Geschäftsleitung der Regierungsstatthalterinnen und Regierungsstatthalter Geschäftsstelle der Regierungsstatthalterämter Scheibenstrasse 3 3600 Thun Telefon 031 635 98 87 Telefax 031 635 98 89 www.be.ch/regierungsstatthalter rsta.geschaeftsstelleggk.be.ch Directoire des préfectures Regierungsrat des Kantons Bern p/A Polizei- und Militärdirektion Generalsekretariat Kramgasse 20 3011 Bern Thun, 5. Juli 2016 Unsere Referenz: ruh Bericht gemäss Art. 8 Abs. 3 Bst. d PGV1 KOMMISSION FÜR DAS PROSTITUTIONSGEWERBE (KOPG) Berichtsperiode vom 1. April 2015 bis 31. März 2016 (3. Berichtsjahr) Gewählte Mitglieder KOPG • • • • • • • • • • • • • Christoph Lerch, Regierungsstatthalter Bern-Mittelland (Vorsitz) Christa Ammann, Leiterin Xenia Peter Briggeler, Aidshilfe Bern/Don Juan André Glauser, Leiter öffentliche Sicherheit und Bevölkerung, Biel Marc Heeb, Polizeiinspektor Bern, Co-Leitung Reto Keller, Leiter Sicherheit Thun Roland Kerner, Leitender Staatsanwalt-Stv. Urs Lüthi, Leiter Einwohner- und Sicherheitsdirektion Burgdorf Laura Marinello, Chefin Spezialfahndung 2 Kapo Alexander Ott, Polizeiinspektor Bern, Co-Leitung Cécile Wüthrich, Leiterin Zuwanderung und Integration (seit Mai 2016, vorher Iris Rivas) Jan von Overbeck, GEE, Kantonsarzt Beat Zutter, Leiter Fachbereich Arbeitsmarkaufsicht, beco Verordnung vom 5. Dezember 2012 ()tier das Prostitutionsgewerbe (PG V; BSG 935.901). Seite 2 Inhaltsverzeichnis 1. Ausgangslage 3 2. Entwicklungen im Prostitutionsgewerbe 3 2.1 Stand in den Regierungsstatthalteränntern per 31. März 2016 3 2.2 Erfahrungsberichte der drei grossen Gemeinden Bern, Biel und Thun sowie Burgdorf 3 2.2.1 Bern 3 2.2.2 Biel 4 2.2.3 Thun 4 2.2.4 Burgdorf 5 2.3 Erfahrungsberichte der Kantonspolizei und der Staatsanwaltschaft 2.3.1 Kantonspolizei 5 2.3.2 Staatsanwaltschaft 6 2.4 Erfahrungsberichte des Migrationsdienstes des Kantons Bern (MIDI) sowie der Fremdenpolizei der Stadt Bern (EM F), Biel und Thun 7 2.4.1 Migrationsdienst des Kantons Bern 7 2.4.2 Fremdenpolizei der Stadt Bern 8 2.4.3 Fremdenpolizei der Stadt Biel 8 2.4.4 Fremdenpolizei der Stadt Thun 8 2.5 Erfahrungsberichte Gesundheitsförderung und Arbeitsmarktaufsicht 8 2.5.1 Gesundheitsförderung 8 2.5.2 beco Berner Wirtschaft 8 2.6 3. 5 Erfahrungsberichte Xenia und Aidshilfe Bern/Don Juan 8 Wirksamkeit der bisher getroffenen Massnahmen mit Blick auf die Zielsetzung gemäss Art. 1 PGG 10 4. Anträge für Gesetzesänderungen 10 5. Fazit der Kommission 11 Seite 3 1. Ausgangslage Das Gesetz über das Prostitutionsgewerbe2 und die zugehörige Verordnung sind am 1. April 2013 in Kraft getreten. Die Wahl der vorangehend genannten Mitglieder erfolgt mit Beschluss des Regierungsrates. Die KOPG tagte im Berichtsjahr drei Mal, nämlich am, 11. November 2015, am 17. März und 2. Juni 2016. 2. Entwicklungen im Prostitutionsgewerbe 2.1 Stand in den Regierungsstatthalteränntern per 31. März 2016 Am 31. März 2016 waren in den 10 Regierungsstatthalterämtern 138 Betriebe bewilligt. Das bedeutet eine Zunahme von einem Betrieb gegenüber der zweiten Periode, wobei ein Betrieb inaktiv ist. Zwei Gesuche mussten in der Berichtsperiode abgelehnt werden und 3 Bewilligungen waren hängig (Beilage). Die Zahl der aktiven Bewilligungen hat sich somit im dritten Jahr bei rund 140 Betrieben eingependelt. 