Steckbrief - Inklusion

AWO|INKLUSIV – Praxisbeispiele für eine inklusivere Gesellschaft
Aus dem Warteraum ins neue Leben
Das Projekt »mov’in – WohnRaum für Flüchtlinge«
Die Idee
Immer mehr Menschen suchen in Deutschland Schutz vor Krieg, Gewalt
und Verfolgung. Viele dieser Menschen leben länger als nötig in überfüllten Gemeinschaftsunterkünften, weil es ihnen nicht gelingt, aus eigener Kraft eine geeignete Wohnung zu finden.
Dabei ist eine eigene Wohnung nicht nur ein individueller Rückzugsraum, sondern auch ein wichtige Voraussetzung dafür, um am neuen
Lebensort auch wirklich heimisch zu werden.
Das Projekt »mov’in« bietet Flüchtlingen Unterstützung bei der Wohnungssuche und begleitet sie beim Umzug und beim Ankommen im
neuen Zuhause.
»Für viele markiert erst der Einzug in die eigene Wohnung das Ende der Flucht. (…)
Die Zeit in der Gemeinschaftsunterkunft wird häufig noch als Teil der Flucht wahrgenommen.«
Benjamin Deinert, Projekt »mov’in«
»mov’in« in der Praxis
Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten, werden nach ihrer Ankunft in Deutschland in der Regel
zunächst in einer Erstaufnahmeeinrichtung erfasst und anschließend in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht. Sobald die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, könnten sie sich dann eigentlich eine eigene Wohnung suchen. Leider gelingt dies aber vielen Flüchtlingen nicht aus eigener Kraft. Das liegt einerseits
oft an sprachlichen Barrieren und mangelndem Wissen über den deutschen Wohnungsmarkt; andererseits
spielen hier aber auch die Vorbehalte vieler Vermieter eine Rolle.
In Nürnberg finden Flüchtlinge in dieser schwierigen Situation beim Projekt »mov’in« unterschiedliche Formen von Rat und Hilfe. Die hauptamtlichen Mitarbeitenden von »mov’in« kümmern sich um den Erstkontakt
mit den Hilfesuchenden, machen sich ein Bild von deren individuellen Bedürfnissen und klären welche Form
der Unterstützung am sinnvollsten erscheint. Im »Mietcafe« helfen »mov’in«-Mitarbeitende und Ehrenamtliche bei der Suche nach Wohnungen im Internet und bei der Kontaktaufnahme mit den potentiellen Vermieter_innen. Ehrenamtliche Patinen und Paten begleiten die Flüchtlinge zudem bei Besichtigungsterminen und
unterstützen sie bei den vielen Formalitäten, die zu erledigen sind, um einen Mietvertrag abschließen und
den Umzug organisieren zu können. Bei Bedarf helfen die »mov’in«-Mitarbeitenden und die Ehrenamtlichen
auch nach dem Einzug bei möglichen Unklarheiten und Konflikten um das Mietverhältnis auf diese Weise
dauerhaft zu sichern.
Neben der Beratung von Wohnungssuchenden hat sich die Zusammenarbeit mit potentiellen Vermieter_innen zu einem zweiten wichtigen Betätigungsfeld für »mov’in« entwickelt. Seit die Not der Flüchtlinge in den
Medien zu einem zentralen Thema geworden ist melden sich immer mehr Menschen, die von sich aus Mietwohnungen für Flüchtlinge anbieten. Ergänzend kooperiert Mov’in mit einigen Nürnberger Wohnbaugenossenschaften, die kurzfristig Wohnungen für besonders dringende Fälle – etwa für Flüchtlinge mit chronischen
Erkrankungen – zur Verfügung stellen können.
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»Nach einem Jahr in der Wohnung ist die Familie mittlerweile gut integriert«
Ein »mov’in«-Vermieter im Interview
»mov’in« als Beispiel inklusiver Praxis
Das Leben in Gemeinschaftsunterkünften wird von Menschen auf der Flucht in der Regel als sehr belastend erlebt. Die Unterkünfte sind häufig überfüllt, unzureichend ausgestattet und bieten kaum Privatsphäre.
