Referat Christine

Es gilt das gesprochene Wort
Heiden, 25. August 2016
Brücken schlagen
Referat von Christine Bulliard-Marbach,
designierte Präsidentin der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete SAB
Sehr geehrte Damen und Herren
Zu allererst möchte ich mich nochmals ganz herzlich bei den heute hier anwesenden
Mitgliedern der SAB für die Wahl als Ihre Präsidentin bedanken. Diese Wahl ist für mich ein
sehr grosser Vertrauensbeweis. Ich werde mich in den kommenden Jahren sehr gerne für
die Anliegen der Berggebiete und der ländlichen Räume einsetzen.
Als Nationalrätin durfte ich bereits erfahren, welche wichtige Arbeit die SAB in Bern leistet.
Die SAB macht ein ausgezeichnetes Lobbying. Sie vertritt die Interessen der Berggebiete
und ländlichen Räume glaubwürdig und authentisch. Deshalb habe ich der Anfrage als
Präsidentin auch gerne zugestimmt.
Dass die Berggebiete und ländlichen Räume in Bundesbern mit einer starken Stimme
auftreten ist sehr wichtig. Die Berggebiete und ländlichen Räume prägen das Bild der
Schweiz massgeblich. Sie sind ein unerlässlicher Bestandteil der schweizerischen Identität,
des schweizerischen Selbstverständnisses. Doch leider scheint diese Erkenntnis in der
politischen Diskussion manchmal in Vergessenheit zu geraten. Wenn ich etwa daran denke,
wie heftig letztes Jahr die städtischen und die ländlichen Kantone um die Verteilung der
Mittel aus dem nationalen Finanzausgleich kämpften, so scheint mir doch der Gedanke der
nationalen Solidarität, des nationalen Zusammenhaltes, manchmal in den Hintergrund zu
geraten. Dies spätestens dann, wenn es ums Geld geht.
Doch das Markenzeichen der Schweiz ist ja gerade ihre Vielfalt. Die Vielfalt der Kulturen, der
Religionen, der Sprachen und das eng verflochtene Nebeneinander und Miteinander von
städtischen und ländlichen Räumen. Städtische und ländliche Räume bilden zusammen die
Schweiz. Das eine geht nicht ohne das andere. Ich bin deshalb überzeugt, dass ein noch
intensiverer Dialog zwischen diesen Räumen statt finden muss. Derzeit laufen
Überlegungen, eine dieser Dialogplattformen, die Tripartite Agglomerationskonferenz, neu
aufzugleisen. Die TAK hat erkannt, dass sie sich in Zukunft nicht mehr nur mit
Agglomerationsfragen beschäftigen kann sondern dass sie auch die ländlichen Räume in die
Überlegungen einbeziehen muss. Dazu gehört aber auch, dass die Vertreter der ländlichen
Räume gleichberechtigt mit am Tisch sitzen und mitdiskutieren.
Die Berggebiete und ländlichen Räume erbringen wesentliche Leistungen zu Gunsten der
ganzen Schweiz. Denken Sie nur etwa an die Berglandwirtschaft. Die Berglandwirtschaft
versorgt uns mit einmaligen Nahrungsmitteln, für die wir weltweit bekannt sind, und damit
meine ich nicht die Toblerone-Schokolade. Die Landwirtschaft pflegt auch unsere Landschaft
und damit die Ressource des Tourismus. Ich wage zu behaupten, dass ohne Landwirtschaft
in der Schweiz praktisch kein Tourismus ausserhalb der Städte mehr statt finden würde.
Auch hier gilt es deshalb, unnötige Grabenkämpfe zwischen der Landwirtschaft und dem
Tourismus ein für alle Mal zu beenden und statt dessen in einen Dialog zu treten.
Ohne staatliche Unterstützung kann die Berg- und Alplandwirtschaft ihre Leistungen leider
nicht erbringen. Die Landwirte sind als Unternehmer angewiesen auf stabile
Rahmenbedingungen. Sie müssen langfristige Investitionsentscheide treffen können. Das
Reformtempo bei der Agrarpolitik muss gedrosselt werden. Ich bin deshalb froh, dass mit der
Agrarpolitik 2018+ keine grundlegenden Reformen mehr angegangen werden. Zu stabilen
Rahmenbedingungen gehört aber auch ein stabiler finanzieller Rahmen. Die Sparpläne des
Bundesrates bei der AP2018+ müssen deshalb entschieden abgelehnt werden. Sogar die
Finanzkommission des Nationalrates ist übrigens zu diesem Schluss gekommen. Stabile
Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft sind also wichtig. Bereits zeichnet sich aber ab,
dass mit der Agrarpolitik nach 2022 weitergehende Reformen drohen. Gerne werde ich mich
mit der SAB dafür einsetzen, den politischen Prozess frühzeitig mitzugestalten und dabei
darauf zu achten, dass unsere Familienbetriebe in der Berglandwirtschaft und Alpwirtschaft
weiterhin existieren und produzieren können.