2.2 Erfahrungsberichte der drei grossen Gemeinden Bern, Biel und Thun sowie Burgdorf 2.2.1 Bern a) Allgemeines Die Erfahrungen bei der Umsetzung des PGG waren in der Stadt Bern über die gesamte Berichtsdauer grundsätzlich positiv. Die Abläufe sind etabliert und die Schnittstellen sind definiert, so dass der Informationsaustausch zwischen den beteiligten Institutionen reibungslos funktioniert. Das Phänomen, dass viele Sexarbeitende für die Dienstleistungserbringung in bisher unbekannte Wohnungen ausweichen, ist nach wie vor zu beobachten. In der Stadt Bern wurden in der Berichtsperiode 1'850 Meldungen verarbeitet. Diese Zahl betrifft sowohl die Erstanmeldungen, wie auch die Verlängerungen. Vermehrt stellen die Behörden der Stadt Bern ausländische Personen namentlich aus Schwarzafrika fest, welche sich in der unteren Altstadt prostituieren. Entsprechend werden namentlich Umfeldabklärungen bezüglich Einreise und Aufenthalt durchgeführt. In der Berichtsperiode wurden in der Stadt Bern keine nennenswerten Probleme mit der Umsetzung des Gesetzes festgestellt. Der Gesuchsablauf ist grundsätzlich unproblematisch. Die Zusammenarbeit mit den beteiligten Behörden hat sich etabliert. Bis zum heutigen Zeitpunkt wurden 35 Betriebsbewilligungen zur Führung eines prostitutionsgewerblichen Betriebs ausgestellt. 33 Gesuche wurden zurückgezogen, 9 Abschreibungsverfügungen durch das RSTA ausgesprochen und es erfolgte ein Entzug einer Betriebsbewilligung. In Bearbeitung sind 4 Gesuche von Wohnungen und ein Gesuch für eine Betriebsbewilligung einer Liegenschaft. b) Kontrolltätigkeit Dank einer engen Koordination zwischen der Fremdenpolizei der Stadt Bern, der Fachstelle Rotlicht der Kantonspolizei Bern sowie der Orts- und Gewerbepolizei der Stadt Bern verläuft die Kontrolltätigkeit problemlos. Der gegenseitige Informationsaustausch ist gewährleistet. Situative, fallbezogene Meetings und Besprechungen zwischen den involvierten Behörden finden statt. 2 Gesetz vom 7. Juni 2012 über das Prostitutionsgewerbe (PGG; BSG 935.90). Seite 4 Vom 1. April 2015 bis am 31. März 2016 wurde ein gesuchstellender Prostitutionsbetrieb von der Orts- und Gewerbepolizei kontrolliert. Dieser Betrieb musste nicht beanstandet werden. Die Kooperation mit den Gesuchstellenden ist positiv. c) Baurechtliche Situation Beim Bauinspektorat Bern sind aktuell 31 baupolizeiliche Verfahren betreffend PGG-Betriebe hängig, davon 22 in Wohnzonen. 2.2.2 Biel a) Allgemeines Das Prostitutionsgesetz konnte in der Stadt Biel im Berichtsjahr ohne grössere Schwierigkeiten vollzogen werden. Die Betreiberinnen und Betreiber zeigten sich mit wenigen Ausnahmen kooperativ. Auch in diesem Jahr musste von einigen Etablissements Kenntnis genommen werden, die nicht über die notwendigen Bewilligungen verfügten. Auffallend war im Berichtsjahr eine Zunahme der Anfragen von Gesuchstellenden aus dem Raum Ostschweiz, die in Biel Filialen eröffnen wollten. Festgestellt werden mussten leider auch mehrere Betriebe, die im Bereich der Arbeits- und Aufenthaltsbewilligungen von Angestellten die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllt haben und entsprechend angezeigt werden mussten. Die Zusammenarbeit zwischen Gewerbe-, Fremden- und Kantonspolizei hat gut funktioniert. Mehrere Betriebe mussten aufgrund von Verstössen gegen gesetzliche Bestimmungen geschlossen werden. b) Kontrolltätigkeit Die Gewerbepolizei hat über 30 Kontrollen vorgenommen. Sechs illegale Betriebe sind als Folge von erfolgten Kontrollen geschlossen und entsprechende angezeigt worden. Weiterhin zahlreich sind die Etablissements, bei denen im Bereich der gastgewerblichen Bewilligungen Beanstandungen zu machen sind. Wiederum sind mehre gemeinsame Kontrollen mit anderen betroffenen Behörden vorgenommen worden, was sich erneut als sehr effektive Vorgehensweise erwiesen hat. c) Baurechtliche Situation Baupolizeilich musste im Berichtsjahr in 3 Fällen interveniert werden. 