BGHM-Aktuell Magazin für sicheres & gesundes Arbeiten 4 | 2016 Schwerpunkt Heizungsbau Rettungskette in Offshore-Windparks Herausforderung für Mitgliedsbetriebe EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser, das neue Ausbildungsjahr hat begonnen und mit ihm ein neuer Lebensabschnitt für die Auszubildenden: der Berufsalltag. Wir nutzen deshalb die Sommer-Ausgabe unseres Magazins, um unser Kernanliegen in den Fokus zu rücken: Sicherheit im Job – von Anfang an! Gerade Auszubildende sind am Arbeitsplatz einem erhöhten Unfallrisiko ausgesetzt. Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die Azubis im Rahmen des Kreativpreises von „Jugend will sich-er-leben“ durchgeführt haben. Sie zeigt auch: Wirksame Präventionsarbeit muss auf die spezifischen Bedürfnisse junger Beschäftigter zugeschnitten sein. In unserem Webangebot bündeln wir daher die für Azubis besonders relevanten Themen (Webcode 1773). Immer wieder erreichen uns außerdem Fragen zum gesetzlichen Unfallversicherungsschutz von Azubis und Praktikanten – die wichtigsten davon beantworten wir in dieser Ausgabe. Ein sicheres Arbeitsumfeld – dieses Ziel ist unser Programm. Dabei orientieren sich unsere Angebote stets an aktuellen Anforderungen, einige davon stellen wir Ihnen in diesem Heft vor: Aktionstage und Messeauftritte, ein Hüttensymposium und das handlungsorientierte Seminarprogramm der BGHM. Nutzen Sie also unser Fachwissen und buchen Sie Ihre Seminare noch im Jahr 2016 – ab September über das neue Extranet der BGHM. Dort erhalten Sie alle wichtigen Informationen rund um die Seminare und eine automatische Mailinformation, wenn zu ausgebuchten Terminen Plätze frei werden. Ich wünsche Ihnen einen sicheren Arbeitsbeginn nach der Urlaubszeit – ob als Neueinsteiger oder routinierte Spezialisten: Nehmen Sie Ihre Arbeit sicher (wieder) auf! Ihr Dr. Albert Platz Vorsitzender der Geschäftsführung Impressum Herausgeberin: Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) Isaac-Fulda-Allee 18, 55124 Mainz Verantwortlich: Dr. Albert Platz, Vorsitzender der Geschäftsführung Redaktion: Christiane Most-Pfannebecker (Cmo), verantwortlich i. S. d. NPresseG Klaus Taubitz (Tbz), Redaktionsleitung Milena Bähnisch (Mib), Stv. Redaktionsleitung Thomas Dunz (Dun) Peter Hackenberg (Hbg) Kontakt zur Redaktion: Telefon: 0511 8118-16882 E-Mail:[email protected] 2 BGHM-Aktuell 4|2016 Grafik: Mathias Widmann Titelfoto: © nikkytok - Fotolia.com Änderung Versanddaten: E-Mail:[email protected] Eine entgeltliche Veräußerung oder eine andere gewerbliche Nutzung bedarf der schriftlichen Einwilligung der BGHM. Hinweis: Bei allen Bezeichnungen, die auf Personen bezogen sind, meint die gewählte Formulierung stets beide Geschlechter, auch wenn aus Gründen der leichteren Lesbarkeit nur die männliche oder weibliche Form steht. Kostenlose Hotlines der BGHM: Allgemeine Fragen: 0800 9990080-0 Mitgliedschaft:0800 9990080-1 Arbeitsschutz:0800 9990080-2 Rehabilitation:0800 9990080-3 Druck: pva, Druck und Medien-Dienstleistungen GmbH Industriestraße 15, D-76829 Landau in der Pfalz Für alle nicht gesondert gekennzeichneten Bilder und Grafiken liegen die Urheberrechte bei der BGHM Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder. Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Nachdruck mit Quellenangabe, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos usw. wird keine Gewähr übernommen und auch kein Honorar gezahlt. Für Informationen unter den Links, die auf den in dieser Ausgabe vorgestellten Internetseiten aufgeführt werden, übernimmt der Herausgeber keine Verantwortung. ISSN 1612-5428 © Shutter81 - Fotolia.com 08 Sicheres & Gesundes Arbeiten 10 12 14 21 Herausforderung Rettungskette Windkraft: zentrales Element der Energiewende. Kaum eine andere Form der Energiegewinnung hat in den vergangenen zehn Jahren so viel an Bedeutung gewonnen. Allerdings stellt sie die Erzeuger auch vor neue Herausforderungen in Sachen Notfallversorgung. Schweißrauchabsaugung Auf die Anschaffung folgt die Überzeugungsarbeit Erfolgsfaktor im Arbeitsschutz Handlungsorientierte Seminare der BGHM Verhaltensorientierte Sicherheitsmodelle Wir verhalten uns verhältnismäßig sicher, oder? Menschengerechte Arbeitsgestaltung Gefährdungsbeurteilung an der Schnittstelle Mensch – Arbeitsmittel 22 30 Gezielte Prävention für junge Beschäftigte Von Anfang an sicher arbeiten © macrovector - Fotolia.com 16 Heizungsbau Durch die technische Weiterentwicklung haben sich Berufsbild und Aufgabenspektrum im Heizungsbau in den vergangenen Jahren erheblich verändert. Dies ist durchaus mit neuen Gefährdungen verbunden. Sicheres Arbeiten in der Metallurgie 1. BGHM-Hüttensymposium Leben & Leistung 06 24 Das neue BGHM-Extranet Direkter Kontakt zur BGHM Fragen und Antworten Wann und wie sind Auszubildende bei der BGHM versichert? 26 29 Reha-Management und betriebliche Eingliederung Ein tiefer Fall mit gutem Ausgang BK 1318: Berufskrankheiten durch Benzol Was Sie wissen sollten! © kelttt - Fotolia.com 31 Arbeit im Heimbüro Immer häufiger wird die Arbeit nach Hause verlagert. Normalerweise gelten hier die gleichen rechtlichen Grundlagen für den Versicherungsschutz wie im Betrieb. Doch es gibt auch kleine Unterschiede, beispielsweise wenn man sein Kind zum Kindergarten bringt. BGHM-Aktuell 4|2016 3 Meldungen UV-Strahlung © Coloures-pic - Fotolia.com Aktuelle Studie der DGUV veröffentlicht Wer im Freien arbeitet, bekommt mehr Sonne und damit krebserzeugende ultraviolette Strahlung ab als andere Beschäftigte. Im Rahmen eines Forschungsprojektes hat das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) detaillierte Belastungsdaten für verschiedene Tätigkeiten in Außenbereichen gesammelt und Arbeitsschutzmanagement ausgewertet. Das Ergebnis: Über die Sommermonate ist die Belastung der betroffenen Berufsgruppen so verschieden wie ihre Arbeit. Auch die BGHM unterstützt das Projekt, um Am 28. September findet in Köln das DGUV Fachgespräch für ihre Berufsgruppen die entsprechenden Expositionswer„Arbeitsschutzmanagement – mit System sicher zum Erfolg“ te zu erhalten. Demnach ist die UV-Strahlenbelastung bei Dach- und Fassadenbauern sowie Stahlbaumonteuren bestatt. Themen der Veranstaltung sind unter anderem: sonders hoch. Schutzmaßnahmen sind deshalb besonders • Mögliche Auswirkungen von Freihandelsabkommen auf wichtig. Hierbei haben technische und organisatorische Löden Arbeitsschutz sungen, wie die Verlagerung der Arbeit im Freien in Zeiten • DIN ISO 45001 mit geringerer UV-Belastung oder Tätigkeiten in abgeschat• Return on Prevention teten Bereichen, laut Arbeitsschutzgesetz Vorrang. Weitere • Fremdfirmen-Management und Compliance Informationen unter www.bghm.de/uv-strahlung. • Synergie-Effekte durch ArbeitsschutzmanagementBGHM Systeme Einladung zum Fachgespräch Die Veranstaltung richtet sich an Unternehmer und Führungskräfte mit Verantwortung für Sicherheit und Gesundheit. Sie bietet eine Plattform zum Erfahrungsaustausch mit Vertretern der Unternehmen, der Unfallversicherungsträger, der Verbände und der Politik. Veranstaltungsort ist das Maternushaus in der Kardinal-Frings-Str. 1 – 3. Die Teilnahme ist kostenlos. Natürliche UV-Belastungen der Metall- und Holzbranche Extrapolierter Jahresexpositionswert in SED* Anmeldungen bis spätestens 31. August 2016 unter: www.dguv.de, Webcode d1052972 DGUV * Standard-Erythem-Dosis – 1 SED reicht aus, um beim Hauttyp 1 (helle Haut, rötliches Haar) Sonnenbrand auszulösen Azubis der GKN Sinter Metals absolvieren Workshop in Bad Wilsnack 15 Auszubildende aus zwei deutschen Werken der GKN Sinter Metals haben im Frühjahr einen Workshop der BGHM absolviert. Die Themen reichten dabei von Sicherheitsschulungen nach Vorfällen über die Risikobewertung und Gefährdungsbeurteilung bis hin zur Arbeitsplatzergonomie und Lärmprävention. Aufgabe war es dabei unter anderem, anhand aktueller Fotos und Videos die Risiken in beiden Werken zu erkennen, zu bewerten und Maßnahmen auszuwählen, um die Gefährdungen nach der Rückkehr zu beseitigen. Zudem ging es um die Erkennung und Meldung von Beinaheunfällen sowie um den sicheren Umgang mit Kranen. Sicheres Verhalten im Straßenverkehr sowie Informationen zu den Auswirkungen von Alkohol und Drogen ergänzten das Programm. BGHM 4 BGHM-Aktuell 4|2016 © vege - Fotolia.com Meldungen Arbeitsschutz Aktuell 2016 in Hamburg BGHM lädt zum Thementag Vom 11. bis zum 13. Oktober 2016 öffnet das Präventionsfo- Praxishilfen der BGHM zu informieren. Der diesjährige rum „Arbeitsschutz Aktuell“ auf der Hamburg Messe seine Schwerpunkt liegt auf dem Thema Kommunikation. FachPforten: Zum einen präsentiert eine Fachmesse Produkte leute zeigen, wie Interaktion und Motivation beim Thema und Dienstleistungen zur persönlichen Arbeitssicherheit, Arbeitsschutz im Betriebsalltag erfolgreich gelingen. An die Sicherheit im Betrieb und Corporate Health. Parallel bietet Veranstaltung schließt sich ein Besuch des BGHM-Messeein Kongress Gelegenheit zum Wissens- und Erfahrungsaus- standes an. BGHM tausch. Die BGHM trägt zum Kongressprogramm bei und ist auf der Messe am DGUV-Gemeinschaftsstand in Halle B5 Weitere Informationen vertreten, der die vielfältigen Angebote der gesetzlichen Unfallversicherung vorstellt. www.arbeitsschutz-aktuell.de Begleitend findet ein BGHM-Thementag statt. SicherAnmeldungen ab Mitte August unter heitsexperten aus den Betrieben sind eingeladen, sich am www.bghm.de, Webcode 834 12. Oktober 2016 über aktuelle Arbeitsschutzthemen sowie BGHM-Messekalender September/Oktober2016 Erweitertes Online-Angebot Wieder verfügbare Medien: • DGUV Information 203-002: Elektrofachkräfte • DGUV Information 203-071: Wiederkehrende Prüfungen ortsveränderlicher elektrischer Arbeitsmittel – Organisation durch den Unternehmer • DGUV Information 208-016: Handlungsanleitung für den Umgang mit Leitern und Tritten • DGUV Regel 113-004: Behälter, Silos und enge Räume; Teil 1: Arbeiten in Behältern, Silos und engen Räumen • BG 10.6.1.2: Flyer Gesund im Handwerk • BG 10.6.1.3: Flyer Störungsfreier Betrieb • BG 10.6.7: Flyer Handschutz • BG 10.6.28: Flyer Arbeitsmedizinische Vorsorge in Klein- und Mittelunternehmen (KMU) • BG 30.2.2: Kunststoffaufkleber - Sicherheitsbeauftragter © Pavel Losevsky - Fotolia.com Medien der BGHM Nordbau 7. - 11. September, Neumünster Automechanika 13. - 17. September, Frankfurt Rehacare International 28. September - 1. Oktober, Düsseldorf Arbeitsschutz Aktuell 11. - 13. Oktober, Hamburg Euroblech 25. - 29. Oktober, Hannover BGHM-Aktuell 4|2016 5 Leben & Leistung Das neue BGHM-Extranet Direkter Kontakt zur BGHM Seminare buchen, Unfälle melden, Belastungslisten prüfen und Lohnnachweise sicher einreichen – kein Problem mit dem neuen Extranet der BGHM. Es ermöglicht Mitgliedsunternehmen, zahlreiche Tätigkeiten rund um das Thema Arbeitsschutz schnell und einfach in den Arbeitsalltag zu integrieren. D as Extranet ist ein geschützter Online-Bereich, über den Mitgliedsunternehmen direkt und papierlos mit der BGHM kommunizieren können. Datensicherheit und Datenschutz haben dabei oberste Priorität: Alle Angaben werden verschlüsselt an die BGHM übertragen. Ab dem 1. September 2016 erhält das BGHM-Extranet ein neues Gesicht und bietet eine erweiterte Palette an Funktionen, die in Zukunft schrittweise um hilfreiche Angebote ergänzt werden. Praktisch: Für diesen Service ist keine weitere Software erforderlich. Jedes Mitgliedsunternehmen verfügt über eine eigene Benutzerkennung und kann passwortgeschützt auf das Extranet zugreifen. Sicherheit spielt in allen Bereichen eine zentrale Rolle: Nicht nur bei Servern und Technik, sondern auch beim Betrieb und bei den Neuerungen des Extranets. Auch die Entwicklung aller künftigen Funktionen erfolgt nach dem Trustworthy Computing Software Development Lifecycle (SDL – Entwicklungszyklus für vertrauenswürdigen Computereinsatz). Zugang ab September Die BGHM hat die Verantwortlichen der Mitgliedsunternehmen im Juli schriftlich über die Änderungen im Extranet informiert. Außerdem erhielten sie ihre Benutzerkennung und konnten ein Passwort für ihren persönlichen, registrierten Extranet-Zugang beantragen (Hauptkonto des 6 BGHM-Aktuell 4|2016 Unternehmens). Mitgliedsbetriebe, die noch kein Passwort angefordert haben, können sich auf www.bghm.de (Webcode 21) über die Möglichkeiten zu ihrem Zugang informieren. Wichtig: Auch Mitgliedsunternehmen, die früher bereits das Extranet der BGHM genutzt haben, benötigen ein neues Passwort, da die bisherigen Benutzerkennungen zum 31. August 2016 ungültig werden. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass die Unternehmensverantwortlichen weiteren ausgewählten Personen Zugang zu ihrem Extranet-Bereich gewähren, indem sie passwortgeschützte Unterkonten einrichten. In ihrem Hauptkonto können die Unternehmer jederzeit einsehen, welche Berechtigungen sie vergeben haben und diese bearbeiten. So können sie zum Beispiel ihrem Steuerberatung passwortgeschützt Zugriff auf ihre Lohnnachweisdaten und ihrer Sicherheitsfachkraft Zugang zu den Unfallanzeigen ermöglichen. Nur ein von den Verantwortlichen selbst festgelegter Personenkreis kann das Extranet nutzen und gezielt auf die benötigten Unterlagen zugreifen. BGHM/Mib Weitere Informationen www.bghm.de, Webcode 21 © Jakub Jirsak - Fotolia.com Leben & Leistung Seminare buchen Die BGHM bietet ihren Mitgliedsunternehmen ein umfangreiches Seminarprogramm und fördert damit deren betriebliche Handlungsfähigkeit im Arbeitsschutz. Im Extranet finden die Verantwortlichen der Betriebe stets die Seminartermine für die nächsten sechs Monate. Registrierte Extranet-Nutzer können sich über die Seminare informieren und diese sofort buchen. Bitte beachten: Seminarbuchungen sind ab dem 1. September 2016 ausschließlich mit einem registrierten Extranet-Zugang möglich. Der Gastzugang steht nicht mehr zur Verfügung. Der Vorteil dabei: Die Daten müssen nicht bei jeder Buchung neu eingegeben werden. Neue Funktionen wie die Stornierungsmöglichkeit und eine automatische Mailinformation, wenn Seminarplätze frei werden, runden das Angebot ab. Lohnnachweis einreichen Die schnellste und sicherste Möglichkeit der Übermittlung des gesetzlich geforderten Lohnnachweises besteht über das Extranet: Mitgliedsunternehmen haben die Möglichkeit, das Formular online auszufüllen und Zwischenstände abzuspeichern. Ein virtueller „Assistent“ unterstützt bei der Eingabe. Der Versand per Post entfällt. Unfallmeldung erstatten und einsehen Unfallanzeigen online ausfüllen und erstatten, Zwischenstände abspeichern, Übersichten anzeigen – kein Problem mit dem automatischen Hilfeassistenten: Plausibilitäten erleichtern das Ausfüllen und ersparen zeitraubendes Nachfragen. Belastungsliste abrufen und prüfen Welche Unfälle wurden dem Unternehmen zugeordnet und werden in der nächsten Beitragsberechnung berücksichtigt? Dies können die Zugangsberechtigten ganz einfach online und tagesaktuell prüfen. Praktisch: Auch Einwände können sie direkt online erheben und deren Bearbeitungsstand einsehen, ein zusätzlicher Schriftwechsel entfällt. Kontinuierliche Erweiterung Das neue Extranet ist ein zusätzlicher Weg zur direkten Kommunikation mit der BGHM. Darüber hinaus werden erweiterte Funktionen zur Unterstützung des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes entwickelt und bereitgestellt. BGHM-Aktuell 4|2016 7 Sicheres & Gesundes Arbeiten Offshore-Windparks Herausforderung Rettungskette Windkraft: zentrales Element der Energiewende. Kaum eine andere Form der Energiegewinnung hat in den vergangenen zehn Jahren so viel an Bedeutung gewonnen. Allerdings stellt sie die Erzeuger auch vor neue Herausforderungen in Sachen Notfallversorgung. D dung von WEA beschäftigt. Nach aktuellen Schätzungen werden hier künftig mehr als 1.000 Beschäftigte – unter anderem aus Mitgliedsbetrieben der BGHM – ständig zu Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten im Einsatz sein. Somit stellt dieser Wirtschaftszweig Hersteller und Betreiber bei der Planung, Errichtung und dem Betrieb von OWP auch vor besondere Herausforderungen in Sachen Sicherheits- und Schutzkonzepte. Diese umfassen die extremen Witterungsbedingungen wie hohe Windgeschwindigkeiten, starken Wellengang, salzhaltige Luft und UV-Strahlung. Aber auch erhebliche körperliche Anstrengungen, Tätigkeiten in gro- © Shutter81 - Fotolia.com a der Wind auf See deutlich stärker und stetiger weht als an Land, ist der Energieertrag dort auch bedeutend höher. Dementsprechend sehen Pläne der Bundesregierung einen umfangreichen Ausbau von Offshore-Windenergieanlagen (OWEA) vor den Küsten der Nord- und Ostsee bis zum Jahr 2030 vor. Die meiste Windenergie wird außerhalb der Zwölf-Seemeilenzone auf dem Festlandsockel der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) gewonnen. Die küstenferne Lage ergibt sich aus den besonderen Bedingungen der deutschen Nordseeküste. Nur jenseits des Deutschen Wattenmeeres und ab- seits der küstennahen Schifffahrtswege erhalten OffshoreWindparks (OWP) eine Baugenehmigung. So entstehen in bis zu 125 Kilometern Entfernung zur Küste bei Meerestiefen von bis zu 40 Metern Bauwerke in Form von Wind-EnergieAnlagen (WEA) und Umspannplattformen. Diese ungewohnten Dimensionen sind weltweit einmalig. Derzeit sind etwa 5.600 Menschen vor der deutschen Küste mit der Errichtung und Wartung sowie der Netzanbin8 BGHM-Aktuell 4|2016 ßen Höhen, räumliche Enge, Exposition gegenüber Hitze, Kälte und Nässe sowie der Schichtdienst gehören dazu. Eine besondere Bedeutung kommt jedoch der medizinischen Notfallversorgung sowie der Ausgestaltung der Rettungskette mit ihren Maßnahmen der Ersten Hilfe und Evakuierung der Beschäftigten zu. Verglichen mit der Rettung an Land sind Offshore-Noteinsätze durch die großen Entfernungen zum Festland sowie die Weitläufigkeit und Zu- Sicheres & Gesundes Arbeiten gangsbedingungen der OWP erschwert. So können – je nach Witterungsbedingungen – bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes sogar mehr als 90 Minuten vergehen. Deshalb ist es wichtig, diesen langen „therapiefreien Zeitraum“ vor Ort durch spezifische Rahmenbedingungen mit personellen, materiellen und organisatorischen Erste-Hilfe-Maßnahmen zu überbrücken. Der Fachbereich Erste Hilfe der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) hält dafür eine Empfehlung bereit: Die Informationsschrift „Erste Hilfe in Offshore-Windparks“ unterstützt alle Verantwortlichen im Arbeitsschutz bei der erforderlichen Planung und Umsetzung unter den besonderen Bedingungen. len und Synergien zu schaffen. Abgedeckt sind damit vier OWP in einer Entfernung zwischen 15 und 95 Kilometern zur Insel Borkum. Einsatzort muss schnell erreichbar sein Außerdem verpflichtet das Arbeitsschutzgesetz die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber dazu, Verbindungen zu außerbetrieblichen Stellen einzurichten. Dies gilt besonders für die Erste Hilfe, die medizinische Notversorgung, die Bergung sowie die Brandbekämpfung. Im Notfall muss der Einsatzort schnell zu erreichen und zu betreten sein. Ergänzend haben Unternehmerinnen und Unternehmer nach der DGUV Vorschrift 1 für einen sachgerechten Transport unter Einbindung des öffentlichen Rettungsdienstes zu sorgen. Hochwertige Rettungsstrukturen Kommt es hier zu einem Notfall, informieren die WindparkBetriebswarten die eigens dafür eingerichtete Rettungsleitstelle in Berne bei Bremen. Diese wird rund um die Uhr an sieben Tagen pro Woche durch die Johanniter-UnfallHilfe betrieben und koordiniert die umgehende medizinische Erstversorgung, den anschließenden Weitertransport der Versicherten an Land sowie deren Aufnahme in ein Krankenhaus. Um die geforderten Rettungsdienstleistungen bereitstellen zu können, kooperiert die Leitstelle mit Northern HeliCopter aus Emden und – für die notärztliche Leitung – mit dem Klinikum Oldenburg. Die medizinische Ausstattung der Offshore-Helikopter ist auf dem neuesten Stand der Technik und vergleichbar mit der von Rettungswagen an Land. Besetzt sind sie mit zwei Piloten, einem Windenführer, einem zum Höhenretter ausgebildeten Rettungsassistenten sowie einem Notarzt. Somit ist auch die Rettung von Verletzten an schwer zugänglichen WEA mit anschließender notfallmedizinischer Intensiv-Versorgung Der aber ist Sache der Länder und erstreckt sich nicht auf die AWZ und somit auch nicht auf den Offshore-Bereich. Deshalb muss eine gesonderte Abstimmung mit Rettungsorganisationen und Krankenhäusern erfolgen. Für