JensReißmann,GemeinsinnundEigensinn–TeilIII
Stand:Juli2016
3. Universalisierung:WeltoffenheitundneueKollektive
SpannungsverhältniszwischendemLebeninanonymen,globalen
Vernetzungszusammenhängenundder(ursprünglich)aufkleineüberschaubare
(„personalisierte“)GemeinschaftenausgerichtetenKommunikations-und
Wertsysteme
(1)EntstehunggrößererGemeinschaften:KultgemeinschaftenundStaaten
WiewirdausdemursprünglichenEthnozentrismuseineuniversalistischeHaltung?Die
ursprünglichenGemeinschaftensindeindeutig„ethnozentrisch“ausgerichtet,nurdie
MitgliederdereigenenSozietätundverwandtschaftlichverbundeneNachbargruppen
habenMenschen-Status.ÜbergemeinsameKultzeremonienundFeste(Austauschvon
Geschenken,„Frauentausch“1u.a.)werdendieBindungenzuNachbargruppenimmer
wiederneugefestigtundggf.erweitert.
DieerstendauerhaftenSiedlungen(Dörfer)sindsichernichtnur
KooperationsgemeinschaftenkollektiverLandbewirtschaftung(oftmitgemeinsamen
Speichergebäuden),sondernauchKultgemeinschaften(mitgemeinsamenKultanlagen).
AuchspäteregrößereGemeinschaften(Clan,Stamm,„Chiefdoms“)beziehensichinder
RegelaufeinengemeinsamenmythologischenUrsprung.
Darüber,wiesichsozialeVerhältnisseundStrukturenmitdersteigenden
BevölkerungszahlimVerlaufdesNeolithikumsverändern,kannnurspekuliertwerden:
AusdehnungverwandtschaftlicherNetze(Clans,Stämme),Erweiterungder
KultgemeinschaftenunterEinbeziehungmehrererdörflicherSiedlungen.Esistzu
vermuten,dassdieBindungskraftmitderGrößederGruppenschwächerwird,alsoder
besonderenundkontinuierlichenPflegebedarf.
SpracheundReligion(Kultzeremonien)bildenüberdirekteVerwandtschaft(Sippe,
Clan)undalltäglicheZusammenarbeithinaus(z.B.beimErrichtenzentraler
Kultstätten)AnknüpfungspunktefürdieGemeinsinnorientierungauchingrößeren
Gemeinschaften;diesekönnennunhunderteodersogartausendeMenschen
einschließen.IndenKultenspieltdiegemeinsamemythischeAbstammungeine
zentraleRolle;sieistdieBasisfüreinerweitertesZusammengehörigkeitsgefühl.
MitderUrbanisierung,derEntstehungvonzentralenGroßsiedlungenundStaaten
(Städte,Stadtstaaten,ReicheundImperien),indenennunschonhunderttausende
Menschenzusammenleben,entwickelnsichneue„Angebote“oderVorgabenfürsoziale
EinbindungundZugehörigkeit:dieBindungandaspolitischeSystemundseinen
Herrscher,andiesozialeSchicht,KasteoderKlasse,andieBerufsgruppeusw.(vgl.Teil
II).AbernochimmersindReligionundKultederzentralesozialeKitt–zunehmend
ausgerichtetaufdieHerrscher.DieIdeeder„Nation“kommterstsehrvielspäterdazu.
DiehistorischeTendenzzuimmerumfassenderensozialenSystemenundNetzwerken
versuchtu.a.derHistorikerYuvalN.Hararinachzuzeichnen.„AbdemerstenJahrtausend
vorunsererZeitrechnungentstandenjedochdreipotenzielluniverselleOrdnungen,deren
AngehörigeerstmalsdiegesamteWeltindenBlicknahmenundsichdieMenschheitals
einegroßeEinheitvorstellten,dieeinemeinzigenGesetzunterstand.Zumindestpotenziell
warenalleMenschen>wir<,undesgabkeine>anderen<mehr.“2
1https://de.wikipedia.org/wiki/Frauentausch-Vgl.dazuauchdieTheseder„Kreuzcousinenheiraten“
vonClaudeLévi-Strauss.
2Y.N.Harari.„EinekurzeGeschichtederMenschheit“,2013,S.211ff.
1
JensReißmann,GemeinsinnundEigensinn–TeilIII
Stand:Juli2016
DieseuniversellenOrdnungenbzw.TriebkräfteeinerUniversalisierungsindnachY.N.
