PRESSEKONFERENZ 25.8.2016 DIE S-BAHN KANN MEHR Fünf Thesen und fünf Forderungen zum Potenzial der S-Bahn im Wiener innerstädtischen Verkehr THOMAS RITT AK Wien, Abteilung Kommunalpolitik ANDREAS KÄFER Traffix Verkehrsplanung GmbH Die Stadt Wien geht mit dem Ausbau der S80 neue Wege: Durch den Ausbau der S-Bahn werden schon vorhandene Strecken und Anlagen besser genutzt. „Damit wird eine wichtige Weiche für die Verkehrspolitik in der Ostregion gestellt“, sagt der Leiter der AK Abteilung Kommunalpolitik, Thomas Ritt. „Das war überfällig. Aber das darf nur der Anfang sein. Eine Studie der AK zum Potenzial der S-Bahn zeigt: Die S-Bahn ist eine kostengünstige AusbauChance für den öffentlichen Verkehr. Sie muss jetzt genutzt werden muss, um den Verkehr in der wachsenden Ostregion zukunftsfit zu machen. Denn der Pkw-Verkehr nach Wien wird bei gleichbleibenden Öffi-Bedingungen zunehmen, um über 52 Prozent bis zum Jahr 2030. Auch der innerstädtische Verkehr wird stark zunehmen. Die S-Bahn kann kostengünstig ausgebaut werden U-Bahn: 1 km Hochstrecke: 120 Millionen Euro, 1 km unterirdisch: bis zu 220 Millionen Euro S-Bahn: 1 km Umbau bestehender Trassen: 35 Millionen Euro. Für die Nutzung des derzeit brachliegenden S-Bahn-Infrastruktur-Potenzials sieht die Studie für 34,6 km Schienen und 15 neue Stationen in drei Ausbaustufen Investitionen von 1,4 Mrd. Euro vor. Das würde allein durch die Bautätigkeiten über 10 Jahre rund 3.500 Jobs pro Jahr schaffen. Die Stadt investiert vergleichsweise wenig in die S-Bahn Bei Investitionen in die Infrastruktur der S-Bahn übernehmen der Bund 80 Prozent, das Land 20 Prozent der Kosten. Bei Investitionen in die U-Bahn finanzieren Bund und Land je 50 Prozent. Mehr Zugverbindungen und dichtere Intervalle gibt es aber erst, wenn die Länder mehr Verkehrsdienste bestellen. Im laufenden Verkehrsdienstevertrag (VDV) bestellt die Stadt Wien S-Bahn-Verbindungen im Umfang von jährlich 9 Millionen Euro. Zum Vergleich: 2014 gab es rund 400 Millionen Euro Zuschüsse an die Wiener Linien. Die S-Bahn wird derzeit unter ihren Möglichkeiten eingesetzt Die Intervalle liegen im Schnitt zwischen 10 und 60 Minuten. Dabei fahren bei verlässlichen kurzen Intervallen und klaren Taktsystemen viel mehr Fahrgäste S-Bahn, wie die S45 (10-Minutentakt) zeigt. Die ÖBB passen die S-Bahn in Wien bisher zu wenig an die Erfordernisse des City-Verkehrs an Die S-Bahn im Stadtverkehr braucht schnelles Ein- und Umsteigen. Das geht nur mit Zuggarnituren mit mehr Türen. Im klassischen Regionalzug dauert das zu lange. Die Durchfahrt von umsteigeaufwändigen Regionalzügen quer durch Wien blockiert so die am meisten befahrenen Gleise. Hier muss nach Lösungen gesucht werden, die einerseits einen citygerechten S-Bahn-Verkehr ermöglichen und andererseits die Interessen der EinpendlerInnen berücksichtigen. Viele S-BahnStationen entsprechen noch nicht den Erfordernissen moderner Öffis: So gibt es noch Stationen bei denen etwa Rollstuhlfahrer nur mit großen Schwierigkeiten von und zum Bahnsteig kommen. Die Kunden-Infos von ÖBB und Wiener Linien passen nicht zusammen Die Zugänge zu Bahnsteigen sind nur nach Gleisen, nicht nach Richtungen angegeben. Welche Haltestellen nicht bedient werden, wird nicht genau mitgeteilt. Sinnvolle Weiterfahrten mit Bim, Bus und U-Bahn werden in den S-Bahn-Stationen zu wenig angezeigt. Im Gegenzug werden in den Durchsagen der U-Bahn-Züge der Wiener Linien die S-Bahn-Umsteige-Möglichkeiten nicht angegeben. Derzeit kursieren noch zu viele unterschiedliche Pläne: Erste Verbesserungen bringt ein neuer Netzplan, der S-Bahn und Wiener-Linien-Angebote auf einen Blick darstellt. Seite 2 von 4 Das Fünf-Punkte-Paket der AK Die S-Bahn kann mehr. Aber dafür muss investiert werden. Die 1,4 Milliarden-Investitionen der vorliegenden Studie sind ein Langzeitprogramm. Für die AK vorrangig für die nächsten Jahre ist ein Fünf-Punkte-Paket. 1. Bessere Infos für die Fahrgäste Es braucht eine Informationsoffensive für die Fahrgäste, die die S-Bahn als wichtiges ergänzendes Verkehrsmittel in der Stadt sieht. Hier müssen ÖBB, VOR und Wiener Linien ein Infokonzept aus einem Guss entwickeln: An S-Bahn-Gleisen müssen Informationen, wo die Züge innerstädtisch halten und in welche Richtung sie fahren, einfach und kundenfreundlich überall verfügbar werden. Über Anschlussverbindungen zwischen Wiener Linien und der S-Bahn muss einfach und schnell informiert werden. Ein Plan für alle in Wien verfügbaren öffentlichen Verkehrsmittel muss möglich sein. Das wäre schnell und ohne allzu hohe Kosten realisierbar. 