Mit der Produktion von Nahrungsmitteln produziert die Landwirtschaft quasi auch
sogenannte externe Güter. Dazu gehört beispielsweise die Landschaftspflege und die
Erhaltung der Biodiversität. Diese externen Güter und Dienstleistungen rechtfertigen denn
auch zu einem Teil die staatlichen Unterstützungsmassnahmen für die Landwirtschaft. Was
für die Landwirtschaft gilt, muss auch für die Nutzung anderer Ressourcen der Berggebiete
gelten. Ich denke hier beispielsweise an die angelaufene Diskussion über die Wasserzinsen.
Der Wasserzins ist die Abgeltung für die Nutzung der Ressource Wasser. Jährlich werden
rund 570 Mio. Fr. an Wasserzins an Kantone und Gemeinden ausbezahlt. Der Wasserzins
ist jedoch keine Steuer. Ich finde es störend, dass die Stromkonzerne welche jahrelang
Milliardengewinne erzielten, nun den Wasserzins in Frage stellen. Diese Milliardengewinne
fielen nicht im Berggebiet an. Die Energiewirtschaft leidet zugegebenermassen unter einem
grossen Druck. Verantwortlich dafür ist insbesondere die verfehlte Energiepolitik in unseren
Nachbarländern. Wir müssen nun darauf achten, nicht die gleichen Fehler zu machen. Die
Wasserkraft liefert 56% unserer Stromproduktion. Der weitere Ausbau von
Wasserkraftanlagen muss auch unter erschwerten Marktverhältnissen noch möglich sein.
Und die Berggebiete müssen weiterhin auf die Abgeltung für die Ressourcennutzung zählen
können. Uns stehen in dieser Hinsicht schwere politische Debatten bevor. Doch ich bin
überzeugt, dass die Berggebiete sich auch in diesem Dialog erfolgreich positionieren
können, wenn sie geschlossen und mit einer Stimme auftreten.
Ich habe den Tourismus bereits erwähnt. Der Tourismus ist für viele Berggemeinden ein
tragender Wirtschaftspfeiler. Leider steckt der alpine Tourismus derzeit in einer tief
greifenden Krise. Der massive Einbruch der Hotellogiernächte im Jahr 2015 ist ein deutliches
Zeichen davon. Die Aufgabe des Euro-Mindestkurses war ein wichtiger Faktor dabei. Quasi
über Nacht wurde die Schweiz für die Gäste aus dem Euro-Raum um 20% teurer. Doch wir
haben im alpinen Tourismus auch andere, teils hausgemachte Probleme. Immer noch
buhlen mehr als 470 Tourismusorganisationen um die Aufmerksamkeit der Gäste.
Zusammenschlüsse von Betrieben zwecks Syngergienutzen sind noch allzu selten. Vor
branchenübergreifende Kooperationen etwa mit der Landwirtschaft wird oftmals
zurückgeschreckt. Im Gegenteil: die Landwirtschaft wird als Konkurrentin betrachtet wenn es
etwa um agrotouristische Angebote geht. Doch eigentlich sind es ergänzende,
komplementäre Angebote. Wir müssen uns innerhalb der Berggebiete nicht auch noch
gegenseitig bekämpfen. Im Gegenteil! Kooperationen und Zusammenarbeit sind gefragt, um
gemeinsam stärker zu werden. Ich bin froh zu hören, dass die SAB hier mit eigenen
Projekten voran geht und versucht, den Weg zu zeigen.
Ich bin mir aber auch bewusst, dass die SAB noch viel mehr leistet, als nur diese politische
Interessensvertretung. Gerne werde ich mich in den nächsten Wochen und Monaten vertieft
mit den vielfältigen Aktivitäten der SAB vertraut machen. Ab und zu höre ich dabei, dass die
SAB bis anhin in der Romandie noch zu wenig bekannt sei. Als Freiburgerin weiss ich, wie
wichtig die Verständigung über die Sprachgrenzen hinweg ist. Gerne werde ich meinerseits
einen Beitrag dazu leisten, die Brücke für die SAB in die Romandie zu schlagen, aber auch
dazu, mit der SAB zusammen eine Brücke zu schlagen zwischen städtischen und ländlichen
Räumen.