Harari(1)Handel(ökonom.Interessen;Geldakkumulation),(2)politisch-militärische
Eroberung(MachtinteressenderImperien)und(3)religiös-ideologischeMissionierung
(WeltreligionenwieChristentum,Buddhismus,IslammituniversalemAnspruch).
(2)ZurGeburtuniversalistischerIdeen
InderGeschichteeinigerZivilisationenkommtesim1.JahrtausendvorChr.zu
Entwicklungen,diesichalsBeginneinesuniversalistisch-humanistischenDenkens
interpretierenlassen.
ImantikenJudentumsetztsichum600bzw.500v.Chr.derJahwe-Kultdeseinenund
einzigenGottesgegendiverseanderepraktizierteGötterkulte(z.B.Baal,Ashera,
Astarte)durch–u.a.übereinemassiveAblehnungvonMenschenopfernundEinführung
strengerreligiöserRegeln(über600Ge-undVerbote,vorallemim„Levitikus“,dem3.
BuchMoseniedergelegt;vgl.„jemandemdieLevitenlesen“),darunterauchdiefürdie
damaligeZeitwirklichbeachtlicheForderung,FremdeimeigenenLandsowie
Einheimischezubehandelnundnichtzu„schinden“(Lev.19,33f.).
SoelitärdiejüdischeReligionauchist,inihremradikalenMonotheismusmit
AlleinvertretungsanspruchtritteinuniversalistischesElementhervor:Jahweistder
einzigeGott–damitsindletztlichalleMenschenKinderJahwes,nichtnurdieMitglieder
des„auserwähltenVolkes“(vgl.Genesis).
DasfrüheChristentumundderIslam:MissionierungderWelt
Einenpolitisch-religiösenMissionierungsauftraggibtesimJudentumnicht,wohlaber
imChristentumundimIslam–undwohlauchimBuddhismus.Insbesondereüberden
hellenistischgeprägtenPaulusfindenuniversalistischeAnsätzeEinganginsfrühe
Christentum.DazukommteinausdrücklicherMissionierungsauftrag:
„DieelfJüngergingennachGaliläaaufdenBerg,denJesusihnengenannthatte.Undalssie
Jesussahen,fielensievorihmnieder.EinigeaberhattenZweifel.DatratJesusaufsiezu
undsagtezuihnen:MiristalleMachtgegebenimHimmelundaufErden.Darumgehtzu
allenVölkern,undmachtalleMenschenzumeinenJüngern;tauftsieaufdenNamendes
VatersunddesSohnesunddesHeiligenGeistes,undlehrtsie,alleszubefolgen,wasich
euchgebotenhabe.Seidgewiss:IchbinbeieuchalleTagebiszumEndederWelt“(Mt28,
16-20).
ChristentumundspäterderIslamstrebeneineuniversalistischeGlaubensgemeinschaft
an,indiealleMenschen,nötigenfallsmitGewalt,eingebundenwerden.Sowohldie
christliche,alsauchdieislamischeMissionierunggehthistorischmitimperialer
Eroberungspolitikeinher:Eswerden„heilige“ReicheundImperiengeschaffen.Die
GläubigensindunabhängigvonihrerethnischenHerkunftoderSpracheKinderGottes.
WersichaberderMissionierungwidersetzt,wirdinderRegelverfolgt,unterdrückt
oderermordet.„Die„anderen“,dassindnundie„Ungläubigen“,diekeinenMenschenStatusunddamitkeineRechtehaben.JudenundChristenhabenimIslamdurchaus
gewisse,nachgeordneteRechte,ebensoJudenzumindestzeitweiseimprämodernen
Europa;Rechte,dieinwiederkehrendenPogrom-Wellenvölligignoriertwerden;aber
dieseRechterelativierendiescharfeTrennungzwischenderGemeinschaftder
GläubigenunddenUngläubigennurwenig.Vielfachwerdendie„anderen“nichtmal
gefragt,obsie„denwahrenGlauben“annehmenwollen,sonderngleichermordet(z.B.
sog.Indianernachder„Entdeckung“Amerikas).
