendenFachdidaktik«Deutschdidaktik»bzw.«didactiquedufrançais».AberdasFachexistiert
auchim«BewusstseinumdasFach»(«consciencedisciplinaire»)(Cohen-Azria,Lahanier-Reuter&Reuter,
2013),einemcommonsenseüberdasFach,dassichunterandereminderWahrnehmungderSchülerinnen
undSchüler,derElternbzw.dergesamtenGesellschaftzeigt,diedasFach(an-)erkennenundzumeinen
wissen,wasindiesemFachbehandeltwirdbzw.zulehrenundlernenist.
DieVielzahlderFunktionenundZiele,dieimLaufederGeschichtedesFachesauftauchen,diesich
überlagernunddiekoexistieren,habenimLaufderZeitnichtimmerdasselbeGewicht.Sokonnteetwaim
ZugederReformpädagogikder«freieAufsatz»andere,mehraufNützlichkeitausgerichteteSchreibformen
zwarnichtersetzen,dochdasZielder«Persönlichkeitsbildung»nahmgegenüberderutilitaristischen
AusrichtungdeutlichmehrPlatzein.DasFachistalsogekennzeichnetvoneinemständigenAusbalancieren
undNeuverhandelnderZiele,wassichauchaufdiedidaktischenKonzepteundderenGewichtung
auswirkt.
1.1ZweiverschiedeneErzählweisenzurGeschichtedesFachs
Umsichdiesem«unvollkommenen»und«heterogenen»Fachanzunähern,isteshilfreich,seinehistorische
Genesezubeschreiben.Diesbedeutet,einehistorisch-didaktischeMethode(Bishop,2013)anzuwenden,
die,wiebereitsHelmers(1970)esfrühervorgeschlagenhat,einelongueduréezumGegenstandhatund
dasgesamteSchulsystem,Primar-undSekundarschule,analysiert.VorliegendeArbeitträgtdazubeiund
präsentiertResultateeinergrossen,vergleichendenStudie5,beiderdieGeneseundEntwicklungderFächer
«Deutsch»und«Français»alsSchulspracheninderSchweiz,diezweikontrastierendekulturelleKontexte
vereint(deutsch-undfranzösischsprachig)6,densiemitbenachbartenLändernteilt(Deutschlandund
Frankreich),zubeobachtenundzubeschreiben.AbgesehenvondemhistorischenVergleichbietensich
mindestenszweiweitereVergleichean:ErstenszwischendenbeidenSprachkontextenundzweitens
zwischendeneinzelnenLändern:derSchweizaufdereinenSeite,FrankreichundDeutschlandaufder
anderenSeite.
ImFolgendensolldaherdargelegtwerden,wasmanbereitsüberdieGeschichtedes
Schulsprachunterrichtsinderdeutsch-undfranzösischsprachigenSchweizeinerseits,inDeutschlandund
Frankreichanderseitsweiss.
DieErforschungdesUnterrichtsinderSchulspracheDeutschistinderSchweiznochwenigfortgeschritten;
esexistierenvorallemStudien,diekantonalausgerichtetsind,z. B.zuLesebüchern(Fuchs,2001)oderüber
SchreibenundLesenzwischendem17.und19.Jahrhundert(Messerli,2002;Büttner,2015),wobeidie
beidenArbeitennurpartielledenSprachunterrichtindenBlicknehmen7.DazukommendieindiesemHeft
publiziertenerstenArbeitenausdemobengenanntenSinergia-Projekt.
AufderfrankofonenSeitefindetman–ausserdenindieserThemennummerversammeltenArbeitenund
denForschungen,aufdiesiesichbeziehen–MüllersAnalysezuLesebüchern(2007)unddieArbeitenvon
SchneuwlyüberdieGeschichtedesSchreibunterrichts(1986,1992).DieForschungsgegenständeund
MethodendieserArbeitensindjedochzuverschieden,umeinesystematischvergleichendeAnalyse
5
DiehierpräsentiertenErgebnissesindimKontexteinesdurchdenSchweizerischenNationalfondsgefördertenSinergiaProjekteszur«TransformationschulischenWissensseit1830»(CSRII1_160810)inZusammenarbeitderUniversitätenZürich
undGenfsowiederPädagogischenHochschulenFHNW,TessinundZürichentstanden.DieTeilprojekteanderUniversitéde
GenèveundanderPHFHNWanalysierenu.a.dieEntwicklungschulischenWissensimFach«Deutsch»und«Français»anhand
vonLehrplänen,LehrmittelnundLehrerzeitschriften.
6
DazukommtdieitalienischsprachigeKulturregion,diewirhiernichtbehandeln(siehedazudenArtikelvonSahlfeldin
diesemHeft).DieRomanischsprechendeRegionfunktioniertnacheineranderenLogik:Siehatkeinenationale
Bezugssprache,wasProblemeinBezugaufdieSprachnormunddieliterarischenReferenzenschafft.
7
AusdenfolgendenGründengehenwirhiernichtweiteraufHelbling(1994)ein:SiehatzwarinteressanteQuellen
zusammengestellt,aufdiewirunsauchstützenkönnen,aberderFokusihrerArbeitliegtnichtaufderEntwicklungund
TransformationdesSchulfachsDeutsch,sondernsiebenutztdieLesebücherhauptsächlichfüreineUntersuchungvon
sozialenVorstellungen,vondenensieannimmt,dassmansieinLesebüchernnachweisenkann.
Schneuwly,Lindauer,Darme,Furger,Monnier,Nänny,Tinembart
3
vornehmenzukönnen.SiegebenjedochersteHinweisedarauf,dasssichdiebeidenkulturellenKontexte
unterscheiden.
UmdieGeschichtedesSchulsprachunterrichtsindenbeidenNachbarländernzuvergleichen,stützenwir
unsaufzweizentralePublikationen8:aufFrank(1973),derdieGeschichtedesFaches«Deutsch»bis1945
undaufChervel(2006),derdieGeschichtedesFaches«Français»beschreibt.Frank(1973)stelltdie
GeschichtedesFaches«Deutsch»inDeutschlandalskomplexesGanzesvor,dassichausderÜberlagerung
derobengenanntenZieleundZweckeergibt,dieeserfüllenmuss.Dieseordneterindiefolgende
chronologischeReihenfolgeein:LässtmandielateinischeÜbersetzungunddenKatechismusaus,ist–
Comeniuszufolge–Schulezuerstvorallem«Muttersprachschule»,wobeidieserUnterrichtvorallemals
Sachunterrichtzuverstehenist.MitderzunehmendenSchriftkulturtauchtdanndieNotwendigkeitauf,die
SchülerundSchülerinnenfürdasSchreibenauszubilden:«Stilbildung»nenntFrankdieseneueFunktiondes
Unterrichts,diesichaufChrestomathien,AnthologienvonTexten,dieausWerkenvonalsklassisch
betrachtetenAutorenausgewähltwerden,9abstützt.ImZugeeinerWellevonmoralischenSchriften,diein
derzweitenHälftedes18.JahrhundertsVerbreitungfanden,verfasstRochowEndedes18.Jahrhunderts
das«Schulbuch»alsMittelfürdiemoralischeErziehung,keineswegsimreligiösenSinn,sonderninspiriert
vonPhilanthropieundAufklärung,umdenArbeiternundBauernneueFormenvonArbeitenzu
ermöglichen(Kämper-vandenBoogart,2010,analysiertdiese«Volksaufklärung»imDetail).
EsistdannaberdieAuffassungdesSprachunterrichtsals«Denkschulung»,dieesindererstenHälftedes
19.Jahrhundertserlaubt,soFrank,«Deutsch»alsFachmiteinemeigenenGegenstandzubegründen.Die
VertreterdiesesAnsatzes–alsprominentestesBeispielisthierKarlFerdinandBeckerzunennen–sehen
dieSprachealseinenOrganismusan,einefunktionalorganisierteGanzheit,diealsdieinErscheinung
tretendenGedankenverstandenwird.Sprachewirdanalysiert,umdieLogik,dasDenken,dasderSprache
zugrundeliegt,zuentdecken:Eshandeltsichumeine«Sprachdenklehre»(siehedazugenauerVesper,
1980,S.174f.).DieserspezifischeGegenstanddesFacheswirddadurcherweitert,dass«Bildungdurch
Dichtung»alsneuesUnterrichtszielauftaucht,derenHauptvertreterHiecke(1842)fürdasGymnasiumund
Wackernagel(1843)fürdiePrimarschule(voralleminDeutschland,aberauchfürkurzeZeitinder
Deutschschweiz)sind.ZweigegensätzlicheAuffassungentreffenhieraufeinander:Dieeinebetreibtdas
StudiumderLiteraturalsGegenstanddesWissens,dasalsTeilhumanistischerundästhetischerBildung
betrachtetwird;dieandereistingewisserWeisedieFortsetzungmoralischerErziehungals
«Gesinnungsbildung».SchliesslichübernimmtderDeutschunterrichtnocheineandereFunktion:derDienst
anderNation,abernichtmehrimSinneHerdersoderHumboldtsNationalliteraturalsTeilderWeltliteratur,
sondernimSinnedereinzigenNation,entwickeltaufgrunddervondenRomantikernentdeckten
«Volksdichtung»:«NationalliteraturstattWeltliteratur»fasstFrankzusammen.
Chervel(2006)aufderanderenSeiteschreibtseineGeschichtedesFaches«Français»aufandereWeise.
