Starke Zentren – schwache Regionen?

FOKUSNIEDERSACHSEN
August 2016
Starke Zentren – schwache Regionen?
Zum Verhältnis von Stadt und Land aus Sicht der Wirtschaft
Der demographische Wandel ist spürbar - Handlungsbedarf in ländlichen Regionen
Die Bevölkerungsverteilung verschiebt sich - zwischen den Regionen sowie zwischen Stadt und Umland. Es ist ein Trend zur
Reurbanisierung zu beobachten. Das wirkt sich auf die jeweiligen Standortbedingungen aus. Vom Zuzug in die Stadt profitieren
einige Oberzentren, für viele kleine und mittlere Städte ist eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen spürbar: Die
Kaufkraft schrumpft, Fach- und Nachwuchskräfte fehlen, es entstehen Nahversorgungslücken, Leerstand breitet sich aus. In
niedersächsischen Kommunen steht man vor der Aufgabe, Einrichtungen der Daseinsvorsorge zu erhalten und veränderten Anforderungen anzupassen.
Doch es gibt bereits gute Beispiele für innovative Lösungswege, unter anderem in Kooperation mit privaten Akteuren. Der aktuelle
Fokus Niedersachsen stellt richtungsweisende Steuerungsansätze vor, die Nachahmungscharakter für andere Regionen haben
können. Die Industrie- und Handelskammern bieten Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung dabei ihre Unterstützung an.
Lesen Sie mehr zum Thema auf den folgenden Seiten im aktuellen „Fokus Niedersachsen“ des Niedersächsischen Industrie- und
Handelskammertages (NIHK).
Seite 1
FOKUS NIEDERSACHSEN
Starke Zentren – schwache Regionen?
August 2016
FOKUSNIEDERSACHSEN
Herausforderungen für den ländlichen Raum
Durch den demographischen Wandel sind Kommunen in den ländlichen Räumen Niedersachsens erheblichen Veränderungen ausgesetzt. Die Abwanderung insbesondere jüngerer Einwohner hat
zu einem Rückgang der Bevölkerungsdichte geführt. Neben ländlichen Gebieten mit wachstumsstarken mittelständischen Unternehmen sind auch diejenigen Regionen betroffen, deren Struktur durch
Tourismus und Landwirtschaft geprägt wird und die damit einen
Beitrag zum Natur-, Klima- und Ressourcenschutz sowie zur nachhaltigen Landbewirtschaftung leisten. In beiden Regionen sind die
Funktionen und die Wettbewerbsfähigkeit der ansässigen
Unternehmen immer schwerer zu sichern. Dabei darf die eingangs beschriebene Abwärtsspirale nicht dazu führen, dass
die wirtschaftliche Basis und die Versorgungsqualität in ländlichen Regionen geschwächt werden.
Hier setzen verschiedene innovative Projekte und Kooperationsmodelle in Niedersachsen an.
Praxisbeispiele:
Zukunftsfonds Ortskernentwicklung 3.0 des Landkreises Osnabrück
Der zum dritten Mal aufgelegte Zukunftsfonds mit dem Förderschwerpunkt „Onlinehandel“ unterstützt die Akteure vor Ort dabei,
Antworten auf die neuen Herausforderungen durch das Internet zu finden, Konzepte zu entwickeln und umzusetzen. Hierfür
steht für den Förderzeitraum 2016 und 2017 ein Budget von 80.000 Euro zur Verfügung. Der Landkreis fördert Online- und Offline-Maßnahmen mit 40 Prozent, die übrige Summe übernehmen je zur Hälfte die Kommunen sowie die privaten Geschäftsleute
und Eigentümer. Die Jury besteht aus Vertretern der IHK Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim, des Handelsverbands
Osnabrück-Emsland, des Landkreises Osnabrück sowie weiteren Experten aus Praxis und Politik. Der Förderzeitraum begann im
Juli 2016 und beträgt 15 Monate, mit einmaliger begründeter Möglichkeit der Verlängerung um drei Monate.
Weitere Informationen: https://www.landkreis-osnabrueck.de/bauen-umwelt/planen-und-bauen/zukunftscheckortskernentwicklung
Programm zur Förderung von Einrichtungen der wohnortbezogenen Nahversorgung
Mit dem Programm zur Förderung von Einrichtungen der Nahversorgung leistet der Landkreis Emsland einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der Dörfer. Niedersachsenweit bieten bereits das Programm zur Förderung des ländlichen Raumes (PFEIL) und die
ZILE-Richtlinie Fördermöglichkeiten zur Versorgung des ländlichen Raumes. Im Landkreis Emsland wird zusätzlich zu dieser Zuwendung eine Unterstützung für Maßnahmen zur Schaffung, Erhaltung, Verbesserung und Erweiterung von lokalen Basisdienstleistungen angeboten. Gefördert werden beispielsweise Dorf-/Nachbarschaftsläden, kleine Dienstleistungs- und Grundversorgungszentren u. a. mit Einzelhandel, ärztlicher Versorgung, Apotheke, Post, Bank sowie dörfliche Dienstleistungsagenturen (z. B.