2
JensReißmann,GemeinsinnundEigensinn–TeilIII
Stand:Juli2016
DerUniversalisierungsanspruchderWeltreligionenziehtalsoeineblutigeSpurdurch
dieGeschichte–bekanntlichbisinunsereTage.Erüberwindetdietraditionellen
ethnozentrischenGrenzen,fördertsicherauchdieIdeedereinenMenschheitundführt
dochneuetiefeSpaltungenein.
ImperienunddieIdeedereinenMenschheit
AuchdiefrühenReicheundImperien(ReichAlexanderdesGroßenund
Nachfolgereiche,RömischesReich,KaiserreichChinau.a.)überwindenethnozentrische
Grenzen.ImperiensindmultiethnischeGebilde,unddieHerrscherverstehensichinder
RegelalsBeschützerallerBewohnerihresReiches.Dazukommt:DieMenschender
ehemalserobertenTerritorienverlangenbalddiegleichenRechtewiedieBürgerdes
Kerngebietes.Imgriechisch-römischenKulturkreisderAntikewirddasunterstütztoder
vorbereitetdurcheinspezifischesVerständnisvonRationalitätunddurchein
verbreitetesRechtsbewusstsein.
Ichhabedaraufhingewiesen(TeilII),dassdieattischeDemokratieim5.Jhd.v.Chr.
keineswegsuniversalistischorientiertist,imGegenteil:DasEigeninteresseAthenssteht
fastimmerimVordergrundundwirdrücksichtslosverfolgt.AberdiePoliskultiviertund
fördertdieindividuellePartizipationundMitspracheunddamitdieEntfaltung
individuellerPotenziale.KonsequenterRationalismus,dasheißtjaauchdie
HerausforderungandasIndividuum,überMenschundNaturvernünftignachzudenken,
unddieFormulierungundFixierungvonBürgerrechtensindsicheraucheinNährboden
füruniversalistischeIdeenundOrientierungen.
DiesetauchendannindenantikenPhilosophenschulenabca.300v.Chr.,insbesondere
inderStoaauf.AbererstmitderEntstehungdererstengroßen,multinationalen
ImperienerweiternPhilosophenausdenRandgebietenundausnichtgriechischen
StädtendierationalistischenundhumanistischenDenkansätzeüberdenethnozentrisch
verengtenPolis-Bezughinaus.
DieImperiensindinihremirrationalenAnspruchauf„Weltherrschaft“sicherzunächst
durchkriegerischeEroberungs-undUnterdrückungspolitikgeprägt,siesindaberauch
Keimzellenvölkerübergreifender,letztlichuniversalistischerIdeen.Imperiensind
Schmelztiegel,dasgiltinsbesonderefürdiegroßenMetropolen(Rom,Athen,Alexandria
u.a.).AuchKelten,Germanen,Libyerusw.könnenrömischeBürgerwerden,
vorausgesetztsieerfüllenbestimmteVoraussetzungenundakzeptierendieHerrschaft
desKaisers.IndenSöldnerheerendesImperatorskämpfenSoldatenunterschiedlichster
VölkerfürdieSachedesKaisers.AuchdieKriegederImperienvernichtenund
verbinden.
DieImperienschaffenauchdieVoraussetzungenfüreinenletztlichglobalenHandel,
indemsieeineeinheitlicheGeldwährungeinführen,dieHandelsroutensichernundden
WarenaustauschinnerhalbdesImperiumsundmitNachbarreichenfördern.Mitdem
HandelbreitensichnichtnurWaren,sondernauchneueErfindungenundIdeenaus.3
BishersinddieMenschendurchdieethnischeAbstammunginvorgegebeneKollektive
eingebunden,nunkommen„bewusste“politischeoderreligiöseEntscheidungenhinzu.
DasführtnochnichtzurIdeederallgemeinenMenschenrechteunddergrundsätzlichen
GleichheitallerMenschen,aberesbereitetdieseEntwicklungenvor.
3SchoninderAntikehatsicheinnahezuglobalerHandelentwickelt,BeispielenenntW.Altkrügerin
seinemKommentarvomJuli2016.
