1 SWR2 Tandem - Manuskriptdienst Rote Haare Sommersprossen

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SWR2 Tandem - Manuskriptdienst
Rote Haare
Sommersprossen sind des Teufels Tischgenossen
Autor:
Matthias Baxmann
Redaktion:
Rudolf Linßen
Sendung:
Mittwoch, 24.08.2016 um 10.05 Uhr in SWR2
Wiederholung aus dem Jahr 2014
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Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt.
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MANUSKRIPT
Im O-Ton:
Jörg, Anett, Laura, Frank, Anette, Karla, Jenny, David, Sophie
Sprecher, Sprecherin
Musik/The Poxy Boggards: „The girl with red hair“, 10´´frei, darüber weiter mit
Text
Anett:
Meine Haarfarbe...
Laura:
Eine Mischung aus Gold und Kupfer.
Anett:
...ja, sie ist noch ein bisschen Rot…
Anette:
Ich habe mehr so ein Rotblond.
Anett:
…früher war sie richtig Feuer-, Feuer-, Feuerrot!
Anett:
Also, kein Kupferton, sondern so ein heller Kupferton
Jörg:
Ich habe mal einen Schnurrbart getragen, der war auch Rot, ja. Das heißt, ich habe
rötliche Körperbehaarung.
Anette:
Das ist wahrscheinlich das Erkennungsmerkmal, wenn der Busch nicht Rot ist, dann
ist auch keine richtige Rothaarige.
Jenny:
Egal, wie lang meine Haare wuchsen, ich hatte ja richtig so ein Busch, den du wie so
ein Baum frisieren konntest, also, wo die Locken so aufgeschichtet aufeinander
lagen.
.David:
Als ich ganz jung war, hatte ich platinblondes Haar.
Emma.
Eichhörnchenfarben oder so.
David:
Und als ich fünf, sechs war hatte ich richtig Rot.
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Emma:
Fuchsfarben so ein bisschen.
Regie Musik (Schluss) hoch und aus, Aberglaubenatmo ein
Sprecher:
Rote Haar und roter Bart sind allmeist von falscher Art.
Sprecherin:
Rote Haare, Sommersprossen sind des Teufels Tischgenossen.
Sprecher:
Rotes Haar und spitzes Kinn, wohnt der Teufel mitte drin.
Sprecherin:
Wenn’s oben brennt, ist unten die Hölle los.
Sprecher:
Was Rot ist, gehört dem Teufel!
Aberglaubenatmo aus
Jörg:
Wer rote Haare hat, hat Rost an der Pfeife.
Musik/Miller Anderson: „Just Cry“, darüber weiter mit Text
Jörg:
Du bist Aussätziger. Du stehst neben der Gruppe. Du gehörst im Grunde nicht dazu.
Karla:
Aussätzig, das ist kulturelle Tradition.
Jenny:
Rotfuchs!
Anett:
Feuer – irgendwas mit Feuer…
Jörg:
…Feuermelder, Feuerlocke!
Jenny:
Duracell!
Jörg:
Kupferkopf!
Jenny:
Duracell mit dem Kupferkopf. Das habe ich ewig nicht kapiert, weil, das ist eine
Batterie, und die Werbung baut sich darauf auf, Duracell mit dem Kupferkopf.
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Jörg:
Erdbeerblonder!
Anette:
Schon wieder ein Fuchs und keine Flinte!
Jenny:
Streichholz!
Laura:
Ich wurde immer Tomate genannt.
Jörg:
All diese Dinge, die man sich als Kind angehört hat.
Musik bis hier runtergeblendet
David:
Zum Beispiel, Ginger minch. Es bedeutet nur, dass dein Privathaar Ginger ist. Man
fühlt sich ein bisschen deprimiert, aber man versteht nicht richtig, was es bedeutet.
Es war nur – ich weiß, das war gegen mir gesagt.
Jenny:
Mein Name ist Jenny Rosemeyer.
David:
Ich bin David, groß geworden in London.
Jenny:
Ich in fast vierzig.
David:
Dreiundfünfzig.