SeinAusgangspunktistzunächstdieFrage,obesüberhauptmöglichist,Französischzuunterrichten.Er
beschreibtzuerst,wieeswährendlangerZeitunterderDominanzdesLateinischenundder«humanités»
(vorallemdasLernenvonklassischenSprachen)imLycéealsunmöglicherscheint,«Französischauf
Französischzuunterrichten»(S.60),dadafürkeineMethodenexistierten.Mitderimmergrösseren
BedeutungdesUnterrichtsinderMuttersprache,voralleminderzweitenHälftedes19.Jahrhunderts,
musstensieerfundenundaufgebautwerden,unddamitzugleichauchderGegenstanddes
Französischunterrichtsbestimmtwerden.GleichzeitigtauchtdieForderungauf,allenjungenFranzösinnen
undFranzoseninderPrimarschuleFranzösischbeizubringen:nichtnurLesen,sondernauchdasSchreiben,
dieOrthographieunddasVerfassenvonAufsätzen.DasneueKonzeptder«culturegénérale»löstdie
«humanités»imLycéeabundbestimmtauchdenallgemeinenZweckdesMuttersprachunterrichtsinder
Primarschule:
8
EswäreinteressanthiereinedritteGeschichteanzuführen,dieauchvergleichbarist;diejenigederUSAvonderPopkewitz,
sichaufApplebee(1974)stützend,schreibt:«Bytheendofthenineteenthcentury,theroleofEnglishasaschoolsubjectwas
clarifiedinamannerthatstillholdsgoodtoday»(1988,S.899).
9
InderDeutschschweizfindenLesebücher,welcheTexteklassischerAutorenversammeln,inderVolksschulekaum
Verbreitung,auchwenndas«DeutscheLesebuch»vonWackernagelscheinbarvoneinigenSchweizerLehrpersonengenutzt
wurde,galtendieTextegemeinhinalszuschwierigundkindfern.Dienarrativen,literarischenTextewurdenhäufigvonden
Lesebuchmachernselbstgeschrieben.
Schneuwly,Lindauer,Darme,Furger,Monnier,Nänny,Tinembart
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Ihre[Humanität]AblösunghattenurdannSinn,wennmanesinwenigenJahrenschafft,rundumdas
FranzösischeineneuePädagogikzuentwickeln,einEnsemblevonDidaktiken,dieneueÜbungenmittiefen
VeränderungenimProgrammderAutorenverbindet;undganzallgemeindieBildungeinesIndividuums,dessen
QualitätderhumanistischenBildungebenbürtigwäre.Esgingvorallemdarum,rundumdiefranzösischenTexte,
dieimZentrumderneuenPädagogikstehen,Übungstypen,FormenderkollektivenReflexion,Modalitätenihres
Gebrauchszuerfinden,diedieüberholtenFormendesaltenModellsablösenwürden.(Chervel,2006,S.65)
Vorallemdieculturegénérale,ausgerufenvonJulesFerry,demBegründerder«écolerépublicaine»1880in
Frankreich,warderPrüfsteinfürdieneueOrganisationdesFranzösischunterrichts.Vordenversammelten
PrimarschulinspektorenundLehrerseminardirektorenerklärtFerry:«Deshalb,meineHerren,verlangenwir
voneuchallen,fürunsMenschenauszubilden,undnichtGrammatiker.Entwickeltdeshalbbeieuren
Schülernvorallemdieculturegénérale»(zitiertnachChervel,2006,S.65).
ChervelsBuchzeigtauf,wieimLaufedes19.JahrhundertsdieverschiedenenÜbungenundInhalte
aufgebautwerden,umimLaufedesWechselsvom19.zum20.JahrhundertdasneueFach«Français»zu
bilden.ErbeschreibtjedochnichtdasFachalsGanzes,sonderndieverschiedenenTeile,diedasFachbilden
unddiewieSträngenebeneinanderstehen:OrthographieundLesensowieihrezunehmende
Didaktisierung;GrammatikmitihremungemeinenErfolg;diemündlicheSprachederSchüler,dievorallem
dankdemFreiburgerPèreGirardBedeutunggewinnt;dieklassischenAutoren,dieder«explicationde
texte»,demTexterklären,unterzogenwerden;derAufsatzunddieLiteraturgeschichte.Wiemansieht:
InhalteundderenBearbeitungstehenindieserGeschichteimZentrum(vgl.auchSavatovsky,1995;Boutan,
1996).
WennmandiesebeidenBeschreibungenderGeschichtendesMuttersprachunterrichts–alsoeigentlichdes
ansichgleichenFaches–vergleicht,sokannmanzweigrössereUnterschiedeaufverschiedenenEbenen
feststellen:
1.
2.
DieArtundWeise,dieGeschichtedesFacheszuerzählen.FürdasFach«Deutsch»bildendie
FunktionendesFachesdasGrundgerüstderErzählung(«Stilbildung»,«moralischeErziehung»,
«Denkschulung»etc.sinddieKapitelüberschriftenbeiFrank).KonkretendidaktischenKonzepten
undInhaltenwirdvergleichsweisewenigAufmerksamkeitgeschenkt.Inderfranzösischen
ErzählungvonChervelhingegenstehendieKomponentendesFachesundihreVerbindungenim
Zentrum,vordemHintergrundder«culturegénérale»:AbfolgesolcherKomponenten
(Rechtschreibung,Grammatik,Literatur,usw.)undihrerVeränderunginderZeitstehenim
Zentrum.DiedidaktischenKonzeptewerdenimDetailbeschrieben.DieZweckeundZieledes
UnterrichtswerdennurwenigausgeführtundbildenentsprechendauchnichtdasGrundgerüstder
Erzählung.
DieBestimmungdesZeitpunktesdesAuftauchensdesFaches.FranknimmtdieAnfängedes
Faches«Deutsch»inden1830er-Jahrenan;esexistiertinseinerNarrationalsFachseitder
«Sprachdenklehre»vonBeckerunddessenAnhängernundNachfolgern.DasFachentwickeltsich
danachdurchAufnahmeweitererFunktionenweiter.AndersdieDarstellungbeiChervel:fürihn
findetsichderUrsprungdesFachesnichtinderEntstehungundEtablierungeineseinzigen
Gegenstandes,sonderngenauim–unwahrscheinlichen–Zusammenkommenverschiedener,fast
widersprüchlicherKomponenten.AlssolchesexistiertesbeiihmerstspäteralsbeiFrank,nämlich
Endedes19.Jahrhunderts.
1.2VergleichendeForschungsfragen
ImFolgendenstellenwirdieHypotheseauf,dassdiebeidenkulturellenKontextesichinderOrganisation
undimBezugaufdieZieleundZweckedesMutter-oderErstsprachunterrichtsunterscheiden.Dies
eröffneteinweitesForschungsfeld,daswirimvorliegendenTextinAnsätzenskizzierenwollen.Wir
konzentrierenunsimFolgendenaufdiemittlerenundoberenStufenderPrimarschuleunduntersuchen
dreiGebiete:
−
−
GenesedesFaches«Muttersprache»inzweiSprachregionenderSchweizinvergleichender
Perspektive;
PeriodenderEntwicklungdesFaches;
Schneuwly,Lindauer,Darme,Furger,Monnier,Nänny,Tinembart
5
−
MöglicheUnterschiedezwischendenSprachregionenindreiTeilgebietendesFaches:Grammatik,
Lesen,Schreiben.
AufderBasiseinessystematischerhobenenKorpusvonLehrplänenundunterMiteinbezugvon
Lehrmitteln(Lesebücher,Grammatiken)undüberdieKonstitutiondesFachesstattfindendeDiskursein
denLehrerzeitschriften10wirdsprachübergreifendund-vergleichenddasFachvonzweiStandpunktenaus
beschrieben.WiranalysiereneinerseitsdieStellungunddieBedeutungdesFaches«Schulsprache».Neben
dieser«äusseren»Ordnungsollauchdie«innere»Ordnung,diesichaufdieOrganisationdesschulischen
WissensinnerhalbdesFaches–aufdenAufbauderVermittlungderInhalteundFertigkeiten,aufihre
GewichtungundReihenfolge–bezieht,indenBlickgenommenwerden.Diese«innere»Ordnungdes
FachesbasiertvorallemaufderAnalysevonLehrmitteln.
2ZurGenesedesFachesinzweiSprachregionenderSchweiz
ImfolgendenAbschnittpräsentierenwiraufderBasisdesimProjektanalysiertenMaterialszweikurze
BeschreibungenderGenesederFächerinderdeutsch-undinderfranzösischsprachigenSchweiz.
2.1DeutschsprachigeSchweiz:SprachunterrichtalsGesamtunterricht–DenkenundSprechenimZentrum
DermuttersprachlicheUnterrichtinderDeutschschweizwurdeinverschiedenenoffiziellenDokumenten
unterschiedlichbezeichnet,z.B.als«Sprachlehre»(vgl.LehrplanStadtZürich1847)oderals«Sprachfach»
(vgl.LehrplanAargau1862).InnerhalbdesSystemsSchulekommtihmeinebesondereRollezu:Dieim
RahmendieserOrdnungsstrukturvermitteltenliteralenFähigkeitenundFertigkeiten(LesenundSchreiben)
gehörenzudenKernelementenschulischenWissens.
IndenAargauerLehrplänendes19.JahrhundertsistdasFachfürdieGemeindeschulennochsehr
heterogenorganisiert:EsumfasstÜbungenzurAnschauung,zumMemorieren,zummündlichemAusdruck,
Lesen,SchreibenundDenkübungen.DieLehrplänemachenauchexpliziteHinweisezudenInhalten,diein
diesem«Fach»zubearbeitensind:«1.Erzählungen,vorzugsweisegeschichtlichenInhalts:a)
BibelgeschichtlicheZusammenfassungen.b)AusderSchweizergeschichte.c)BearbeitungderGleichnisse.