2.2.3 Thun a) Allgemeines In der Stadt Thun existieren nach wie vor 23 Betriebe. Einem Betrieb wird demnächst die befristete Betriebsbewilligung nicht mehr erneuert. Grund: Überschuldung. Einem anderen Betrieb kürzte das Regierungsstatthalteramt die Bewilligungsdauer auf ein halbes Jahr, weil vereinbarte Ziele nicht eingehalten worden sind. Die Gesuchstellenden benötigen bei der Gesuchseingabe viel Unterstützung. Nach wie vor werden sehr hohe Mietzinse verlangt. b) Kontrolltätigkeit Ein regelmässiger Austausch mit der Kantonspolizei findet statt. Zwei Bewilligungsnehmenden mussten vorsorgliche Massnahmen verfügt werden, weil zusätzliche Zimmer ohne Betriebsbewilligung gewerbsmässig benutzt wurden. Weiter musste ein Vermieter in die Pflicht genommen werden, weil er Bewilligungsauflagen missachtet hatte. Weitere Problempunkte: Hygiene, Elektroinstallationen, Konkurrenzstreitigkeiten, überrissene Mietzinse. c) Baurechtliche Situation In der Praxis hat sich gezeigt, dass die baurechtlichen Voraussetzungen vermehrt nicht (mehr) eingehalten werden. Einem Liegenschaftsbesitzer wurde eine Wiederherstellungsverfügung ausgehändigt, damit die nicht baubewilligten Bretterverschläge zurückgebaut werden. Als weitere Massnahme werden künftig nur noch aktuelle und mit der Bauverwaltung abgeglichene Grundrisspläne bei der Gesuchseinreichung akzeptiert. Seite 5 2.2.4 Burgdorf a) Allgemeines In der Burgdorfer Industriezone steht unverändert das grösste Etablissement im Verwaltungskreis Emmental. Im Verwaltungskreis Emmental befinden sich 7 Betriebe, welche unter die Prostitutionsgesetzgebung fallen. Diese befinden sich in den Gemeinden Oberburg (seit Juni 2015 nur noch ein Betrieb im gleichen Haus — vorher zwei), Lyssach, Kirchberg, Hindelbank, Burgdorf, Rüdtligen-Alchenflüh (ab 2015) und Aefligen (ab 2016). Seit Beginn der neuen Gesetzgebung wurde durch das Regierungsstatthalteramt Emmental angestrebt, dass die Bewilligungen soweit möglich koordiniert ausgestellt werden. b) Kontrolltätigkeit Der Betrieb in Burgdorf wird grundsätzlich ordnungsgemäss geführt. Die Stadt Burgdorf hat gegen Ende 2015 wiederum eine umfassende Kontrolle durchgeführt. Bei den Kontrollen wird beachtet, dass die Behördendelegation weibliche und männliche Vertretende umfasst und dass nebst der Gemeindepolizeibehörde (verfügt auch über baurechtliche Kenntnisse) ebenfalls die Einwohnerdienste (Fremdenkontrolle) sowie die AHV-Zweigstelle vertreten sind. Dank entsprechender Gebührenbestimmungen der Stadt Burgdorf konnten seit 1. Januar 2014 die Kontrollaufwendungen verrechnet werden. Seitens der Betriebsleitung wurde auf das zunehmend schwierigere Umfeld und den Preisdruck infolge illegaler Angebote hingewiesen. c) Baurechtliche Situation In den vergangenen Jahren ist die Stadt Burgdorf gezielt gegen kleinere Etablissements (Einzelbetriebe) in der Altstadt (mehrheitlich Wohngebiet) vorgegangen. Dies erfolgte auf dem baurechtlichen Weg und hat trotz noch nicht ausgereifter kommunaler Baubestimmung zur Aufhebung dieser Betriebe geführt. In der aktuell laufenden Teilrevision (öffentliche Auflage bis Ende Juni 2016) der Baurechtlichen Grundordnung der Stadt Burgdorf werden wie auch in einigen anderen bernischen Gemeinden griffige Grundlagen geschaffen, wonach Betriebe im Bereich des Prostitutionsgewerbes nur noch in gewissen Zonen (z.B. Industriezonen) zulässig sind. In Artikel 41 BauR Stadt Burgdorf wird in allen Zonen mit Ausnahme der Arbeitszone festgehalten: „Nutzungen des Sexgewerbes sind nicht zulässig". Als Sexgewerbe gelten Prostitution, Massagesalons, Bordelle, Videokabinen und ähnliches. 2.3 Erfahrungsberichte der Kantonspolizei und der Staatsanwaltschaft 2.3.1 Kantonspolizei Die Kantonspolizei Bern hat innerhalb des Berichtsjahrs regelmässig Kontrollen im Rotlichtmilieu durchgeführt. Dabei wurden neben den bewilligten Betrieben auch private Wohnungen und Hotelzimmer kontrolliert, welche gemäss Art. 6 PGG nicht der Bewilligungspflicht unterstehen. Die Kontrollen verliefen immer ruhig und geordnet. Es kam zu keinen Problemen zwischen Polizei, Betreibenden und Sexarbeitenden. Die Sexarbeitenden bezeichneten den Kontakt zu allen Behörden im Kanton Bern immer als höflich und