diesen Fall haben sich erstmals vier Betreiber der inzwischen neunzehn OWP zusammengeschlossen und ein einheitliches Rettungskonzept entwickelt. Ziel des Ganzen war es, eine qualitativ hochwertige Notfallversorgung aus einer Hand sicherzustel- gewährleistet. Je nach Schadenslage und Witterungsverhältnissen kann zusätzlich auf die Seenotleitung Bremen sowie das Havariekommando mit Sitz in Cuxhaven zurückgegriffen werden. Derartig hochwertige Rettungsstrukturen sind künftig weiterzuentwickeln und zu etablieren, damit den direkt in den OWP arbeitenden Menschen eine angemessene medizinische Notfallversorgung ermöglicht werden kann. Stefan Hennings, BGHM BGHM-Aktuell 4|2016 9 Sicheres & Gesundes Arbeiten Schweißrauchabsaugung Auf die Anschaffung folgt die Überzeugungsarbeit Das Lichtbogenschweißen ist aus dem Stahl- und Metallbau nicht mehr wegzudenken. Allerdings entstehen beim Schweißen gesundheitsgefährdende Rauche. S chweißrauche bestehen aus Partikeln unterschiedlicher Größe und werden beim Schweißvorgang aus dem Grundwerkstoff und der Elektrode gebildet. Beim Schweißen von Baustahl entstehende Rauche belasten die Atmungsorgane durch ihre Menge. Beim Schweißen verzinkter oder hochlegierter Stähle kommt eine toxische oder sogar krebserzeugende Wirkung hinzu. Deshalb ist die Exposition der Schweißfachkraft gegenüber Schweißrauchen gering 10 BGHM-Aktuell 4|2016 zu halten. Die erforderlichen Schutzmaßnahmen sind in der TRGS 528 „Schweißtechnische Arbeiten“ beschrieben. Lüftungstechnische Maßnahmen verringern die Gefährdung der Schweißfachkraft. Fremdbelüftete Helme sind aber nur dann zulässig, wenn eine Absaugung im Entstehungsbereich nicht möglich oder nicht zweckmäßig ist, z. B. bei nicht ortsgebundenen Verfahren. Ist die Notwendigkeit einer Lüftungsanlage im Betrieb erkannt worden, kommt © wi6995 - Fotolia.com Sicheres & Gesundes Arbeiten es auf die Auswahl der richtigen Anlage an. Mitunter werden große Erwartungen in Anlagen gesetzt, die die Luft der kompletten Halle absaugen. Solche Systeme sind nicht notwendig und verändern die Exposition der Schweißfachkraft nur unwesentlich. Eine Absaugung im Atembereich der Schweißfachkraft bleibt weiterhin erforderlich. Außerdem wird für die Umwälzung der Luft viel Energie benötigt. Für Verantwortliche, die die Installation einer lüftungstechnischen Anlage planen, stehen mit der DGUV Information 209077 „Schweißrauche – geeignete Lüftungsmaßnahmen“ und mit der DGUV Information 209-078 „Absauganlagen einkaufen – aber richtig“ praktische Ratgeber zur Verfügung. Absaugung richtig benutzen In den meisten Fällen ist die Erfassung der Schweißrauche an der Entstehungsstelle die beste Lösung. Auf diesem Weg lassen sie sich mit geringem Energieaufwand aus dem Atembereich entfernen. Allerdings muss das Saugrohr stets wirkungsvoll positioniert werden. Nimmt die Schweißfachkraft eine neue Position ein, ist das Saugrohr nachzuführen. Mitunter unterschätzen Schweißfachkräfte die Auswirkungen der ständigen Inhalation von Schweißrauchen und führen das Erfassungselement überhaupt nicht nach. Dann geht die Investition des Betriebes, die die Gesunderhaltung der Beschäftigten zum Ziel hat, ins Leere. Wie bringen also Vorgesetzte die Schweißfachkräfte dazu, die Absaugung richtig zu benutzen? Es ist wichtig zu wissen, dass eine Schweißfachkraft sehr viel üben musste, um zuverlässig gute Schweißnähte herzustellen. Das Üben fördert automatisierte Bewegungsabläufe. Das Nachführen des Erfassungselements ist ein neuer, störender Handgriff, der in den gewohnten Ablauf integriert werden muss. Zunächst muss die Schweißfachkraft erfahren, wie sehr die richtige Handhabung der Absaugung die Gesundheitsgefährdung reduziert. Mitunter ist dazu die Anwendung der PIMEXMethode hilfreich. Diese kombiniert eine Video-Aufnahme mit der Anzeige der Konzentration der Schweißrauche in Echtzeit. Dazu wird im Atembereich einer Schweißfachkraft eine Mess-Sonde angebracht, deren Messwerte unmittelbar auf einem Laptop angezeigt werden. Zeitgleich ist auf dem Bildschirm die Videoaufnahme der Tätigkeit zu sehen. Ohne viele Worte wird der Zusammenhang von Körperhaltung, Führung des Schweißbrenners und Positionierung des Erfassungselements deutlich. Ist die Schweißfachkraft von der positiven Wirkung der neuen Absaugung überzeugt, muss sie solange seitens der Vorgesetzten und der Sicherheitsbeauftragten an das Nachführen des Erfassungselements erinnert werden, bis der neue Handgriff zur Gewohnheit geworden ist. Beratung der BGHM Diese Methode hat vor Kurzem ein Metallbau-Unternehmen in Tornitz erfolgreich angewandt. Nach Errichtung einer neuen Halle mit zahlreichen Schweißarbeitsplätzen wollte Betriebsinhaber Eckhard Henschel eine neue Lüftungsanlage anschaffen, stand aber der lokalen Erfassung von Schweißrauchen skeptisch gegenüber. Die Beratung der BGHM durch einen Mitarbeiter des Sachgebiets „Oberflächentechnik und Schweißen“ machte Vor- und Nachteile verschiedener Lösungen deutlich. Derart informiert, fiel dem Unternehmer die Entscheidung für die arbeitsplatzbezogene Absaugung leicht. Nach deren Inbetriebnahme zeichneten Messtechniker der BGHM Schweißarbeiten mit der PIMEX-Methode auf. Das Video wurde dem Betrieb als Lehrfilm übergeben und kann nun zu Unterweisungszwecken eingesetzt werden. Zudem erteilte Henschel der BGHM seine Freigabe, die Video-Sequenz auch in anderen Fällen als Anschauungsmaterial einzusetzen. Damit verfügt die BGHM nun über ein passendes Filmbeispiel, womit eine personalintensive PIMEX-Aufnahme vor Ort mitunter nicht mehr erforderlich ist. Ingo Niemann/Wilfried Osterloh, BGHM BGHM-Aktuell 4|2016 11 Sicheres & Gesundes Arbeiten Erfolgsfaktor im Arbeitsschutz Handlungsorientierte Seminare der BGHM Die Handlungsfähigkeit der Unternehmerinnen und Unternehmer, der Führungskräfte und aller Beschäftigten ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor im Arbeitsschutz. Daher bietet die BGHM seit vielen Jahren praxisnahe Seminare an, in denen die betrieblichen Akteurinnen und Akteure Kenntnisse und Werkzeuge erwerben, um ihre Aufgaben erfolgreich und zielgerichtet zu erfüllen. J ährlich qualifiziert die BGHM rund 92.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in ihren Seminaren. Das Seminarprogramm wird laufend aktualisiert und durch Fachleute der Prävention kontinuierlich qualitativ weiterentwickelt. Für das Jahr 2017 hat die BGHM das Programm grundlegend neugestaltet (vgl. BGHM-Aktuell Ausgabe 2/2016, Seiten 10/11 und Ausgabe 3/2016, Seiten 8 und 9). Ziel ist es, Seminare anzubieten, die die Handlungsfähigkeit und -bereitschaft der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Bezug auf den Arbeitsschutz noch weitreichender als bisher fördern und somit noch zielgerichteter den Bedürfnissen ihrer Betriebe entsprechen. Betriebliche Realität und Erfahrungen der Teilnehmenden bilden daher den Ausgangspunkt für die Entwicklung der Seminare des neuen Programms. Sie zielen darauf ab, die Handlungskompetenzen und die -bereitschaft der verschie12 BGHM-Aktuell 4|2016 denen Gruppen wie Unternehmensleitung, Führungskräfte, Sicherheitsfachkräfte und -beauftragte, Betriebsratsmitglieder und des betriebsärztlichen Diensts in Bezug auf die Wahrnehmung ihrer Rolle zu stärken. Was bedeutet dies konkret? Um diese Gruppen passgenau zu qualifizieren, wird die sehr spezifische betriebliche Realität an verschiedenen Stellen „ins Seminar geholt“. Ebenso bilden die bereits vorhandenen Erfahrungen und Kompetenzen der Teilnehmenden eine Basis für die Entwicklung und Durchführung der Seminare. Dies kann je nach Seminar durch handlungsorientierte Methoden geschehen. Dazu gehören beispielsweise Projektarbeit, Fallstudien zu komplexen Arbeitsprozessen, kollegiale Beratungen oder auch Reflexionen der eigenen Rolle und der Anwendbarkeit verschiedener Werkzeuge auf das betriebliche Handlungsfeld. Sicheres & Gesundes Arbeiten Auf diese Weise können Seminarteilnehmende Aufgaben und Handlungsmöglichkeiten aus verschiedenen Perspektiven betrachten und gemeinsam reflektieren. Außerdem können sie die Werkzeuge vor dem Hintergrund der eigenen Rolle sowie der Betriebsrealität bereits im Seminar erproben. Dies erleichtert das anschließende Handeln im eigenen Arbeits- und Verantwortungsbereich. In drei Stufen zum Ziel Das neue Seminarprogramm hat einen mehrstufigen Aufbau. Teilnehmende sollen sich zunächst in den Grundlagenseminaren mit der eigenen Rolle und den damit verbundenen Aufgaben auseinandersetzen und sich anschließend in den Fortbildungsseminaren mit Anderen über ihre Erfahrungen austauschen und aktuelle Themen vertiefen. Weiterbildungsseminare, die bereits im Anschluss an die Grundlagenseminare besucht werden können, ermöglichen den Teilnehmenden schließlich eine themenbezogene Spezifizierung. Dabei fördert die Zusammensetzung der jeweiligen Zielgruppe das Verständnis der Sichtweisen und der Handlungsmöglichkeiten der verschiedenen Akteurinnen und Akteure im Arbeitsschutz. Dies ermöglicht den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wiederum, ihre Einflussmöglichkeiten und geeignete Handlungswege zu erkennen. In der Praxis Ein Beispiel: Ein angehender Sicherheitsbeauftragter besucht zunächst das Grundlagenseminar „Sicherheitsbeauftragte, Teil 1“, (SBSB11), um seine eigene neue Rolle, sein eigenes Aufgabengebiet, aber auch Rollen und Aufgaben seiner Kontaktpersonen im betrieblichen Arbeitsschutz kennenzulernen. Zudem strebt er an, Handlungssicherheit zu erlangen, um seine Aufgabe erfolgreich wahrnehmen zu können. Das Grundlagenseminar „Sicherheitsbeauftragte, Teil 2“, (SBSB12) rundet seine Qualifizierung ab. Etwa fünf Jahre später besucht er das Fortbildungsseminar „Sicher- heitsbeauftragte, Fortbildung“, (SBSB51), um sich mit anderen Sicherheitsbeauftragten über die Tätigkeit im Betrieb sowie spezifische Gefährdungen auszutauschen. Er entwickelt gemeinsam mit ihnen neue Handlungsmöglichkeiten und erweitert dadurch seine eigene betriebliche Handlungsfähigkeit. Da Sicherheitsbeauftragte in unterschiedlichen Betriebsbereichen tätig sind, können sie nach dem Besuch der Grundlagenseminare in themenbezogenen Weiterbildungsseminaren erforderliche Fachkompetenzen hinzuerwerben. So kann beispielsweise