2.Beschreibungen,vorzugsweisegeographischeundnaturhistorische»(LehrplanfürdieGemeindeschulen
desKantonsAargau1862).AuchGrammatikspielteinewichtigeRolle,dasieunterdemBegriff
«Sprachdenklehre»als«eineSprachlehre,durchdiemanrichtigdenken,undeineDenklehre,durchdieman
richtigsprechenlernt»(Wurst1843:VIIIf.),betrachtetwird.DieInhaltederimSprachunterricht
verwendetenTextestammenalsoausGeschichte,GeographieundNaturwissenschaft.Diesesumfassende
VerständnisvonSprachunterrichtlegitimiertedennauchdiehoheStundendotation:circadieHälftealler
StundenwerdendiesemumfassendenSprach-undDenkfachzugeordnet;aufderOberstufereduziertsich
dieStundendotationetwaszugunsteneines4-stündigenFachs«Realien».Differenzierterstelltsichder
FächerkanonenindenFortbildungs-undvorallemindensog.Bezirksschulen(progymnasialeKlassen5–8)
bereitsab1866dar:HierwerdendieRealienfächereinzelnals«Geschichte»,«Geographie»,
«Naturgeschichte»und«Naturlehre»(neben«Rechnen»,«Geometrie»,«Buchführung»etc.)ausgewiesen
(vgl.LehrplanfürdieBezirksschulendesKantonsAargau1866,19).SprachunterrichtalsGesamtunterricht
waroffenbarnurfürdieallgemeineVolksschulbildungbzw.densog.Gemeindeschulenvorgesehen.Wasin
anderenKantoneninderVolksschulebereitsinmehrereFächeraufgeteiltist,wirdimAargaubisindie
1960erJahrealseinFachodereineGruppevonFächernverstanden.EswurdealsoganzimSinneeines
GesamtunterrichtsderLehrpersonüberlassen,wiesiedieZeitaufdiejeweiligenFächerbzw.(Fach-)Inhalte
verteilt.
AndersstelltsichdieSituationimKantonZürich–undinwenigerexpliziterFormauchimKantonSchwyz–
dar.Hierwirdschonfrüh–z.B.imLehrplanStadtZürichvon1847inder4.–6.Klasse–dasFach«Deutsche
Sprache»vondenRealienfächernunterschieden.Insgesamtwerden10Fächerbegrifflich,aberauch
inhaltlichmethodischunterschieden:Religion,DeutscheSprache,Rechnen,Geographie,Geschichte,
10
DiefolgendeSyntheseberuhtaufdenArbeitenderMitautorendesvorliegendenArtikels,dieaucheigeneBeiträgeim
vorliegendenBandpublizieren.DieseArbeitenundBeiträgeberuhenaufbereitsfertiggestellten(Monnier,2015;Tinembart,
2015)odersichinErarbeitungbefindlichenDissertationzurGeschichtedesGrammatikunterrichtsinderfranzösischen
(Darme)unddeutschenSchweiz(Nänny)undzurGeschichtedesSchreibunterrichtsinderDeutschschweiz(Furger).
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Kalligraphie,Zeichnen,Gesang,Geometrie,Naturgeschichte.IndenerstenSchuljahren(=Elementarschule)
umfasstderSprachunterricht1.Sprechübungen,welche«denSchülernebenderBildungdesOrganszum
Denkenanleiten,unddenselbenbefähigen,dasGedachtedurchdieRedeineinfachenSätzenrichtig
darzustellen»(LehrplanStadtZürichvon1847,S.6),2.SprachlicheSchreibübung,dieabernur
Orthografischesumfassen,3.Kalligraphieübungensowie4.Lesen,welches«leichtfasslicheStücke[…]
sowohlinProsaalsPoesie»(S.7)behandelt.
ÄhnlichwieimAargauzeigtsichderLehrplan1861imKantonZürich:Der«Sprachunterricht»,wienundas
Fachbezeichnetwird,umfasstDenk-undSprechübungen,LesenundSchreiben,LesenundErklären,
SprachlehresowieschriftlicherAusdruck.DanebenstehteinseparatesFach«realistischeBelehrungen»,in
demabder3.Klasse«AusderGeographie»,«AusderGeschichte»und«AusderNaturkunde»unterrichtet
wird.AufderhöherenStufesiehtmandieStrukturdesmodernenSprachunterrichtsdeutlicher,wiedas
folgendeZitatzeigt:
DerSprachunterrichtgliedertsichinderRealschuleundinderErgänzungsschulenurindiedreiRichtungen:
LesenundErklären,SprachlehreundschriftlicherAusdruckinderMeinung,daßdiebesondernDenk-und
Sprachübungen[eshandeltsichdabeiumdasEinübensprachlicherStrukturen,ohneAnalyse,A.d.V.]der
ElementarschuleauchohneAnordnungbesondererÜbungentheilsimgesamtenSchulunterrichtüberhaupt,
theilsnamentlichauchbeiderBehandlungderrealistischenFächerundbeiderVorbereitungderÜbungenim
schriftlichenAusdruck,besondersauchdurchdenGebrauchdesSchriftdeutschenvonSeitedesLehrersundder
SchülerbeständigihresorgfältigeAusführungfinden.»(LehrplanKantonZürich1861,S.10)
ZeigtalsodasZürcherBeispielwährendderzweitenHälftedes19.Jahrhundertseineziemlichrasche
Entwicklunghinzueiner«klassischen»KonzeptiondesFaches,siehtmanamAargauerBeispiel,dasses
auchTrägheitinderEntwicklunggebenkann,diesichsicherausdemKontexterklärenlassen,zumBeispiel
hierdurchdieIdeedes«Gesamtunterrichts»–voralleminderPrimarschule–dernormalerweisegetrennte
Elementeverbindet.
2.2FranzösischsprachigeSchweiz:derAufsatzalsMotorderVereinheitlichungdesFaches
DieAnalysesämtlicherSchulgesetzeund-reglementeundeinerAuswahlvonSchulprogrammenund
StudienplänenfürdenPrimarunterrichtindreiKantonen(Genf,Waadt,Freiburg)zeigt,dassderProzess
derBildungdesFaches«Français»ähnlichePhasendurchläuft,jedochzuetwasverschiedenenZeitpunkten:
derKantonWaadtgehtetwasschnellervoralsdiebeidenanderen.ImLaufedes19.Jahrhunderts
konstituiertsichalso«Français»langsamalsFach,ausgehendvonvorherklargetrenntenTeilenmitLesen
aufdereinenSeiteundGrammatikundOrthographieaufderanderen.EinHinweisdafür,dassesinder
erstenHälftedesJahrhundertsnochkeinewirklichfachlicheOrganisationgab,istdieTatsache,dassdie
offiziellenTextedieseUnterrichtseinheiten«objetsd’enseignement»(Unterrichtsgegenstände)nennen.
DasWort«branche»,einmöglichesWortfür«Fach»,tauchtindiesenDokumentenerstimletztenDrittel
desJahrhundertsauf.SeitdemEndeder1840erJahrediversifizierensichdieGegenständeundÜbungenzu
SpracheundstrukturierensichalsBestandteile(Grammatik,Wortschatz,Orthographie,Aufsatz,Sprechen
[élocution])einerEinheit.Endedes19.JahrhundertsverschmelzendieseBestandteilezusammenmitLesen
zueinemeinzigenFach.
DieserkurzskizzierteDiversifizierungs-undVereinheitlichungsprozessgehteinhermitdemAuftreten
neuerUnterrichtsgegenständeund-übungen,diewirhieramFallGenfillustrieren(derProzessverläuftin
denbeidenanderenKantonenähnlich).ImGesetzvon1848zuröffentlichenBildungtauchendie«Eléments
delalanguefrançaise»[ElementederfranzösischenSprache]inderListederUnterrichtsgegenständeauf.
ImSchulprogrammvon1854werdenunterdemTerminus«languefrançaise»ohneklareKlassifizierung
unterschiedlicheGegenständevereinigt,diederGrammatikundderOrthographieangehören,aberauch
Inhalte,diezuWortschatzundAufsatzgehören,wiezumBeispiel«elementareÜbungenzumAufsatz»im
letztenJahrderPrimarschule.IndenfolgendenSchulprogrammenerhöhtsichderAnteildesWortschatzes
unddesAufsatzes,auchwenndiejenigenvonGrammatikundOrthographieimmernochklarüberwiegen.
ManfindetzumBeispiel«kleineÜbungenschriftlicherundmündlicherEinfälle[inventions]»abderzweiten
Klasse(Programmvon1875).DerAufsatzunterrichterstrecktsichimmermehraufdieganzePrimarschule
undfolgteinerProgression,dievonNominalgruppen,wiemanheutesagenwürde,ausgehtundüber
einfacheSätzebiszuTextenführt.ZwischenGrammatikundAufsatzeinerseits–SchreibeneinfacherSätze
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isteingrammatikalischerGegenstand–undAufsatzundLesenaufderanderenSeitebestehteinestarke
Verbindung.LesenbietetModelle,diederSchülernachahmensoll,umschliesslichpersönlicheTexte
redigierenzukönnen.
ParallelzudenUnterrichtsgegenständender«languefrançaise»trittseitdemletztenDritteldes19.
Jahrhundertsdie«leçondechose»[Anschauungslektion]auf,zuerstinderFormvon«entretiensfamiliers»
[familiäreGespräche],dieganzamAnfangdesSchulprogrammesstehen,undvondenanderenFächern
getrenntsind,unddannspäterindasFach«Muttersprache»integriertwerden.LesenwirdumRezitation
ergänzt.DerProzessderEntstehungdesFaches«Français»endetEndeder1880er-Jahremitder
EingliederungdesLesensindasEnsemblederKomponenten,diebereitsunterdemTitel«languefrançaise»
vereintsind.DasneueFachbildetjetzteineinheitlichesDispositiv,dasgemeinsameZieleundZwecke
verfolgt.ImProgrammvon1880bildetdasFach«languematernelle»eineEinheitvondreiKomponenten:
«leçondechose»(verschwindetum1920),LesenundRezitieren,Grammatik,WortschatzundAufsatz.Die
steigendeWichtigkeitdesAufsatzesabden1860/70er-Jahren(imKantonWaadtschonseit1846)bildet
wohldenzentralenFaktorderVereinheitlichungderverschiedenenKomponentenvon«Français»zueinem
Fach.EristeinerseitsdirektmitGrammatikverbunden,andererseitsmitLesen:Texterklärung,Berichtüber
GelesenesundgrammatikalischeAnalysenerlaubenesdemSchüler,dieCharakteristikenderTextezu
identifizieren,diesoalsModellefürseineeigenenTextedienenkönnen.