3
JensReißmann,GemeinsinnundEigensinn–TeilIII
Stand:Juli2016
EuropäischeAufklärungunddieMenschenrechte
DieIdeenderMenschenwürdeundderMenschenrechtenehmenmitderAufklärung
GestaltanundverbreitensichalsbürgerlicheEmanzipationsideologieüberdie
FranzösischeRevolutionunddieAmerikanischeUnabhängigkeitsbewegung.(Dashabe
ichimTeilIIskizziert.)Aberesdauertbisins20.Jahrhundert(Völkerbund,Vereinte
Nationen,Menschenrechtscharta)bissichtatsächlicheinweitgehenduneingeschränktes
VerständnisderallgemeinenMenschenrechteentwickelt,dasnunauchFrauen,
(ehemalige)Sklavenundsog.Primitiveeinschließt.Streitfelderbleibenbisheute(z.B.
imHinblickaufgeistigSchwerstbehinderteoderDauerkoma-Patienten,menschliche
EmbryonenoderunserePrimatenverwandtschaft).
Mitdensog,„Menschenrechten“gewinnteinübergreifendesGerechtigkeitskonzept
besondereBedeutung:dieGleichberechtigungallerMenschen.
DasPrinzipderEgalitätistwesentlicherKernderMenschenrechte,denjeweils
einzelnenRechtensozusagenübergeordnet:
-
DieallgemeinenMenschenrechtegeltenfüralleMenscheningleicherWeise,sie
sindegalitär.
-
AlleMenschenhabendiegleichenGrundrechte:dasRechtaufUnversehrtheit,
dasRechtaufNahrung,Unterkunft,medizinischeVersorgungusw.,dasRechtauf
persönlicheFreiheit(Bewegungs-,Meinungs-,Religionsfreiheitu.a.),dasRecht
aufGleichbehandlungvorGerichtu.a.
-
KeinMenschdarfaufgrundvonGeschlecht,Sprache,Rasse,Religion,
Weltanschauung,sexuellerOrientierung,sozialerHerkunftusw.diskriminiert
(bzw.privilegiert)werden.
DieMenschenrechteformulierenalsoauchAnsprüchedesEinzelnengegenüberdem
StaatundstaatlichenInstitutionen.So„verbietet“dasEgalitätsprinzipdieerwähnten
Diskriminierungen(Differenzierungsverbot),esformuliertzudemauchAnsprücheauf
Gleichstellung(z.B.GleichberechtigungvonMannundFrau),aufdieVermeidungvon
Benachteiligungenund„fordert“dieSchaffungvonChancengleichheit.
ZumKonzeptderMenschenrechtegehörenweiterePrinzipien:
DasPrinzipderUniversalitätderMenschenrechtebesagt,dassdiesekulturübergreifend
unduniversell,alsoüberallgelten,woMenschenleben.
DasPrinzipderUnteilbarkeitderMenschenrechtebesagt:Siekönnennurinihrer
Gesamtheitverwirklichtwerdenundnichtpartikular.
DasPrinzipderUnveräußerlichkeitderMenschenrechtestelltfest:Siegeltenabsolut,
unabhängigvomWillendesEinzelnen;keinMenschkanndaraufverzichten.4
MitderAufklärungunddenEntwicklungenindenUSAundinFrankreichfindendie
IdeenderMenschenrechte,derVölkergemeinschaftbzw.dereinenMenschheit
VerbreitungundAkzeptanz;siehabenaberaucherheblicheKonkurrenz.
4Vgl.www.netzwerk-menschenrechte.de-„Menschenrechte“sindvon„Bürgerrechten“zuunterscheiden.
LetzteregeltennurfürdiejeweiligenStaatsbürger/innen:z.B.Wahlrecht;Übernahmevonstaatlichen
ÄmternundFunktionen;AnsprücheaufbesonderestaatlicheUnterstützung.
4
JensReißmann,GemeinsinnundEigensinn–TeilIII
Stand:Juli2016
(3)Nation,Volk,Klasse:KonstituierungneuerGemeinschaften
InderModernesindesnebenFamilieundVerwandtschaft(Großfamilie,Sippe,Clan)
zunächstvorallemsprachlich,religiös,sozialundpolitischeausgerichtete
„Gemeinschaften“(Volk,Nation,Religionsgemeinschaft,„Rasse“,„revolutionäreKlasse“),
diealsneues„Wir“fungieren;wiewirausderGeschichtewissensehroftmit
furchtbarenFolgen,dahierdas„Wir“und„dieanderen“nichtnurGrundmusterbleibt,
sondernhäufig(inderRegelausMachtinteressen)dramatisiertundzugespitztwird.
