ganzer Artikel - Schweizer Schnaps Forum

Luzern, den 17. August 2016
HGZ No 21
Aspekte
11
WHISKY BELIEBTER ALS KIRSCH
Die Schweizer trinken mehr Whisky als Kirsch. So erstaunt es nicht, dass dieser die Importstatistik der Spirituosen anführt. Zudem produzieren immer mehr heimische Brennereien
Whiskys allererster Güte.
Stimmungsvolle Ambiance im Felsenkeller der Brauerei Rugenbräu in Matten bei Interlaken. In Oloroso-SherryFässern reift Swiss Highland Single Malt Whisky.
Die Iren haben einen engeren
Kontakt zu Rom als die Schotten. Aus diesem Grund kann
davon ausgegangen werden,
dass die Wiege des Whiskeys
mit «e» in Irland liegt. Denn
das Wissen über die Gewinnung von Alkohol wurde durch
reisende Mönche ab dem 11.
Jahrhundert in ganz Europa
verbreitet. Der Punkt für die
erste urkundliche Erwähnung
von Whisky ohne «e» geht
hingegen an Schottland. Denn
laut Buchhaltungsunterlagen
des königlich schottischen
Haushalts, den «Exchequer
Rolls», wurde 1494 der Mönch
John Cor beauftragt, aus «eight
bolls of malt» Aqua Vitae herzustellen.
Obwohl Whisk(e)y – der einfacheren Lesbarkeit halber
schreiben wir nur noch Whisky
– mit Schottland, Irland und
Nordamerika assoziiert wird,
ist die Spirituose längst globalisiert. So zählt Japan zu den
grössten Whisky-Produzenten.
Die taiwanische Kavalan Distillery gewann an den World
Whiskies Awards 2016 in London die höchsten Auszeichnungen in den Kategorien
«Best Single Malt» und «Best
Single Cask». Selbst die ursprünglich wichtigsten Getreidearten Gerste, Mais, Roggen
und Weizen werden heute mit
Reis, Amarant, Hirse oder Quinoa ergänzt.
Zwar ändern sich die Bestimmungen für Whisky von Land
zu Land. Nur Getreide als gemeinsame Basis ist überall
gleich. Im Weiteren besagt das
Gesetz, dass Whisky mindestens drei Jahre in Holzfässern
von maximal 700 Litern Inhalt
reifen muss, dass er mit mindesten 40 Volumenprozenten
Alkohol abzufüllen ist und dass
er nicht gesüsst werden darf.
Einzig in den USA kann ein
weisses Getreidedestillat, das
niemals ein Fass von innen
gesehen hat, das Wort «Whiskey» auf dem Etikett tragen.
Whisky oder Whiskey
Die unterschiedlichen
Schreibweisen lassen Rückschlüsse auf die Herkunft zu.
So werden irische und amerikanische Whiskeys in der
Regel mit «e» geschrieben.
Schottland und alle anderen
Länder, in denen der schottische Whisky als Vorbild gilt,
verzichten auf das «e». In der
Schweiz ist die Schreibweise
variabel und orientiert sich
zumeist am verwendeten
Grundmaterial.
Die internationalen Richtlinien
wurden auch für die heimische
Whisky-Produktion übernommen. Im Ersten Weltkrieg
verboten, darf in der Schweiz
seit dem 1. Juli 1999 wieder
Getreide destilliert werden. An
jenem Morgen um fünf Uhr
entfachte Ernst Bader auf seinem Hof in Lauwil/BL das Feuer unter dem Brennhafen.
Als Erster destillierte er Getreide, das er dann zu Whisky
reifte. Den Tipp dazu bekam
Ernst Bader übrigens von einem Inspektor der Eidgenössischen Alkoholverwaltung.
«Ernst», sagte der Inspektor,
«du machst einen guten Kirsch.
Das sollte auch für Whisky
langen.» Zahlreiche Brenner
folgten dem Beispiel Baders
genau zu der Zeit, als
der Trend zu ungewöhnlichen
Whiskys seinen Anfang nahm.
