AWO|INKLUSIV – Praxisbeispiele für eine inklusivere Gesellschaft
Älter werden im gewohnten Lebensumfeld
Quartiersorientierte Altenhilfeangebote im AWO Seniorenzentrum Christian-Dierig-Haus
Augsburg
Die Idee
Das Seniorenzentrum bietet eine breite Palette an ambulanten und stationären Angeboten für ältere Menschen im
Augsburger Stadtteil Pfersee. Das Gesamtangebot ist so aufgebaut, dass es den Menschen aus dem Viertel auch bei zunehmender Pflegebedürftigkeit den Verbleib in ihrem vertrauten Stadtteil erlaubt.
Gleichzeitig ist das Haus als sozialer Treffpunkt für das Viertel konzipiert, an dem die Bewohner und die Menschen aus
der Nachbarschaft gemeinsam aktiv sein können.
»Dort wo ich gelebt habe auch bis zum Lebensende bleiben zu können – das ist der Ansatz.«
Katrin Gunkel, Hausleitung
Quartiersorientierung in der Praxis
Die Konzeption des AWO Seniorenzentrums Christian-Dierig-Haus basiert auf der Leitidee, ein offenes Haus zu
schaffen, in dem unterschiedliche Angebote für älterer Menschen unter einem Dach zusammengefasst sind
und das gleichzeitig als sozialer Treffpunkt für den Stadtteil dient.
Das Angebot reicht von Beratungsangeboten für Senioren und ihre Angehörigen über ambulante Dienste zur
Unterstützung Älterer in der eigenen Häuslichkeit und betreute Wohnangebote bis zur stationären Pflege im
Rahmen eines Wohngruppenmodells. Der grundlegende Anspruch besteht darin, den älteren Menschen im
Viertel in jeder Lebenssituation den Verbleib und die Betreuung im gewohnten Lebensumfeld bieten zu können und flexible Übergänge zwischen den verschiedenen Unterstützungsformen möglich zu machen.
Um als Treffpunkt für die Nachbarschaft wirken zu können, wurde im Seniorenzentrum ein öffentliches Café
eingerichtet, das neben einem offenen Mittagstisch regelmäßige kulturelle Veranstaltungen bietet, zu denen
alle Bewohner aus dem Viertel eingeladen sind. In Kooperation mit dem Mehr-Generationen-Treffpunkt für
den Stadtteil, der ebenfalls im Haus angesiedelt ist, werden zudem zahlreiche Aktivitäten organisiert, die
darauf angelegt sind, Menschen unterschiedlicher Generationen miteinander in Kontakt zu bringen. Nicht
zuletzt veranstaltet der örtliche Fanclub des FC Augsburg im Haus regelmäßig ein „Public Viewing“, zudem
sowohl die Bewohner als auch Menschen aus der Nachbarschaft eingeladen sind.
Die Leitidee der Quartiersöffnung hat auch bei der architektonischen Gestaltung des Seniorenzentrums eine
wichtige Rolle gespielt. Es wurde Wert darauf gelegt, dass sich die Gesamtanlage des Christian-Dierig-Hauses mit den unterschiedlichen Gebäuden optisch und architektonisch gut in das Viertel integriert. So führen
etwa Fußwege durch das Gelände, die von den Anwohnern auf den alltäglichen Wegen zur Arbeit oder zum
Einkaufen genutzt werden. Einrichtung und Nachbarschaft gehen nahtlos ineinander über, was zu einer natürlichen räumlichen Verschränkung des Seniorenzentrums und seines lokalen Umfeldes beiträgt.
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Quartiersorientierung als Beispiel inklusiver Praxis
Der Einzug in eine stationäre Pflegeeinrichtung geht auch heute noch häufig mit dem Verlust des gewohnten
Lebensumfeldes und den dazugehörigen sozialen Beziehungen einher. Ein quartiersorientiert ausgerichtetes Altenhilfeangebot wirkt dem entgegen, indem der Fokus auf die Entwicklung einer umfassenden, aber
gleichzeitig wohnortnahen Angebotsstruktur gelegt wird. Ältere Menschen können auf diese Weise langfristig
und kontinuierlich in ihrem Wohnumfeld begleitet werden, was nicht zuletzt die Aufrechterhaltung wesentlicher Aspekte des gewohnten Lebensalltags ermöglicht.
Gleichzeitig erlaubt die Kombination unterschiedlicher Angebotsformen vor Ort eine flexible Anpassung an
sich verändernde Hilfs- und Unterstützungsbedarfe und sanftere Übergänge zwischen den unterschiedlichen
Betreuungsformen. Biographische Brüche im Zusammenhang mit zunehmender Pflegebedürftigkeit, die von
den Betroffenen häufig als traumatisch erlebt werden, können so ganz vermieden oder zumindest abgepuffert werden.
Die Öffnung von Altenhilfeeinrichtungen für das soziale Leben im Viertel wirkt gleichzeitig der sozialen Isolation der Bewohner entgegen und trägt dazu bei, dass bestehende soziale Kontakte aufrechterhalten und
darüber hinaus auch neue Kontakte geknüpft werden können.
»Ich wollte nicht weg aus dem Viertel –
ich bin damit verwachsen.«
Ein Bewohner im Christian-Dierig-Haus im Interview
Weiter gedacht
Inklusion im Bereich der Altenhilfe bedeutet immer auch, den offensichtlichen und unsichtbaren Barrieren
zwischen Menschen mit altersbedingtem Pflegebedarf und dem „Rest“ der Gesellschaft entgegenzuwirken.
Die Sicherstellung einer lückenlosen und wohnortnahen Versorgung und die Öffnung von Altenhilfeeinrichtungen im Sinne einer stärkeren Quartiersorientierung ist dabei sicher ein sinnvoller Weg.
Auf der anderen Seite muss aber auch erreicht werden, dass sich die Gesellschaft noch stärker als bisher für
ältere und pflegebedürftige Menschen öffnet und diese dazu einlädt, sich am sozialen und kulturellen Leben im Quartier zu beteiligen. Um das entsprechende Bewusstsein und die notwendigen Strukturen für eine
solche Öffnung zu schaffen, braucht es eine enge Kooperation zwischen den unterschiedlichen Gruppen und
Akteuren vor Ort.
Diese Zielperspektive und die entsprechende Netzwerkarbeit ist bisher allerdings nur bedingt Teil des Selbstverständnisses der professionellen Altenhilfe – und sie wird im Pflegesystem bisher auch nicht bezahlt, was
dazu führt, dass entsprechende Aktivitäten nicht in dem Umfang geleistet werden können, wie es nötig und
sinnvoll wäre.
Dabei liegen in einer noch stärkeren Verschränkung von Altenhilfe und dem allgemeinen sozialen und kulturellen Leben vor Ort sicher erheblichen Chancen für eine generelle Verbesserung der Lebenszufriedenheit
im Alter.
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Kontakt
Seniorenzentrum
Christian-Dierig-Haus
Kirchbergstraße 15
86157 Augsburg
Katrin Gunkel (Hausleitung)
Telefon: 0821 – 227 92 0
E-Mail: [email protected]
AWO Kreisverband Augsburg
www.awo-augsburg.de
Weitere Informationen zum AWO Seniorenzentrum Christian-Dierig-Haus uns seinen vielfältigen Angeboten
finden Sie unter www.awo-augsburg.de/leben-im-alter/awo-seniorenzentrum-christian-dierig-haus.html.
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