PRESSEMITTEILUNG - Universität Hohenheim

UNIVERSITÄT HOHENHEIM
PRESSE UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT
Telefon: +49(0)711 459-22001/22003
Fax:
+49(0)711 459-23289
E-Mail: [email protected]
Internet: http://www.uni-hohenheim.de
18.08.2016
PRESSEMITTEILUNG
Zellkommunikation:
Genforschung eröffnet neue Optionen im Kampf gegen
Krebs
Genetiker der Universität Hohenheim entschlüsseln mit US-Kollegen zentralen
Proteinbaustein im Notch Signalweg und belegen ihn im Modellorganismus Drosophila
(Fruchtfliege)
PRESSEFOTOS unter www.uni-hohenheim.de
Wenn die Kommunikation zwischen Zellen gestört ist, kann das für den Menschen fatal
werden: Es drohen etliche Krankheiten, nicht zuletzt auch Krebs. Bei der
Zellkommunikation spielt der sogenannte Notch Signalweg eine entscheidende Rolle. Nun
haben Wissenschaftler der Universitäten Hohenheim und Cincinnati die Struktur eines
daran beteiligten Proteinkomplexes entschlüsselt. Die Kenntnisse eröffnen neue
Möglichkeiten, diesen Signalweg zu steuern – und damit auch der Therapie. Die
Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „PLOS Biology“ veröffentlicht.
Ein hübsches, buntes Gebilde auf dem Schreibtisch der Wissenschaftler, in trauter Eintracht mit
einer Stoff-Fruchtfliege, ist das anschauliche Symbol bahnbrechender Erkenntnisse für die
Genetiker.
„Es ist das Modell eines Proteinbausteins: dem sogenannten Repressorkomplex, der bei der
Zellkommunikation eine zentrale Rolle spielt“, erklärt Dr. Dieter Maier vom Fachgebiet Allgemeine
Genetik an der Universität Hohenheim. „Zusammen mit den Kollegen an der Universität
Cincinnati konnten wir seine Struktur nun entschlüsseln und die Funktionen in vivo, also bei
lebenden Fruchtfliegen, belegen.“
Die Rede ist vom sogenannten Notch Signalweg. Er ist in allen höheren Tieren vorhanden und
wird bei der Zellkommunikation benötigt, um die Differenzierung von Zellen zu steuern. „Wenn
dieser Signalweg gestört ist führt das zu Erbkrankheiten, die vor allem Herz und Skelett betreffen,
zu Krebserkrankungen und Leukämien“, skizziert Prof. Dr. Anette Preiss, die das Fachgebiet
Allgemeine Genetik an der Universität Hohenheim leitet.
1/3
Proteinstruktur ist Schlüssel zur Steuerung des Signalweges
„Der Notch Signalweg funktioniert vereinfacht wie ein Ein- und Ausschalter“, erklärt Dr. Maier den
Prozess, der mit vielen ungewöhnlichen Namen einhergeht. „Den Einschalter kennt man schon
recht gut: Wenn ein Protein-Bereich namens ‚Suppressor of Hairless‘ an die DNA anschließt, wird
Notch aktiviert. Aber ‚Suppressor of Hairless‘ wird zum Ausschalter, sobald das Protein ‚Hairless‘
daran andockt. Über die Strukturen, die diesem Komplex zugrunde liegen, wusste man bisher
kaum etwas.“
Jetzt gelang es den amerikanischen Kooperationspartnern um Prof. Dr. Rhett A. Kovall, mittels
Röntgenstrukturanalyse die Struktur dieses Proteinkomplexes zu identifizieren. „Das gibt uns
neue Werkzeuge, um den Signalweg zu regulieren“, legt Prof. Dr. Preiss dar. „Wenn wir die
Struktur kennen, können wir neue Medikamente entwickeln. Man könnte z.B. kleine Moleküle
bauen, die in die Zellen eindringen, sich dort anstelle von ‚Hairless‘ an das Protein binden und
das Notch Signal ausschalten.“
Genetische Veränderungen ermöglichen Steuerung
Die Strukturanalyse zeigte eine bisher unbekannte Proteinbindung: „Die Bindung von ‚Hairless‘
an den ‚Suppressor of Hairless‘ ist sehr stark – um sie einzugehen, muss ‚Suppressor of Hairless‘
seine Struktur stark verändern, so dass ‚Hairless‘ tief in das Protein eindringen kann“, so Dr.
Maier.
Der Genetiker fand zusammen mit Dr. Heiko Praxenthaler in dessen Doktorarbeit einen weiteren
Ansatz: „Wir haben die Proteine an mehreren Stellen gentechnisch so verändert, dass die
Bildung des Ausschalters, aber nicht die des Anschalters gestört wird“, erläutert er die
Vorgehensweise der Forscher. „Damit sind wir in der Lage auch das Signal zu regulieren.“
Versuche mit Fruchtfliegen belegen neue Erkenntnisse
Dass das tatsächlich funktioniert, haben die Wissenschaftler anhand der Fruchtfliege Drosophila
melanogaster, einem bekannten Modellorganismus, demonstriert. „Die mutierte Drosophila-DNA
haben wir vermehrt und in die Fliegeneier mikroinjiziert. So konnten wir genetisch veränderte
Fruchtfliegen heranziehen.“
Bei diesen genveränderten Tieren gelang es den Forschern dann, in den Mechanismus
einzugreifen. „Anhand bestimmter Merkmale, beispielsweise der Ausprägung und Größe der
Augen, konnten wir erkennen, dass wir nun den Notch Signalweg steuern können“, freut sich Dr.
Maier.
Bisher wurden Krankheiten, die auf einem fehlerhaften Notch Signalweg basieren, in der Regel
über Antikörper behandelt. Doch langfristig, so die Hoffnung der Forscher, könnte die
Entschlüsselung dieser Vorgänge in der Therapie Verwendung finden – mit einer direkten
Steuerung des Signalweges.
Originalstudie:
Zhenyu Yuan, Praxenthaler, H., Tabaja, N., Torella, R., Preiss, A., Maier, D., Kovall, R.A.:
2/3
Structure and Function of the Su(H)-Hairless Repressor Complex, the Major Antagonist of Notch
Signaling in Drosophila melanogaster; in: „PLOS Biology“ (published: July 12, 2016):
http://dx.doi.org/10.1371/journal.pbio.1002509
Eine Abbildung aus dem Artikel diente als Cover für die Juli-Ausgabe von PLOS Biology. Zudem
wurde er durch einen einführenden Artikel referiert:
http://dx.doi.org/10.1371/journal.pbio.1002524
Hintergrund zum Projekt:
Das Projekt „Repression mechanisms of the Notch-signalling pathway in Drosophila“ fördert die
DFG mit 190.000 Euro. Es startete am 1. März 2013. Kooperationspartner des Fachgebiets
Allgemeine Genetik an der Universität Hohenheim ist die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Rhett A.
Kovall von der Universität Cincinnati College of Medicine in den USA sowie Dr. Rubben Torella
von der Universität Cambridge in Großbritannien.
Text: Elsner / Töpfer
Kontakt für Medien:
Dr. Dieter Maier, Universität Hohenheim, Fachgebiet Allgemeine Genetik
T 0711 4592 2215, E [email protected]
Prof. Dr. Anette Preiss, Universität Hohenheim, Fachgebiet Allgemeine Genetik
T 0711 459 22206, E [email protected]
3/3