das Seminar „Betrieb ortsfester Krane“ (TLKR10) den Sicherheitsbeauftragten zum wertvollen Ansprechpartner für Fragen der sicheren Verwendung ortfester Krane, aber auch zum Motivator der Kolleginnen und Kollegen und der Vorgesetzten machen. So ermöglichen die BGHM-Seminare allen Führungskräften und Multiplikatoren der Mitgliedsgetriebe, gemäß ihrer Rolle, ihres betrieblichen Tätigkeitsfeldes und im Sinne der Anforderungen im Rahmen des Arbeitsschutzes professionell zu handeln und ihre Kompetenzen sukzessive zu erweitern. Melanie Roth/Ursula Willemsen, BGHM Was müssen Sie bereits im Jahr 2016 beachten? • Melden Sie Ihre Beschäftigten bereits im Jahr 2016 in Grundlagenseminaren an. Die dort erlangten Kompetenzen werden für die Teilnahme an Weiterbildungsseminaren in 2017 benötigt. • Bereits in 2016 bieten wir Ihnen eine Auswahl an Seminaren aus dem Programm 2017 an. So profitieren Sie bereits jetzt von den neuen Modulen. Unsere aktuellen Seminare finden Sie unter www.bghm.de, Webcode 150 Weitere Informationen zum neuen Seminarprogramm unter www.bghm.de, Webcode 2191 BGHM-Aktuell 4|2016 13 Sicheres & Gesundes Arbeiten Verhaltensorientierte Sicherheitsmodelle Wir verhalten uns verhältnismäßig sicher, oder? Erfolgreiche Prävention hängt maßgeblich von den Beschäftigten ab, denn deren Arbeitsverhalten gestaltet Arbeitsbedingungen. N ach gewissenhaft durchgeführten Gefährdungsbeurteilungen gehen Verantwortliche häufig davon aus, die Bereitstellung sicherer Arbeitsmittel, die entsprechende Gestaltung der Arbeitsprozesse und die Information der Beschäftigten zu den erforderlichen Maßnahmen im Umgang mit den Gefährdungen reichten aus, sicherheitsgerechtes Verhalten zu fördern. Diese Präventionsstrategien geraten aber spätestens dann an ihre Grenzen, wenn sich nicht alle Bedingungen einer Arbeitstätigkeit durch Flexibilisierung, Digitalisierung und Dezentralisierung vorhersehen und damit auch nicht vollständig durch die Unternehmenden kontrollieren lassen. Unternehmerisches Ziel sollte es deshalb sein, eine Kultur der Prävention aufzubauen und systematisch weiterzuentwickeln. Es gilt, Beschäftigte zu befähigen, ihr Verhalten selbständig, proaktiv und mitdenkend den sich ständig verändernden Arbeitsbedingungen anzupassen. Eine sichere 14 BGHM-Aktuell 4|2016 Unternehmenskultur ist also nicht direkt zu „installieren“. Vielmehr sind die „Träger der Kultur“, also die Beschäftigten und Führungskräfte aufgefordert, diese zu gestalten. Und genau darin besteht die Herausforderung, wobei systematisches Training die Beteiligten erfolgreich auf ihre Rollen vorbereitet. Vielversprechende Lösungsansätze bieten sogenannte Behavior Based Safety-Modelle mit – je nach Programm – unterschiedlichen Schwerpunkten. Dazu gehören unter anderem Verhaltensregeln, -kontrollen, Vorbildfunktion, Achtsamkeitserziehung sowie Widerstands- und Fehlermanagement. Grundvoraussetzung ist dabei stets, dass Unternehmen den Arbeitsschutz in sämtliche Strukturen und Prozesse integrieren und systematisch durch eine gezielte Stärkung sicheren Verhaltens in unsicheren Situationen ergänzen. Bewährt hat sich dabei eine Kombination aus neun Schwerpunkten: © shotsstudio - Fotolia.com Sicheres & Gesundes Arbeiten 1. Sicherheitsgerechtes Verhalten: Erfolg belohnen und Hemmnisse konsequent beseitigen. Typisches Beispiel für ein Lob: Wenn trotz Zeitdrucks noch vor Beginn der Arbeiten Dachluken gegen Durchsturz gesichert werden und dies unmittelbar in die Baustellen-Vorabcheckliste eingetragen wird. 2. Sicherheitswidriges Verhalten: Barrieren gezielt aufbauen und Fehlverhalten konsequent sanktionieren. Beispiel: (Auch) der Chef wird in der Werkhalle angesprochen, da er weder Gehörschutz noch Sicherheitsschuhe trägt. Er bedankt sich und holt die Ausrüstung. Zusätzlich kommt das Schild an die Bürotür: „Sei ein Vorbild – nimm Schuhe und Helm, auch wenn du nur mal kurz gucken willst.“ 3. Sicherheitswidrige Verhaltensweisen werden systematisch bearbeitet: Wunsch – mögliches Ergebnis – Hinderungsgründe – Lösungsideen: Wie sieht das sicherheitsgerechte Verhalten am Ende aus? Woran kann man die positive Veränderung erkennen? Was hemmt uns, das bisherige Verhalten einfach abzulegen? Wie können wir diese Hindernisse Punkt für Punkt abbauen? Die Beschäftigten können so Verantwortung übernehmen, ohne überfordert zu werden. Sie trainieren ihre Selbstregulation. 4. Arbeitsschutz ist neben Kosten- und Qualitätsbewusstsein selbstverständlich in sämtliche Prozesse integriert: vom Einkauf über die tägliche Teambesprechung bis zur Sitzung der Geschäftsführung. 5. Führungskräfte sind Arbeitsschutzvorbilder: Sie kümmern sich um die eigene Gesundheit und Sicherheit genauso wie um die der Beschäftigten und deren Arbeitsumgebung. 6. Beschäftigte werden zu verantwortungsbewussten Beteiligten, die Fehlverhalten ansprechen. Selbstbewusste Beschäftigte und Vorgesetzte treffen gerne Entscheidungen, sind kritik- und lernfähig, können und wollen sich an gemeinsame Sicherheitsregeln und Leitlinien halten. Unnütze oder widersprüchliche Regeln werden abgeschafft. 7. Das Betriebsklima ist offen, ehrlich und vertrauensvoll: Persönliche Konflikte sind keine Tabus, aber auch keine Ausrede, Probleme nicht anzugehen. Auf unterschiedliche Einstellungen, Kulturen und Sprachen wird Rücksicht genommen, solange allgemeine betriebliche Verhaltens- und Vertrauensgrenzen nicht überschritten werden. 8. Die Kommunikation ist transparent und gezielt: Gerüchten wird schnell nachgegangen. Fakten werden gezielt der Stelle berichtet, die sie benötigt. Der Informationsfluss innerhalb des Unternehmens ist eindeutig geregelt. Kommunikationsbarrieren werden beseitigt. Die Informationen werden auf ein Mindestmaß reduziert. Arbeitssicherheitsrelevante Kommunikation hat Vorrang und ist so aufgebaut, dass sie leicht verständlich ist. 9. Fehler werden als Chance zur Verbesserung gesehen. Die Eigenschaften des Menschen werden schon bei der Planung von Arbeitstätigkeiten und Arbeitsmitteln berücksichtigt, um fehlertolerante Systeme zu schaffen. Fehler können offen angesprochen werden. Vor allem aber werden sie ernst genommen: Statt kurzfristiger „Vertuschung“ werden langfristig tragfähige Lösungen gesucht: „Geht nicht anders = gibt's nicht sicher“ ist keine Lösung. Martin Prüße/Cornelia Schöneich-Kühn, BGHM BGHM-Aktuell 4|2016 15 Sicheres & Gesundes Arbeiten Schwerpunktthema August 2016 Heizungsbau 16 BGHM-Aktuell 4|2016 © macrovector - Fotolia.com Durch die technische Weiterentwicklung haben sich Berufsbild und Aufgabenspektrum im Heizungsbau in den vergangenen Jahren erheblich verändert. Dies ist durchaus mit neuen Gefährdungen verbunden. Sicheres & Gesundes Arbeiten D er Ausbildungsberuf des Anlagenmechanikers umfasst heute die ehemaligen Berufsbilder des Gas- und Wasserinstallateurs sowie des Heizungs- und Lüftungsbauers. Hinzu kommen inzwischen noch Komponenten der Solar- und Elektrotechnik. Mit diesem erweiterten und vielseitigen Tätigkeitsfeld steigen auch die Anforderungen an den Arbeits- und Gesundheitsschutz. Die Unfallhäufigkeit im Heizungsbau liegt statistisch deutlich über dem Gesamtdurchschnitt aller bei der BGHM versicherten Mitgliedsbetriebe. Die Unfallstatistik lässt zudem Rückschlüsse auf die Schwerpunkte und Ursachen für Arbeitsunfälle zu. So sind die Beschäftigten bei Montageund Installationsarbeiten, den örtlichen und betrieblichen Verhältnissen entsprechend, einer höheren Gefährdung ausgesetzt als die an stationären Arbeitsplätzen. Die meisten meldepflichtigen Unfälle ereignen sich bei Erweiterungs-, Umbau-, Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten außerhalb des Betriebes sowie bei Montagearbeiten auf Baustellen. Demgegenüber finden die klassischen Installationsarbeiten hauptsächlich in den Gebäuden statt, wobei sich die Arbeiten mit den zunehmenden Solar- und Photovoltaikmontagen mehr und mehr auf die Dächer verlagern, mit neuen Gefährdungen in der Folge. Stolpern, Stürzen, Abstürzen Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten, speziell ASR 1.8 „Verkehrswege“ und ASR 2.1 „Schutz vor Absturz und herabfallenden Gegenständen, Betreten von Gefahrenbereichen“, geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse für das Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten wieder. Die Vorschriften definieren Schutzmaßnahmen für sichere Verkehrswege und für hochgelegene Arbeitsplätze. Diese sind von jedem Unternehmen zu beachten und umzusetzen. So ist vor Ort dafür zu sorgen, dass Verkehrswege und Zugänge zum Arbeitsplatz sicher benutzt werden können. Mangelnde Ordnung und Sauberkeit, sorglos abgelegte Werkzeuge, Materialien und Verpackungen, zugestellte und verschmutzte Verkehrswege sowie verunreinigte Fußböden sorgen für Unfallgefahr. Gerade geringe Höhen verleiten zum leichtsinnigen Handeln und verursachen eine Vielzahl schwerer Verletzungen. Stürzen auf gerader Ebene, Stolpern an Ecken und Kanten, über herumliegende Teile, Herunterspringen von Absätzen, Stufen und Leitersprossen kennzeichnen das Unfallgeschehen der Branche. Aus statistischer Sicht sind Absturzunfälle Stürze aus Höhen von mehr als einem Meter. Mangelhafte Aufstiege, fehlende Absturz- und Durchsturzsicherungsmaßnahmen und schlechte Standsicherheit sind die Ursachen dafür. Im stationären Betrieb sind Schutzmaßnahmen ab einer Absturzhöhe von mehr als einem Meter notwendig, auf Baustellen an Treppen und Schächten ebenfalls ab einem Meter und an allen anderen Arbeitsplätzen ab zwei Metern. Unabhängig davon ergibt sich aus der Gefährdungsbeurteilung, ob Maßnahmen auch schon bei geringeren Höhen eingeleitet werden müssen. Sie ist das wichtigste Instrument und Dokument der Arbeitssicherheit im Unternehmen und wird seit 1996 im Arbeitsschutzgesetz gefordert. Auch für Montagetätigkeiten außerhalb des stationären Betriebes muss sie durchgeführt werden. Für Arbeiten in der Höhe sind bereits im Vorfeld wichtige Überlegungen notwendig: • Wie komme ich sicher zu meinem Arbeitsplatz? Sicherer Verkehrsweg! • Ist mein Untergrund ausreichend tragfähig? Ausreichende Standsicherheit! • Welche Schutzmaßnahmen gegen Absturz sind notwendig? Wirksame Absturzsicherung! Hierbei ist die Maßnahmenhierarchie zu beachten, technischen Maßnahmen