Ihre Gesprächspartnerinnen: Dr.in Michaela Petz a Leiterin der AK-Bezirksstelle Wels Mag. Sabine Moherndl-Mühlböck AK-Rechtsexpertin Aktuelles aus der AK Wels: Dauerbrenner Unterentlohnung und dreiste Klauseln in Arbeitsverträgen Sommergespräch am Donnerstag, 18. August 2016, um 11 Uhr im Hotel Gösserbräu, Wels Beratungsleistung der AK Wels bleibt auf hohem Niveau Beratung und Vertretung in arbeits- und sozialrechtlichen Angelegenheiten sind das Kerngeschäft der Arbeiterkammer Wels. Tausende Arbeitnehmer/-innen aus dem Bezirk suchen Rat und Hilfe in der Bezirksstelle. Im ersten Halbjahr wandten sich 4.771 Beschäftigte mit arbeits- und sozialrechtlichen Fragen an die AK Wels, der überwiegende Teil davon telefonisch (2.883). Durch außergerichtliche Interventionen und auf dem Gerichtsweg hat die AK Wels in den ersten sechs Monaten des Jahres 581.912 Euro an vorenthaltenem Entgelt eingebracht. Dabei geht es hauptsächlich um offene Löhne und Gehälter, aber auch um Einstufungen, Sonderzahlungen, Überstunden und Abfertigungen. Hauptthema in der Beratung und Vertretung ist ungebrochen Unterentlohnung. Dauerthema Unterentlohnung In den Kollektivverträgen, die zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern/-innen ausgehandelt werden und jeweils für die gesamte Branche gelten, sind alle wichtigen wechselseitigen Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis geregelt. Das sind vor allem Bestimmungen zu Entlohnung (Mindestgehälter bzw. Mindestlöhne), Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) und Arbeitszeit. Die Einstufung der Arbeitnehmer/-innen in den Lohn- und Gehaltsordnungen der Kollektivverträge erfolgt nach bestimmten Kriterien (Ausbildung, Vordienstzeiten etc.). Ausschlaggebend ist aber die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit. Diese wiederum ist in den Kollektivverträgen genau beschrieben. Immer wieder kommt es aber vor, dass die Einstufung bzw. Bezahlung nicht den in den Kollektivverträgen vorgesehenen Lohn- und Gehaltsstufen entspricht. Oft werden erbrachte Leistungen und Ansprüche, wie Überstunden oder Zulagen, einfach nicht bezahlt. Auch für sie gibt es aber klare gesetzliche oder kollektivvertragliche Regelungen. AK intensiviert Kampf gegen Lohndumping Anfang 2014 hat die AK Oberösterreich gemeinsam mit dem ÖGB und den Gewerkschaften eine Parlamentarische Bürgerinitiative für die Abschaffung kurzer Verfallsfristen und für eine Informationspflicht bei Unterentlohnung gestartet. Denn den Beschäftigten in Österreich werden jährlich Entgeltansprüche in Millionenhöhe vorenthalten. Dabei geht es unter anderem um falsche Einstufungen, 2 falsch oder gar nicht verrechnete Überstunden und Zulagen, Sonderzahlungen sowie Diäten und Kilometergelder. Diese illegale Vorgehensweise von einigen Unternehmen hat nicht nur unmittelbare Folgen für die Arbeitnehmer/-innen, sondern auch langfristige Auswirkungen, etwa auf die Höhe der Pension. Zudem verschaffen sich diese Unternehmen einen unlauteren Wettbewerbsvorteil, was zu einer Lohnspirale nach unten und zu Sozialdumping führt. Der Einsatz der AK Oberösterreich hat bereits erste wichtige Erfolge gebracht: Im Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSDBG) wurden der Prüfumfang erweitert, der Strafkatalog verschärft und Informationspflichten eingeführt. Jenen Unternehmen, die ihren Beschäftigten systematisch weniger bezahlen als ihnen zusteht, drohen erhöhte Verwaltungsstrafen. Nun wird die AK mit aller Vehemenz die Umsetzung des neuen Gesetzes einfordern und überwachen. Damit aber nicht genug: Es gibt zahlreiche Fälle, in denen Menschen jahrelang unterentlohnt werden, aber aufgrund der kollektiv- oder einzelvertraglichen Verfallsfristen ihre Ansprüche nur wenige Monate zurück einfordern können. Sie verlieren dadurch viel Geld. Die AK fordert, dass Verfallsfristen von weniger als drei Jahren für Arbeitnehmeransprüche abgeschafft werden, weil