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Predigt aus dem Gottesdienst am 28. August 2016
Predigtreihe Seligpreisungen VI
Selig sind die, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen! (Matth. 5,9)
Die Seligpreisung des Friedens und der Menschen, die ihn in die Welt bringen, klingt
herzzerreissend aktuell in diesen Tagen! Sie beschreibt unsere Not und auch unsere
Sehnsucht. Wenn man die fürchterliche und irgendwie ja auch aussichtslose Lage in
Syrien und im Irak bedenkt, an die unselige Mischung aus Terror und Hunger in
Westafrika, an die Reihe von Terroranschlägen quasi vor unserer Austür- mal aus
islamistischen, mal aus nationalistisch rassistischen Motiven, manchmal auch als
Verzweiflungstaten einzelner todessüchtiger Amokläufer – dann kann einen das
schon hilf - und ratlos machen.
Dann denkt man schon fast mit Wehmut an die, auch kirchenbewegten, Friedensdemonstrationen in den achtziger Jahren zurück, als die Fronten klar verteilt waren.
Schwerter zu Pflugscharen ! Was heute sicher noch richtig ist - aber der Weg dahin
scheint weit und schwierig.
Dabei ist Frieden zu stiften wohl immer schwierig, zu allen Zeiten schwierig gewesen.
Das gilt für den Frieden zwischen den Völkern, den sozialen Frieden in einer
Gesellschaft, für den Frieden in unseren persönlichen Bezügen oft auch.
Meine Frau, die als Psychologin in der Familien - und Erziehungsberatung arbeitet,
erzählt dazu von der schweren, oft fast hoffnungslosen Beratungsarbeit mit den
sogenannten „Hochzerstrittenden“. Das sind Paare, die auch Jahre nach ihrer
Scheidung zu keiner Einigung, zu keinem auch nur irgendwie befriedeten Kontakt
kommen, auch wenn es für die gemeinsamen Kinder so hilfreich wäre.
Die Erfolgsquote bei der Begleitung und Beratung solcher Paare liegt quasi bei Null.
So dass man denken könnte: Einmal verbrannte Erde – immer verbrannte Erde.
Jeder der Beteiligten beharrt unversöhnlich auf seiner Deutung der Situation und auf
den eigenen Verhältnissen.
Mir fällt dazu das Gedicht des israelischen Dichters Jehuda Amichai ein, aus den
Sommergottesdiensten im letzten Jahr. Der Ort, an dem wir recht haben.
An dem Ort, an dem wir recht haben/ werden niemals Blumen wachsen im Frühjahr.
Der Ort, an dem wir recht haben/ ist zertrampelt und hart wie ein Hof.
Zweifel und Liebe aber lockern die Welt auf/ wie ein Maulwurf, wie ein Pflug.
Und ein Flüstern wird hörbar / an dem Ort, wo das Haus stand, das zerstört wurde.
Die Situation der Hochzerstrittenen, auch Hochverletzten, ist der anhaltenden
Situation in Israel und Palästina tatsächlich ähnlich.
Wer ist in der Lage, über seinen Schatten zu springen? Wer wagt es, die Hand
auszustrecken, den ersten Schritt zu tun. Und wenn nicht heute, wann dann?
Frieden zu stiften ist schwierig. Das hat Jesus sicher auch gewusst.
In seiner Zeit gab es auf der einen Seite die gewaltbereiten Zeloten, die darauf
setzten, die römische Besatzung mit gezielten Terrorakten in die Knie zu zwingen.
Das römische Reich dagegen hatte mit der Pax Romana eine Politik kultiviert, die
auf eine äußere Befriedung im Inneren setze, zu Not auch mit harter Hand, und
die ungelösten Konflikte an die Ränder des römischen Reiches gedrängt hat.
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( So wie wir es heute immer noch tun. Man denke nur an die Flüchtlinge vor Europas
Grenzen..)
Zwischen diesen Stühlen Jesus mit seiner Vision von Gewaltlosikeit und einem
Frieden, der diesen Namen wirklich verdient. Shalom : im jüdischen Denken, in der
altbiblischen Tradition ist das etwas Umfassendes, in dem sich Frieden und
Gerechtigkeit küssen, wie es bei den jüdischen Propheten heißt.
Selig sind die, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen, sagt Jesus.
Sie werden Gottes Töchter und Söhne heißen, müsste man eigentlich richtiger übersetzen: nicht nur Kinder, sondern erwachsene MitarbeiterInnen Gottes.
Frieden zu stiften ist schwierig. Mir ist aufgefallen, dass es unabhängig von dem
grundlegenden Lebenszeugnis von Jesus selbst, seinem gewaltlosen Weg bis hin zum
Kreuz, im neuen Testament eigentlich keinen Bericht gibt, wo es ihm tatsächlich
gelungen ist, zwischen konkreten Menschen, in einer einzelnen Situation Frieden zu
stiften. Er hat Blinde geheilt, Lahme gehend gemacht, Hungrige gesättigt, aber einen
akuten Streit geschlichtet ? Man muss da sicher weiter ausholen.