ist somit der Vorzug zu geben. Bei der Verwendung von Persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz muss zudem auch ein Rettungskonzept entwickelt werden. Umgang mit Handwerkzeugen Bei Betrachtung der spezifischen Tätigkeiten zeigt sich das größte Unfallaufkommen bei Arbeiten mit Handwerkzeugen. Die Quote bei nicht kraftbetriebenen Werkzeugen liegt deutlich höher als bei kraftbetriebenen. Diese Unfälle Ort des Unfallgeschehens 3% 5% Baustelle 38% 54% Betrieb Öffentlich Sonstige BGHM-Aktuell 4|2016 17 Sicheres & Gesundes Arbeiten resultieren meist aus der Unkenntnis über die sichere Verwendung von Handwerkzeugen und dem Einsatz von beschädigten Arbeitsgeräten. Verletzungen, hauptsächlich an Fingern und Händen, sind die Folge. Oft lassen sich diese Unfälle durch einfache Maßnahmen verhindern, etwa durch Sichtkontrollen vor dem Einsatz. Beschädigte Handwerkzeuge dürfen nicht mehr verwendet werden, und eine Reparatur hat fachgerecht zu erfolgen. Elektrische Betriebsmittel sind regelmäßig nach DGUV Vorschrift 3 zu prüfen. Für die Bereitstellung geeigneter und sicherer Arbeitsmittel trägt die Unternehmensleitung die Verantwortung. Die Beschäftigten müssen im Umgang mit den Werkzeugen erfahren sein und bei der Bereitstellung neuer Werkzeuge entsprechend unterwiesen und geschult werden. Materialtransport Ein weiterer Unfallschwerpunkt ist der Transport von Materialien, insbesondere der von schweren, unhandlichen Lasten, wie Heizkörper und Kessel. Dieser kann schnell zum Kontrollverlust führen. Zudem erschweren ungünstige Griffmöglichkeiten und scharfe Kanten an den Gegenständen die Handhabung. Beengte Platzverhältnisse in Gebäuden und schlechte Transportwege auf Baustellen erhöhen oft die Unfallgefahr. Die Folgen können Quetschungen, Prellungen oder sogar Knochenbrüche sein. Hilfsmittel, wie beispielsweise Tragegurte und Treppensteiger, erleichtern dagegen die Arbeiten oft deutlich. Auch das Hinzuziehen zusätzlicher Kolleginnen oder Kollegen zum Materialtransport entlastet die einzelnen Beschäftigten. Hier ist eine effiziente Planung notwendig. Bei der Vorbereitung und Organisation können Kenntnisse über die örtlichen Gegebenheiten und Rücksprachen mit den Verantwortlichen vor Ort Schweißen – Löten – elektrischer Strom Der Kontakt mit heißen Oberflächen kann zu Verbrennungen führen. Beim Lichtbogenschweißen besteht die Gefahr des Verblitzens der Augen. Offene Flammen und der Einsatz von Gasen erhöhen die Brand- und Explosionsgefahr. Rohrleitungen im Heizungs- und Sanitärbereich werden üblicherweise verpresst. Durch den Einsatz von Presswerkzeugen ergeben sich Quetschgefahren. Aufgrund der zunehmenden Montagen von Solar- und Photovoltaikanlagen auf Dächern steigt zudem die elektrische Gefährdung durch Arbeiten in der Nähe von spannungsführenden Teilen. Präventive Maßnahmen zur Verhinderung möglicher Einwirkungen können sein: • Bereitstellen von Löschmitteln und Sicherstellen von Brandwachen • Anbringen der Sicherungen gegen Flammendurchschlag und Gasrücktritt an der Acetylen- und Sauerstoffflasche bei Schweiß- und Lötarbeiten, sicheres Ablegen des Brenners, Kontrolle der Gasschläuche und ggf. Erneuerung, Sicherung der Druckgasflaschen gegen Umfallen • ausreichende Sicherung der Ventile der Druckgasflaschen beim Transport • Sichern der Flaschen gegen Umfallen • Bei Arbeiten mit Presswerkzeugen Sicherheitshinweise aus den Betriebsanleitungen des Herstellers beachten und die Beschäftigten unterweisen. • Bei Arbeiten in der Nähe spannungsführender Teile auf Einhaltung der Sicherheitsabstände achten, besser ist es jedoch, vorher einen spannungsfreien Zustand herzustellen. • Verwenden von Persönlicher Schutzausrüstung wie Schutzbrillen, Handschuhe, eventuell schwer entflammbare Schutzkleidung und Augenschutz mit der richtigen Filterstufe Mögliche Berufskrankheiten Berufskrankheiten sind Erkrankungen, die Versicherte durch ihre berufliche Tätigkeit erleiden und die in der Berufskrankheiten-Verordnung aufgeführt sind. Im Heizungsbau werden die Lärmschwerhörigkeit und Hauterkrankungen am häufigsten angezeigt, gefolgt von Muskel- und Skelett-Erkrankungen. Wer ungeschützt einem Tages-Lärmexpositionspegel über 85 Dezibel ausgesetzt ist, muss bei entsprechender Einwirkzeit mit unheilbaren Schäden des Gehörs rechnen. Ein hoher Lärmpegel entsteht bei Arbeiten mit kraftbetriebenen Werkzeugen, wie Winkelschleifer oder Bohrhämmer, die regelmäßig bei Installationsarbeiten zum Einsatz kommen. Zudem werden die Arbeiten meist in schallharten © Stasique - Fotolia.com 18 (z. B. Bereitstellung und Nutzung von Aufzügen) den Ablauf der Montagearbeiten deutlich erleichtern. BGHM-Aktuell 4|2016 Sicheres & Gesundes Arbeiten Nutzen Sie das Plakat und die Checkliste zum Schwerpunktthema im Monat August für Ihre betriebliche Präventionsarbeit. Sie sind Bestandteil des BGHM-Wandkalenders. Räumen, wie etwa Kellern, Rohbauten oder auch in engen Räumen durchgeführt. Oft ist es dabei notwendig, die Maschinen nah am Kopf zu führen. Um der Entstehung einer Lärmschwerhörigkeit vorzubeugen, ist hier das Tragen von geeignetem Gehörschutz unerlässlich. Die Verwendung von Reinigern und Dichtmassen kann die Haut belasten, mit eventuellen chronischen und irreversiblen Hauterkrankungen in der Folge. Die Unkenntnis über den Umgang mit den bereitgestellten Stoffen führt dazu, dass Schutzmaßnahmen unterbleiben. In den Sicherheits- und Produktdatenblättern des jeweiligen Herstellers sind Schutzmaßnahmen, wie z. B. die Auswahl der Persönlichen Schutzausrüstung aufgeführt, die beim Umgang zu beachten sind. In der Betriebsanweisung finden diese dann Berücksichtigung. Sie ist die Grundlage für die gezielte Unterweisung der Beschäftigten. Die Betriebsanweisung ist im Arbeitsbereich zur Verfügung zu stellen, sodass sich die Beschäftigten jederzeit informieren können. Hautschutzmittel und Persönliche Schutzausrüstung, wie zum Beispiel geeignete Handschuhe, sind durch die Unternehmensleitung bereitzustellen. Meniskusschäden und Arthrosen der Kniegelenke sind Muskel-Skelett-Erkrankungen, die im Heizungsbau auftreten können. Sie entstehen durch arbeitsbedingte Dauerzwangshaltung, insbesondere bei Belastungen durch Hocken oder Knien, wie bei der Installation von Fußbodenheizungen oder Arbeiten in engen Räumen, beispielsweise in Kniestöcken. Maßnahmen wie kurze Transportwege, Betriebsanweisungen zum Lastentransport sowie Schulungen und Informationen helfen, die Beschäftigten langfristig vor Muskel-Skelett-Erkrankungen zu schützen. Kathrin Stocker/Christian Mayer, BGHM Weitere Informationen • „Arbeitsschutz Kompakt“ (www.bghm.de, Webcode 1815) vermittelt wichtige Informationen zu konkreten Themen praxisnah, kurz und effizient, z. B. „Arbeiten mit Handwerkzeugen“ (Nr.009). • Checklisten (www.bghm.de, Webcode 219), z. B. „Montagearbeiten“, „Handgeführte Maschinen“ oder „Heizungsbau“ • Hilfestellungen zur Gefährdungsbeurteilung sind auf (www.bghm.de, Webcode 414) zu finden. BGHM-Aktuell 4|2016 19 20 BGHM-Aktuell 4|2016 © salman2 - Fotolia.com Sicheres & Gesundes Arbeiten Sicheres & Gesundes Arbeiten Menschengerechte Arbeitsgestaltung Gefährdungsbeurteilung an der Schnittstelle Mensch – Arbeitsmittel Die im Mai 2015 veröffentlichte Technische Regel für Betriebssicherheit 1151 „Gefährdungen an der Schnittstelle Mensch – Arbeitsmittel – Ergonomische und menschliche Faktoren, Arbeitssystem“ konkretisiert die Anforderungen an Gefährdungsbeurteilungen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln. E in besonderes Augenmerk der TRBS 1151 liegt auf der Gestaltung der Schnittstelle zwischen Mensch und Arbeitsmittel. Sie berücksichtigt dabei auch Einflüsse und Wechselwirkungen aus der Arbeitsumgebung und von Arbeitsgegenständen sowie physische und psychische Belastungen. Die menschengerechte Gestaltung des Arbeitssystems ist Anspruch und Maßstab bei der Beurteilung der analysierten Belastungen und Gefährdungen. Gleiches gilt für die Auswahl, Umsetzung und Wirksamkeitsüberprüfungen von Maßnahmen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln. Die Vermeidung oder Minimierung von Fehlbeanspruchungen und Belastungen, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten gefährden können, ist durch die Berücksichtigung ergonomischer Zusammenhänge bei Auswahl und Verwendung von Arbeitsmitteln sowie Maßnahmen in deren Kontext zwingend erforderlich. Die Beteiligung der Beschäftigten an den sie berührenden Prozessen der Gefährdungsbeurteilung und der Arbeitsgestaltung erleichtert die Berücksichtigung individueller Beanspruchung und Beanspruchungsfolgen, führt zu einer höheren Akzeptanz der gefundenen Lösungen und fördert nicht zuletzt die Motivation. Die umfassende Anwendung der Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) gibt dem Unternehmer als Betreiber von Arbeitsmitteln die Gewissheit, die einschlägigen Anforderungen der Betriebssicherheitsverordnung zu erfüllen (Vermutungswirkung). Arbeitswissenschaftliches und terminologisches Fundament der TRBS 1151 sind das Arbeitssystem mit seinen Elementen (Mensch, Arbeitsmittel, Arbeitsgegenstand, Arbeitsumgebung, Arbeitsaufgabe und Arbeitsorganisation) sowie das Belastungs-Beanspruchungs-Modell (siehe auch www.gda-psyche.de – Entstehungsmodelle). Gefährdungsbeurteilung noch vor der Inbetriebnahme Die vorausschauende Gefährdungsbeurteilung beginnt weit vor der Inbetriebnahme von Arbeitsmitteln. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Fehlbeanspruchungsfolgen auch bei der Verwendung ergonomisch gut gestalteter Arbeitsmittel auftreten können, wenn die mit ihnen verbundenen Arbeitsaufgaben oder Umgebungsbedingungen ungünstig gestaltet sind oder ungewollte Wechselwirkungen auftreten. Neben technischen und ablauforganisatorischen Fragen ist dabei immer auch zu klären, welche körperlichen, psychischen und kognitiven Anforderungen die Bedienung des neuen Arbeitsmittels an Beschäftigte bei welcher Arbeitsaufgabe stellt. Zudem ist zu klären, welche Beschäftigten mit welchen individuellen Leistungsvoraussetzungen das Arbeitsmittel verwenden sollen und wie sie darauf vorbereitet werden. Dabei sind Gefährdungen beispielsweise durch den Zwang zur Daueraufmerksamkeit, körperlich einseitig belastender Arbeit und hoher psychischer Beanspruchung zu vermeiden. Lösungsbeispiele Die in Anlage 1 der TRBS 1151 beschriebenen Methoden und Instrumente zur Ermittlung und Beurteilung physischer und psychischer Belastung im Arbeitssystem geben bei Auswahl geeigneter Vorgehensweisen eine erste Orientierung. Dazu gehören zum Beispiel die Leitmerkmalmethode und ein moderiertes Workshop-Konzept. Anhand von Beispielen werden in den Anlagen 2 bis 5 der TRBS 1151 Gefährdungen durch mangelhafte ergonomische Gestaltung an Schnittstellen und durch Wechselwirkungen aufgezeigt. Dabei fehlt es nicht an Vorschlägen zu passenden Gestaltungsmaßnahmen, wie die Schaffung von Bewegungsflächen, zum Heben und Tragen von Lasten sowie zur Arbeitsorganisation. Die Anlage 6 beschreibt eine Lösung für die Gefährdungsbeurteilung zum Problem der Manipulation technischer Schutzeinrichtungen. Die systematische Berücksichtigung dieser Standards in betrieblichen Prozessen setzt eine zwingende Information und Qualifizierung der verantwortlichen Beschäftigten, insbesondere zur Planung und Arbeitsvorbereitung, voraus. Praxishilfen und visuelle Medien zu den Themen „Ergonomie und Arbeitsplatzgestaltung“ (Webcode 520) sowie „Psychische Belastung und Beanspruchung“ (Webcode 234) finden sich auf der Internetseite unter www.bghm.de. Auch das neue Seminarprogramm der BGHM vermittelt in verschiedenen Weiterbildungsseminaren den mit dem Arbeitsschutz betrauten betrieblichen Akteurinnen und Akteuren die notwendige Handlungskompetenz in Sachen „Gesundheit und Ergonomie“. Jochen Eckardt/Cornelia Schöneich-Kühn, BGHM BGHM-Aktuell 4|2016 21 Sicheres & Gesundes Arbeiten Gezielte Prävention für junge Beschäftigte Von Anfang an sicher arbeiten Junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland haben Jahr für Jahr zahlreiche Arbeits- und Wegeunfälle mit teils schwerwiegenden Folgen. Eine wirksame Präventionsarbeit muss die spezifische Lebenssituation junger Beschäftigter berücksichtigen. Hilfreiche Hinweise liefern die Projektergebnisse des diesjährigen Kreativpreises von „Jugend will sich-er-leben“ (JWSL). D as branchenübergreifende DGUV-Präventionsprogramm JWSL, das die BGHM tatkräftig unterstützt, wird in Berufsschulen und Mitgliedsbetrieben der BGHM genutzt, um Azubis für das Thema Arbeitsschutz zu sensibilisieren. Berufsschülerinnen und -schüler konnten sich auch in diesem Jahr an einem Wettbewerb zum Thema beteiligen. Ziel war es, die sogenannte Azubi-Formel „TOP Ausbildung = sicher + richtig + gut“ nachhaltig einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln. Junge Menschen haben sich dabei mit der bestimmungsgemäßen und sicheren Verwendung von Arbeitsmitteln auseinandergesetzt, um ein improvisiertes und unsicheres Handeln am Arbeitsplatz zu vermeiden. Im Rahmen der durch den Wettbewerb initiierten Projekte wurden Filme gedreht, Plakate gestaltet und Befragungen zu Unfällen durchgeführt. Azubis untersuchen Gefährdungen von Azubis Besonders interessant für die Präventionsarbeit in Betrieben der Holz- und Metallbranche waren die Ergebnisse einer 10. Klasse der Beruflichen Schulen Gelnhausen. Azubis zur 22 BGHM-Aktuell 4|2016 bzw. zum „Kauffrau/-mann für Büromanagement“ entwickelten zwei Fragebögen. Eine Gruppe befragte 230 Azubis zu Gefährdungen, Unfällen und Beinaheunfällen in den Berufsbildern Anlagen-, Industrie- und Werkzeugmechaniker sowie Kfz-Mechatroniker, Elektriker, Kältetechniker, Einzelhandelskaufleute, Maschinen- und Anlagenführer. Das Ergebnis war für die jungen Forscherinnen und Forscher erschreckend: Die Hälfte aller befragten Azubis hatte bereits einen Arbeitsunfall und sogar 99 Prozent einen Beinaheunfall. Die meisten Unfälle erlitten angehende Kältetechniker sowie Maschinen- und Anlagenführer, die wenigsten Einzelhandelskaufleute und Elektriker. Gründe für Arbeits- und Beinaheunfälle waren laut dieser Studie häufig defekte Maschinen und Arbeitsmittel, Zweckentfremdung von Arbeitsmitteln, falsche Bedienung oder eigene Unachtsamkeit im Umgang mit diesen. Besonders häufig passierte ein Unfall, wenn zum ersten Mal mit einem neuen Arbeitsmittel gearbeitet wurde. Ein spezielles Problem war, dass bei defekten Arbeitsmitteln der Schaden entweder nicht erkannt oder bewusst ignoriert wurde. Sicheres & Gesundes Arbeiten © industrieblick - Fotolia.com Mangelnde Erfahrungen und höhere Risikobereitschaft Die zweite Gruppe erstellte ein Gefahren-Ranking unter elf ausgewählten Berufen, die an der Schule vertreten sind, und wertete 121 Fragebögen aus. Auch hier hatten 50 Prozent der Befragten einen Arbeitsunfall erlitten. Das Berufsbild „Kaufmann/-frau für Büromanagement“ ermöglichte dabei das sicherste Arbeiten. Auch in drei typischen Metallberufen – Zerspanungsmechaniker/in (Rang 4) Feinwerkmechaniker/in (Rang 5) und Verfahrensmechaniker/in (Rang 6) – gab es laut der Befragung weniger Unfälle als beispielsweise in Berufen aus dem Bereich Nahrung und Gastronomie. Die Azubis kommen in ihren Studien zu dem Schluss, dass durch strukturiertes, gut organisiertes Arbeiten fast alle Unfälle vermieden werden könnten. Vor allem aber der richtige und sichere Umgang mit den für die Tätigkeit vorgesehenen Werkzeugen und Arbeitsmitteln spiele dabei die wichtigste Rolle. Hierzu müssen die geeigneten Arbeitsmittel zur Verfügung stehen und die Azubis vor Aufnahme der Tätigkeit im richtigen Umgang unterwiesen werden. Unfälle durch neue Lebensumstände Junge Beschäftigte befinden sich in einer auf vielfache Weise schwierigen Übergangssituation. Sie lösen sich vom Elternhaus und wechseln von der Schule in den Beruf. Es gilt, sich in einer neuen Rolle am Arbeitsplatz zu behaupten. Schlafund Essgewohnheiten ändern sich, neue Kontakte und Situationen sind zu meistern. Das führt auch zu einer allgemein erhöhten Belastungssituation, die Stressreaktionen hervorrufen kann. Hinzu kommen die zahlreichen neuen Inhalte und Tätigkeiten, die Berufseinsteigerinnen und -einsteiger sich erst aneignen müssen. Eine Überlastung der bewussten Aufmerksamkeitskapazität führt zu eingeschränkter Wahrnehmung, sodass häufig nicht richtig mit Gefährdungen umgegangen wird, selbst wenn sie theoretisch bekannt Nicht nur im Arbeitsalltag, sondern auch im Straßenverkehr lassen sich die Unfallzahlen junger Beschäftigter durch zwei Risiken erklären. Das sogenannte Anfängerrisiko gründet sich auf die mangelnden Kenntnisse und Erfahrungen, die häufig zu Unfällen in den ersten Tagen am neuen Arbeitsplatz führen. Das Jugendlichkeitsrisiko hingegen zielt auf die speziellen Gefährdungen von jungen Menschen ab, wie z. B. die erhöhte Risikobereitschaft junger Männer. sind. Dazu kommt der Wunsch, sich am Arbeitsplatz zu beweisen und die eigene Unsicherheit zu verstecken. Daher wird mangelndes Wissen und unzureichende Erfahrung der Azubis nicht immer gleich sichtbar, was dann fatale Folgen haben kann. Informationen für Azubis Aus diesen Gründen bieten die BGHM und die Programme von „Jugend will sich-er-leben“ Infos und Medien zum Thema Arbeitsschutz für junge Beschäftigte an, die gezielt bei der Präventionsarbeit unterstützen. Wichtig ist, das Thema in den Betrieben aufzugreifen und zu leben: Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen gerade bei der Unterweisung und in der Einarbeitungsphase ein Augenmerk auf die Prävention richten. Eine Möglichkeit ist es, erfahrene Mentorinnen und Mentoren einzusetzen. Immer wieder sollten die Verantwortlichen prüfen, ob richtig, sicher und gut gearbeitet wird und rechtzeitig korrigierend eingreifen. Ein Arbeitsschutzausschuss ist ein geeignetes Gremium, die betrieblichen Konzepte zu prüfen und anzupassen. Die Jugend- und Auszubildendenvertretung gehört dabei mit ins Boot. Ulrich Zilz, BGHM Weitere Informationen: •www.jwsl.de • Die BGHM bündelt auf ihrer Website Präventions themen, die für Azubis besonders relevant sind: www.bghm.de, Webcode 1773 BGHM-Aktuell 4|2016 23 Leben & Leistung Fragen und Antworten © Dada Lin - Fotolia.com Wann und wie sind Auszubildende bei der BGHM versichert? Das Ende der Sommerferien markiert in aller Regel den Beginn des nächsten Ausbildungszyklus. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen zum gesetzlichen Unfallversicherungsschutz von Auszubildenden haben wir für Sie zusammengestellt. Frage: Sind Auszubildende weiterhin über den Ausbildungsbetrieb versichert, wenn sie Teile ihrer Ausbildung in anderen Unternehmen oder in einer überbetrieblichen Einrichtung absolvieren? Antwort: Wenn Auszubildende Teile ihrer Ausbildung in anderen Unternehmen oder überbetrieblichen Einrichtungen absolvieren, sind sie dennoch weiterhin über den Ausbildungsbetrieb versichert. Dieser bleibt weiter Arbeitgeber und zahlt auch die Ausbildungsvergütung. Besonderheit besteht, wenn Auszubildende von der Schule direkt zum Betrieb fahren. Dann besteht Versicherungsschutz bei der zuständigen Berufsgenossenschaft. Wie sind Auszubildende auf dem Weg zur und von der Berufsschule sowie während des Berufsschulbesuchs versichert? Die Wege zur und von der Berufsschule sind unfallversichert. Auch der Schulbesuch steht unter Versicherungsschutz. In diesen Fällen ist der Unfallversicherungsträger der Schule (i. d. R. die Landesunfallkassen) zuständig. Eine Ein anderes Unternehmen veranstaltet ein Azubi-Fußballturnier. Sind unsere Azubis versichert, wenn sie daran teilnehmen? Die Teilnahme an Turnierveranstaltungen steht nach aktueller Rechtsprechung generell nicht unter Versicherungsschutz; weder als Betriebssport noch als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung. 24 BGHM-Aktuell 4|2016 Unser Konzern veranstaltet einen Azubi-Tag für alle Standorte des Unternehmens. Sind Fahrt und Teilnahme an der Veranstaltung versichert? Ja, es handelt sich um eine dienstliche Veranstaltung, die in der Arbeitszeit stattfindet. Leben & Leistung Die oder der Auszubildende holt während der Arbeit im Auftrag eines Mitarbeiters eine Brotzeit für die Kolleginnen und Kollegen der Abteilung zum alsbaldigen Verzehr in der anstehenden Pause. Besteht Versicherungsschutz? Ja. Kauft die oder der Azubi Brötchen auch für sich selbst, besteht schon deshalb Versicherungsschutz, weil die Wege zum Kauf von Nahrungsmitteln, die zum sofortigen Verzehr bestimmt sind, generell versichert sind. Werden die Nahrungsmittel im Auftrag für Dritte beschafft, besteht dann Versicherungsschutz, wenn sich die oder der Azubi einer solchen Weisung nicht ohne weiteres entziehen kann. Sind Unfälle bei Spielereien oder Neckereien unter Auszubildenden versichert? Bei Jugendlichen ist ohne Anwendung einer schematischen Altersbegrenzung im Einzelfall zu prüfen, ob die versicherte Tätigkeit zu Spielereien verlockt hat und der natürliche Spieltrieb mit mangelnder Einsicht in Gefahren zu berücksichtigen ist. Diese Unfälle sind dann versichert. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen eine unzureichende Aufsicht durch Vorgesetzte hinzukommt. Weitere Fragen beantworten Raimond Polak unter der Telefonnummer 06131 802-15940 oder das Servicecenter unter 0800 999 080-1. Karl Heinz Schwirz/Raimond Polak, BGHM Fragen zum Thema Versicherungsschutz im Praktikum Frage: Sind Praktika unfallversichert und bei welchem Träger? Antwort: Schülerpraktika sind Schulveranstaltungen und deshalb immer über den Versicherungsträger der Schule abgesichert. In welcher Jahrgangsstufe solche Praktika durchgeführt werden, richtet sich nach der Schulart und dem dafür geltenden Rahmenschulplan. Leistet ein Schüler zusätzlich zu den über die Schule organisierten und versicherten Praktika weitere freiwillige Praktika in den Schulferien oder sonst während schulfreier Zeit, so sind diese Praktika über den Praktikumsbetrieb bei der jeweiligen Berufsgenossenschaft versichert. Versicherungsschutz über das Unternehmen bei der jeweils zuständigen Berufsgenossenschaft für Praktika besteht immer dann, wenn zwischen dem Praktikumsunternehmen und dem Praktikanten ein Praktikumsvertrag geschlossen wird. Dies gilt für alle Arten von Praktika, insbesondere auch für Studienpraktika. Dabei ist es unerheblich, ob eine Praktikumsvergütung gezahlt wird. Ist für Praktikanten ein Beitrag zu zahlen? Bei einem Praktikum ohne Entgelt ist der Versicherungsschutz grundsätzlich beitragsfrei. Allerdings können Kosten auf das Unternehmen zukommen, weil ein zu entschädigender Unfall das Unternehmen im Beitragsausgleichsverfahren belastet. Wird für das Praktikum ein Entgelt (auch: Aufwandsentschädigung, Taschengeld oder Fahrtkostenersatz) gewährt, so ist dies nachweispflichtig und im Lohnnachweis (sowie bei der DEÜV-Meldung) anzugeben. Müssen Praktika bei der Berufsgenossenschaft angemeldet werden? Eine Einzelanmeldung ist nicht erforderlich. Lediglich eine eventuell gezahlte Praktikumsvergütung ist nachzuweisen. © tostphoto - Fotolia.com Eine Auszubildende wurde operiert und ist krankgeschrieben. Nach einer Woche fühlt sie sich jedoch fit für den Berufsschulunterricht und möchte die Schule auf eigene Verantwortung besuchen, um keinen Unterrichtsstoff zu verpassen und die Klassenarbeiten mitschreiben zu können. Maßgeblich für den Versicherungsschutz ist einzig und allein, dass sich ein Unfall infolge der versicherten Tätigkeit ereignet hat. Es spielt bei dieser Beurteilung keine Rolle, ob die Arbeitsaufnahme aus gesundheitlichen Gründen vernünftig war oder nicht. Zuständig ist die für die Berufsschule zuständige Landesunfallkasse. Welche Arbeitsschutzvorschriften gelten für Praktikanten? Es gelten die gleichen Vorschriften wie für alle Arbeitnehmer. Für jugendliche Praktikanten gelten außerdem die Vorschriften des Jugendarbeitsschutzgesetzes. BGHM-Aktuell 4|2016 25 Leben & Leistung Reha-Management und betriebliche Eingliederung Ein tiefer Fall mit gutem Ausgang Eigentlich war es ein normaler Kundentermin, den Enrico Nottrodt im Frühjahr 2014 wahrgenommen hatte: Der gelernte Metallbauer wollte gemeinsam mit einem Kollegen Montagearbeiten auf einem Stahlgerüst vornehmen. Doch normal verlief an diesem Tag im April nichts – und auch in der folgenden Zeit änderte sich das Leben des 33-Jährigen von Grund auf. Nottrodt stürzte vom Gerüst in einen Fahrstuhlschacht: vier Meter in die Tiefe, ein harter Aufprall, dann erstmal – nichts. I ch war nicht bewusstlos, wusste aber nicht mehr, wo ich war“, erzählt Nottrodt heute, ein Jahr später, im Büro des Wiesbadener Unternehmens Metallbau Rank. „Ich dachte, es geht mir gut, wollte aufstehen und habe sofort gemerkt, dass etwas mit meinem linken Fuß nicht stimmt.“ Irgendwie schaffte er es, auf einer Leiter aus dem Schacht zu klettern, der Kollege rief einen Krankenwagen, der Fuß wurde dicker und dicker. Einen Fersenbeintrümmerbruch und ein herausgebrochenes Stück der Kniescheibe stellten die Ärzte fest, einen Riss im Bein diagnostizierten die Fachleute später zusätzlich. Nottrodts Unfall wurde als schwerer Arbeitsunfall eingestuft. Dass er ein Jahr später wieder als Beschäftigter in seinem alten Unternehmen am Tisch sitzen kann, verdankt er seinem persönlichen Einsatz, seinem Arbeitgeber – und dem Rehamanagement der BGHM, das ihn bei seiner beruflichen Wiedereingliederung unterstützt hat. Umschulung zum Schweißfachmann Nottrodts Verletzungen nach dem Unfall erwiesen sich als kompliziert, die Genesung als langwierig. „Ein Schleimbeutel musste entfernt werden, das Knie wurde operiert, 26 BGHM-Aktuell 4|2016 Enrico Nottrodt, Alexander Schott (BGHM) und Manfred Rank (v.l.n.r.) im Gespräch der Trümmerbruch konservativ behandelt“, zählt Nottrodt auf. Physikalische Therapien, eine Erweiterte Ambulante Physiotherapie (EAP) und eine Arbeitsbelastungserprobung folgten. „Ich war jeden Tag im EAP-Institut, habe Lymphdrainage bekommen, Bewegungsabläufe trainiert und gelernt, auf Krücken zu laufen. Weil ich beim Gehen die ganze Zeit nicht richtig abrollen konnte, untersuchte mich noch einmal ein Spezialist“, erzählt er. Dabei stellte dieser eine Verschiebung des oberen und unteren Sprunggelenks fest, die operiert werden musste. „Herr Nottrodt hat bei seinem Unfall verschiedene Verletzungen erlitten, die unterschiedlich therapiert wurden. So sollte eine möglichst umfassende Wiedereingliederung in sein berufliches und soziales Umfeld garantiert werden“, erklärt BGHM-Reha-Manager Alexander Schott, der Nottrodts Behandlung koordiniert hat. Aufgrund der erlittenen Bewegungseinschränkung durch den Unfall war es dem Metallbauer dennoch nicht möglich, seinen alten Beruf weiter auszuüben. „Alles, was ich vor dem Unfall gemacht habe: montieren, konstruieren, auch mal über Kopf arbeiten und auf Gerüste klettern, geht nicht mehr. Ich kann nicht mehr so lange stehen und noch immer Leben & Leistung nicht richtig laufen.“ Zu seinem alten Arbeitgeber zurückkehren konnte er dennoch: „Für uns war sofort klar, dass wir Herrn Nottrodt weiterbeschäftigen möchten“, sagt Geschäftsführer Manfred Rank. „Wir mussten nur überlegen, was für eine neue Stelle wir ihm anbieten können.“ Die Lösung: eine Tätigkeit im Bereich Qualitätssicherung, Wareneingangskontrolle und administrative Bürotätigkeit. Die BGHM finanzierte außerdem eine Weiterbildung zum Schweißfachmann. „Da Herr Nottrodt seine vorherige Arbeit nicht mehr ausüben konnte, hat ihn die BGHM beim Übergang zu einer neuen Tätigkeit unterstützt, die er trotz seiner Einschränkungen erfüllen kann“, erklärt Schott. Bei seiner Wiedereingliederung in den Betrieb verlor Nottrodt keine Zeit: Auf ein halbes Jahr Reha folgte unmittelbar der Schweißerlehrgang, der dem einstigen Metallbauer viel Spaß bereitet hat: „Schweißen habe ich schon seit der Ausbildung gerne gemacht. Außerdem geht diese Arbeit auch im Sitzen, ein Riesenvorteil“, sagt Nottrodt. Als neuer Experte auf dem Gebiet übernimmt er jetzt auch eigenverantwortliche Tätigkeiten, erstellt neue Schweißanweisungen und Schweißfolgepläne und berät die Kundschaft. „Er schaut einfach, wieviel er schon machen kann und was er sich zutraut“, berichtet Unternehmer Rank. „Ansonsten achten auch die Kollegen darauf, dass er sich nicht übernimmt.“ BGHM-Experte Alexander Schott ist begeistert vom Engagement seitens des Betriebs: „Wir sind sehr dankbar für Unternehmer wie Herrn Rank, die sich so für ihre Beschäftig„Durch meiten einsetzen und sie nach einem Arbeitsunfall derart unterstütne Weiterqualifizen“, sagt er. Manfred Rank sieht dies pragmatisch: „Wenn etwas zierung habe ich eine schiefgeht, muss man handeln“, neue Tätigkeit gefunlautet seine Devise. Enrico Nottden, die mir richtig rodt hält ebenfalls nichts davon, gut gefällt.“ sich selbst zu bemitleiden. Sein Unfall hat auch Gutes nach sich gezogen, findet er: „Hätte ich nicht mehr hier arbeiten können, wäre das fatal gewesen. Aber durch meine berufliche Weiterqualifizierung habe ich jetzt sogar eine neue Tätigkeit gefunden, die mir richtig gut gefällt.“ Auch im privaten Bereich sieht er die Folgen seines Unfalls mit positivem Blick: Zwar kann er jetzt nicht mehr Fußball spielen, wie er es einst leidenschaftlich getan hat. „Dafür bin ich jetzt aber Torwart-Trainer und gebe meine Erfahrung weiter“, sagt er und lacht. Und nicht nur das: „Weil ich wegen der Verletzungen so lange zu Hause bleiben musste, habe ich mein kleines Kind aufwachsen sehen – und was kann man sich als Vater Schöneres wünschen?