Jenny:
Ich der Schule, da weiß ich jetzt nicht, ob es nur an dem Bezirk lag, in dem wir da
lebten. Das war nämlich eine Neubaugegend, recht wenig Kultur, recht wenig
Empathie und Verständnis für andere Menschen und dementsprechend ruppig war
auch mein Umfeld. Ich dann auch irgendwann. Da wurde man schon stark geärgert
von den Älteren. Und meine Freundin neben mir ja nicht und die andere auch nicht,
sondern nur ich. Hauptsächlich natürlich von den Älteren.
David:
Man will Freunde finden und dann bemerkt, Leute haben etwas gegen mich.
Jenny:
Mir wurden Kippen hinten ins T-Shirt reingeschmissen.
David:
Dann man lernt ganz schnell, es gibt in Großbritannien diese Stereotypen wie die
Schotten sind, die haben viel rote Haare, die Iren.
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Oder auch Anfang lernen die Geschichte von Großbritannien, die Wikinger. Und
dann man kriegt von den anderen Kinder ein bisschen das, mit roten Haaren bist du
wie diese Leute. Und die Stereotypen sind: aggressiv, unsympathisch, ein bisschen
anders von den anderen Leuten. Die schwarzen Kinder, die chinesischen Kinder, die
Rothaarigen waren alle out.
Musik/Haindling: „Rote Haar“ unter letzten Take einfahren darüber weiter
Jörg:
Ja, natürlich war das so!
David:
Du bist nicht wie wir.
Jörg:
Da gibt es die Schönlinge, die Sportlichen, die aus irgendeinem anderen Grunde
Führenden, dann gibt’s die Looser und dann gibt’s noch den Assi ganz hinten. Und
als Rothaariger stand man irgendwie so ein bisschen am Rand. Man wird nicht in
irgendeiner dunklen Ecke verkloppt dafür.
Letzte Musik steht ca. 10 `` frei, unter nächsten Take ausblenden
Anett:
Ich bin auf dem Schulweg öfter aufgelauert worden unter so einer Eisenbahnbrücke
von den Jungs, mit richtig Dresche. Und ich hatte so eine Freundin, die sah sich als
Indianer. Die hat sich dann immer mit Geheul auf diese Jungs gestürzt.
David:
Es war mehr indirekt. Wir studieren Mathe und müssen zusammen arbeiten.
Niemand wollte mit mir arbeiten, obwohl ich Bester in Mathe war. Oder jede Pause
hatten wir alle Jungs Fußball gespielt, wollte mitmachen und dann war die Wahl, 11
Mann gegen 11 Männer, und ich komme immer zuletzt. Niemand wollte mich haben.
Jörg:
Ich kann mir eigentlich keinen Jungen vorstellen, der rote Haare gut findet. Für Jungs
ist es eigentlich die Hölle. Du bist immer was Besonderes und zwar nicht was
besonderes Besonderes, sondern eher was Anderes.
Laura::
Ich bin Laura, 30 Jahre alt.
Jörg:
Jörg, 50 Jahre alt, jetzt Grau, zum Glück!
Laura:
Ich habe das auch so in Erinnerung, dass ich schon auch immer der Außenseiter
war, dass ich schon immer besonders – aber ich glaube als Kind ist das ja immer
noch eine sehr negative Sache besonders zu sein, so rauszufallen aus allem…
Anett:
Mein Name ist Anett, ich bin gerade 50 geworden.
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Laura:
… dass die Kinder mich immer nicht anfassen wollten, dass keiner mit mir spielen
wollte.
Anett:
Ich war unsicher und fühlte mich auch gar nicht schön. Dass es nicht nur unter den
Kindern ein Stigma war, mein feuerrotes Haar, sondern leider auch in meiner Familie
und meine Mutter Shampoo gekauft hat, um das Rot wegzukriegen, weil meine
Mutter nicht auffallen will in dieser Kleinstadt da. Ich war halt auffällig wie so eine
Fackel, die da lang lief, und das mochte die nicht. Das fand die blöd.
Eigentlich dramatisch, wenn die Mutter ihr eigenes Kind nicht schön findet. Das ist
eigentlich eine Katastrophe.
Musik/Arthur Brown: „Fire“ unter letzten Take einfahren, Schluss hart aus,
trocken weiter
Anette:
Ich bin Anette Dorgerloh, 53 Jahre alt und hänge an meiner Haarfarbe.