diese weder aus rechtlichen noch aus moralischen Gründen nachvollziehbar sind. 3 Beispiele aus der Praxis Wirt bezahlte seinen Beschäftigten tausende Euro nicht Zwei Fälle vom selben Gastgewerbebetreiber mit Sitz im Bezirk Schärding beschäftigten die Rechtsexperten/-innen der AK Wels über Monate hinweg. Im ersten Fall arbeitete eine Frau aus dem Bezirk Wels mehr als fünf Monate lang als Servierkraft und Schankhilfe im Betrieb – Vollzeit. Sie leistete dabei auch regelmäßig Überstunden. Dann wurde sie gekündigt. Zum Zeitpunkt der Kündigung waren noch elf Tage Urlaub offen, außerdem erhielt sie im letzten Monat nur einen einmaligen Betrag von 260 Euro. Für die Monate zuvor bekam sie 1.000 Euro Lohn – zu wenig, denn laut Kollektivvertrag hätte sie alleine schon als Grundlohn für 40 Wochenstunden 1.400 Euro brutto pro Monat erhalten müssen. Außerdem hat der Arbeitgeber 241 Überstunden und Zuschläge für 40 Stunden Feiertagsarbeit nicht berücksichtigt. Die AK forderte die offenen Zahlungen beim Wirt ein. Im zweiten Fall arbeitete eine Reinigungskraft aus dem Bezirk Wels fast sieben Monate in dem Betrieb. Obwohl sie jede Woche durchschnittlich 23 Stunden arbeitete, wurde sie bei der Gebietskrankenkasse nur für 12 Stunden pro Woche angemeldet. Wochenruhe bzw. Wochenendruhe oder zustehende Ersatzruhe wurde ihr nie gewährt, auch Urlaub konsumierte sie keinen. Weil sie nie Entgelt bezahlt bekam, reklamierte sie nach fast sieben Monaten beim Arbeitgeber. Dieser teilte ihr daraufhin mit, dass sie nach Hause gehen solle und er auf die Zusammenarbeit mit ihr verzichte – der Wirt beendete das Arbeitsverhältnis also fristlos. Die AK forderte für die Frau den offenen Lohn inklusive Zuschläge für die Mehrarbeit und Feiertagsarbeitsstunden, Entgelt für die nicht gewährte Wochen-, Wochenend- und Ersatzruhe, anteilige Sonderzahlungen, Urlaubsersatzleistung und Kündigungsentschädigung ein. In beiden Fällen verweigerte der Arbeitgeber die Zahlung, die AK musste in beiden Fällen Klage beim Arbeits- und Sozialgericht Wels einbringen. Noch bevor das Verfahren abgeschlossen werden konnte, meldete der Betrieb Insolvenz an. Letztlich bekamen die Frauen die offenen Zahlungen aus dem Insolvenz-Entgelt-Fonds 4 ausbezahlt: Die Schankhilfe 6.446 Euro netto, die Reinigungskraft 5.736 Euro netto. Die AK rät: • Bei Verdacht auf Unterentlohnung immer rasch an die AK wenden! Aufgrund von Verfallsfristen in Kollektivverträgen können Ansprüche bereits nach einigen Monaten verloren gehen. • Alle Unterlagen des Arbeitsverhältnisses (Dienstzettel, Arbeitsvertrag, Lohnzettel, Arbeitszeitaufzeichnungen usw.) gut aufheben. Damit hat man später, sollte die Abrechnung nicht stimmen, Beweismittel in der Hand. • Bezahlt die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber Lohn oder Gehalt nicht, berechtigt dies zum vorzeitigen Austritt. Arbeitnehmer/-innen müssen den Arbeitgebern/-innen schriftlich eine 10- bis 14-tägige Nachfrist setzen und für den Fall, dass innerhalb dieser Frist nicht das gesamte ausständige Entgelt ausbezahlt wird, den Austritt androhen. Ist das Geld nach Ablauf der Frist nicht auf dem Konto und wurde über das Unternehmen kein Insolvenzverfahren eröffnet, kann die/der Beschäftigte vorzeitig austreten, das Arbeitsverhältnis also mit sofortiger Wirkung beenden. Dann besteht Anspruch auf Kündigungsentschädigung, Urlaubsersatzleistung und eine allfällige Abfertigung. Achtung: Nicht übereilig aus dem Arbeitsverhältnis austreten, sondern vorher von der AK beraten lassen! 