Wenn man an die Geschichte vom Zöllner Zachäus denkt, dann holt er den verachteten Außenseiter wieder mit in die Tischgemeinschaft seines Ortes. Wenn ihm in in
einem extrem gewaltgeladenem Augenblick einfällt: Wer ohne Sünde ist, werfe den
ersten Stein, rettet er einer von der Steinigung bedrohten Frau das Leben und entwaffnet die auch schon damals frommen Eiferer mit gewaltloser Geistesgegenwart.
Genau genommen sagt Jesus ja auch nicht: Selig sind die, denen der große Friede
gelingt. So verstehe ich ihn jedenfalls nicht. Sondern selig sind alle, die dran bleiben,
etwas für den Frieden zu tun, in ihren Bezügen, in ihren Möglichkeiten und Grenzen.
Ich denke dabei an die Gleichnisse, in denen das Reich Gottes immer wieder im
Kleinen beginnt, manchmal klein wie ein Saatkorn, wie der Sauerteig, der als kleines
Stück Ferment dann doch den ganzen Teig durchsäuert, wenn die Bäckerin, der
Bäcker dran bleibt.
Selig sind die Menschen, die Frieden stiften. Frieden wird nur gelingen, wenn der
Friede in uns beginnt. Nur in dem Maße, in dem wir auch in uns und mit uns selbst
Frieden machen, kann Frieden in die Welt kommen.
Das ist christlicher Glaube. Mir scheint, es ist aktueller denn je. Insofern ist die alte
lutherische Übersetzung gar nicht so falsch: Selig sind die Friedfertigen.
Fertig war früher auch ein Wort für bereit. Wenn du fertig, „fahrtig“ warst, dann
warst du eben gerade nicht ein für allemal fertig, sondern fahrtig: bereicht, aufzubrechen in Neues ! Das griechische Wort im neuen Testament für Frieden machen
(poein) ist dabei dasselbe Wort, das für Gottes Schöpfungstaten im ersten Buch der
Bibel gebraucht wird: Gott machte/schuf … und siehe es war gut.
Gott machte aus Nichts eine neue Welt.
Selig sind die Friedfertigen, die Friedensstiftenden - das heißt dann: Selig sind die,
die Frieden schaffen, zunächst in und mit sich selbst und dann auch darüber hinaus.
In schöpferisch, immer wieder neu kreativer und - poein – vielleicht sogar poetischer
Weise. Ins Wasser fällt ein Stein – zieht doch seine Kreise.
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Jetzt habe ich Ihnen, ausgehend von unserer Not, unserer vielfachen Hilflosig- und
Ratlosigkeit vielleicht doch wieder Lust gemacht auf den Frieden und darauf, daran
zu arbeiten, auch in kleinen Schritten. Weil - das können wir ja!
Sprich deine Wahrheit ruhig und klar aus, und höre Andere an, auch sie haben ihre
Geschichte und ihre guten Gründe.. So weit als möglich, ohne dich aufzugeben, sei
auf gutem Fuß mit jedermann.. Sei du selbst..
Vergleichst du dich mit anderen, kannst du hochmütig oder verbittert werden,
denn immer wird es Menschen geben, die bedeutender oder schwächer sind als du..
Bemühe dich um deinen eigenen Werdegang. Erfreue dich an deinen Erfolgen..
Gehe gelassen inmitten von Lärm und Hast und denke an den Frieden der Stille ..
Bleibe in Frieden mit Gott, was immer er für dich bedeutet.
Vielleicht kennen Sie diese Zeilen. Sie sind aus dem bekannten Text Desiderata –
das, was zu wünschen ist. Es sind Worte, die mehr eine Erinnerung sind als ein
Appell. Eine Erinnerung an das, was immer schon wahr war und immer noch gilt.
Ich möchte Ihnen in einer sommerlichen Predigtreihe zu Selig sind die Friedensstiftenden jedenfalls nicht die rote Fahne der Dringlichkeit hissen.
Das wäre, auch in politischer Hinsicht, zum Fenster hinaus gepredigt.
Aber es kann gut und wichtig sein, sich in Zeiten, in denen sich viele unsicher fühlen
und jeder wohl manchmal die Orientierung verliert, sich mit den Seligpreisungen an
das zu erinnern, was immer noch gilt. Sich das noch einmal klar zu machen, vielleicht
auch stärker in sich zu verankern.
Selig sind die Friedensstiftenden, denn sie werden Töchter und Söhne Gottes heißen.