Gleichzeitig befinden sich die Unterkünfte häufig in isolierter Lage und bilden in sich geschlossene soziale
Inseln, die nur wenige Möglichkeiten und Anlässe für Kontakte nach außen bieten.
Im Gegensatz dazu bildet eine eigene Wohnung einen Schutz- und Rückzugsraum, an dem die häufig traumatisierten Menschen mit Fluchterfahrung wieder zu sich finden und das Erlebte verarbeiten können. Darüber hinaus ist der Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft aber auch eine wichtige Voraussetzung dafür, um
ein neues Leben aufzubauen, Kontakte mit der alteingesessenen Bevölkerung zu knüpfen und so am neuen
Lebensort auch tatsächlich Schritt für Schritt heimisch zu werden.
Die erfolgreiche und dauerhafte Vermittlung von Wohnraum ist aber nicht nur für die Flüchtlinge als Einzelne,
sondern auch für die Gesellschaft als Ganzes von zentraler Bedeutung: Jede erfolgreiche Vermittlung in eine
eigene Wohnung entlastet die angespannte Situation in den Gemeinschaftsunterkünften und die entsprechenden Hilfesysteme. Und jede erfolgreiche Vermittlung in gewachsene Nachbarschaften bietet Menschen
mit Fluchterfahrungen Möglichkeiten zur Teilhabe am normalen gesellschaftlichen Leben und wirkt dadurch
der Verfestigung von ghettoähnlichen Bereichen am Rande der Gesellschaft entgegen.
»Ohne sie [»mov’in«]
wäre ich noch in der
Sammelunterkunft –
es war da schwer...«
Ein »mov’in«-Klient
im Interview
»Gerade bei den alleinstehenden
jungen Männern gibt es riesige
Vorbehalte [auf der Seite der Vermieter]. (…) Aber die brauchen
genauso eine Wohnung.«
Ein »mov’in«-Ehrenamtlicher
im Interview
Weiter gedacht
Die Suche nach einer eigenen Wohnung stellt für viele Flüchtlinge eine kaum zu überwindende Barriere auf
dem Weg in ein normales Leben an ihrem neuen Lebensort dar. Das Projekt „Mov’in“ macht deutlich, dass
es eines ganzen Netzwerkes an Hauptamtlichen, engagierten Ehrenamtlichen und wohlwollenden Mitarbeiter_innen unterschiedlicher Behörden bedarf um zumindest die Chance zu erhöhen, dass die Betroffenen
diese Barriere erfolgreich überwinden können.
Trotz aller Unterstützung scheitern viele Flüchtlinge bei ihrer Suche an der harten Konkurrenzsituation auf
dem Mietwohnungsmarkt und an nach wie vor verbreiteten Vorurteilen und Vorbehalten. Umso wichtiger
sind die Vermieter_innen, die sich hier offen und engagiert zeigen. Ihr Beispiel macht deutlich, wie die
Schaffung von gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten ganz konkret aussehen kann. Durch ihr Engagement
und ihre konkrete Hilfe bewahren sie Menschen, die ohnehin schon vieles mitmachen mussten, davor, dauerhaft in einem prekären Warteraum am Rande der Gesellschaft gefangen zu bleiben.
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Kontakt
Projekt »mov’in – WohnRaum für Flüchtlinge«
Benjamin Deinert
Telefon: 0911/4506-0146
[email protected]
Herwig Emmert
Telefon: 0911/4506-0132
[email protected]
Irma Kevorkian-Bauer
Telefon: 09 11/45 06-01 35
[email protected]
AWO Kreisverband Nürnberg e.V.
Karl-Bröger-Straße 9, 90459 Nürnberg
www.awo-nuernberg.de
Weitere Informationen zum Projekt Mov’in
Das Projekt »mov’in – WohnRaum für Flüchtlinge« des AWO Kreisverbandes Nürnberg wird aus Mitteln des
Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration und der Stadt Nürnberg gefördert.
Aufgrund der zeitlich befristeten Förderungszusagen ist die Zukunft des Projektes – trotz seines Erfolges und
dem offensichtlichen und wachsenden Bedarf an den »mov’in«-Unterstützungsleistungen - leider nicht
dauerhaft gesichert.
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