konstruktiv. Dank dem PGG kann die Polizei jederzeit Kontrollen durchführen und so einen regelmässigen Kontakt zu den Sexarbeitenden aufbauen. Unklarheiten können gleich vor Ort mit dem verantwortlichen Bewilligungsinhaber abgesprochen und bereinigt werden. Durch die häufigen Kontakte konnte das gegenseitige Vertrauen stark gefördert werden. Entsprechend gelangten auch regelmässig Meldungen von Betreibern, wie auch von Sexarbeitenden an die Polizei. Auch bei Ermittlungen von Straftaten in Erotikbetrieben zeigten sich die Betreiber jeweils kooperativ. Die Kontrollen zeigten, dass die Bewilligungsinhaber und -inhaberinnen ihren Pflichten mehrheitlich nachkamen. Bei den festgestellten Widerhandlungen handelte es sich vorwiegend um die Anwesenheit von ausländischen Sexarbeitenden, welche sich nicht bei den zuständigen Behörden angemeldet hatten. Seite 6 In Hotels und Ferienwohnungen wurden ebenfalls vereinzelt Sexarbeitende festgestellt, welche es unterlassen hatten, sich bei den zuständigen Behörden anzumelden. Die Sexarbeitenden machten in diesen Fällen meist geltend, dass sie es bevorzugen alleine in einem Zimmer und damit diskret zu arbeiten. Allen war bewusst, dass eine ordentliche Anmeldung bei den zuständigen Behörden in einem Hotel nicht möglich ist und sie bei einer allfälligen Kontrolle mit einer Anzeige zu rechnen haben. Vermehrt konnten wir von den Sexarbeitenden erfahren, dass sie beabsichtigen, eine eigene Wohnung für ihr Gewerbe anzumieten. Sie sind nicht mehr bereit, in bewilligten Betrieben Tagesmieten von CHF 150.-- zu bezahlen. Tagesmieten von CHF 150.-- rechnen sich gemäss den Sexarbeiterinnen nur noch, wenn man im Meldeverfahren und damit kurz und intensiv arbeitet. Weiter bevorzugt auch die Kundschaft aus Diskretionsgründen vermehrt Sexarbeitende, welche in Privatwohnungen arbeiten. Gestützt auf unsere Feststellungen hatten die bewilligten Betriebe fast immer genügend Kapazität für zusätzliche Sexarbeitende. Die Verlagerung in Privatwohnungen hat gemäss unseren Feststellungen nichts mit dem PGG zu tun. In 18 Fällen wurden illegale Prostitutionsbetriebe festgestellt und die Betreiber zuhanden der Staatsanwaltschaft rapportiert. Bei den Zimmermieten hat sich innerhalb der letzten 12 Monate nichts geändert. Die Tagesmieten variieren nach wie vor zwischen CHF 100.-- und CHF 150.-- pro Tag. Als sehr schwierig erweisen sich die Kontrollen im Zusammenhang mit den Escort-Services. Vermehrt bieten Frauen, wie auch Männer über spezielle Internetforen und soziale Netzwerke ihre sexuellen Dienstleistungen an. Es ist schwierig zu erkennen, ob die Dienstleistungen mit oder ohne finanzielle Interessen angeboten werden. Die Treffen finden in der Regel in Hotels, im Freien, in Swinger-Clubs oder Privatwohnungen statt. Es ist auch schwierig zu erkennen, ob im Hintergrund ein Vermittler tätig ist, welcher gemäss PGG über eine Betriebsbewilligung verfügen müsste. Von vielen Sexarbeitenden, vor allem solchen aus Deutschland, wird die Polizei im Zusammenhang mit der Gesundheitsprävention angesprochen. Sie bezeichnen es als unverantwortlich, dass man in der Schweiz ohne Gesundheitscheck arbeiten darf. Weiter finden sie es schockierend, dass man legal ungeschützten Verkehr anbieten darf. Eine Vorschrift in diesem Bereich würde begrüsst werden. 2.3.2 Staatsanwaltschaft a) Region Bern-Mittelland In der Region Bern-Mittelland gingen im Berichtsjahr 11 Anzeigen wegen Widerhandlungen gegen das PGG ein (Vorjahr: 15), die allesamt mit Strafbefehl erledigt werden konnten. In 8 Fällen vermieteten die Beschuldigten Räumlichkeiten an Prostituierte, ohne dafür beim Regierungsstatthalteramt eine entsprechende Betriebsbewilligung einzuholen, in 1 Fall tat die Beschuldigte dies trotz bereits entzogener Bewilligung (Art. 5 Abs. 1 lit. a, Art. 27 Abs. 2 PGG). In 2 Fällen wurde gegen die kantonalen Bestimmungen zur Einschränkung der Prostitution verstossen (Art. 4 und 27 Abs. 1 PGG). Die ausgesprochenen Bussen betrugen CHF 100.