AufderSekundar-undGymnasialstufesiehtmanindenjährlichherausgegebenenProgrammenebenfalls
diefortschreitendeInstitutionalisierungdesFaches«Français»,dassichzuerstindenunterenKlassen
etabliert,mitderBildungvon«classesfrançaises»seit1836,sichdannseit1886auchindenhöherenStufen
findet,woesdieKurseinRhetorikablöst.DasFachorganisiertsichumdieselbenKomponentenwieinder
Primarschule,aberinanderenProportionen:AufsatzundLiteraturnehmenindenunterenSekundarklassen
gegenüberWortschatzundGrammatiküberhandundsinddannaufGymnasialstufequasidieeinzigen
KomponentendesFaches.
Zusammenfassendkönnenwiralsofeststellen,dasssichinderfranzösischsprachigenSchweiz«Français»
im19.JahrhundertalsFachkonstituiert–zuerstunterderBezeichnung«branche»oder«cours»,erstspäter
«discipline»–,wobeiessichimletztenDrittelalseinDispositivstabilisiert,dassehrlangefunktionierenwird
undbisheutediePraxisindenSchulklassendominiert.Esverändertundentwickeltsichnatürlich,wiewir
sehenwerden,aberbleibtinseinenGrundlagenbisindie1960erunberührt.
2.3Gleich,ähnlich,verschieden?
AlserstesfallenbeiderDarstellungderGenesedesFachesErstspracheinderSchweizvorallemdie
Ähnlichkeitenauf,diemaninvierCharakteristikenzusammenfassenkann:
−
−
−
−
ÄhnlicheChronologie(vgl.hierzuKapitel3)
AllmählicheTrennungdesFachesvonanderen(AbgrenzungvondenRealienfächernundder«leçons
dechoses»)
InnereOrdnungderFachesmitdengleichenKomponenten(LesenundErklären/Rezitieren,Aufsatz,
Grammatik/Sprachlehre)
Komponenten,diedievielfachenZieleundZweckeverkörpern,diedenUrsprungdesFachesbilden,
undzugleichseinegrosse«Heterogenität»begründen
EslassensichjedochauchUnterschiedeerahnen,diewiruntenausführlicherdarstellenwerden.Die
WichtigkeitvonDenk-undSprachübungenaufdeutschsprachigerSeitefindenkeinewirkliche
EntsprechungaufderanderenSeitederSprachgrenze.Undumgekehrt,auffranzösischsprachigerSeite
erscheintderAufsatzalsMotorderVereinigungdesFaches,alsMittelgliedzwischenGrammatikundLesen;
inderDeutschschweizhattederAufsatznichtdieseFunktion,obwohlerim19.Jahrhundertauchengmit
demGrammatik-undLese-bzw.Literaturunterrichtverbundenwar.VielmehrdientedasSchreibendazu,
dieFähigkeitzumselbständigenDenkeninallenFächernauszubilden.
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3ZweiüberregionaleZäsureninderFachgenese
DieKonsolidierungdesFaches«Muttersprache»,wasauchzueinerallgemeinenAnhebungdes
AusbildungsniveausderganzenBevölkerungführte,undinsbesondereauchdieErhöhungdes
AusbildungsniveausderLehrpersonen,erforderteneineVeränderungderdidaktischenKonzepte:Diese
wurdendannimLaufedes19.und20.Jahrhundertsentwickelt.EslassensichdabeizweiZäsuren
bestimmen,diebeidenSprachregionengemeinsamsind.DieersteführtzueinerAnpassung,diezweitezu
einerRekonfigurationdesFaches.
3.1DiePhasederKritikundderAnpassungdesFaches
DieersteZäsurbahntsich–wennauchnochehermarginal–um1900anundverbreitetundverstärktsich
dannvorallemnachdemerstenWeltkrieg.SiemanifestiertsichimganzenwesteuropäischenKulturraum
mitseinensichalsökonomischundkulturellherausbildendenZentren,den(Gross-)Städten.Dasschulische
WissenundseineOrdnung,diesichbiszumEndedes19.Jahrhundertsherausgebildetundetablierthat,
wirdunterderPerspektivederIndividualisierung,derSchülerInnenaktivitätundderKindzentrierung
infragegestellt.PädologieundPsychologiesindReferenzen,umdieseEntwicklungauchwissenschaftlich
zulegitimieren.AllerdingswerdenindieserPhasewenigerinhaltlicheUmstrukturierungendesFaches
angestrebt,sondernvielmehrVeränderungenindenUnterrichtsmethoden.Voralleminden1920erJahren,
inderDeutschschweizzumBeispielmitdemfürlangeZeitdieDiskussioninderDeutschschweizprägenden
Buch«DerDeutschunterricht»vonOttovonGreyerz1921(vgl.zuvonGreyerzauchSieber1987),greifendie
VorschlägederReformpädagogikoderderEcoleactiveundbewirkentiefgreifendeVeränderungenim
Unterricht,umsomehralszumBeispielinderfranzösischsprachigenSchweizderLehrervereinSociété
pédagogiqueromandeoffiziellfürdieReformbewegungStellungnimmt.
AmBeispieldesAufsatzunterrichtsimFach«Deutsch»lassensichdieseEntwicklungengut
veranschaulichen:Im19.JahrhundertwarendieHauptmethodenimSchreibunterrichtdieNachahmungvon
ModellenunddasSchreibennachMustern.ImZugederReformpädagogikverändertsichder
SchreibunterrichtinRichtungeinerkreativenTätigkeit.InderZeitschriftSchweizerSchulefindetmandazu
folgendeBeo-bachtung,diedieneueAusrichtunggutillustriert,auchwenndiesesichnichtgenerellund
radikaldurchsetzte:
DerAufsatzwilllebendigsein,mussessein.Dieswirdernur,wennderSchreiber,derSchüler,seinEmpfinden
zumAusdruckbringendarf.Unmöglichistihmdieszumeistimstarren,gebundenenAufsatz.DamussdasKind
dieWorteundGedankenseinesLehrers,oftsogareinenabgeschmacktenMusteraufsatzauseinerveralteten
Sammlung,nachmehrmaligemVorlesenschriftlichwiedergeben.WiekaltistdieseArbeitimVergleichmiteinem
unverdorbenen,natürlichen,lebenswarmenKinderaufsätzchen.DieFreude,nachderdasKindlechzt,wirdihm
völliggebotenimfreienAufsatz.(Giger1922,S.71)
InderfranzösischsprachigenSchweizfindeteineanalogeVeränderungstatt.ImAufsatzunterrichtder
Primarschulebestehtsiehauptsächlichdarin,dassdieSubjektivitätderSchülerstarkaufgewertetwird,
zumindestindenDiskursenundindenschulischenSituationen,diegeschaffenwerden,umSchülerzum
Schreibenzubewegen.Allgemeingehtesdarum,denSchülerinnenundSchülernRaumfür
Ausdrucksfreiheitzugeben.DerSchülersoll«seineeinfachenGefühleausdrückenkönnen:Freude,Trauer,
Unruhe,dieerfähigistzuempfinden»(Juncker,1910,S.84).
FürihrenKongressimJahre1932hatdieSociétépédagogiqueromandeeinenTextpubliziert,indemdie
neueArt,dieSchülerinnenundSchülerzumSchreibenzubewegen,beschriebenwird.Siewirdlangfristig
Erfolghaben:
EsistnichtimmerleichtindiesoganzbesondereWeltdesKindeseinzudringen.UnsereSchülerliebendie
Handlung,dasLeben[...]Schlagenwirihmdeshalbnichtmehrvor,vomSchneezureden,eineKatzeodereinen
HundoderseinenkleinenBruderzubeschreiben,sondernfragenwirihn,waserdenngesehenhat,alsder
Schneefiel,alsMinetmitdemWollknäuelspielte,wennMedoranseinemKnochennagteoderwennseinkleiner
BruderseinenBreiass.(Jacot,1932,S.134).
AufbeidenSeitenderSprachgrenzebeobachtetmanalsozurgleichenZeiteineBewegungvonBruchund
KontinuitätinBezugaufdiefrüherePraxis:Bruchdadurch,dassdieKonzeptionvonSchreibenals
Nachahmungaufgegebenwirdunddass,inderPrimarschule,dasErlebendesKindesAusgangspunktwird;
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Kontinuitätinsofern,alsinderSchuleaufpraktischenNutzenausgerichteteTextsortenkaumnoch
geschriebenwerdenunddieliterarischeAusrichtungimmerwichtiger,jasogardominantwird.Kontinuität
auchdadurch,dassSchreibenalsDarstellungvonWeltundnichtalsKommunikationverstandenwird.
AuchimLesenzeigensichVeränderungen:DieersteGenerationvonLesebücherninallenKantonenundin
beidenSprachregionenhatteeinedoppelteFunktion,diediebeidenAutorendeserstenBuches,dasinden
KantonenGenfundWaadtverwendetwurde,sehrpräzisbeschreiben:«EinLesebuchsollzuallererstein
Studienbuchsein;esistdieEnzyklopädiedesPrimarschulunterrichts»(S.3);aberesistauch,fahrensiefort,
eine«Chrestomathie,dieModelleallerliterarischenGenresvorstellt»(Dussaud&Gavard,1871,S.7).Man
findeteinenähnlichenAufbauindenFreiburger,Aargauer,SchwyzerundZürcherLesebüchern,wobeidie
FunktionderTexteindenDeutschschweizerLesebüchernwenigeraufderStilbildungalsvielmehraufder
Gesinnungsbildung,dermoralisch-ethischenErziehungliegen(vgl.dazuauchJ.EdelmanninderSLZ1899,
201–204).
InderzweitenPeriode,diedieReformpädagogikbewegungeinläutet,vollziehtsicheinWandel.Das
LesebuchwirddasBucheineseinzigenFaches,nämlichder«Muttersprache».Dasgemeinsame
CharakteristikumdieserBücherderzweitenGenerationistinderRomandieihreReferenzauf«Literatur»11,
inderDeutschschweizsindesweiterhinnarrativeTextederLesebuchautoren,welchevorallemaufdie
moralischeundnationaleErziehungzielen.DieThemen,diebehandeltwerden,bleibenaberinbeiden
SprachregionenzumgrossenTeildieselben:dieAlpen,dasLand,PorträtsvonSchweizerHelden,jedoch
immermehrauchGeschichtenvonKindern,dieausderKinderliteraturstammen.