Heute produzieren 59 Schweizer Brenner Whisky. Tom Wyss
kennt sie alle. Der WhiskyKenner arbeitet hauptberuflich
als Reisezugbegleiter bei der
SBB. Nebenbei hat er 2500
Flaschen Whisky aus 40 Ländern zusammengetragen.
Sein Wissen publizierte Tom
Wyss mit Spirituosenfachfrau
Julia Nourney als Co-Autorin
im Buch «Whisky Trails
Schweiz – ein Reisehandbuch»
(s.u.).
Die Qualität von Whisky hat
nichts mit dem Alter zu tun
Tom Wyss Fazit: «Schweizer
Brenner sind sich von geschmacklich sehr sensiblen
Fruchtdestillaten wie dem
Kirsch gewohnt, sauber zu
arbeiten. Vorlauf, Herz und
Nachlauf werden präzise getrennt.» Auch Julia Nourney ist
von der Qualität der Schweizer
Whiskys überzeugt. «Es ist
nicht sinnvoll, Schweizer Whisky mit einem Single Malt
Scotch zu vergleichen», erklärt
die Expertin, die sich seit 24
Jahren mit Whisky befasst.
«Jedes Getreide und jedes
Fass ergibt ein anderes Resultat. Es kommt ja auch niemandem in den Sinn, Irish Whiskey
oder amerikanischen Bourbon
mit Scotch zu vergleichen.»
«Der spezielle Geschmack
des Schweizer Whiskys
schickt sich an, internationale Märkte zu erobern.»
JULIA NOURNEY, SPIRITUOSENFACHFRAU UND BUCHAUTORIN
In Schottland, mit einer durchschnittlichen Jahrestemperatur
von 8,5 Grad Celsius, milden
Wintern und kühlen Sommern,
reift Whisky langsamer. Im
Alpenraum mit kalten Wintern
und warmen Sommern ist die
Interaktion in den Fässern viel
grösser. Mit steigenden
Temperaturen dehnt sich
das Destillat aus und wird ins
Holz der Fässer gedrückt. Sinken die Temperaturen, zieht
sich das Destillat wieder zusammen, extrahiert Farbe und
Gerbstoffe und reift dadurch
schneller als in Schottland. Die
Schwierigkeit dabei ist: Wie
bringe ich mein Destillat
über die drei vorgeschriebenen
Jahre durch das Fass, ohne
dass dieses zu viel Holz aufnimmt und zu früh reif wird?
«Wenn ich dürfte, würde ich
manchmal bereits nach zwei
oder zweieinhalb Jahren abfüllen», sagt Luzi Boner von BioWeinbau und Brennerei
zur Krone in Malans/GR. «Ein
weiterer Faktor ist die Hygiene
der Fässer. Bei einer jährlichen
Produktion von nur zwei Barriques ist diese extrem wichtig.»
Bei 17 000 Fässern, welche
beispielsweise die japanische
Suntory Distillery wöchentlich
abfüllt, würde ein unsauberes
Fass nicht auffallen.
Luzi Boner präsentierte seinen
Bündner Single Malt Mitte
Juni anlässlich der grossen
fässern, was würzige bis pikante Whiskys mit versöhnend
malziger Süsse ergibt.
x Rugenbräu in Matten bei
Interlaken/BE reift klassisch in
Oloroso-Sherry-Fässern im
Felsenkeller. Der «Ice Label»
reift gar in einer Eisgrotte auf
dem Jungfraujoch.
x Marco Frauchiger und Bernardo Lamparti von der
Macardo Destillerie in Strohwilen/TG sind eine Kooperation
mit einem Portweinproduzenten eingegangen, der den
Schweizern seine gebrauchten
Portweinfässer liefert. Darin
reift der Whisky dann vier bis
fünf Jahre. Schliesslich enden
die Fässer als Holzschnitzel im
Barbecue-Smoker.
Der Schweizer Geschmack
gefällt Whisky-Liebhabern
Vorne der «Pot Still» genannte Brennhafen, in dem die Maische erhitzt wird. Hinten die Rektifizierkolonne zur Verflüssigung der Alkoholdämpfe zu einem klaren Destillat. Seine goldene Farbe erhält
Whisky erst bei der Reifung im Fass.