-- (2x), CHF 200.-- (1x), CHF 800.-- (3x), CHF 1'000.-- (1x), CHF 2'000.-- (2 x), CHF 5'000.-- (2x). b) Region Berner Oberland In der Region Berner-Oberland wurden im Berichtsjahr 3 Anzeigen wegen VViderhandlungen gegen das PGG eingereicht (Vorjahr: 4), wobei sich alle Anzeigen gegen dieselbe Person richteten. Am 31. März 2016 war kein Verfahren mehr hängig. Das noch hängige Verfahren aus der letzten Berichtsperiode (s. Bericht vom 10.07.2015) wie auch die drei neuen Anzeigen konnten alle mit Strafbefehl rechtskräftig erledigt werden. Seite 7 Bei den neuen Anzeigen unterliess es die Bewilligungsinhaberin in drei Fällen, sicherzustellen, dass die Prostituierten über die nötigen ausländerrechtlichen Bewilligungen verfügen (Art. 11 Abs. 1 lit. d, 27 Abs. 2 PGG). Für diese Unterlassung sowie für eine einfache Verkehrsregelverletzung wurde sie mit CHF 600.-- gebüsst. Im Fall aus der letztjährigen Berichtsperiode vermietete die Beschuldigte Räume an Prostituierte, ohne dafür beim Regierungsstatthalteramt eine entsprechende Betriebsbewilligung einzuholen (Art. 5 Abs. 1 lit. a, 27 Abs. 2 PGG), was mit einer Busse von CHF 300.-- sanktioniert wurde. c) Region Berner Jura — Seeland In der Region Berner Jura — Seeland wurden im Berichtsjahr 2 neue Verfahren eröffnet (Vorjahr: 19). Am 31. März 2016 waren deren 5 noch hängig. Insgesamt konnten zehn Verfahren mit Strafbefehl rechtskräftig abgeschlossen werden. Bei den beurteilten Fällen vermieteten die Beschuldigten in 6 Fällen eine oder mehrere Wohnungen an Prostituierte, ohne dafür beim Regierungsstatthalteramt eine entsprechende Betriebsbewilligung einzuholen (Art. 5 Abs. 1 lit. a, Art. 27 Abs. 2 PGG). In 2 Fällen unterliessen es die Bewilligungsinhaberinnen, ein Register zu führen (Art. 10 Abs. 1, Art. 27 Abs.2 PGG). Die ausgesprochenen Bussen betrugen CHF 100.-- (2x), CHF 200.-- (3x), CHF 300.-- (lx inkl. geringfügiger Diebstahl), CHF 500.-- (2x), CHF 1`000.-- (1x) und CHF 1'500.-- (lx inkl. Übertretung gegen das BetmG). Bemerkenswert ist, dass in 5 Fällen von unselbstständiger Tätigkeit der Prostituierten ausgegangen wurde, was zur Folge hatte, dass die Bewilligungsinhaber/innen wegen Widerhandlungen gegen das Ausländergesetz durch Beschäftigen von Ausländerinnen ohne Bewilligung (Vergehen) und nicht nur wegen nach Art. 11 lit. d und 27 Abs. 2 PPG (Übertretung) bestraft wurden. d) Region Emmental-Oberaargau Aus der Region Emmental-Oberaargau wurden lediglich 2 Verfahren gemeldet (Vorjahr: 1), welche mit Strafbefehl abgeschlossen werden konnten. Dabei ging es in beiden Fällen um die Verletzung der Pflicht, sicherzustellen, dass die Prostituierten über die nötigen ausländerrechtlichen Bewilligungen verfügen (Art. 11 Abs. 1 lit. d, 27 Abs. 2 PGG). Bestraft wurden die beiden Beschuldigten mit Bussen von CHE 200.-- bzw. 300.--. 2.4 Erfahrungsberichte des Migrationsdienstes des Kantons Bern (MIDI) sowie der Fremdenpolizei der Stadt Bern (EMF), Biel und Thun 2.4.1 Migrationsdienst des Kantons Bern Im Wesentlichen decken sich die Erfahrungen mit denjenigen der letzten beiden Jahre. Der MIDI stellt vermehrt eine Zunahme bei kleinen Clubs und Bordellen fest. Die Möglichkeit im Anstellungsverhältnis einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, hat gegenüber dem letzten Jahr minim zugenommen. Zwischenzeitlich haben wir drei Bordelle, die Sexarbeitende ausschliesslich im Anstellungsverhältnis beschäftigen. Zwei Bordelle machen von beiden Möglichkeiten (selbständig und unselbständig) Gebrauch. Vermehrt stellen wir fest, dass Betreibende im Zusammenhang mit ausländerrechtlichen Verfahrensfragen an uns gelangen und sich dadurch die Zusammenarbeit