Service zur Betreuung der Bevölkerung, Sozialstation, dezentrale Informations- und Vermittlungsstellen für kommunale Leistungen).
Weitere Informationen: https://www.emsland.de/pdf_files/amtsblatt/2016-16.pdf
„Wi helpt di – Wir für unsere Zukunft in Dötlingen“
Die Gemeinde Dötlingen im Landkreis Oldenburg hat das Konzept „Wi helpt di – Wir für unsere Zukunft in Dötlingen“ entwickelt.
Im Mittelpunkt steht ein Arbeitskreis aus ca. 50 Bürgern, der zum Thema „Wohnen und Leben im Alter in der Gemeinde
Dötlingen“ verschiedene Projekte und Maßnahmen erarbeitet hat. Daraus entstand das Konzept „Wi helpt di“ mit den drei Säulen: Nachbarschaft leben, Wohnen gestalten, Pflege organisieren. Unterstützung leistet eine von der Gemeinde eingestellte
Halbtagskraft.
Weitere Informationen: http://www.wi-helpt-di.de/
Zukunftsstadt Lingen 2015 - Der Lingener Weg
Seite 2
FOKUS NIEDERSACHSEN
Starke Zentren – schwache Regionen?
August 2016
FOKUSNIEDERSACHSEN
Die Stadtverwaltung hat gemeinsam mit dem Stadtrat einen Dialogprozess zum Thema „Zukunftsstadt Lingen 2025 - Der
Lingener Weg“ eingeleitet. Ziel des Projektes ist es, einen Handlungsrahmen für Politik und Verwaltung, Wirtschaft und Bürger
für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre zu schaffen. Die Projekte Neuausrichtung des Energiestandortes, Innenentwicklung,
Fahrradfreundliche Stadt und Stadtmarketing wurden als Startprojekte definiert.
Weitere Informationen: https://www.lingen.de/
European Medical School Oldenburg-Groningen
Die European Medical School Oldenburg-Groningen (EMS) ist ein deutsch-niederländisches Kooperationsprojekt der Universitäten Oldenburg und Groningen. Jedes Jahr beginnen 40 Studierende an der Universität Oldenburg ein Medizinstudium. Der Studiengang schließt mit dem Staatsexamen ab. Zusätzlich kann an der Partneruniversität Groningen der Masterabschluss in
„Geneeskunde“ erworben werden. Aur diese Weise erhalten niederländische und deutsche Studierende einen Einblick in ein anderes europäisches Gesundheitssystem. Von der European Medical School profitiert die gesamte Nordwestregion. Sie trägt dazu
bei, dass innovative Behandlungsmethoden im Nordwesten besser verfügbar werden.
Weitere Informationen: http://www.nwzonline.de/schule/ganze-region-steht-hinter-uni-medizin_a_6,2,151427943.html
Interkommunale Gewerbegebiete vorantreiben
Expansionswillige Unternehmen siedeln sich dort an, wo ausreichende und preiswerte Flächen verfügbar sind. Die Abwanderung
von Betrieben kann nur verhindert werden, wenn am Wachstum
der Unternehmen ausgerichtete Gewerbeflächen vorhanden sind.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Brachflächenentwicklung
ihre Grenzen hat. In vielen Regionen ist ein Trend hin zu mehr
Zusammenarbeit zwischen Kommunen bei der Entwicklung
von Gewerbeflächen zu beobachten. Interkommunale Gewerbegebiete ermöglichen ein Angebot für Betriebe mit größerem
Flächenbedarf. Die Dimensionen mögen zwar die meisten lokalen Gewerbegebiete übertreffen, bedeuten im Ergebnis aber
weniger Flächenverbrauch.
Praxisbeispiel:
Interkommunaler Gewerbepark Waller See
Die Stadt Braunschweig und die Gemeinde Schwülper (Landkreis Gifhorn) haben gemeinschaftlich ein über 90 ha großes Gewerbegebiet an der Bundesautobahn 2 geplant, angekauft, erschlossen und vermarktet. Das Gebiet erstreckt sich über beide Kommunen und sichert Ansiedlungsmöglichkeiten in optimaler Erschließungslage an der Anschlussstelle BraunschweigHafen/Schwülper. Mit einem ersten öffentlich-rechtlichen Vertrag wurde 1997 die gemeinsame, aber hoheitlich getrennte
Bebauungsplanung geregelt. Für die weitere Erschließung und Vermarktung wurde ein zweiter öffentlich-rechtlicher Vertrag
geschlossen, der die Durchführung und Verteilung der Kosten und Nutzen regelt. Aktuell sind noch ca. 35 ha des Gewerbeparks
verfügbar.