Werkschau des Schweizer
Whiskys. 22 Produzenten folgten der Einladung des Schweizer Schnaps Forums und zeigten einem interessierten
Publikum, was in ihren
Kellern reifte.
Chardonnay-Fässer verleihen dem Destillat viel
Finesse
Dass die Schweizer WhiskyProduktion einen Boom erlebt,
liegt vermutlich an den Kombinationsmöglichkeiten und der
Leidenschaft der Brenner.
Beide scheinen grenzenlos zu
sein. Das beginnt mit der Wahl
der Rohstoffe, geht über die
Produktion, die Reifung in
Sherry-Fässern oder Barriques,
in denen Schweizer Wein
reifte, bis hin zur Assemblage.
Einige Beispiele:
x So zeigen die Single Malts
aus dem Chardonnay-Fass viel
Frucht und Finesse. Die
«Buechibärger» der Brennerei
Schwab aus Oberwil bei Büren/
BE weisen auf jeden Fall
verblüffend ähnliche Charaktereigenschaften auf wie der
«400 Jahre Kornhaus Single
Malt» und der «Old Woodpecker» von der Langatun
Distillery in Aarwangen/BE.
x Die Brauerei Locher in Appenzell reift ihre Single Malts
in 60 bis 130 Jahre alten Bier-
Nach Jahren des Experimentierens kommen Schweizer Brenner auf den Geschmack einheimischer Gerste, Urdinkel
und Rheintaler Ribelmais.
Zurzeit sei die Nachfrage
grösser als die Landwirtschaft
produzieren könne. Dazu
Julia Nourney: «Einheimische
Rohstoffe, die saubere Luft,
das gute Wasser, das Klima
sowie die Lagen, die einiges
höher liegen als in Schottland,
lassen einen ganz speziellen
Geschmack entstehen, der sich
inzwischen anschickt, internationale Märkte zu erobern.»
Die zahlreich angebotenen
Möglichkeiten, Schweizer
Whisky zu verkosten, sollte
man auf keinen Fall versäumen. GABRIEL TINGUELY
Fakten und Zahlen
59
80
Schweizer Brennereien
produzieren Whisky.
Viele jedoch nur für den
Eigenbedarf und den
Freundeskreis. Von rund
40 Produzenten gelangen Whisky-Abfüllungen
auf den Markt.
Prozent der globalen
Whiskyproduktion befinden sich in drei Händen: Diageo (GB), Pernod Ricard (F) und Suntory (Japan).
1,7
Millionen Liter 100prozentiger Alkohol
wurden 2015 in der
Schweiz in Form von
Whisky gehandelt.
Das entspricht rund
5,5 Millionen Flaschen.
1999
hob der Bundesrat das
Verbot der Destillation
von Getreide auf.
105 000
Liter 100-prozentiger
Alkohol entfielen 2015
in der Schweiz auf Getreidedestillate wie
Whisky (80 000 l), Wodka, Gin und Bierbrände.
59
Schweizer Brennereien
produzieren Whisky.
Viele jedoch nur für den
3
Jahre muss ein Getreidedestillat in Holzfässern reifen, bevor dieses
als Whisky verkauft
werden darf.
700
Liter Inhalt dürfen
Whiskyfässer maximal
fassen.
51
Prozent muss der Maisanteil bei BourbonWhiskey betragen. Dieser reift in neuen, mit
einer extrem heissen
Flamme ausgekohlten
Eichenholzfässern
Buchtipp
In «Whisky Trails Schweiz –
ein Reisehandbuch» haben
Julia Nourney, Spirituosenfachfrau aus Frankfurt, und
der Zürcher Whisky-Sammler
Tom Wyss umfangreiche
Informationen zusammengetragen. Sie erklären detailliert
die Herstellung der Schweizer
Whiskys und geben Tipps, wo
man Brennereien besuchen
kann und welche Bars das
abwechslungsreichste
Whisky-Sortiment anbieten.
Edition Reiseratte 2015
237 Seiten mit zahlreichen
Fotos und Karten
ISBN 978-3-945309-08-7
CHF 16.90
Mehr Informationen unter:
www.schnapsforum.ch
www.dryas.de/reiseratte