“ Adrienne Bilitza, BGHM Enrico Nottrodt an seinem neuen Arbeitsplatz BGHM-Aktuell 4|2016 27 28 BGHM-Aktuell 4|2016 © Andrey Burmakin - Fotolia.com Leben & Leistung Leben & Leistung BK 1318: Berufskrankheiten durch Benzol Was Sie wissen sollten! Die gesundheitsschädliche Wirkung von Benzol ist seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bekannt. Erkrankungen durch Benzol werden deshalb bereits seit 1925 als Berufskrankheit anerkannt. Während zunächst die akut toxischen (giftigen) Folgen des Benzols im Vordergrund standen, sind in den vergangenen Jahrzehnten die durch Benzol bedingten malignen (bösartigen) Erkrankungen in den Fokus gerückt. N euen medizinischen Erkenntnissen entsprechend beschreibt die BK 1318 der aktuellen Berufskrankheitenverordnung die „Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol“. Bei der BGHM gehen dazu jährlich etwa 400 Verdachtsanzeigen ein. Wo Gefahrenquellen lauern Benzol ist der einfachste aromatische Kohlenwasserstoff und Bestandteil in allen fossilen Brennstoffen. Es fällt bei der Verkokung von Steinkohle und Destillation von Erdöl an, entsteht bei der unvollständigen Verbrennung organischer Verbindungen und ist im Tabakrauch sowie in den Abgasen von Kraftfahrzeugen enthalten. Benzolhaltige Produkte kamen insbesondere in den frühen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts als preiswerte und effektive Reinigungsund Lösungsmittel sowie als Verdünner von flüssigen Klebern in zahlreichen Gewerbezweigen zum Einsatz. Auch im Ottokraftstoff ist es enthalten, allerdings ist hier der Benzolgehalt auf unter ein Volumenprozent beschränkt. Als Ausgangsstoff gewinnt Benzol in der Herstellung von Farben, Kunststoffen oder Pflanzenschutzmitteln weiter an Bedeutung. Die Produktion von Reinbenzol im Jahr 2007 belief sich weltweit auf etwa 40 Millionen Tonnen (Deutschland 2,3 Millionen Tonnen, Quelle: VCI 2008). Wie der Schaden entsteht Benzol ist als gesichert krebserzeugend für den Menschen eingestuft. Am Arbeitsplatz dürfen deshalb heute nur noch Gemische mit einem Massegehalt von weniger als 0,1 Prozent Benzol verwendet werden. Die Aufnahme von Benzol in den Körper erfolgt über die Atemwege und die Haut. Sie kann zu einer reversiblen oder irreversiblen Verminderung der peripheren Blutzellen durch Schädigung des Knochenmarks führen. Nicht bösartige Erkrankungen (sogenannte toxische Schädigungen) zeigen sich z. B. in einer Verminderung der Blutplättchen (Thrombozytopenie) oder der roten Blutkörperchen (Anämie). Eine Benzolexposition kann auch zu Krebserkrankungen des blutbildenden oder des lymphatischen Systems führen. Damit sind unter anderem verschiedene Leukämieformen und deren Vorstufen sowie Non-Hodgkin-Lymphome gemeint. Die krebserzeugende Wirkung geht dabei von Stoffwechselprodukten aus, die der menschliche Organismus beim Benzolabbau bildet. Ob die berufliche Benzolexposition letztendlich Ursache einer Erkrankung ist, und diese darauf zurückgeführt wer- den kann, hängt vom jeweiligen Krankheitsbild sowie von der Intensität und vom zeitlichen Umfang des Umgangs mit Benzol, also der Benzoldosis ab. Bei der Beurteilung sind zudem außerberufliche Ursachen der Entstehung der Erkrankung wie beispielsweise die Einnahme bestimmter blutbildverändernder Medikamente, Störungen der Blutbildung, strahleninduzierte Erkrankungen, bestimmte Virusinfektionen (z. B. HIV) oder eine familiäre Veranlagung zu berücksichtigen. Leistungen der BGHM Eine Erkrankung kann auch viele Jahre nach einer Exposition gegenüber Benzol auftreten (sogenannte Latenz- bzw. Interimszeit). Dies stellt auch die Ermittlungen der BGHM in einem Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren vor eine besondere Herausforderung. Teilweise sind dabei über Jahrzehnte zurückliegende berufliche Belastungen zu beschreiben und zu bewerten. Sobald der BGHM der Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit bekannt wird, nehmen deren Fachleute Kontakt mit den Betroffenen auf. Sie ermitteln unter Einbeziehung der Versicherten alle Umstände des Einzelfalles, klären und erläutern die Voraussetzungen für die Anerkennung der Erkrankung als Berufskrankheit. Zudem beraten sie die Erkrankten persönlich. Wird im notwendigen Verwaltungsverfahren das Vorliegen einer Berufskrankheit festgestellt, trägt die BGHM die Kosten zur medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation. Begleitend dazu erfolgt auch die Sicherstellung der finanziellen Situation im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften, beispielsweise durch die Zahlung von Verletztengeld für die Dauer der erkrankungsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Zeitnah werden auch mögliche Ansprüche auf die Zahlung einer Rente geprüft und festgestellt. Was Betroffene tun können Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, der Berufsgenossenschaft einen entsprechenden Verdacht zu melden. Auch Unternehmerinnen und Unternehmer oder die Betroffenen selbst können der BGHM den Verdacht auf eine Berufskrankheit melden. Zudem haben Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber für Beschäftigte mit einem beruflichen Kontakt zu Benzol eine arbeitsmedizinische Pflichtvorsorge (G 8 – Benzol) zu veranlassen. Der Abschnitt 4.1 der BGI/GUV-I 504-8 führt dazu beispielhaft Arbeitsverfahren und -bereiche mit höheren Expositionen auf. Erik Breitkopf, BGHM BGHM-Aktuell 4|2016 29 Sicheres & Gesundes Arbeiten Sicheres Arbeiten in der Metallurgie 1. BGHM-Hüttensymposium Lautes Dröhnen am Elektrolichtbogenofen, glühendes Metall und sprühende Funken: Wo Stahl und Eisen erzeugt und verarbeitet werden, kann es im Arbeitsalltag zu brenzligen Situationen kommen. Stahlindustrie hautnah Wie Arbeitsschutz im Betriebsalltag eines großen Unternehmens der Metallindustrie funktioniert, erfuhren die Teilnehmenden bei einer Führung durch die Deutsche Edelstahlwerke GmbH in Siegen. Während des zweistündigen Rundgangs durch die Werkshallen lernten sie unterschiedliche Methoden und Praktiken kennen, um sie mit eigenen Präventionsmaßnahmen zu vergleichen und um neue Lö- 30 BGHM-Aktuell 4|2016 sungen im Arbeitsschutz zu adaptieren. „Der offene Dialog über Unfälle, Beinaheunfälle und die abgeleiteten Präventionsmaßnahmen verschaffte allen Teilnehmenden einen Gewinn“, erklärt Mario Heinecke von der Nordenhamer Zinkhütte GmbH. Dies bestätigt auch Axel Hanns, Sicherheitsingenieur bei der Ilsenburger Grobblech GmbH: „Das Symposium war durchweg von der Kompetenz der Vortragenden und dem gemeinsamen Willen geprägt, die Gestaltung sicherer Arbeitsbedingungen innerhalb der Branche weiterzuentwickeln“, sagt er. „Dies zeigte auch die jederzeit konstruktive und vertrauensvolle Kommunikation.“ Weitere Informationen zum sicheren Arbeiten gaben Fachleute der BGHM und der teilnehmenden Unternehmen in Vorträgen zu den Themen „Sichere Bedienung von Kranen“ und „Absturzsicherungen bei Kranreparaturen“ sowie zu verschiedenen Branchenregeln. Das Symposium wird künftig einmal im Jahr an verschiedenen Standorten stattfinden. „Unser Konzept, die Verbindung von Theorie und Praxis, hat sich bewährt“, erklärt BGHM-Experte Freyert. „Die rege Teilnahme unserer Versicherten hat gezeigt, dass sie das Angebot zum fachlichen Austausch gerne nutzen und mit vielen hilfreichen Informationen in ihren Arbeitsalltag zurückkehren.“ BGHM © Jindustrieblick - Fotolia.com Z um gegenseitigen Austausch und zur Weiterbildung in Sachen Arbeitsschutz und Gefährdungssituationen in der Metallurgie haben sich 30 Fachkräfte für Arbeitssicherheit aus Mitgliedsbetrieben der BGHM nun erstmals zum Hüttensymposium getroffen – einer zweitägigen Veranstaltung des DGUV-Fachbereichs Holz und Metall. „Die Konzeption des Symposiums ist sehr praxisorientiert“, erklärt Hans-Joachim Freyert vom BGHM-Sachgebiet Hütten, Walzwerke, Gießereien und Hebetechnik, der die Veranstaltung organisiert hat. „Unfallschilderungen aus den Mitgliedsbetrieben spielen im Programm eine wichtige Rolle – welche Konsequenzen können wir aus diesen ziehen? Auch die Besichtigung eines metallurgischen Unternehmens ist ein Muss. So lassen sich gute Lösungsansätze der Prävention am besten verbreiten.“ © kelttt - Fotolia.com Leben & Leistung Bei Arbeit im Heimbüro Kein Versicherungsschutz auf dem Weg zum Kindergarten und zurück Immer häufiger wird die Arbeit nach Hause verlagert. Normalerweise gelten hier die gleichen rechtlichen Grundlagen für den Versicherungsschutz wie im Betrieb. Doch es gibt auch kleine Unterschiede, wie folgender Fall belegt. D ie Beschäftigte arbeitete zu Hause für ihren Arbeitgeber im sogenannten Homeoffice. Vor Arbeitsbeginn brachte sie ihr Kind in den Kindergarten. Auf dem Rückweg nach Hause erlitt sie einen Verkehrsunfall. Lag ein Arbeits- oder Wegeunfall vor? Nein, urteilte das Sozialgericht Hannover. Nach Paragraf 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII sind zwar die Wege von zu Hause zum Ort der Tätigkeit (und umgekehrt) grundsätzlich versichert. Dies gilt aber nicht beim Homeoffice. Die Beschäftigte befand sich bei ihrer Fahrt nicht auf dem Weg zum Ort ihrer Tätigkeit. Liegen Wohnung und Arbeitsstätte im selben Gebäude, handelt es sich nicht um einen versicherten Weg im Sinne des zitierten Gesetzes. Auch der besondere Versicherungsschutz nach Paragraf 8 Abs. 2 Nr. 2 a) SGB VII greift dann nicht. Werden Kinder auf dem Weg zum Betrieb oder zum Ort der Tätigkeit in den Kindergarten gebracht, dann ist nach dieser besonderen gesetzlichen Regelung der Weg versichert, auch wenn er von der direkten, unmittelbaren Strecke zur Arbeit abweicht. Voraussetzungen hierfür sind: • Es handelt sich um einen Weg der Mutter oder des Vaters, der mit der Fahrt zu oder von der Arbeitsstätte verknüpft ist. • Es handelt sich um ein Kind der oder des Versicherten (eigenes Kind/Stiefkind/Pflegekind). • Beide leben in einem gemeinsamen Haushalt. • Fremde Obhut ist notwendig, um die Berufstätigkeit überhaupt ausüben zu können. Dieser Versicherungsschutz greift jedoch beim Homeoffice nicht: Da hier schon ein versicherter Weg zur Arbeitsstätte rechtlich nicht vorliegen kann, scheidet konsequenterweise auch ein versicherter Umweg zur Arbeitsstätte aus. „Ein Wegbringen von Kindern ist daher auch dann ausgeschlossen, wenn dies mit Rücksicht auf die Arbeit geschieht“, so das Sozialgericht Hannover zum Versicherungsschutz. Das Sozialgericht sah auch keine Möglichkeit, diese Vorschrift analog anzuwenden. Dann hätte das Gesetz lückenhaft sein müssen, etwa weil es beispielsweise gerade die vorliegende Situation übersehen und deshalb nicht geregelt hätte. Nach Auffassung des Sozialgerichts hat der Gesetzgeber aber angesichts der detaillierten gesetzlichen Regelung bewusst nur die ausdrücklich im Gesetz genannten Fälle des Transportes von Kindern versichert wissen wollen. Auch einen Verstoß gegen das Grundgesetz, insbesondere Art. 3 GG – Gleichheit vor dem Gesetz– und Art. 6 GG – Schutz von Ehe und Familie – konnte das Gericht darin nicht erkennen. (Sozialgericht Hannover, Urteil vom 17.12.2015, Az.: S 22 U 1/15) Karl Heinz Schwirz, BGHM BGHM-Aktuell 4|2016 31 BGHM, Isaac-Fulda-Allee 18, 55124 Mainz „Im Ernstfall kann ich mich auf meine BGHM verlassen. Sie sichert durch das Prinzip der Haftungsablösung meine wirtschaftliche Existenz.“ Jochen Conrad, Geschäftsführer der TEHA Querfurt GmbH Lesen Sie mehr zur Haftungsablösung der gesetzlichen Unfallversicherung auf www.dguv.de, Webcode d104751
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