Fallstudie_2 SS2016

Dr. Christian Heinichen
EUROPÄISCHES UND DEUTSCHES KARTELLRECHT
Lehrbeauftragter
EUROPÄISCHES UND DEUTSCHES KARTELLRECHT
Wiederholung und Vertiefung
Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung
Die Sunshine Post AG (SP AG) ist ein deutscher Briefdienstleister. Sie unterhält als einziges Unternehmen in Deutschland ein bundesweit flächendeckendes Netz für die Zustellung von Briefpost an den
Endkunden. Auf dem - räumlich relevanten deutschen - Endkundenmarkt verfügen die SP AG und ihre
Wettbewerber über folgende Marktanteile:
Privatkundensegment
Geschäftskundensegment
Endkunden (gesamt)
SP AG
75 %
55 %
73 %
Citypost AG
20 %
35 %
21 %
Südmail AG
3%
6%
3%
Morgenpost AG
2%
4%
3%
Aufgrund eines zunehmenden Wettbewerbsdrucks durch die Etablierung elektronischer Kommunikationswege (E-Mail) hat die SP AG folgende Maßnahmen ergriffen, um ihre Marktstellung zu erhalten
oder auszubauen:
1.
Die Wettbewerber der SP AG nutzen derzeit das Zustellnetz der SP AG. Sie sammeln die Briefe
ihrer Kunden ein, frankieren und sortieren sie und liefern sie anschließend in ein Briefzentrum
der SP AG ein. Die SP AG befördert diese Briefe - neben ihren eigenen Briefen - und verteilt sie
an den Endkunden. Für diese Beförderungs- und Verteilleistung verlangt die SP AG von ihren
Wettbewerbern ein sog. Teilleistungsentgelt. Dieses Teilleistungsentgelt ist so hoch bemessen,
dass es in einer Vielzahl von Fällen über dem Endkundenpreis der SP AG liegt, d.h. dem Preis,
den die SP AG von ihren Endkunden für die gesamte Briefdienstleistung verlangt.
2.
Die SP AG gewährt ihren Geschäftskunden zudem Vergünstigungen in der Form von Rabatten.
Diese Vergünstigungen räumt die SP AG ihren Geschäftskunden allerdings nur dann ein, wenn
sie einen bestimmten hohen Prozentsatz (jeweils mehr als 90 %) ihres Bedarfs an Briefdienstleistungen bei der SP AG decken. Dies sei kartellrechtlich unbedenklich, meint die SP AG, da ihre
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Lehrbeauftragter
Geschäftskunden infolge der gewährten Rabatte ja von der hohen Bezugsquote profitierten. Und
schließlich seien es genau diese Endkunden, die das Kartellrecht schützen wolle.
3.
Außerdem will die SP AG ihren Wettbewerbern auf dem Endkundenmarkt zukünftig den Zugang
zum vorgelagerten Zustellnetz der SP AG vollständig verweigern. Da die Wettbewerber über
kein eigenes Zustellnetz verfügen, werden sie ohne den Zugang zum Zustellnetz der SP AG nicht
mehr in der Lage sein, Briefdienstleistungen auf dem Endkundenmarkt zu erbringen. Die SP AG
meint, auch eine solche vollständige Zugangsverweigerung sei kartellrechtlich zulässig. Schließlich gehöre ihr das Zustellnetz und das Eigentum sei durch Art. 14 GG geschützt. Auch das Kartellrecht fordere von niemandem, so die SP AG, die eigene Konkurrenz zu fördern, indem man
ihr durch den Zugang zum eigenen Zustellnetz überhaupt erst die Möglichkeit verschaffe, auf
dem Endkundenmarkt konkurrierende Briefdienstleistungen zu erbringen.
Bearbeitervermerk:
Beurteilen Sie die kartellrechtliche Zulässigkeit der Maßnahmen der DP AG
in einem umfassenden Rechtsgutachten - ggf. hilfsgutachtlich - ausschließlich
am Maßstab der §§ 18 ff. GWB.
(Regulierungsrechtliche Bestimmungen sind nicht zu prüfen.)
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