WasdenGrammatikunterrichtanbelangt,sinddieVeränderungenwenigergross.DieBegriffe,die
behandeltwerden,bleibendieselben.MündlicheSprachewirdmehrberücksichtigt.AufDeutschschweizer
SeitewirdingewissenGrammatiken,wiezumBeispielinderjenigenvonOttovonGreyerz(1900),der
besondersoffengegenüberNeuerungenscheint,überMundartreflektiert;aufderanderenSeiteder
GrenzeschlägtAtzenwiler(1933)eineinnovative,induktiveMethodevor,inderergrammatischeÜbungen
ausgehendvonmündlichenAussagenderSchülerfordert.ZugleichscheinensichdiebeidenFächer
«Deutsch»und«Français»indiesemBereichauchauseinanderzubewegen:Währendinder
französischsprachigenSchweizderGrammatik-undAufsatzunterrichtverbundenbleiben,löstsichinder
deutschsprachigenSchweizderGrammatikunterrichtimmerstärkervomAufsatzunterricht.EinHinweis
daraufgebenzeitgenössischeGrammatiken(wiez.B.Utzingers«DeutscheGrammatik»),indenendie
«Wortlehre»immeröfterder«Satzlehre»vorausgeht,dasheisst,dassderGrammatikunterrichtvomWort,
vomBegriffundnichtvomSatzbzw.Textausgehensoll(vgl.Kapitel4.2).AuchwennindenDiskursenin
denLehrerzeitschriftenderGrammatikunterrichtimmerwiederdamitbegründetwird,dassernebendem
DenkenauchdieschriftsprachlicheAusdrucksfähigkeitbildet.AufderanderenSeitederSprachgrenze
zeichnetsichdieersteHälftedes20.Jahrhundertsdadurchaus,dasswichtigemethodischeInnovationen
vorgenommenwerden.DasersteinterkantonaleGrammatikbuch(Vignier,1916)schlägtbeispielsweise
einensystematischeninduktivenAnsatzvor.
3.2PhasederRekonfigurationdesFaches
Inden1970er-JahrenbeginntinbeidenSprachregioneneinedurchVeränderungderInhalteundder
AusrichtungdesFachesgekennzeichnetePhase.DieVeränderungengeschehenimKontexttiefgreifender
schulischerReformen,dieaufDemokratisierungdesSchulsystems(HofstetterundMonnier,2015)undauf
einehöhereQualifikationderBevölkerungabzielen,umaufForderungenderWirtschaftzureagieren,die
sichimmerstärkertertiarisiert(Banken,Versicherungenusw).12
11
Esisthierinteressantzubemerken,dassinbeidenSprachregionen,wieauchinFrankreich(Chartier,2007)und
Deutschland(Frank,1973),dasPrinzipselbsteinesLesebuchsinFragegestelltwurde,umanseinerStelle«wirkliche»Bücher
zugebrauchen.ZeugnisdafürgibtfolgendesZitatausderSchweizerischenLehrerzeitung:«DieAusführungenhaben
erwiesen,daßeinLesebuchseinenAufgabennichtvölliggerechtwerdenkannundesdurchetwasBesseres,Gesamtwerke
derJugendliteratur,ersetztwerdenkönnte.»(SLZ1922,S.98)
12
SolcheErfordernissederWirtschaft,desStaats-undRechtswesensgabesauchim19.Jahrhundert.Wasunteranderem
auchdazuführte,dassnichtmehrnurdasLesen,sondernauchdasSchreibengelehrtwurde(vgl.Messerli2002;Büttner,
2015),bishinzumVerfassenvonGeschäftsbriefenund-verträgensowiezumUnterrichtinBuchhaltungindenKlassen6–8
derVolksschule(vgl.R.Brunner«DieAufsatzübungeninderVolksschule»inderSLZ1887).
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DieseReformenstellendieklassischeKonfigurationdesFaches«Deutsch»und«Français»inFrage.Im
BereichdertheoretischenGrundlagendesUnterrichtsfindeteineAbkehrvonderVorstellungvonSprache
alsDarstellungvonWeltundDenkenundeinezunehmendeHinwendungzueinerkommunikativen
KonzeptionvonSprachestatt.«SprachelernenistKommunizierenlernen»schreibenzumBeispieldie
AutorendesgrundlegendenWerksderRenovationdesSprachunterrichtsinderfranzösischsprachigen
SchweizMaîtriseduFrançais(Besson,Genoud,Lipp&Nussbaum,1979).DiegrosseBedeutung,dieder
Kommunikationzugeschriebenwird,wirktsichdahingehendaus,dassverschiedensteSprachtätigkeiten
aussozialenPraxeninderSchulebehandeltwerden.
IndenamtlichenDokumentenistvorgesehen,dassvielfältigeTextsorten–mündlicheundschriftliche–
behandeltwerden,dievielfältigenKommunikationssituationenentsprechen.WasGrammatikunterricht
anbelangt,siehtdasvorhinzitierteWerkvor,BegriffeausderLinguistikeinzuführen.DieArtundWeise,
denSatzundseineKomponentenzubeschreiben,wirdgänzlichrevidiertundMethodenformalerAnalyse,
dieauchdirektlinguistischenOperationenentsprechen,werdeneingeführt.
ÄhnlicheVeränderungenzeigensichauchaufdeutschsprachigerSeite.ImSchreibunterrichtder
Deutschschweizfindetinden1970erJahreebenfallseinekommunikativeWendestatt:DasKonzeptdes
Aufsatzschreibens,dasaufeinenAdressatenausgerichtetwird,verbreitetsichimmermehr.Esberuhtauch
stärkeraufeinerDidaktik,dieMündlichkeitindenBlicknimmt.WichtigeVeränderungenfindenauchim
Grammatikunterrichtstatt,hierebenfallsaufderGrundlagederSprachwissenschaft(vgl.Glinz1993).Die
KategorisierungderWörterzumBeispielwirdgrundlegendverändert,indemdieEinteilunginfünf
WortartenneunachdemHauptkriteriumderformalenVeränderbarkeitvorgenommenwird.Auchinder
SatzlehresetzensichNeuerungendurch:SatzgliederwerdennunmitgrammatischenProbenbestimmt
(Glinz,1972–1980,SchweizerSprachbuch).DerdabeiangewandteallgemeineGrundsatzwirdwiefolgt
beschrieben:DieSchülersollensichnichtnurdeklarativesWissenbezüglichderSprachstrukturaneignen,
sondernsollendurchdasVerwendenvonProben,dielinguistischenOperationengleichen,Wortkategorien
undSatzteilekonstruierenkönnen.
WasdieLesebücheranbelangt,sokannman–nebenderTatsache,dassdieBüchergrösserundviel
farbigerwerden–dreiEntwicklungenfeststellen:a)SieenthaltenverstärktKinder-undJugendliteratur
(welcheklassischeAutorenderLiteraturbzw.dieErbauungsgeschichtenindenunterenKlassen
verdrängen)unddieAutorenwerdeninternationaler,derengeBlickaufdieSchweizwirdweiter;b)die
Themenverändernsich:siesindwenigeridentitätsstiftend(aufRegion,KantonoderNationausgerichtet),
sonderneswerdensozialeundindividuelleProblemebehandelt;dazukommenspielerischeund
unterhaltendeTexte;c)dieTextsortenwerdentendenziellvielfältiger.
Fazit:DiehierskizziertenCharakteristikenlassendenSchlusszu,dassinbeidenRegionenaufdieGenese
desFachesinderzweitenHälftedes19.JahrhundertszweiPeriodenfolgen,indenenwichtige
Veränderungenstattfinden.DieersteorientiertsichmehranderindividuellenundsubjektivenDimension
vonSprachlernen,ohnedassdieinhaltlicheSubstanzdesFachesverändertwird.Diezweiteistdurcheine
grundlegendeNeuorientierungamkommunikativenAspektvonSpracheunddurchneueBegrifflichkeiten
imGebietderSprachanalysecharakterisiert.
4MöglicheUnterschiede:einigeprovisorischeProbebohrungenins«Fach»
ImnächstenSchrittwollenwirimDetaildieinterneOrdnungsstrukturdesFachesundseineZieleund
Zwecke,wiesiesichaufbeidenSeitenderSprachgrenzeentwickelthaben,beobachten.Wirtundieshier
probehalber,indemwirIndiziensammeln,dieeserlauben,möglicheUnterschiedezuumreissen,dieinder
ArtundWeisebestehen,wieimUnterrichtbeidenSchülerinnenundSchülerneinVerhältniszurSprache
aufgebautwird.DazubehandelnwirsummarischdreiBereichedesSprachunterrichts:Lesen,Grammatik
undSchreiben.
4.1Lesen:zweikontrastiertedominanteModelle
EinesystematischeAnalyse13vonLesebüchernausdendreiPeriodeninjedreideutsch-und
französischsprachigenKantonenzeigt,dassinnerhalbdergemeinsamenTendenzeninderEntwicklung
13
MehrDetailsdazuimBeitragvonSchneuwlyindiesemHeft.
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11
unterschiedlicheAkzentebestehen.TrotzVariationenzwischendenKantonenindenSprachregionen
scheintesinderTatmöglich,diebeidenSprachregionenzukontrastieren.Inderfranzösischsprachigen
SchweizscheintderUnterrichtsichehernachdem«kulturellenModelldesliterarischenLesens»(Chartier,
2007)zurichten,währenddiedeutschsprachigeRegionehereinModellvorzieht,dasHelmers(1970)als
«LesebuchimDiensteinerbürgerlichenGesinnungsbildung»bezeichnet.Natürlichfunktioniertkeinesder
ModelleinReinformundbeinhaltetimmerauchElementedesanderen(dazukommt,dassinbeidenauch
moralischeElementevorhandensind,diedemerzieherischenModelldesmoralischenLesenswiees
Chartier,2007,definiert,entsprechen).