Politisch redet das sicher nicht einfach einem naiven und unbedingten Pazifismus das
Wort. Kann sein, dass es ohne Schutz und ganz ohne Waffen nicht geht. Allerdings
haben wir als Christen allen Grund, uns dafür einzusetzen, dass Krieg in keinem Fall
das erstes Mittel der Politik ist. Wir haben alles Recht, in einem Land leben zu wollen,
dass sich nicht wie bisher an Waffengeschäften beteiligt und das mindestens einen
so großen Aufwand in kreative Friedenssicherung investiert wie in Rüstungsausgaben. Das Eintreten für Gewaltlosigkeit als erste und wichtigste Option ist unsere
politische Aufgabe als Christen, wie ich finde.
Auf der anderen Seite ( wenn es denn die andere Seite ist!) steht das Gebet.
Seit über einem Jahr treffen sich hier in Jubilate am Donnerstagabend eine kleine
Schar von Menschen zum Friedensgebet. Wir geniessen die Stille.
Wir versuchen, für kostbare Augenblicke unter unseren Sorgen, unserer inneren
Unruhe und Unausgeglichenheit hindurchzutauchen. Wir nehmen etwas von dem
Unfrieden wahr, der in der Welt ist und dem Unfriede in uns selbst.
Beides halten wir in den Frieden Gottes, der höher und tiefer ist als alles, was in
unserer Macht steht. Wir zünden Kerzen an, als ausgesprochenes oder als wortloses
Gebet. Für ein Land, etwas, was uns in den vergangenen Tagen besonders betroffen
hat, manchmal ist die Kerze auch für einen nahen Menschen, ganz in der Nachbarschaft. Mir tut dieses wöchentliche Friedensgebet gut. Vielleicht probieren Sie es
auch mal, in der Regel jeden Donnerstag von 18.45- 19.15
Wie Ihnen sicher schon aufgefallen ist, läuten wir jeden Mittag um 12 Uhr die
Glocken. Für den Frieden. Das steht einer Glocke gut zu Gesicht. Sie erinnern sich Friede sei ihr erst Geläute. (Schiller). Aber auch als Unterbrechung. An bestimmten
Stellen des Tages für einen Augenblick sich unterbrechen lassen in dem, was du
gerade tust, innerlich zu dir zurück kehren.
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Vielleicht sich verbinden mit Menschen, die zur selben Zeit ähnliches tun. Bewirkt das
etwas? Wer wäre ich, zu sagen: Nein! Ja, ich denke, das alles macht einen kleinen,
aber einen feinen Unterschied.
Und dann versuche, in den Beziehungen deines Lebens Frieden zu stiften.
Dass du dir nicht nur Frieden wünschst, sondern selber Schritte tust, wenn möglich
auch den ersten. Das bedeutet in aller Regel, dass ich aufhöre, um schwierige Dinge
und Beziehungen um des falschen „ lieben Friedens“ einen Bogen mache, sondern
dass ich mich auseinander setzen muss. Mit dem Anderen. Nicht zuletzt und vielleicht
am wichtigsten aber mit den widersprüchlichen und unfriedlichen Anteilen in meiner
Person. So dass ich mich dann hoffentlich mit jemanden viel besser neu zusammen
setzen kann, vielleicht in viel freierer und klarerer Luft.
In diesem Sinn konkrete Schritte für den Frieden zu wagen und zu tun, hat sicher
auch ganz viel mit Lassen zu tun. Du bist gejagt von deiner Sorge um dich selbst.
Lass es. Vertraue. Tu das deine in Frieden. Du fürchtest, im Kampf um deinen Platz
im Leben den Kürzeren zu ziehen? Du hast deinen Platz. Du willst oben auf sein, du
willst Recht behalten, du willst siegen? Lass es. Aus den Niederlagen für andere wird
nur neuer Unfriede wachsen. Und so fort.
Sie werden alleine wissen, was Sie lassen wollen, und was für Sie ein erster, ein
nächster Schritt sein könnte zu mehr Frieden und Versöhnung.
Wenn Ihnen das viel vorkommt, dann vergessen Sie nicht: Jesus hat uns für den
Weg des Friedens nicht weniger als Seligkeit versprochen. Sie kennen das Gefühl..
Es hat mit den Augenblicken zu tun, wie man sie immer wieder einmal erlebt,
mittendrin, in einer Begegnung, nach einer geglückten Auseinandersetzung oder
einer Versöhnung, in der Natur, in einem stillen Moment mit Gott: jetzt ist alles gut.
Etwas fällt von einem ab. Alles darf sein, so wie es gerade ist; mit allem Schwierigen,
mi allem noch Ungelösten, ist es doch aufgehoben in Gottes Frieden. Shalom.
Und der Friede Gottes, der höher und tiefer ist als all unsere Vernunft, bewahre
unsere Herzen und Sinne. In Christus Jesus. Amen.