verbessert hat. Die Zusammenarbeit mit den beteiligten Institutionen funktioniert gut. Die Schnittstellen sind klar und werden entsprechend umgesetzt. Seite 8 2.4.2 Fremdenpolizei der Stadt Bern Das Meldeverfahren läuft nach wie vor problemlos. Die Mitarbeitenden der Fremdenpolizei werden von den Sexarbeitenden wie in der Vorperiode als kompetente Gesprächspartner in Bezug auf unterschiedliche Fragestellungen zu Aufenthalt, Rechten und Pflichten insbesondere aber des Businessplans geschätzt und auch in Anspruch genommen. Das Vorgehen der Stadt Bern, wonach Sexarbeitende nur bei erstmaliger Erwerbsaufnahme zu einem Gespräch eingeladen werden, hat sich bewährt. Im Zuständigkeitsbereich der Stadt Bern hat die Anzahl der anwesenden Sexarbeitenden in dieser Berichtsperiode deutlich zugenommen. Es wurden 1850 Gesuche inklusive Verlängerungen bearbeitet. In keinem der Fälle wurden in der Berichtsperiode festgestellt, dass Sexarbeitende vom Sozialdienst unterstützt werden mussten. Die Zielsetzung gemäss Art. 1 PGG kann u.a. wegen der Ausnahme in Art. 6 PGG teilweise nicht erreicht werden. Denn die Sexarbeitenden, welche in Privatwohnungen ausweichen oder den Dienst „airbnb" in Anspruch nehmen, werden vom PGG bzw. den Behörden nicht erfasst. Mit dieser Methode kann weder eine sich im Hintergrund befindende Person oder „deren Arbeitgebende" festgestellt, noch deren Verhältnis zu den Sexarbeitenden erfasst werden. 2.4.3 Fremdenpolizei der Stadt Biel Keine Bemerkungen. 2.4.4 Fremdenpolizei der Stadt Thun In der Berichtsperiode waren keine wesentlichen Veränderungen gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen, die Zahlen veränderten sich nur geringfügig bzw. blieben konstant. Monatlich werden rund 30 Gesuche bearbeitet. Lediglich ein Betrieb beschäftigt Personen im Anstellungsverhältnis. Die Zusammenarbeit hinsichtlich Erteilung der Aufenthaltsbewilligungen kann nicht bemängelt werden. In letzter Zeit war auffallend, dass vorwiegend Selbständigerwerbende nach der Erteilung der Aufenthaltsbewilligung nicht mehr auffindbar waren, da das Verfahren nicht selbsterklärend ist und sie deshalb automatisch abgemeldet wurden. Die Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei und dem Polizeiinspektorat der Stadt Thun funktioniert gut. 2.5 Erfahrungsberichte Gesundheitsförderung und Arbeitsmarktaufsicht 2.5.1 Gesundheitsförderung Die GEE hat keine Bemerkungen zum Thema. 2.5.2 beco Berner Wirtschaft Im Berichtsjahr wurden über 3500 Meldungen von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern durch das beco an die Migrationsdienste der Städte Bern, Biel und Thun, sowie an den Migrationsdienst des Kantons Bern weitergeleitet. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies erneut eine Zunahme. Die Migrationsdienste sind im Rahmen einer Überprüfung der Aufgabendelegation zwischen der VOL und der POM nun vollumfänglich für die weitere Bearbeitung und den Entscheid über die Zulassung zuständig. 2.6 Erfahrungsberichte Xenia und Aidshilfe Bern/Don Juan Generell hat XENIA im Berichtsjahr vermehrt mit Sexarbeitenden Kontakt gehabt, welche geäussert haben, dass sie nicht mehr im Kanton Bern arbeiten wollen, weil ihnen die administrativen Hürden zu hoch sind oder weil sie keine geeigneten, bezahlbaren Arbeitsräum- Seite 9 lichkeiten finden. Das PGG führt folglich zur Verdrängung einer Gruppe von Sexarbeitenden aus dem Kanton Bern. a) Bewilligungspflicht Innerhalb der KOPG wurde eine Auslegeordnung vorgenommen, um der in den letzten Berichten geäusserte Kritik, dass entgegen der Absichtserklärung des Gesetzes nicht die Erstvermietenden sondern primär die Kleinsalons in die Pflicht genommen würden, Rechnung zu tragen. Es kann jedoch weiterhin festgehalten werden, dass die Bewilligungspflicht für Kleinsalons (2 bis 3 Sexarbeitende) dazu geführt