DerHistorikerH.A.WinklerverweistaufunterschiedlicheStaatsbildungsprozessein
Europa.DieIdeeeinereinheitlichenNationalstaatesmitgemeinsamerSpracheund
KulturwarimMittelalternochfremd–bisins15.Jhd.DiemittelalterlichenKönigreiche
sindkeineNationalstaaten,alleumfassenauchfremdsprachigeVölker.
DannentwickelnsichzweiStaatskonzepte:1.daseinerstaatlich-politischen„Nation“
miteinemzentralenHerrscherundständischenVertretungen:England,Frankreich,
Spanienund2.daseinersprachlich-kulturellen„Nation“(Deutschland,Italien,
Osteuropa).5
EintypischesWesensmerkmalEuropasundeinmittelalterlichesErbeistnachWinkler
dieVielfaltderSprachenundNationen:DieserPluralismusbirgt,soWinkler,ein
ElementderFreiheit.DasKonzeptderNationhataberauchzuzweiWeltkriegengeführt
underweistsichimmerwiederalsschweresHemmnisbeiVersucheneiner
internationalenVerständigung.
NationalistischeundvölkischeKonzeptesindperdefinitionemnichtuniversalistisch,im
Gegenteil,sieunterlaufenundkonterkarierendiehumanistischeIdeedereinen
Menschheit,indemsiedasPrimatdereigenenNationformulierenundoft(meist!)
fanatischdurchzusetzenversuchen.
Diesozialistisch-kommunistischenKonzeptenehmenschoneheraufuniversalistische
IdealeBezug.SiereklamierenzwarnurdieinternationaleEinheitundSolidaritätder
„Arbeiterklasse“,ihreBegründerim19.Jhd.gehenaberdavonaus,dassdamitdie
überwältigendeMehrheitderMenschheitangesprochenwird.Wirwissenheute(und
erlebenestäglich),dassdiesozialeundökonomischeLagederMenschenaufdiesem
Planetenhöchstunterschiedlichist,dasseskeineswegseingemeinsames
„Klasseninteresse“gibt,vielmehreinekaumüberschaubarePluralitätextrem
unterschiedlicherInteressenlagen.
DieIdeenvon„Volk“,„Nation“und„Rasse“entwickelnheuteinbestimmten
Bevölkerungskreisenwiedereinehohe,starkemotionalisierteAnziehungskraft.Siesind
immerverbundenmitderAbwertunganderer,mitAggressionundHassgegen
Abweichler(Oppositionelle)oderMinderheiten.UniversalistischeKonzepte(z.B.
allgemeineMenschenrechte)werdenalsfeindlichinspiriertwahrgenommen.Wohlund
Interessendereigenen„Nation“unddeseigenen„Volkes“habenabsolutePriorität(vgl.
TeilII,5.Kapitel).
5H.A.Winkler,„GeschichtedesWestens“
5
JensReißmann,GemeinsinnundEigensinn–TeilIII
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(4)GemeinschaftinZeitenderGlobalisierung
MitderGlobalisierungderWirtschafts-undKommunikationsbeziehungenundmit
tendenziellglobalenKonfliktenundKrisen(„Weltkriege“,„Weltwirtschafts-und
Finanzkrisen“,„internationalerTerrorismus“,„globaleUmweltkrise“,weltweite
Flüchtlings-undMigrationsbewegungen,usw.)rücktzunehmend„dieMenschheitals
Ganzes“indenFokus.WenndieneueGemeinschaft,dasmoderne„Wir“,aberdie
MenschheitalsGanzesist,dannsolltendieAnsprüchealleranderenGruppenoder
Gemeinschaftenzunächsteinmallediglichnachgeordnetsein.DieRealitätsieht
bekanntlichandersaus.
EsisteineparadoxeEntwicklung:IndemMaße,wiedieIdeedereinenMenschheitsich
historischdurchsetzt,wieGlobalisierungsprozessebestimmendwerden,erlebenwir
eineWiederbelebungpartikularer,separatistischerpolitisch-religiöserIdeenund
Bewegungen–unddamitvonGruppenegoismen.
UniversalisierungundGlobalisierung,ihrerealeundmedialeDauerpräsenz,gehenmit
vielfältigen,oftirritierendenVeränderungenauchimAlltagderMenscheneinher.