MehrereIndikatorenunterstützendieseInterpretation.IndenfranzösischsprachigenLesebüchernbesteht
praktischimmereineReferenzzurLiteratur.Diesogenannte«lectureexplicitée»[explizierendesLesen],
dienichtnurdenInhalt,sondernauchdiegutesprachlicheFormexpliziert,wirdindenVorwörternund
Schulprogrammenregelmässigerwähnt;undderUntertitelderLesebücheristsehroft«Auswahl
literarischerTexte».DieTexteindenLesebüchernstammenziemlichoftausdersogenannten
«Hochliteratur»,diesichvonUnterhaltungs-,Trivial-undJugendliteraturunterscheidet.Dazukommt,dass
konstantBezugaufdieliterarischenGenresgenommenwird,auchwennsieinderzweitenPeriodeals
Aufbauprinzipnichtdominiert.DietextuelleFormbildetalsoeinentscheidendesOrganisationsprinzipder
Texte,diedieAuswahlunddieLektüreinderKlasseorientiert.IndendeutschsprachigenLesebüchernder
SchweizfindetmannieliterarischeGenresalsOrganisationsprinzip,dieOrganisationistimmerthematisch.
4.2Grammatik:voneinerähnlichenAusrichtungüberDifferenzierungzuvergleichbaremAnsatz
ImGrammatikunterrichtkannindenzweierstenPeriodenFolgendesbeobachtetwerden:Auf
DeutschschweizerSeitezeichnetsicheinekontinuierlichePräsenzzweierTeileab,diebereitsindenersten
grossenSchweizerGrammatiken–vonWurst(1837)undvonScherr(1847)–vorhandensind:Einerseits
eineWortlehre,diesichandietraditionelle10-Wortarten-LehrenachAdelunganlehnt,undeineSatzlehre,
dieBeckerinden1820er-Jahrenentwickelthat.
EberhardformuliertdieexplizitetheoretischeBasisinseinemLehr-undLesebuch:«DieMenschenkönnen
denkenundihreGedankeninWortenaussprechen,umsieauchanderenMenschenmitzutheilen.Die
Worte,dienothwendigsind,umeinenGedankenauszusprechen,bildenzusammeneinenSatz»(1872,2.
Teil,S.435).
IndenGrammatikengehtdieSatzlehrederWortlehrevorausunddominiertdenGrammatikunterricht.Sie
erlaubtzahlreicheTransformationsübungenfürSätzeverschiedenenTyps.OftfolgtaucheineAufsatzlehre,
dieunteranderemÜbungenzurrichtigenWortwahlenthält.Inseiner«DeutschenGrammatik»von1887
kehrtallerdingsUtzinger–aufausdrücklichenWunschderLehrpersonen–dieReihenfolgeSatzlehreund
Wortlehreumundunterscheidetsiedarüberhinausklarer.DerEffektdieserUmkehrungscheintklar:Die
ÜbungenzielennichtmehrhauptsächlichaufdasSchreiben,sondernesgehtnunvorallemdarum,die
Begriffezulernenundzuvertiefen.DamitfindetderGrammatikunterrichtwiederzunehmendvonanderen
BereichendesDeutschunterrichtsisoliertstatt.
AuffranzösischsprachigerSeitebildetdievonPèreGirardentwickelteMethodedenAusgangspunktdes
Grammatikunterrichts.HierzeigtsichdieNähezuEberhard:
ManmusssichnachdemGrundderSpracheausrichten,undmitdemBeginnbeginnen,SchrittfürSchritt
vorangehenvomeinfachenzumzusammengesetzten,unddenKinderndenkenlehren,ihnenverstehenunddie
SprachederMenschensprechenlehren.[...]EineanderewichtigeSacheineinemerzieherischenKurszurSprache
ist,dieKinderständiganderErschaffungderSpracheteilhabenzulassen.»(Girard,1850,S.10f.).
ImZentrumstehthieralsodieSyntaxundihreAnalyseeinheit,derSatzoderdieProposition.Manfindet
hierdieengeBeziehungzwischenSpracheundDenkenwieder,dieauchBecker,aufbauendaufHumboldt,
postuliert.BeidestellendenSatz,derihrenAnsichtenzufolgealsEinheiteinemGedankenentspricht,in
denMittelpunkt.Ayer,einNachfolgervonGirard,derdasMandaterhältfürdiefranzösischsprachigen
KantoneeinGrammatikbuchzuschreiben,wirdgenauhierweiterbauen.Erbeziehtsichexplizitauf
HumboldtundseineTheoriedesVerhältnisseszwischenSpracheundDenkenundaufBecker:«Eswarnoch
derdeutschenWissenschaft(W.HumboldtundK.F.Becker)vorbehalten,diewirklichenBeziehungen,die
SpracheundDenkenvereinigen,insLichtzurücken,undaufdiesenBeziehungendasStudiumder
Schneuwly,Lindauer,Darme,Furger,Monnier,Nänny,Tinembart
12
Grammatikzugründen.»(1870,S.22).IndemsiedasBeherrschendesSatzesinsZentrumdes
Grammatikunterrichtsrücken,schlagenGirardundAyervor,einerseitseinedamalsneueVerbindung
zwischenGrammatikundAufsatzzuschaffen,undanderseitseineneueProgressionundLogikder
Schulgrammatikzugründen.DieGrammatikhatdemnachsowohldenAusdruckdesDenkensalsauchdie
AnalysederSprachezumZiel.
DiesenerstenAnalysenzufolgescheinenimBereichderGrammatikalso–zumindestwährenddesletzten
Drittelsdes19.Jahrhunderts–grosseÄhnlichkeitenzwischendenSprachregionenzuherrschen,diesichin
ihrerPraxiskaumunterscheiden:DerSatz,AusdruckdesGedankens,giltalsgrundlegendeAnalyseeinheit.
InhaltlichverändertsichderGrammatikunterrichtinderDeutschschweizinderzweitenPeriodekaum.
ZwarintegrierenvonGreyerzundStuderinihrenLehrmitteln«DerkleineSprachschüler»(1908)und«Der
Sprachschüler»(1921)dialektaleElemente14,aberbeidefolgenderseitdemAnfangdesJahrhunderts
eingeführtenStruktur,diemitderWortlehre,dienunderSatzlehrevorangestelltwird,beginnt,wobeieine
LautlehrealsEinleitungdient.DieserneueAufbau–WortlehrevorSatzlehre–setztsichinder
Deutschschweizdurch.AufdidaktischerEbenesindwenigeVeränderungenzubeobachten.
AuffranzösischsprachigerSeitekönnenindieserZeitEntwicklungenbeobachtetwerden,dieineineetwas
andereRichtunggehen:EswirdregelmässigexplizitaufLinguistenverwiesen,diesichfüreineReformder
Grammatikunterrichtseingesetzthaben(unteranderemBrunotundBally15).AufdidaktischerEbeneistdie
ersteHälftedes20.Jahrhundertsdadurchgekennzeichnet,dassneueMethodendesUnterrichts
eingeführtwerden.DieGrammatikVigniers(1916)iststarkinduktivausgerichtet,undAtzenwiler(1933)
schlägteinenneuenAnsatzvor,indemergrammatikalischeÜbungenaufgrundmündlicherArbeit
vorschlägt.AusserdembehaltenVignierundAtzenwilerbeidedenSatzklarimFokus,waszurFolgehat,
dassdieGrammatikweiterhindenAufsatz,undbeiAtzenwilerdarüberhinausauchdenmündlichen
Ausdruck,imBlickpunkthat.
InderdrittenPeriodelässtsich–vordemHintergrundscheinbarerUnterschiede–wiedereineAnnäherung
zwischendenbeidenRegionenbeobachten:aufdereinenSeitewirdaufdenDistributionalismusunddie
generativeundtransformationelleGrammatikBezuggenommen;aufderanderenSeiteaufdieGrammatik
vonGlinz(1952)undGlinz,BoettcherundSitta(1970–1972),aberauchaufdienormativeunddeskriptive
DudengrammatikfürdieStandardsprache.DieAnnäherungkannmitfolgendenPunktenhiernurskizziert
werden:SystematischerBezugaufsprachwissenschaftlicheBegriffe;BeibehaltendesSatzesals
Analyseeinheit,deraberauseinemstriktsyntaktischenStandpunktangegangenwird;Autonomisierung
dergrammatikalischenAnalyseinBezugaufdieanderenKomponentendesSprachunterrichts;Verwenden
linguistischerVerfahren(Proben,Sprachmanipulationen),umBegriffeinduktivundkonstruktivistisch
aufzubauen.
4.3Schreibenlernen:eingemeinsamerUrsprung–vergleichbareZäsuren–signifikanteUnterschiede16
ZwischendenAnsätzen,ZielenundFunktionendesGrammatikunterrichtsbeiBeckerundGirardkonnte
einegewisseNähefestgestelltwerden.Esistdahernichterstaunlich,dassmanauchimAufsatzunterricht
ähnlicheMethodenfindet.AuffranzösischsprachigerSeiteschreibtJosseaume(1847),dass«inderTat,
indemmandieSchülereinfacheIdeenausgehendvongegebenenWörternmachenlässt,begonneneSätze
vervollständigenlässt,und,vomEinfachenzumZusammengesetztenfortschreitend,siekleineSätzebilden
lässt,führtmansieunmerklichzumAufsatzvonkleinenAnekdoten»(S.43).JohannHeinrichLutz(1885)
schlägtaufderanderenSeitederSprachgrenzevor,dassmanMusteraufderEbenederSätzegebe:zuerst
einfacheundzusammengezogeneSätze,anschliessendunterschiedlicheArtenvonmehrfachverbundenen
Sätzen.DaranschliesstdanndieTextproduktionan:NachdemdieSchülerundSchülerinnendie
14
DanebenexistierenaberauchweiterhinzahlreicheLehrmittel,indenendialektaleElementehöchstensamRande
miteinbezogenwerden.
15
ZumEinflussvonBallybzw.deSaussureundSéchehayeaufGlinzunddamitaufdieGrammatikdidaktikinder
Deutschschweiz,vgl.Glinz,1986,verwiesennachGlinz1993,73ff.