Meine Mutter, das war natürlich auch sehr gut für mein Selbstbewusstsein, sprach
auch immer von ihrem Goldkind. Und dann hatte sie auch zwei. Drei Geschwister,
zwei davon im Rotton und ein Blondes. Das war nicht das Goldkind. Das Goldkind
waren die mit den roten Haaren.
Jenny:
Wenn meine Mutter mit mir so unterwegs gewesen ist, dass so diese ganzen alten
Omas, die so spazieren gehen waren – Ich habe ja rote Haare und Locken, was ja
noch ein Unterschied ist zu diesen glatthaarigen Rothaarigen – jede zitternde, alte
Hand war auf meinem Kopf und hat da rumgewuschelt und getatscht. Das fand ich
ganz schlimm. Und jeder, der mich kennt, weiß auch, Umarmung, Küsschen, mache
ich alles nicht. Ich will selber bestimmen, wer mich wann, wie anfasst.
Sophie:
Ich bin Sophie, ich bin 33 Jahre alt. Meine Haare sind rotblond, und das waren sie
auch von Anfang an. Ich habe von meiner Mutter erzählt bekommen, dass es wohl
diverse Male vorgekommen ist, dass so andere Kinder ihre Mütter angestupst haben
und dann so geflüstert haben, ob das denn wohl die Pippi Langstrumpf wäre? Aber
sie hat erzählt, auch da habe ich nicht gesagt, Mama, ist was mit mir, sondern:
wissen die nicht, dass es die in Echt gar nicht gibt?
Musik/Miller Anderson: „High tide high water“ steht 3`` frei, darüber weiter mti
Text
Sophie:
In meiner Klasse war ein Junge. Der dachte, das wäre eine ansteckende Krankheit.
Musik steht ca 9``frei , darüber weiter und langsam ausbenden
Jenny:
Das war so, dass das was ich von oben geerntet habe in der Klasse wieder
abgegeben habe. Also, ich war auch recht aggressiv und auch brutal unter
Umständen, aber irgendwie musste man das ja auch irgendwie kompensieren.
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Sophie:
Mich hat in meiner Schulzeit niemand irgendwie gehänselt, weil die sich das gar nicht
getraut haben, weil ich ja so ein Anführerkind war.
Jörg:
So eine gewisse große Schnauze habe ich auch bei anderen Rothaarigen immer mal
bemerkt.
Jenny:
Ich bin dem Ruf dann auch gerecht geworden. Nun bin ich aufgefallen, dann denkst
du, hinter dem Auffallen muss ja noch was kommen, dann musst du gleichzeitig das
fundieren, dass du nicht nur eine große Klappe hast. Dann hast du einen viehischen
Leistungsdruck, weil man einfach auffällt. Und das ist schon schwierig.
Anette:
Bei uns war ein eben auch ein Vorbild die Großmutter, eine sehr temperamentvolle
Frau, die auch rothaarig war.
David:
Was bei mir passiert oder bei den Schwarzen oder behinderte Leute, werde ich
automatisch die Leute, die anders aussehen immer unterstützen. Wie kann man
etwas dagegen machen? Ja, das bleibt bei mir bis jetzt. Alles, was unfair ist, sollte
man konfrontieren oder jemanden helfen.
Jörg:
Ich habe mir die Rolle des Klassenclowns gesucht. Dazu musste ich nicht gut
aussehen, nicht sportlich sein, ich war eben der rothaarige Klassenclown. Du bleibst
Rothaariger dein ganzes Leben lang. Es ist in deinem Kopf. Der
Minderwertigkeitkomplex bleibt, den hast du in der Schule gehabt, weil man es dir
jeden Tag gesagt hat. Das bleibt.
David:
Ende Schulzeit war wie eine Befreiung.
Musik/Jackson Firebird: “Red Hair Honey”, darüber weiter mit Text
David:
Ich fühlte mich besser.
Jenny:
Erst in der Punkzeit habe ich gemerkt, gut, hier bin ich richtig! Rote Haare – Hammer,
färben sich alle – ich habe sie! Und da wusste ich, dass dieses Außenseiterding
eben wiederum in einer Außenseitegruppe eigentlich ganz cool ist, weil, von denen
wollte ich ja auch anerkannt werden.