„FremdheitisteinGrundzugderModerne“,soderPhilosophundSoziologeGunzelin
SchmidNoerr6.Ersprichtzugleichvoneinemlegitimen„Grundbedürfnisnachvertrauter
Umgebung“:„Daraufvertrauenzukönnen,dassanderediesozialwichtigenBezüge
ähnlichsehen,istfürdieEinzelneneinhohesGutundTeileinerstabilenIch-Identität.Ist
diesebedroht,reagierenvielmitAngstund,alskurzschlüssigeFormenderBewältigung,
mitHassundVerachtung.“
EsscheinteinelementaresBedürfnisnachZugehörigkeitundVertrautheitzugeben,
früherhättemanvermutlichvon„Heimat“gesprochen.
DieentscheidendenFragensindm.E.,
-obsichsoetwaswieeinuniverselles„Wir“auchinstitutionellundindenKöpfender
Menschenverankernlässtund
-obundwiesichinZeitenderGlobalisierungauchimAlltagderMenschen
Gemeinschaftenentwickelnkönnen,dieeinerseitsZugehörigkeitundVertrautheit
erfahrbarmachen,zugleichaber„weltoffen“sind,offenfürNeues,fürdieIdeedereinen
MenschheitundfürglobaleSolidaritätundVerantwortung.
EsgibtdurchausauchEntwicklungen,dieein„globalesWir“fördern.Heutewerdendie
großenStädtebzw.Metropolregionenimmermehrzumultiethnischenbzw.
transkulturellenZentren,indennverschiedenkulturelleTraditionen
zusammenkommen,sichwechselseitigbeeinflussenundverändern.KulturundSport
sindVorreiter:DiegroßenOrchester,Chöre,Musik-undTheatergruppenoder
FußballmannschaftensindmultiethnischeEnsembles.DasgiltauchfürBank-und
KonzernzentralenundihreDependenzenundfüralleinternationalagierenden
Organisationen.
HeutewerdendiegroßenStädtebzw.Metropolregionenimmermehrzu
multiethnischenbzw.transkulturellenZentren,indennverschiedenkulturelle
Traditionenzusammenkommen,sichwechselseitigbeeinflussenundverändern.Kultur
undSportsindVorreiter:DiegroßenOrchester,Chöre,Musik-undTheatergruppenoder
FußballmannschaftensindmultiethnischeEnsembles.DasgiltauchfürBank-und
KonzernzentralenundihreDependenzenundfüralleinternationalagierenden
Organisationen.
6GundelinSchmid-Noerr,„DieFremdheitdesNachbarn“,FR08-06-2016
6
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Stand:Juli2016
Transkulturalitätmeintmehr:„DerBegriffderTranskulturalitätgehtimGegensatzzur
InterkulturalitätundMultikulturalitätdavonaus,dassKulturennichthomogene,klar
voneinanderabgrenzbareEinheitensind,sondern,besondersinfolgederGlobalisierung,
zunehmendvernetztundvermischtwerden.DieTranskulturalitätumschreibtgenau
diesenAspektderEntwicklungvonklarabgrenzbarenEinzelkulturenzueiner
Globalkultur.“7
MitderGlobalisierungderWirtschafts-undKommunikationsbeziehungenundmit
tendenziellglobalenKonfliktenundKrisen(„Weltkriege“,„Weltwirtschaftskrisen“,
„internationalerTerrorismus“,„globaleUmweltkrise“,weltweiteFlüchtlings-und
Migrationsbewegungen,usw.)rücktzunehmend„dieMenschheitalsGanzes“inden
Fokus.WenndieneueGemeinschaft,dasmoderne„Wir“,aberdieMenschheitalsGanzes
ist,dannsinddieAnsprüchealleranderenGruppenoderGemeinschaftenzunächst
einmallediglichnachgeordnet–odereshandeltsichumGruppenegoismen.(Ein
Gedanke,denichbeiGelegenheitweiterverfolgenmöchte.)
DieMenschenrechtesindinzwischenüberdieChartaderVereintenNationen
internationalanerkannt:DieganzeMenschheitalsGemeinschaftgleichberechtigter
IndividuenundVölker,sozusagenalseinÜbergeordnetes„Wir“,demesaberan
direktenmitmenschlichenBezügenundanAbgrenzungsmöglichkeitenmangelt.Die
überwältigendeMehrheitderinzwischen7,5Mrd.Mitmenschenbleibtfürdieeinzelnen
Menschenheutenotgedrungenanonym.EinGefühl„Wir“gegen„dieanderen“(Wersoll
dassein?Viren?Außerirdische?)lässtsichnichtherstellen,allenfallsein„Wirsitzenalle
ineinemBoot“,wirlebenallegemeinsamaufeinemkleinen,höchstanfälligenPlaneten
vonbegrenzter„Lebensdauer“.