16
VorliegendesTeilkapitelberuhtzumTeil,wasdiedeutschsprachigeSchweizbetrifft,aufdemTextvonFurgerundNännyin
diesemHeftundwirddaherimVergleichzurRomandieetwasknapperdargestellt;fürdiefranzösischsprachigeSchweiz
sieheSchneuwly(1986,1992).
Schneuwly,Lindauer,Darme,Furger,Monnier,Nänny,Tinembart
13
verschiedenenSatzartenundVerbindungenderselbengeübthaben,werdendiesezuTexten
zusammengefügt.DieserdirekteAnschlussandieGrammatikdesSatzeswirdnichtwirklichaufgegeben:
derSatz–Denk-undVorstellungseinheit–bleibteinwesentlicherBezug.Paralleldazu,undmehrundmehr
demModelldesRhetorikunterrichtsder«BellesLettres»folgend,setztsichderTextalsModell,dasman
analysieren,reproduzierenundnachahmenmuss,alsArbeitseinheitdurch.Eigentlichhandeltessichum
einedoppelteMethode:einerseitsLektüreundvertiefteAnalyseeinesTextes;andererseitseinPlanfür
einenText.
Diese«Textpläne»werdenindenbeidenSprachregionenähnlichangeleitet:Aufderdeutschsprachigen
SeitestehtzumBeispielbeiMeisser(1876,S.7):«UmeineBeschreibungzuverfassen,mussmaneinenPlan
erarbeiten,dasheisst«Fragen,diedenAufbaudesTextesanzeigen:WasistderStuhl?WelcheTheilehater?
WasistseinStoff?usw.».AufderfranzösischsprachigenSeitegibtFavez(1866/67)folgendesBeispiel,um
eineBeschreibungzuerarbeiten:«WasisteineWandtafel?Esisteingrosses,schwarzgefärbtesBrett.Was
machtmanaufderWandtafel?ManschreibtmiteinerweissenKreide.–etc.»(S.380),waszueinemText
führt.
InderdeutschsprachigenSchweizkommendieThemenfürdieTextezunächsthauptsächlichausden
anderenFächern.DasSchreibenhatsomitinersterLiniedieFunktion,Wissenzureproduzierenund
überprüfbarzumachen.InderWestschweizwerdenliterarischeGenreseingeführt,dieeinerProgression
folgen,dieüberJahrzehntesehrlangestabilbleibt;unddieanalysiertenTextesindimmerliterarische
Texte.OffensichtlichhatSchreibenlernenhiereinedoppelteFunktion:Esgehtdarum,dieExistenzeiner
einzigen,schönenSprache,desFranzösischen,anzuerkennen–esistdieseineNormimWissen(«normede
connaissance»;Bronckart1983);undesgehtdarum,nachgewissenRegelnSchreibenzulernen–eine
NormdesFunktionierens(«normedefonctionnement»).
WährendderJahrhundertwendeinderdeutschsprachigenSchweiz,etwasspäterinder
französischsprachigenRegion,wird–imZugederReformpädagogik–dieMethodedesSchreibunterrichts
durchNachahmungundPlanmassivinFragegestellt.Siewirdals«Gängelmethode»bezeichnet(Gewolf,
1905,S.224).DieÄnderungderKonzeptiondesKindesmanifestiertsichinStellungsnahmenbezüglichdes
AufsatzunterrichtswiedieFolgende:
DurchdiesinnlicheErfassungderAussenweltmusssichimKindeallmäligeininneres,geistigesVerhältniszur
Wirklichkeitentwickeln,damitInteresseentsteht.DiesesInteressemüssenwirdanninseinerpersönlichenArt
sichaussprechenlassen.DasinteressevolleVerhältnisdesKindeszurWirklichkeitwirdaberauchseineSprache
zurReifebringenunddieseSprachewirdauchvomGeisteerfülltsein.(Anonym,LZPV1906,S.30)
AuchhierfindetmaninderanderenSprachregionähnlicheBemerkungen,sogarmitBezugaufdie
Psychoanalyse:«EineMengevonIdeen,vonBeobachtungen,vonvergangenenEmotionenfindensichim
UnterbewusstseindesKindes.Manmusssieherausholen[...]ManmussAssoziationenbilden,das
AuftauchenvonlatentenIdeenaufeinerbewusstenEbeneprovozieren»sagtDottrens(1940,S.376),einer
derwichtigstenVertreterder«Ecoleactive».DiedidaktischenFolgerungen,dieausdiesenAnalysen
gezogenwerden,scheinenjedochindenbeidenSprachregionennichtdieselbenzusein.
InderdeutschsprachigenSchweizorganisiertsichderDiskursumdreiBegriffe:der«gebundeneAufsatz»
dererstenPeriodewirddurchdieForderungnach«freienAufsätzen»bekämpft(manfindetÄhnlichesbei
FreinetundanderenradikalenAnsätzenderéducationnouvelle)(vgl.Ludwig1988).IhreRealisierungzieht
einekompletteIndividualisierungdesUnterrichtsnachsich.EinesoradikalePraxisistkaum
verallgemeinerbar,umsowenigeralssienichtdieerwünschtenResultatezeigt:
DerAufsatzdarfwederdaseinenochdasandereExtremsein,wederdergeknechtetegebundeneAufsatz,noch
derplanlosefreie.WirmüssenalsoeinengoldenenMittelwegsuchen:vonbeidennehmen,wasgutist!(Fetz,
SchweizerSchule1934,S.102)
DerWegistoffenfüreinedritteForm,diesehrraschdominiert,nämlichfürden«sprachbildenden
Aufsatz».UmzugleichdenBedürfnissendestäglichenLebenszugenügen,objektiveFormendes
SchreibenszuprivilegierenunddochdieEntwicklungderKinder,ihreBedürfnisseundihresubjektiven
Ausdrucksfähigkeitenzufördern,setztsicheineOrganisationinsechsTextsortendurch,mitobjektiven
Textsorteneinerseits(Bericht,Beschreibung,Abhandlung),subjektivenandererseits(Erzählung,
Schilderung,Betrachtung)(vgl.Marthaler1962).
Schneuwly,Lindauer,Darme,Furger,Monnier,Nänny,Tinembart
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DieEntwicklunginderfranzösischsprachigenSchweizgeschiehtnichtdurchBruch–derfreieAufsatz
existiertzwar,wirdaberindenöffentlichenTextenundimDiskursderProfessionkaumdiskutiert–,
sondernüberVeränderungeninKontinuitätmitdemVorhergehenden,wobeiAkzenteneugesetztwerden.
Unddaesdarumgeht«dentiefenGrundderGefühleundEmotionen»(Dottrens,1940,S.376)
auszudrücken,mussderLehrerwissen,wieerdieErinnerungenundGefühlesopräzisealsmöglichwecken
kann.GleichzeitigabersinddieTextsortenimmernochdiegleichenundstrukturierendenUnterricht.Die
ErzählungwirdgegenüberderBeschreibungwichtigeralsindererstenPeriode.UndderBezugzu
literarischenTextenbleibtzentral.DerbesteBelegdafüristdasvielgeleseneBuchdesReformpädagogen
Poriniot(1929)DerfranzösischeAufsatzinderEcoleactive,miteinemVorworteinesderwichtigsten
VertreterderEcoleactiveAdolpheFerrière.EinesderKapiteldesBuchesträgtdenTitel«Dashauptsächlich
literarischeLesebuchistInitiantundTrainerdesSchreibens»(S.60).DiedoppelteNorm–Normdes
WissensumSpracheundNormdesFunktionierensvonSprache–bleibt:Schreibenlernenistimmerauch
dieEinheitundSchönheitderfranzösischenSprachekennenundanerkennen.
DerUmschwungder1970erJahreimZugedersogenanntenkommunikativenWendescheintzueiner
starkenAnnäherungderbeidenTraditionenzuführen.AufderdeutschsprachigenSeitesollsichder
AufsatzunterrichtanalltäglichenErfahrungenderSchülerorientieren.AberimGegensatzzumfreien
AufsatzderReformpädagogik,derdasErlebenderSchülerinsZentrumstellte,orientiertsichdie
kommunikativeDidaktikdesAufsatzesamEmpfängerdesTextes.DasWichtigstescheintdieAuswirkung
aufdenLeser:«Schulaufsätze–TextefürLeser»fordertBoettcheretal.(1975);aberauchdieMotivation
derSchülerwiemandemprogrammatischenTitelvonSennlaubs1980erschienenenBuch«Spassbeim
SchreibenoderAufsatzerziehung»ablesenkann.
InderfranzösischsprachigenSchweizlässtsichdiekommunikativeWendevorallemindenZielendes
Schreibensbeobachten:sichselbstentdecken,mitanderenkommunizieren,sichanderenverständlich
machen.AberauchdieReformpädagogikhatihreSpurenhinterlassen:«Befreiungdessprachlichen
Ausdrucks»[«libérationdelaparole»]verlangtMaîtrisedufrançais(Besson,Genoud,Lipp&Nussbaum,
1979),dieneueMethodologiedesFranzösischen:«Französischunterrichtenheisstvomspontanen
Ausdruckausgehen,unddahinzurückkehren,nachdemdieverschiedenensprachlichenFormenerfasstund
geübtwordensind»(S.1).DieWahlderTextsortenistdenLehrernüberlassen:Esistwedereine
Progressionvorgesehen,nochwirdeinLehrmittelzurVerfügunggestellt.EsgibtzwareineungefähreListe
vonTextgenres,diezubearbeitensind,sieistaberäusserstheterogenundkaumsystematischorganisiert
undbewegtsichzwischenSpontaneitätundkommunikativerOrientierung:Beobachtungstexte,
individuelleundkollektiveSchöpfung(kollektiveRomane,individuelleGedichte),freieAufsätze,
Korrespondenz,Klassenjournaletc.DieAusrichtungaufTextgenresbleibtjedochimmernochwichtig.