Musik für ca. 9`` hoch und weiter
Anett:
Und allmählich begreifst du einfach dann, ja, irgendwie sehe ich gut aus!
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Jörg:
Ja, na ja…
Anett:
Muss wohl so sein!
Emma:
Also, es zieht halt schon die Blicke auf sich.
Laura:
Das kam bei mir nach der Pubertät, dass ich das dann akzeptiert habe, dass das
meine Haarfarbe ist.
Jörg:
Du bist überhaupt nicht attraktiv für Frauen.
Emma:
Man weiß nicht so richtig.
Anette:
Wir sind so mehr extrovertiertere Typen.
Jörg:
Es sind ja außerordentlich attraktive Frauen, mit roten Haaren und heller Haut.
Laura:
Es gibt Frauen, die beneiden mich dafür, dass ich so farbige Haare habe.
Karla:
Ist jetzt eher ein Markenzeichen, nicht.
Anett:
Und man so viel Komplimente kriegt.
Sophie:
Das finde ich gut!
Anette:
Hat einen hohen Wiedererkennungswert.
Musik hoch und aus, Atmo Aberglauben
Sprecher:
Erlenholz und rotes Haar sind aus gutem Grunde rar.
Sprecherin:
Rotbart nie gut ward.
Sprecher:
Dem brennt die Hölle aus dem Kopf!
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Sprecherin:
Rotfuchs, die Decke brennt, die Feuerwehr kommt angerennt.
Sprecher:
Rotes Haar hat’s Fegefeuer schon auf dieser Welt!
Aberglaubenatmo aus, Friseuratmo, Fön unter Text ausblenden
Frank:
Ok, ich bin Frank Schäfer, ich bin Friseur, und wir befinden uns in unserem, also, wir
sind zu Zweit und haben einen Friseursalon. Und das Spezielle an dem Laden ist, ich
glaube, man liebt es, dass ich eben schon lange Friseur bin, dass ich die Frisuren
erfassen kann, die die Frauen wollen, dass ich die Frauen begreife, was sie wollen,
dass ich mich auch in sie hinein versetzen kann – nehme ich mal an. In meiner Zeit,
als ich geboren wurde, galt rothaarig als sehr hässlich. Wir hatten eine in der Klasse
mit roten Haaren, die galt als nicht schön, weil sie rote Haare hatte. Jetzt natürlich,
andere Zeit, gar kein Vergleich! Aber früher war das so, dass die Rothaarigen haben
sich meistens schwarz gefärbt. Die fanden das rote Haar furchtbar. Und rothaarig
und Sommersprossen war furchtbar. Ich habe noch alte Zeitungen, wo es Mittel
gegen Sommersprossen gibt, Mittel gegen rotes Haar. Und ich kann mich entsinnen,
als ich jung war, da waren alle Schwarzgefärbten eigentlich rothaarig, weil, die
wollten nicht rothaarig sein.
Laura:
In der Pubertät habe ich mir dann irgendwann meine Haare schwarz gefärbt. Sah
auch schrecklich aus, aber ich fand es gut.
Frank:
Genau! Dunkel und ja, eigentlich will sie dunkelhaarig sein, Mama, darf ich denn
nicht tönen, nur mal ein bisschen?
Laura:
Ich habe mir das gewünscht, mir meine Haare zu färben und habe das auch
gemacht!
Jörg:
Man will aussehen wie die Anderen, weil, die Anderen sind vielleicht cooler und man
kann den eigenen Wert oftmals gar nicht erkennen.
Laura:
Und dann gab es danach noch die Phase, wo ich sie versucht habe immer ein
bisschen aufzuhellen, dass das Rot nicht mehr so doll ist, dass es halt ein bisschen
mehr ins Blonde geht, obwohl ich auch nie ganz blonde Haare haben wollte.
Jörg:
Man denkt ja darüber auch nach, nicht. Eine einzige Sache hätte ich niemals
gemacht: Färben! Weil ich dachte, auf keinen Fall, so auch nicht. So auch nicht,
Freunde!
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Anette:
Den Wunsch hatte ich nie, aber ich habe es natürlich gern mal ausprobiert, andere
Haarfarben zu haben. Ich weiß schon, wie das auch aussieht in Blond oder Schwarz,
aber das ist alles nicht so gut wie das Originalrot.