Weitere Informationen: http://www.komsis.de/gf/de/profile/GF-39754
Starke Zentren und Innenstädte erhalten
Starke Zentren und Innenstädte sind die Grundlage für die Attraktivität der Kommunen. Wichtige Funktionen für die Ortskerne
übernehmen der Einzelhandel, Dienstleistungs- und Gastronomiebetriebe sowie Freizeit- und Kultureinrichtungen. Innenstädte,
Stadtteilzentren und Ortskerne niedersächsischer Kommunen
Seite 3
FOKUS NIEDERSACHSEN
Starke Zentren – schwache Regionen?
konkurrieren mit der „Grünen Wiese“ und zunehmend mit
dem Onlinehandel. Inhabergeführte Fachgeschäfte haben
zusätzlich mit einem veränderten Verbraucherverhalten, der
Unternehmensnachfolge und Konkurrenz durch Filialisten zu
kämpfen. Fehlende Magnetbetriebe und eine geringe Attrakti-
August 2016
FOKUSNIEDERSACHSEN
vität bei der Gestaltung des öffentlichen Raums führen zu sinkenden Kundenfrequenzen, zunehmenden Leerständen und Attraktivitätsverlusten. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von
Innenstädten und Ortskernen haben sich Instrumente wie
Einzelhandelskonzepte, Stadt- und Citymarketing, Quartiersund Leerstandsmanagement in der Praxis bewährt.
Umsatzentwicklung im stationären Einzelhandel, Veränderung 2020 zu 2014 (Trend-Szenarien)
Quelle: IFH Köln 2015
Praxisbeispiele:
Regionales Einzelhandelskonzept des Landkreises Stade
Im Auftrag des Planungsamtes des Landkreises Stade hat die Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) ein Regionales
Einzelhandelskonzept für den Landkreis Stade erstellt. Das Konzept dient einerseits als fachliche Grundlage bei der Fortschreibung des Regionalen Raumordnungsprogramms, andererseits soll es den Zustand der Nahversorgung aufzeigen und wie die
wohnortnahe Lebensmittelgrundversorgung gesichert werden kann. Darüber hinaus ist es Abstimmungsgrundlage bei der Moderation von Ansiedlungs- und Erweiterungsvorhaben zwischen den betroffenen Gemeinden.
Weitere Informationen: https://www.landkreis-stade.de
Seite 4
FOKUS NIEDERSACHSEN
Starke Zentren – schwache Regionen?
August 2016
FOKUSNIEDERSACHSEN
Regionales Zentren- und Einzelhandelskonzept Region Bremen
Der Kommunalverbund Niedersachsen Bremen e. V. ist ein Zusammenschluss von derzeit 28 Kommunen in der Region Niedersachsen Bremen. Am 4. Dezember 2013 haben Städte, Gemeinden, Samtgemeinden und Landkreise in der Region Bremen, die
Länder Bremen und Niedersachsen sowie der Kommunalverbund einen raumplanerischen Vertrag zur Steuerung von Einzelhandelsgroßprojekten geschlossen, dessen Bestandteil das Regionale Zentren- und Einzelhandelskonzept Region Bremen ist. Durch
den raumplanerischen Vertrag wurden in Bremen und in den beteiligten niedersächsischen Kommunen gemeinsame Ziele,
Grundlagen und Verfahren zur Steuerung und regionalen Abstimmung des großflächigen Einzelhandels verbindlich und mit länderübergreifender Wirkung für die Region vereinbart. Das Regionale Zentren- und Einzelhandelskonzept findet Anwendung bei
Einzelhandels- und Nahversorgungsprojekten über 800 qm Verkaufsfläche. Ziel ist es, die vorhandenen Entwicklungsspielräume
für den Einzelhandel zur Stärkung der Zentren und Ortskerne zu nutzen.
Weitere Informationen: http://www.kommunalverbund.de
Fachkräfte sichern
Der Fachkräftemangel ist bereits heute in einigen Bereichen der
niedersächsischen Wirtschaft bemerkbar. Bis auf wenige Ausnahmen wird die Bevölkerung bis zum Jahr 2030 in weiten Teilen
der Bevölkerung schrumpfen (s.a. Grafik zur Bevölkerungsentwicklung). Vor allem Südniedersachsen ist davon betroffen. Das
wird den Fachkräftemangel weiter verstärken. Neben einer gesteuerten Zuwanderung wird das Standortmarketing eine stärkere
Bedeutung erlangen.