hat, dass sich Sexarbeitende in Privatwohnungen zurückziehen (siehe nächster Abschnitt). Die NGO würden es begrüssen, wenn die Bewilligungspflicht für Kleinsalons gelockert/aufgehoben werden würde, weil die administrativen Hürden zu mehr Abhängigkeiten führen können und ein gleichberechtigtes, selbstbestimmtes Arbeiten in kleinen Zusammenschlüssen erschweren. b) Verlagerung in Privatwohnungen Die Verlagerung in Privatwohnungen ist auch in diesem Berichtjahr weiterhin aktuell. Der Mangel an bezahlbaren Arbeitsräumen, die hohen administrativen Hürden für eine Betriebsbewilligung, die Schwierigkeit, neue Räumlichkeiten für ein Etablissement zu finden sind Aspekte, welche die Verlagerung in Privatwohnungen weiterhin begünstigen. Durch das PGG werden in Kleinbetrieben künstliche Hierarchien hergestellt. Sexarbeitende, welche die Verantwortung für einen Betrieb nicht übernehmen können oder die sich nicht in einer künstlichen Hierarchie einreihen wollen, suchen nach Arbeitsplätzen, wo es keine Betriebsbewilligung benötigt. Dies sind Privatwohnungen, wo sie alleine arbeiten. Die Feststellung, dass das PGG u.a. dazu beigetragen hat, dass die Mieten angestiegen sind, weil die Bewilligungsinnehabenden für den Zusatzaufwand und die Verantwortung entschädigt werden wollen, hat sich in den Augen der NGO bestätigt. Die Mieten sind hoch geblieben und teilweise auch noch angestiegen. Auch deshalb schätzen es viele Sexarbeitende als lukrativer ein, in Privatwohnungen zu arbeiten, selbst wenn sie damit das Risiko eingehen, die Wohnung (Wohn- und Arbeitsort) zu verlieren, wenn die Vermieterschaft erfährt, dass in ihrer Wohnung sexuelle Dienstleistungen angeboten werden. Die Verlagerung in Privatwohnungen läuft dem Ziel des Gesetzes, namentlich des besseren Schutzes der Sexarbeitenden, entgegen: Aufgrund von strukturellen Umständen alleine und in der Anonymität zu arbeiten sind hohe Risikofaktoren. Zudem führt die Verlagerung in Privatwohnungen dazu, dass die Sexarbeitenden für Mitarbeiterinnen von XENIA schwieriger erreichbar sind, da es auch XENIA in der Regel nicht bekannt ist, in welchen Wohnungen Sexarbeitende tätig sind. Das Eruieren von exakten Angaben ist mit hohem zeitlichem Aufwand verbunden und mit den vorhandenen Stellenprozenten nicht bewältigbar. D.h., dass die Präventionsarbeit und die Information zu den Rechten und Pflichten (Art. 16 und Art. 17 PGG) bei einer seit der Einführung des PGG grösser werdenden Gruppe von Sexarbeitenden, welche versteckt in Privatwohnungen arbeiten, erschwert sind. c) Salonschliessungen Es hat weitere Schliessungen von Salons, insbesondere Wohnungsbordellen gegeben. Die grosse Welle der Schliessung von Wohnungsbordellen wird nach Auffassung der NGO insbesondere in der Stadt Bern mit dem Ablaufen der ersten, fünfjährigen Betriebsbewilligungen kommen, die Situation wird sich also noch weiter zuspitzen. Die Bewilligungen werden nicht mehr verlängert werden können, da die Etablissements nicht zonenkonform sind und der Schutz von Wohnraum in der Stadt Bern Priorität hat. Die Schliessungen betreffen vor allem kleinere und mittlere Salons. Die Betriebe waren bereits vorher baurechtlich nicht zulässig, die Einführung der Bewilligungspflicht spülte die Betriebe nun an die Oberfläche. Seite 10 d) Auflagen Die Praxis einzelner Gemeinden, welche den Bewilligungsinnehabenden Auflagen erteilen (Präventionsmaterial und Anschriften), welche keiner Logik entsprechen und über die im PGG festgehaltenen Pflichten (Art. 10 und Art.11) für Bewilligungsinnehabende hinausgehen, ist von diesen weitergeführt worden. e) Registerblätter und Kopien von Ausweisen Auch nach drei Jahren ist es XENIA und der Aids Hilfe Bern nicht klar, welche Schutzfunktion die Registerblätter für die Sexarbeitenden darstellen. Diese sind einzig für die Datensammlung