Frank:
Viele schätzen das immer noch nicht so, obwohl, Rothaarige haben meistens ein
wunderschönes Haar. Man muss ihnen ihr Rot erst begreiflich machen wie
unwahrscheinlich toll, zart und ungeheuer kleidsam es ist.
Anette:
Ich finde es auch langweilig geradezu blond zu sein. Da würde ich mir sehr verkleidet
vorkommen, irgendwie versteckt, so unsichtbar auf eine gewisse weise.
Jenny:
Weiß ich noch genau, weil gerade „Evita“ im Kino kam, mit Madonna in der
Hauptrolle, die so ganz herrliche blonde Haare hatte und so einen Dutt. Da habe ich
gedacht, gut, einmal im Leben auch blond sein, wasserstoffperoxydblond. Was ich
nur nicht wusste, dass Blond bei so einer hellen Haut wie sie ja Rothaarige haben,
wirklich schlimm aussieht. Also, waren alle geschockt auch. Sah auch wirklich
schlimm aus. Dann hatte ich noch so ein Haarteil hinten drin, war erst richtig
schlimm. Aber dafür habe ich eben meine echte Haarfarbe eingebüßt, weil man, um
das Rot herauszubekommen, so doll färben muss, also, diese Prozedur zwei Mal
vollziehen muss, um Blond zu sein. Und das, was bei mir nachwuchs, war wirklich
grünlich schimmelig und ich jetzt immer meine natürlich Haarfarbe nachfärben muss.
Jörg:
Ich glaube, dass die ganze Aufgeklärtheit, in der man lebt, sich geändert hat. Ich
glaube, dass jemand der früher durch rote Haare stigmatisiert wurde – also, dass das
ein Thema ist, was völlig lächerlich ist. Und natürlich empfindet man
selbstverständlich rote Haare nicht als schlechter oder irgendwie spezieller. Diese
Gruppenzugehörigkeit, die es noch in den 60er, 70er Jahren gab, wo rothaarig noch,
oh! – die gibt es ja gar nicht mehr. Das ist ja heute auch gar nicht mehr mit dem
Verstand klärbar, kann man gar nicht mehr begreifen.
Laura:
Aber trotzdem denke ich manchmal noch darüber nach, dass ich – Rot ist halt eine
Farbe. Das ist bunt, finde ich. Leute, die blonde Haare haben, Leute, die schwarze
Haare haben, das ist irgendwie so eindeutig. Und zum Beispiel, in Kombination mit
Klamotten finde ich auch immer ganz interessant, wenn man schwarze oder blonde
oder dunkle Haare hat, dann kann man mehr Klamotten dazu kombinieren, finde ich.
Und bei roten Haaren habe ich immer das Gefühl, sobald ich eine Farbe anziehe,
sehe ich aus wie ein Clown, dass ich plötzlich bunt bin aufgrund der Haarfarbe.
Anette:
Ich trage kein Rot, also nur, wenn das tatsächlich so Orangetöne sind, die so in die
Herbstfarben reingehen, dann schon, aber so ein reines Rot und so rosa lila Töne
schon überhaupt gar nicht.
10
Laura:
Ich ziehe immer Schwarz an, weil meine Haare halt schon bunt sind. Da muss ich ja
nicht noch bunte Klamotten anziehen.
Musikakzent, darüber weiter mit Text
Frank:
Das Rothaarige geht ja meisten weg. Das ist meistens in der Kindheit, Jugend ganz
doll und nimmt dann ab, weil man ein bisschen grau wird, dann verblasst das und
dann wird das so ein gelbes Blond.
Karla:
So etwas über Dreißig habe ich dann schon sehr viele graue Haare gekriegt. Und
habe dann gedacht, ich müsste in Ehren grau werden und solchen Blödsinn und
hatte eine Freundin, die hat gesagt, du spinnst wohl, färbe dir die Haare! Und die hat
mir dann Henna geschickt und das nehme ich immer noch. Ich habe immer das
Gefühl, dass ich jetzt so aussehe wie ich immer ausgesehen habe.
Anett:
In Irland habe ich was gesehen bei alten Frauen, die hatten eine Haarfarbe, so eine
Art Rosa. Das war ergrautes, rotes Haar mit ganz viel Weiß drin. Dann kriegte das so
einen ganz verrückten rosa Schimmerstich. Musste ich immer wieder mit offenem
Mund hingucken, fand ich total faszinierend.
