Drucksache 18/9412 - DIP

Deutscher Bundestag
Drucksache
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Wolfgang Gehrcke,
Sevim Dağdelen, Dr. André Hahn, Andrej Hunko, Dr. Alexander S. Neu,
Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.
Sicherheitslage für Erdogan-kritische Türken in Deutschland
Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei hat die Regierung unter Präsident Erdogan weitreichende Repressivmaßnahmen ergriffen, durch die demokratische Rechte erheblich eingeschränkt werden. Zehntausende Beamte wurden
entlassen, Hunderte Menschen verhaftet, Zeitungen und Institutionen geschlossen. Die türkische Regierung hat explizit die Suspendierung der Europäischen
Menschenrechtskonvention angekündigt.
Das Klima von Repression, Angst und Einschüchterung droht sich auch auf tatsächliche oder vermeintliche Gegner des Erdogan-Regimes in Deutschland auszuweiten. Nach verschiedenen Medienberichten fühlen sich insbesondere in
Deutschland lebende türkische Staatsbürger aus dem Umfeld der Gülen-Bewegung sowie Angehörige der kurdischen Minderheit von Pro-Erdogan-Aktivisten
bedroht. Auf Einrichtungen der Gülen-Bewegung wurden Totenköpfe gesprüht,
Fensterscheiben von Kindergärten wurden eingeworfen, Drohungen an Schulfassaden geschmiert, in Moscheen werden „Verräter“ gewarnt, zudem kursieren Gerüchte darüber, dass Erdogan-Kritiker gezielt denunziert würden. Der Zentralrat
der Muslime zeigte sich über die Eskalation der Auseinandersetzungen besorgt
und forderte dazu, die „aufgebrachten Diskussionen und Auseinandersetzung bis
hin zu gegenseitigen Denunziationen“ müssten ein Ende haben. Auch der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland sagte, die Stimmung
unter den türkischstämmigen Menschen in Deutschland sei sehr angespannt. Es
würden Freundschaften aufgekündigt, und der Riss gehe durch Familien hindurch
(dpa, 29. Juli 2016).
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie schätzt die Bundesregierung die Problematik gewalttätiger Angriffe von
Erdogan-Anhängern gegen tatsächliche oder vermeintliche Erdogan-Gegner
in Deutschland generell ein, und welche Schlussfolgerungen zieht sie aus ihrer Einschätzung?
2. Welche konkreten Erkenntnisse hat die Bundesregierung über zunehmende
Spannungen zwischen Erdogan-Anhängern und -Gegnern, zunehmende Verwendung von Hasssprache und beleidigenden Äußerungen, Fälle von Ausgrenzungen (etwa in Form eines Haus- oder Betretungsverbots für vermeintlich „verräterische“ Türken von Moscheen, Geschäften usw.)?
15.08.2016
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.
18. Wahlperiode
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Welche Einrichtungen sieht sie als besonders gefährdet an?
a) Wie schätzt die Bundesregierung die Gefährdungslage für (tatsächliche
oder vermeintliche) Angehörige oder Unterstützer der Gülen-Bewegung
ein?
b) Wie viele Einrichtungen in Deutschland stehen nach Erkenntnissen der
Bundesregierung der Gülen-Bewegung nahe?
c) Wie schätzt die Bundesregierung die Gefährdungslage für (vermeintliche
oder tatsächliche) Angehörige der kurdischen Minderheit sowie insbesondere Unterstützer der Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) ein?
4. Welche konkreten Erkenntnisse hat die Bundesregierung über nach deutschem Recht verübte Straftaten, die seit dem Putschversuch mutmaßlich von
Erdogan-Anhängern gegen (tatsächliche oder vermeintliche) Erdogan-Kritiker verübt worden sind (bitte möglichst vollständig sowie aufgegliedert nach
Gewaltdelikten gegen Personen, Sachbeschädigungen, Beleidigungen und
sonstigen Straftaten angeben)?
5. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass es Fälle von Plünderungen von
Geschäften gegeben hat, die angeblich zur Gülen-Bewegung gehören (Huffington Post, 19. Juli 2016)?
6. Inwiefern stehen die Sicherheitsbehörden nach Kenntnis der Bundesregierung in Zusammenhang mit zunehmenden Spannungen zwischen ErdoganAnhängern und -Gegnern in Kontakt mit Vertretern türkischer bzw. kurdischer Organisationen (diese bitte aufzählen), und was sind die von diesen
jeweils geäußerten Befürchtungen bzw. ihre Erwartungen an die Sicherheitsbehörden bzw. die Bundesregierung?
Inwieweit wird diesen Erwartungen entgegengekommen, inwieweit nicht
(bitte begründen)?
7. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung bzgl. in den Ländern oder vom
Bund konkrete Maßnahmen zum Schutz von Erdogan-Kritikern vor gewaltbereiten Erdogan-Anhängern ergriffen, und wenn ja, inwiefern?
8. Inwiefern beschäftigen sich die Sicherheitsbehörden des Bundes mit der
Problematik, und inwiefern stehen sie diesbezüglich in Kontakt mit den zuständigen Landesbehörden?
9. Inwiefern ist gewährleistet oder zumindest angestrebt, dass die Sicherheitsbehörden des Bundes einen zeitnahen Überblick über Straftaten in Zusammenhang mit der Fragestellung erhalten, die von den zuständigen Landespolizeibehörden erfasst und bearbeitet werden?
Welche Gremien sind ggf. zuständig, um einen solchen Austausch zu gewährleisten?
Falls dies nicht gewährleistet ist: Aus welchem Grund hält die Bundesregierung es nicht für notwendig, einen zeitnahen Überblick über diesbezügliche
Straftaten zu erhalten?
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.
3. Wie schätzt sie die Gefährdungslage von Einrichtungen bzw. deren Repräsentanten oder Mitglieder, die – tatsächlich oder vermeintlich – Erdogan-kritisch orientiert sind, ein?
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Wer soll in solchen Fällen die Denunziationen entgegennehmen?
a) Wie schätzt sie die Bereitschaft von Erdogan-Anhängern ein, solche Aufrufe zu befolgen?
b) Welchen Einfluss haben solche Aufrufe nach Einschätzung auf die Stimmung unter türkeistämmigen Einwohnerinnen und Einwohner in Deutschland?
c) Inwiefern kann nach Rechtsauffassung der Bundesregierung die Denunziation in Deutschland lebender vermeintlicher Erdogan-Kritiker gegenüber türkischen Regierungsstellen, insbesondere Geheimdiensten, einen
Straftatbestand erfüllen?
11. Inwieweit unterstützen türkische Behörden nach Kenntnis oder Einschätzung
der Bundesregierung türkeistämmige Einwohnerinnen und Einwohner in
Deutschland, sich an Kampagnen gegen Gegner des Erdogan-Regimes zu
beteiligen, und inwieweit unterstützen sie (materiell oder politisch) auch Gewalttaten oder Einschüchterungsversuche gegen Gegner?
12. Inwiefern und in welchem Umfang versuchen nach Kenntnis der Bundesregierung Erdogan-Anhänger bzw. türkische Behörden, in Deutschland lebende Erdogan-Gegner in Form von Strafanzeigen gegenüber deutschen
Strafverfolgungsbehörden wegen angeblicher Beteiligung am Putschversuch
oder der angeblichen Finanzierung von angeblich terrorverdächtigen Organisationen in Misskredit zu bringen?
Berlin, den 15. August 2016
Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.
10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Aufrufe, tatsächliche
oder vermeintliche Erdogan-Gegner zu denunzieren?
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Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.
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