2. Ausbau von Schienen, Bahnhöfen und Signalanlagen S80: Die Stadt Wien und vor allem der Bund investieren rund 450 Millionen Euro in den Ausbau der S80 als Ost-West-Verbindung zwischen Hütteldorf und der Seestadt Aspern: Das ist genau der richtige Weg. Das könnte der Startschuss für eine umfassende und systematische Kooperation von ÖBB und der Stadt Wien im innerstädtischen Verkehr werden. Die AK will drei Stationen mehr als geplant, um die Linie noch attraktiver für den innerstädtischen Verkehr zu machen: Aspern Nord ist schon geplant. Aus Sicht der AK sollten in der wachsenden Donaustadt noch Stationen in der Hausfeldstraße und am Telefonweg gebaut werden. Auch im Westen müssen neue Stationen errichtet werden: Neben den jetzt schon geplanten Stationen „Hietzinger Haupstraße“, und „Stranzenbergbrücke“ müsste aus Sicht der AK noch eine Station „Schönbrunner Allee“ dazu kommen. S45 (Vorortelinie) verlängern: nach Süden bis Meidling und entlang der Donau bis Praterkai. Auch hier liegen schon Schienen, die bisher nur für den Güterverkehr genutzt werden. Die Stammstrecke (von Floridsdorf nach Meidling) ausbauen Die Strecke ist derzeit chronisch überlastet und braucht einen „Bypass“ innerhalb des Wiener Stadtgebietes. Dafür könnte man Gleise, die jetzt nur für den Güterverkehr genutzt werden, für den Personennahverkehr nutzen: Von Gänserndorf über Stadlau bis Hauptbahnhof. Dazu müssten zwei neue Stationen gebaut werden: Gewerbepark Stadlau und Rautenweg. Außerdem braucht es eine Modernisierung der S-Bahn-Stamm-Strecke zwischen Meidling und Floridsdorf. Durch verbesserte technische Anlagen wie etwa Signalanlagen könnten noch mehr Züge fahren. Neue Station Gräßlplatz (Gudrunstraße/Geiselbergstraße) für die S60 und die S80: Sie könnte die ursprünglich geplante Verlängerung der U2-Süd ersetzen. 3. Mehr S-Bahn-Verbindungen bestellen: Mindestens alle 15 Minuten Mehr Zugverbindungen schaffen schnellere Wege und locken Fahrgäste in die Öffis. Die Verkehrsverbindungen sollten laufend der neuen Schienen-Infrastruktur angepasst werden. Die Stadt muss gemeinsam mit den ÖBB einen Stufenplan aufstellen, der den Ausbau der Schienen und Stationen und die dazu passend wachsende Bestellung der Fahrleistung vorsieht. Und die Stadt Wien muss deutlich mehr S-Bahn-Verbindungen bestellen. Derzeit bestellt sie S-Bahn-Verbindungen im Wert von 9 Millionen Euro im Jahr. Auf der S45 gibt es schon den 10-Minuten-Takt. Das wird gut angenommen. Deshalb muss im gesamten innerstädtischen S-Bahn-Netz ein 15-Minuten-Takt zum Mindeststandard werden. Die S80 fährt derzeit im Stunden-Takt. Für ein attraktives Angebot braucht es mindestens einen durchgehenden 15-Minuten-Takt. Die S7 (Richtung Flughafen) fährt derzeit im Halbstundentakt. Auch hier gilt: Sie muss mindestens im 15-Minuten-Takt fahren. Seite 3 von 4 4. Die Südbahn viel schneller 4-gleisig ausbauen Bisher wird auf die Fertigstellung des Ausbaus der Pottendorfer Linie ab 2023 gewartet. Schon jetzt müssten die Planungen fertig gemacht werden, damit dann endlich die Südbahn für die PendlerInnen ausgebaut werden kann. Wenn ÖBB und der Bund hier aufs Tempo drücken, würde das große Verbesserungen auch für den innerstädtischen Verkehr in Wien bedeuten. Erst mit dem viergleisigen Ausbau würde auch eine neue Station Rosenhügel tausenden Fahrgästen aus den neuen Stadtentwicklungsgebieten im Süden zwischen Atzgersdorf und Hetzendorf eine gute Öffi-Anbindung bieten. 5. City-S-Bahn einerseits, EinpendlerInnen-S-Bahn andererseits Bei der S-Bahn im Stadtverkehr treffen beim Fahrgastkomfort zwei Interessenlagen aufeinander: Einerseits braucht eine S-Bahn in der Stadt andere Garnituren, die schnelles Ein- und Aussteigen ermöglichen. Andererseits wünschen sich die EinpendlerInnen aus dem Umland Züge mit vielen Sitzplätzen und möglichst Durchbindungen entlang der wichtigen Umsteige-Bahnhöfe. Hier müssen die ÖBB zwischen beiden Bedürfnissen abwägen und dabei je nach Zug Lösungen finden, um beiden Interressenlagen gerecht zu werden: Hier muss entschieden werden: Wann ist eine Durchbindung sinnvoll? Wann führt sie etwa in den Hauptverkehrszeiten nur bis zu einem großen Umsteigebahnhof wie dem Praterstern, von dem aus es mit den Wiener Linien schnell in alle Richtungen weitergeht? Seite 4 von 4
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