Karla:
In Irland, die glauben alle, dass ich da hingehöre, werde ich angesprochen als wenn
ich von da bin. Rote Haare hast du einfach in Irland, das ist so. Ich habe auch das
Gefühl der Zugehörigkeit in Irland, der Hingehörigkeit.
Frank:
Es gibt natürlich Frauen, die rote Haare haben und Frauen, die rote Haare haben
wollen. Frauen, die rote Haare haben wollen, möchten natürlich dem Image der der
Rothaarigen entsprechen, darum wollen sie ja rote Haare haben.
Laura:
Ich habe schon erlebt, dass Frauen mich auf der Straße ansprechen und fragen,
womit ich denn meine Haare färbe und ob das wirklich meine echte Haarfarbe ist?
Und dass sie sich die so gerne so färben würde, aber das kriegt sie immer nicht hin.
Frank:
Rothaarig hat immer so ein Zeichen von Besonderheit, von Zartheit, von Mystik.
Nicht so speziell, dass man sagt, die ist aber besonders hexisch oder scharf oder ein
Feger. Das glaube ich nicht. Aber es ist ein gewisses Image da, und das wollen alle,
die rothaarig gefärbt werden wollen, ausstrahlen.
Laura:
Dann erzählen sie mir, dass sie das auch gern hätten und mit welcher Farbe man
das vielleicht hinbekommen könnte oder was genau für eine Farbe das eigentlich ist,
ob das eher Kupfer ist oder Goldblond oder Gold?
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Frank:
Also, du musst sehen wie der Untergrund ist, wie rot will sie werden, wie fühlt sie
sich? Will sie ein Lichtblick sein, will sie auffallen, will sie nur weicher sein? Gibt es
einen Mann, was sagt der dazu?
Laura:
Das ist mir eher immer ein bisschen peinlich, wenn sie mich darauf ansprechen, aber
innerlich gehe ich dann schon so aus dem Gespräch raus: Cool, ich fühle mich gut!
Gibt es Leute, die hätte gerne meine Haarfarbe, die finden sie offensichtlich schön.
Frank:
Komischerweise lieben Frauen manchmal, wenn sie dunkelhaarig sind, Blaurottöne,
die ich unheimlich hässlich finde, die ich hasse und auch nicht hier mache. Ich
bevorzuge gelbe Rottöne, kupferne Rottöne, die auch oftmals Frauen stehen, die
nicht zu braun sind. Bei denen sieht das gut aus. Wenn man eine gelbliche Haut hat
oder gebräunt ist, sieht es auch mal nicht so schön aus. Man muss natürlich sehen,
wie man das dosiert. Rot ist nicht Rot.
Musik/Nana Schwarzlose: „Red Hair“ unter letzten Satz einfahren, darüber
weiter
Karla:
Ich habe so junge Freunde, mit denen ich vereinbart habe, dass sie kurz bevor sie
mich in die Kiste legen, mir noch mal die Haare Rot färben, ja.
Musik steht ca. 18´´ frei, dann Aberglaubenatmo
Sprecherin:
Ein Rothaariger ist ein Betrüger.
Sprecher:
Wer eine Rothaarige heiratet, verliert sein Besitztum und seine älteste Kuh.
Sprecherin:
Die drei hässlichsten Dinge in ihrer Art:
Sprecher:
Ein klappriges, gelbes Pferd,
Sprecherin:
Eine magere weiße Kuh,
Sprecher:
Eine rothaarige Frau!
Sprecherin:
Rotes Haar, Gott bewahr!
Abergalubenatmo aus.
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Sophie:
Wenn mir andere Menschen mit roten Haaren begegnen, dann fällt mir das auf in der
U-Bahn. Dann gucke ich die so an, um zu sehen, ob die mich auch bemerken. Oft
Frauen, weil da ja auch mit den Haaren insgesamt mehr ist. Ich beobachte dann:
Haben sie wallende rote Haare, die auch selbstbewusst zur Schau getragen werden
oder ist es eher ein praktischer Kurzhaarschnitt und womöglich noch eine Kappe
drüber?