und die Kontrolle praktisch, wobei es kaum möglich ist zu überprüfen, ob Angaben zu Mietkosten auf den Registerblättern der Realität entsprechen. Der Interessenskonflikt zwischen den Bewilligungsinnehabenden und der Privatsphäre der Sexarbeitenden, welcher durch die Pflicht zur Kontrolle in den Wohnungen / Salons entsteht, hat nicht an Aktualität verloren. f) Steuern und Abgaben Die NGO kritisieren weiterhin das geplante Vorgehen, dass selbständig erwerbstätige Sexarbeitende, welche über keine Niederlassungsbewilligung verfügen, an der Quelle besteuert werden sollen und diese Steuer von den Vermietenden der Räumlichkeiten eingezogen und einbezahlt werden soll. Dies schafft neue Möglichkeiten für Vermietende, Gebühren für den Mehraufwand zu verlangen und führt so zu weiteren finanziellen Abhängigkeiten. Da viele Sexarbeitende mit dem Meldeverfahren in die Schweiz kommen, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sie nachträglich aus dem Ausland zu Unrecht bezahlte Steuern zurückfordern. Auch in Bezug auf die Erhebung der Mehrwertsteuer hat sich im letzten Jahr die neue Praxis verbreitet: Sexarbeitende, welche beispielsweise in einer Kontaktbar arbeiten, werden vermehrt als eine Einheit behandelt, also der Kontaktbar zugeordnet, so dass der / die Betreibende Mehrwertsteuer auf dem Umsatz der Sexarbeitenden bezahlen muss (obwohl sie dort nur ein Zimmer mieten und als Selbständige arbeiten). Würden die Sexarbeitenden als Selbständigerwerbende taxiert, wäre kaum eine mehrwertsteuerpflichtig. Hier besteht dasselbe Risiko für Sexarbeitende und für Betreibende, welches in Bezug auf die Besteuerung an der Quelle beschrieben worden ist. Diese Praxis führt zu weiteren Abhängigkeiten der Sexarbeitenden und verschlechtert so die Arbeitsbedingungen und das Einkommen. Zudem werden so Sexarbeitende in Kontaktbars gegenüber Sexarbeitenden, die an Orten arbeiten, die keinen gemeinsamen Internetauftritt haben, steuerlich schlechter gestellt. g) Evaluation Die NGO beantragen, dass eine unabhängige, wissenschaftliche Überprüfung der Wirksamkeit des PGG durchgeführt wird. 3. Wirksamkeit der bisher getroffenen Massnahmen mit Blick auf die Zielsetzung gemäss Art. 1 PGG Die positive Entwicklung des letzten Jahres (Aufbau von Vertrauen, Verbesserung Sauberkeit und Hygiene im erreichten Segment) setzte sich fort. Auch die Verschiebung in Privatwohnungen und andere Formen setzte sich fort. Ob die Zielsetzungen insgesamt erreicht werden können, kann ohne vertiefte Untersuchung nicht mit Sicherheit festgestellt werden. 4. Anträge für Gesetzesänderungen Es drängen sich aus Sicht KOPG keine Anträge für Gesetzesänderungen auf. Seite 11 5. Fazit der Kommission Die Kommission ist grossmehrheitlich der Auffassung, dass die Ziele des Gesetzes zumindest teilweise erreicht werden konnten. Insbesondere ist die Umsetzung von präventiven, sozialen und gesundheitsfördernden Massnahmen sowie der Schutz der Bevölkerung vor mit der Prostitution verbundenen Störungen erfolgreich. Wieweit der Schutz vor Ausbeutung und Missbrauch verbessert werden konnte, lässt sich wie bereits unter 3. erwähnt nicht abschliessend beurteilen. Für weitere Fragen stehen Ihnen Frau Heidi Rubi, Regierungsstatthalter-Stv., Tel. 031 635 94 36 oder die Unterzeichnenden gerne zur Verfügung. Geschäftsleitung der Regierungsstatthalterämter des Kantons Bern ristoph L h Vorsitzende KOPG Kurt von Känel Geschäftsführer Beilage: — Stand PGG-Gesuche in den Regierungsstatthalterämtern des Kantons Bern per 31. März 2016 Kopie mit Beilage an: — Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion, Herr Christian Blaser, Inspektor RSTA, Kramgasse 20, 3011 Bern — Mitglieder KOPG (elektronisch) — Regierungsstatthalter und zuständige Mitarbeitende (elektronisch)
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