Fazit:WennauchderAusgangspunktim19.JahrhundertvergleichbaristundderZeitpunktderZäsur
praktischidentischist,entwickeltsichderSchreibunterrichtindenbeidenSprachregionendennoch
unterschiedlich.InderDeutschschweizhabendieSchulgenres,alsFolgederdidaktischenReduktionund
einemobjektivenundsubjektivenStandpunktentsprechend,vereinfachtgesagtdreiFunktionen:
beschreiben,erzählen,argumentieren.InderWestschweizsinddieTextgenresstärkeraufliterarische
Genresausgerichtet,wassichunterdemEinflussderReformpädagogikehernochverstärkt.Inderletzten
Periode,dieinbeidenRegioneneinekommunikativeWendebringt,entwickelnsichauchverschiedene
Formen:OrientierungaufdenLesereinerseits,BezugaufTextgenresanderseits.
5Schlussgedanken
WieunsereBeobachtungenzeigen,entwickeltdasFach«Deutsch»oder«Français»,unvollkommenund
unerwartet,einestarkeDynamik.UnabhängigvomsprachlichenundkulturellenKontextentwickeltsichein
autonomesFach,dasdemUnterrichtderSprachegewidmetist,zuerst«Sprachfach»oder
«Muttersprache»,danneinfach«Deutsch»oder«Français»genannt.DieseEntwicklunggeschiehtinbeiden
SprachregionenungefährimselbenZeitraumunddassichentwickelndeFachumfasstjeweilsdieselben
Komponenten.EsgrenztsichvonanderenDisziplinen,vorallemdenRealien,aufähnlicheWeiseab.Diese
«Disziplinarisierung»desFachesisteinkomplexerProzessderdidaktischenTranspositionvonvielfältigen
Wissensformen–wissenschaftlichesWissen,Expertenwissen–undderKonstruktionvonzu
unterrichtendemWissen.DasResultatisteinFach,dasineinereinzigenEinheitSchreiben,Lesenund
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15
SprechenmitWissenumundüberSpracheverbindetundsichaufeinkulturellesliterarischesErbeabstützt,
dasebenfallsvermitteltwird.Dieserlaubtes,dievielfältigen,obenerwähntenFunktionenwenigstenszum
Teilwahrzunehmen.
DieDisziplinenbildungistnichtnurinBezugaufdenZeitpunktunddieallgemeineKonfigurationähnlich.
AuchdieEntwicklungdesFachesfolgteinervergleichbarenPeriodisierungundwandeltundreorganisiert
sichinungefährdenselbenMomentenundähnlichenPrinzipienfolgend:AkzentaufdieSubjektivitätder
SchülerimZugederReformpädagogik;kommunikativeWendeinden1970erJahren.
DochnebendiesengemeinsamenTendenzenscheintesauchUnterschiedezugeben,wieunsere
BeobachtungenindreiBereichendesFaches(Grammatik,Lesen,Schreiben)nahelegen.Sehrallgemein
lässtsichsagen–unddiebeidensehrverschiedenenArten,dieGeschichtedesFacheszuerzählen,diewir
anfangsbeschriebenhaben,spiegelnvielleichtdiesenUmstandwider–dassinderfranzösischsprachigen
RegiondieArbeitanSprache,inklusiveihreliterarischeForm,einewichtigeRollespielt,währendinder
DeutschschweizGrammatikvorallemausisoliertemKlassifizierenbestehtunddieArbeitanderSprachein
ProduktionundRezeptionlangeZeitnichtstattfand.ImGegensatzdazuwirdSpracheinderfranzösischen
SchweizalsGegenstandderIdentifikationwahrgenommen,alsModell,daseszubewundernunddemes
zufolgengilt.DarauserklärtsichdieBedeutungderAuswahlliterarischerTexte,diesystematischeArbeit
ausgehendvonundüberdieseSprache,dasengeVerhältniszwischenGrammatikundAufsatz,die
andauerndeWichtigkeitvonTextgenresbisinneuesteMethoden.InderdeutschsprachigenSchweiz–
sicherspieltdabeidiePräsenzderDialekteeineRolle(vgl.dazuauchSieber1987,Sieber/Sitta1988und
auchv.Greyerz1921)–orientiertsichUnterrichteheranInhaltenundamVerhältnisderSchülerzudiesen
Inhalten(vgl.dazuauchSieber1987,96ff.zurzunehmendenLernerorientierung).DieAuswahlderTexteist
vorallemthematisch;dasSchreibenstelltdenobjektivenodersubjektivenStandpunktindenVordergrund;
dasVerhältnisvonGrammatikundAufsatzistwenigerengalsimFranzösischenunddieIdentifikationmit
derliterarischenSprachespielteinewenigergrosseRolle:SieistzwarGegenstandvonWissen,abervor
allemeinAusdrucksmittel,umErkenntnisse,GefühleundGedankenauszudrücken.
DasFach«Deutsch»oder«Français»–wennauchunvollkommenundsehrheterogenangesichtsder
vielfältigenFunktionen,dieeserfüllenmuss–entpupptsichschliesslichalsstabilinderZeit,aberauchim
kulturellenRaum,daesjavergleichbareFormeninverschiedenenRegionenannimmt.Esistflexibel,kann
sichverändernundanpassen,inderZeitundinFunktionvariablerkulturellerKontexte.Diedidaktischen
Dispositiveerlaubenes,gewisseZieleundZweckegegenüberanderenzuakzentuieren,um
SprachfähigkeitenaufzubauenundeinenBezugzurSpracheunddenmitihrtransportiertenundinihrzum
AusdruckgebrachtenkulturellenWertenineinemgegebenenundsichentwickelndensozialenbzw.
kulturellenKontextherzustellen–einKontextübrigens,denderSprachunterrichtselbstbeiträgtzubilden
undzukonstruieren.
UndzumSchluss:DieverschiedenenSpuren,diewirimvorliegendenTextverfolgthaben,müssen
überprüftundvertieftwerden.Undsiemüssenvielstärkersystematischkontextualisiertwerden,zum
BeispieldurchVergleichemitdenBezugsländernbeiderSprachregionen;undallgemeinernochdurchdie
AnalysederGeneseundderEntwicklungdesFaches,daslangedersogenanntenMuttersprachegewidmet
war,inanderenLändernundKulturen.SoerarbeiteteKenntnissesindunabdinglich,umgegenwärtige
sprach-odernochallgemeinerfachdidaktischePraxenzuverstehen,dieimmereineSedimentierung
historischgewachsenerPraxensind.
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Tübingen:Niemeyer.
Autoren
ThomasLindauer,Prof.Dr.,istLeiterdesZentrumsLesenderPHFHNW.NebenKompetenzmodellierung
und-messung,Curriculum-undLehrmittelentwicklungliegenseineArbeits-undForschungsschwerpunkte
aufSchreibforschungund-förderung,Rechtschreib-sowieGrammatik-Theorieund-Didaktik.
BernardSchneuwlyistProfessorinSprachdidaktikanderUniversitätGenf.SeineArbeits-und
ForschungsschwerpunktesindUnterrichtinmündlicherundschriftlicherSprache,Analyseder
UnterrichtsgegenständeimSchulsprachunterricht(Lesen,Literatur,Grammatik,Schreiben),Geschichte
desSchulsprachunterrichts,VerhältnisvonUnterricht,LernenundEntwicklunginkulturhistorischer
Perspektive,GeschichtederDidaktikundderErziehungswissenschaften.
(DieKurzportraitsderanderenAutorinnenbefindensichinihrenjeweiligenBeiträgeninvorliegender
Nummer).
DieserBeitragwurdeinderNummer2/2016vonleseforum.chveröffentlicht.
Schneuwly,Lindauer,Darme,Furger,Monnier,Nänny,Tinembart
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Enseignementdelalanguepremière«Deutsch»–«Français»
Remarquessurl’histoiredeladisciplineenSuisse(~1840à~1990)dansuneperspective
comparative
BernardSchneuwly,ThomasLindauer,AnoukDarme,JulienneFurger,AnneMonnier,RebekkaNänny,
SylvianeTinembart
Résumé
Lacontributiondécritlagenèseetledéveloppementdeladiscipline„languepremière“enSuisseromande
etenSuissealémaniquede1830à1990.Ilappertquelesdeuxcontextesculturelssedistinguentdupoint
devuedel’organisationetdeceluidesfinalitésdecettediscipline.Unchamptrèslargederecherche
s’ouvreainsiquin’estqu’esquissésommairementdansleprésenttexte.
Cederniersefocalisesurlesdegrésmoyensetsupérieurdel’écoleprimaireetprésentetroisaspects:a)la
genèsedeladisciplinedanslesdeuxrégionslinguistiquessuissesdansuneperspectivescomparatives;b)
lespériodedudéveloppementdeladiscipline;c)desdifférentespossiblesentrelesdeuxrégionsdans
troissous-domaines:grammaire,lecture,écriture.Surlabased’uncorpussystématiquementrecueillide
plansd’étudesetdemoyensd’enseignement(livresdelecture,grammaires)etdediscoursconcernantla
disciplinedansdesrevuesprofessionnelles,ladisciplineestdécritededeuxpointsdevue.Nousanalysons
d’unepartlemoded’organisation«extérieur»,lepositionnementetlasignificationdeladiscipline,
notammentparrapportàd’autres;d’autrepartlemoded’organisation«intérieur»quiatraitauxsavoirs
scolairesdansladisciplines,leurstructureetleursmodesdetransmission,leurspoidsetleurprogression.
Larecherchemontredessimilaritésdanslagenèseetlapériodisation,maisuncertainnombrede
différencesdansl’organisationdessavoirsdanslestroisdomainesétudiés.
Lesrésultatsprésentéssontissusd’unprojetSinergiafinancéparleFondsnationalderecherche
scientifiquesurla«Transformationdessavoirsscolairesdepuis1830»(CSRII1_160810)auquelcollaborent
lesUniversitésdeZurichetGenèveetlesHautesécolespédagogiqueFHNW,TessinetZurich.
Mots-clés
Histoiredel’enseignementdelalanguepremière,Ecriture,Lecture,Grammaire,Curriculumdel’école
primaire,Histoiredesplansd’étudesetdesmanuelsscolaires,histoiredesdisciplinesscolaires
Cetarticleaétépubliédanslenuméro2/2016deforumlecture.ch
Schneuwly,Lindauer,Darme,Furger,Monnier,Nänny,Tinembart
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