Anett:
Es gibt so eine Art Wir-Gefühl, man schaut sich an, man sieht sich an, auch wenn
das nicht thematisiert, nicht ausgesprochen wird.
Anett:
So was ist dann natürlich schön, so was Solidarisches.
Laura:
Diese Solidarität, die man tatsächlich hat unter Rothaarigen! Wenn ich irgendwie
Leute auf der Straße sehe, wenn ich die angucke, die sind mir sofort sympathisch. Es
ist auch manchmal so, dass man sich kurz anguckt und irgendwie ein Moment von
Sympathie da ist, so ein: wir wissen doch beide, was wir erlebt haben, wir wissen
doch wie es einem früher ging.
Jörg.
Das ist ja das Schlimme, du fandest ja andere Rothaarige auch nicht hübsch. Du
fandest ja die roten Haare selbst auch doof.
Jenny:
Ich achte sehr auf Rothaarige. Wenn man sich auf der Straße erkennt und auch
merkt, ach ja, das ist auch so eine wie ich, ist ja lustig, guckt man sich so an und
lächelt vielleicht.
Anette:
Das gibt so einen leichten Wimpernschlag, also, Wir!
Karla:
So ein Wiedererkennungseffekt, man kennt sich.
Jenny:
Ich finde das auch toll und die, glaube ich auch. Man hat so ein bisschen das Gefühl,
na ja, man hat ein ähnliches Schicksal.
Laura:
Ja, genau!
Musik/UKW: „Sommersprossen“ unter letzten Take einfahren, steht ca. 10´´frei,
darüber weiter
Jörg:
Die Sonne ist mein Feind!
Du hast ja auch helle Haut, du hast Sommersprossen. Du wirst nicht braun im
Sommer, sondern eher rötlich.
13
Musik steht ca. 15´´ frei, hartes Ende und aus
Sophie:
Mein Gesicht und mein ganzer Körper sind von Sommersprossen bedeckt.
Laura:
Vor einem halben Jahr ist mir zum ersten Mal aufgefallen, wie das vielleicht für
andere Leute aussehen könnte. Das war mir selber nicht bewusst, weil, für mich ist
das völlig normal. Ich war auf den Philippinen, und da war ein Schweizer, hatte ganz,
ganz helle Haut und halt dann eben total Sommersprossen, von der Sonne ganz
frisch, richtig dunkel. Der hatte das auch am ganzen Rücken, der ganze Körper voll.
Da ist mir zu ersten Mal so bewusst geworden wie das für andere Leute aussehen
muss, wenn die das sehen. Da muss man ja hingucken, das sieht einfach wirklich
aus wie ein gepunkteter Mensch!
Sophie:
Meine Mutter hat mir erzählt, in den 50er Jahren als sie ein Kind war, hat man ihr
vermittelt, das wäre was Hässliches und Unschönes. Da hat sie sich dann
Schwanenweiß drauf gestäubt, so ein Puder.
Anett:
Ich hatte manchmal einen viehischen Sonnenbrand, da war ich abends wie so ein
Indianer feuerrot und habe geglüht. Ich bin noch ein bisschen in diese Bräunungs-,
als braun zu sein schick war, gekommen und hab dann als Jugendliche versucht, mit
Macht Braun zu werden, aber so richtig Braun bin ich halt nicht geworden. Ich bin
gern Weiß, ich finde das schön.
Sophie:
Wenn wir dann nach den großen Ferien verglichen, wer denn am Braunsten, kann
ich mich immer noch erinnern, dass ich damals dachte – also, das wurden ja von
Jahr zu Jahr mehr Sommersprossen, die ich bekam, auch so an den Armen, da
waren noch nicht immer welche – dann dachte ich, eines Tages wachsen die dann
vielleicht so zusammen, dass vielleicht irgendwann mal alles Braun ist.
Musik/Nancy Raven: „Red Haired Family“ unter letzen Take einblenden, steht
ca. 7´´ frei, darüber weiter
Laura:
Ich fahre total den Film, dass ich mich unbedingt mit einem rothaarigen Mann paaren
muss, damit sicher ist, dass ein rothaariges Kind rauskommet, damit die Rothaarigen
nicht aussterben und es davon mehr gibt und auf jeden Fall weiterleben.
Musik hoch steht bis Ende ca. 55´´ frei
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