5 Viele Beratungen zu dreisten Klauseln in Arbeitsverträgen Immer wieder versuchen einige Arbeitgeber/-innen, die gesetzlichen Bestimmungen zu umgehen und wollen sich dafür auch noch von den Arbeitnehmern/-innen eine Zustimmung mittels Unterschrift einholen. Zahlreiche Mitglieder wandten sich heuer schon an die AK Wels, um sich über Passagen in ihren Arbeitsverträgen zu informieren. Häufig bemerken die Beschäftigten die dreisten Klauseln aber gar nicht – oder unterschreiben den Vertrag trotzdem, weil sie froh sind, überhaupt Arbeit zu bekommen. In vielen Fällen entdecken die AK-Rechtsberater/-innen die Klauseln dann, wenn sich Arbeitnehmer/-innen nach Ende des Arbeitsverhältnisses an die AK wenden. Zwei Beispiele Konventionalstrafe trotz Arbeitgeberkündigung Ein Angestellter aus dem Bezirk Wels wandte sich an die AK Wels, nachdem er von seinem Arbeitgeber, einem Maschinenbaubetrieb mit Sitz im Bezirk Wels, gekündigt worden war. In seinem Dienstvertrag war eine Konkurrenzklausel vereinbart, die grundsätzlich rechtens ist. Ungesetzlich war aber jene Vertragsklausel: „Der Arbeitgeber behält sich das Recht vor, die Einhaltung der Konkurrenzklausel auch bei Arbeitgeberkündigung ohne Verschulden des Dienstnehmers zu verlangen.“ Laut Firma hätte der Mann also, obwohl er unverschuldet gekündigt wurde, ein Jahr lang nicht bei der Konkurrenz arbeiten, sich selbständig machen, in Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorganen von Gesellschaften mitwirken oder in beratender Funktion in Bezug auf seine bisherigen beruflichen Tätigkeiten arbeiten dürfen. Bei Verletzung hätte er laut Vertrag eine Konventionalstrafe (Schadenersatzzahlung) von zwölf Bruttomonatsentgelten zahlen müssen. Die AK klärte den verzweifelten Arbeitnehmer auf: Eine Konventionalstrafe in Verbindung mit der Verletzung des Konkurrenzverbotes hätte er nur zahlen müssen, wenn er selbst gekündigt hätte, wenn er unberechtigt vorzeitig aus dem Dienstverhältnis ausgetreten wäre oder wenn er fristlos entlassen worden wäre. Selbst dann hätte es eine gesetzliche Obergrenze für die Konventionalstrafe von sechs Bruttomonatsentgel- 6 ten gegeben. Auch wenn der Mann den Vertrag unterschrieben hatte: Die Vertragsklausel war unwirksam – er musste nichts bezahlen. Verpflichtende Weiterbildung für die Firma in der Freizeit Als Beraterin für einen Küchenhersteller bewarb sich eine Welserin. Mit ihrem Dienstvertrag wandte sie sich an die AK Wels, um ihn vor Unterzeichnung überprüfen zu lassen – und das war auch gut so. Denn unter anderem sollte laut Vertrag nicht verbrauchter Urlaub nach zwei Jahren verfallen. Dies ist allerdings gesetzwidrig, denn zu einer Urlaubsverjährung kann es erst dann kommen, wenn sich drei volle Urlaubsansprüche angesammelt haben und ein vierter Urlaubsanspruch entstehen würde. Außerdem schrieb der Arbeitgeber eine Klausel fest, wonach sich die Angestellte „[…] verpflichtet, nach rechtzeitiger Information durch den Dienstgeber unentgeltlich und in der Freizeit an Fortbildungsmaßnahmen teilzunehmen.“ Die AK-Rechtsberaterin klärte die Frau über ihre Rechte auf und riet ihr dazu, die Passage aus dem Vertrag streichen zu lassen: Dienstlich angeordnete Weiterbildung muss als Arbeitszeit bezahlt werden. Die AK rät: • Vor Unterzeichnung eines Arbeitsvertrages zur AK kommen und diesen überprüfen lassen! • Versuchen Sie, dreiste Klauseln durch ein Gespräch mit der Arbeitgeberin/dem Arbeitgeber wegzuverhandeln, bevor Sie unterzeichnen! 7 AK Wels – Beratung in arbeits- und sozialrechtlichen Angelegenheiten Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag: 7:30 Uhr bis 16 Uhr Freitag: 7:30 Uhr bis 13:30 Uhr Persönliche Beratung: während der Öffnungszeiten. Um Terminvereinbarung unter der Telefonnummer +43 (0)50/6906-5318 wird gebeten. Damit werden längere Wartezeiten vermieden. Telefonische Beratung: während der Öffnungszeiten und am Dienstag bis 19:00 Uhr unter der Telefonnummer +43 (0)50/6906-1. Bildungsberatung persönlich: Donnerstag (alle 14 Tage) ab 15 Uhr nach vorheriger Terminvereinbarung unter der Telefonnummer +43 (0)50/6906-5318. Kontaktdaten 4600 Wels, Roseggerstraße 8 Tel: +43 (0)50/6906-5318 Fax: +43 (0)50/6906-5399 Homepage: ooe.arbeiterkammer.at/wels E-Mail: [email protected] 8
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