Im Wettbewerb um Fachkräfte setzen viele Kommunen bereits auf eine gezielte Außendarstellung. Das kann bei der
Anwerbung aus anderen Bundesländern oder dem Ausland
helfen und den Einwohnern die Vorteile der Region aufzeigen. Gerade für kleinere Kommunen ist dabei die Kooperation mit Nachbargemeinden oder Einrichtungen sinnvoll. Nur
im Verbund können Städte und Gemeinden gestärkt in den
Wettbewerb um Fachkräfte und Unternehmen gehen.
Praxisbeispiel:
Fachkräfteinitiative der Ems-Achse e. V.
Die Wachstumsregion Ems-Achse e. V. ist eine Kooperation aus Unternehmen, den Landkreisen Aurich, Emsland, Grafschaft
Bentheim, Leer und Wittmund, der kreisfreien Stadt Emden, Kommunen, Kammern, Bildungseinrichtungen und Verbänden in der
Region. Beteiligt sind auch die Agenturen für Arbeit und die Jobcenter. Ziel der Kooperation sind die Stärkung des Wirtschaftswachstums und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Nicht nur die Fachkräfte stehen im Fokus, sondern auch Familien und die
Fachkräfte von morgen (Kinder, Jugendliche, Rückkehrer).
Weitere Informationen: http://www.emsachse.de/projekte/fachkraefteinitiative.html
Investitionen in digitale Infrastruktur ausweiten
Eine schnelle Breitband-Internetverbindung ist in ländlichen Regionen unverzichtbar. Die Digitalisierung sämtlicher Lebensbereiche und wirtschaftlicher Aktivitäten schreitet voran und lässt
das übertragene Datenvolumen im Internet rasant ansteigen.
Industrie 4.0, E-Commerce und E-Governance können nur mit
einer zukunftsweisenden und flächendeckend verfügbaren Breitband-Infrastruktur funktionieren.
Die Breitbandstrategie des Bundes sieht eine flächendeckende
Versorgung mit mindestens 50 Mbit/s bis zum Jahr2018 vor.
Seite 5
FOKUS NIEDERSACHSEN
Starke Zentren – schwache Regionen?
Im Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung kann dies
nur ein Zwischenziel sein. Erforderlich ist ein umfassender
Ausbau des Breitbandnetzes mit Glasfasertechnik (FTTH).
Darüber hinaus müssen dort, wo sich kabelgebundene
Lösungen nicht realisieren lassen, funkbasierte Zugangstechniken installiert werden, um Netzlücken zeitnah zu
schließen. Wichtig ist es, die Chancen der neuen Technologien durch innovative und attraktive Anwendungen zu
erschließen.
August 2016
FOKUSNIEDERSACHSEN
Praxisbeispiel:
Einkaufsstadt Verden
Die Stadt Verden (Aller) hat gemeinsam mit dem Kaufmännischen Verein einen anwenderfreundlichen, modernen und ansprechenden virtuellen Einkaufsführer erstellt, in dem sich die Einzelhändler, Dienstleister und Gastronomen der Verdener Innenstadt
präsentieren. Die Mehrzahl der Einzelhändler, Dienstleister und Gastronomen sind bereits im neuen Einkaufsführer eingetragen.
Die Stadt hat sich zum Ziel gemacht, die Einzelhandelslandschaft möglichst vollständig abzubilden.
Weitere Informationen: http://www.einkaufen-verden.de
Ansprechpartner für den Fokus Niedersachsen
NIHK-Sprecher für Raumordnung und Regionalpolitik
Eckhard Lammers, Tel. 0541 / 353-210, E-Mail: lammers@osnabrück.ihk.de
NIHK
Hinüberstr. 16-18, 30175 Hannover
Tel. 0511 33708-75
E-Mail: [email protected]
Der NIHK vertritt rund 270.000 Unternehmen in Niedersachsen. Mitglieder sind die die IHK Lüneburg-Wolfsburg, die Oldenburgische
IHK, die IHK Osnabrück – Emsland – Grafschaft Bentheim, die IHK für Ostfriesland und Papenburg sowie die IHK Stade für den ElbeWeser-Raum.
Der Fokus Niedersachsen erscheint in regelmäßigen Abständen zu aktuellen Themen aus Wirtschaft und Politik und steht
unter www.n-ihk.de/Publikationen auch zum Download zur Verfügung.
Seite 6
FOKUS NIEDERSACHSEN
Starke Zentren – schwache Regionen?