MenschenkönnenvorallemüberdieneuenMedienzunehmendmiteinerimmer
größerenAnzahlanderer„inKontakttreten“,dieseKontaktebleibenabervielfachoder
überwiegendanonymundunpersönlich,damitfehlenwichtigeElementedes
ursprünglichenZusammenlebensalsFundamentderGemeinsinnorientierung.
InformationsteilunghatnichtdiegleicheexistenzielleBedeutungwiediearchaische
Nahrungsteilung..AberdieMedieneröffnenVernetzungsmöglichkeitenüberalle
nationalen,religiösenoderethnischenGrenzenhinweg.
EsgibtersteVersuche,fürdieGemeinschaftderMenschheitInstitutionenzuschaffen:
dieVollversammlungderVereintenNationen,derUN-Sicherheitsrat,derInternationale
GerichtshofinDenHaag,dieWeltbankusw.–Nochdominierenhierdiesog.
Supermächte,diesichggf.auchüberBeschlüssehinwegsetzen.Zudemfehltetwas
Entscheidendes:einwirklichgemeinsamesundinNormenoderGesetzenfestgelegtes
VerständnisderMenschenrechteunddesVölkerrechtssowieeinwirksames
Monitoring-undSanktionssystem.
Derzeitsiehtesnichtsoaus,dassdieVölkergemeinschaftsichaufeinemit
entsprechendenBefugnissenausgestatteteWeltregierungverständigenkönntewiesie
schon1974derHistorikerArnoldToynbeeinseinemletztenBuchfordert:
„DiegegenwärtigenunabhängigenRegionalstaatensindwederimstande,denFriedenzu
bewahren,nochdieBiosphäredurchdieVerunreinigungdurchdenMenschenzuschützen
oderihreunersetzlichenRohstoffquellenzuerhalten.DiesepolitischeAnarchiedarfnicht
längerandauernineinerÖkumene,dielängstauftechnischemundwirtschaftlichem
GebieteineEinheitgewordenist.WasseitfünftausendJahrennötigist–undsichinder
7http://www.ikud.de/glossar/multikulturalitaet-interkulturalitaet-transkulturalitaet-undplurikulturalitaet.html
7
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Stand:Juli2016
TechnologieseithundertJahrenalsdurchführbarerwiesenhat–,isteineweltumfassende
politischeOrganisation,bestehendauseinzelnenZellenvondenAusmaßender
neolithischenDorfgemeinschaften–sokleinundüberschaubar,daßjedesMitglieddas
anderekenntunddocheinBürgerdesWeltstaatesist.[...]IneinemZeitalter,indemsich
dieMenschheitdieBeherrschungderAtomkraftangeeignethat,kanndiepolitische
Einigungnurfreiwilligerfolgen.Dasiejedochoffenbarnurwiderstrebendakzeptiert
werdenwird,wirdsiewahrscheinlichsolangehinausgezögertwerden,bisdieMenschheit
sichweitereKatastrophenzugefügthat,KatastrophensolchenAusmaßes,dasssie
schließlichineineglobalepolitischeEinheitalskleineremÜbeleinwilligenwird.“8
EinerseitsgibteseineweitereAusweitungderTendenzzurUniversalisierung(z.B.wird
inderTierrechtsbewegungdasmitmoralischerVerantwortungverbundene„Wir“auf
alleleidensfähigenLebewesenausgeweitet),andererseitsgibtesstarke
Gegenbewegungen,dieaufdasPrimatderNationbzw.desNationalstaatesundauf
Regionalisierungsetzen.InsbesonderedieimZugederHerausbildungvon
ZentralstaatenundImperienandenRandgedrücktenVölkerfordernverstärkt
AnerkennungundEigenstaatlichkeit(vgl.inEuropadieBasken,Schotten);andere
GruppenoderStaatenfühlensichdurchpolitischeUnionenübermäßigbelastetund
beharrenaufAutonomie,umPrivilegienundWohlstandnichtteilenzumüssen(z.B.
FlameninBelgien,LegaNordinItalien,EU-AustrittsbefürworterinEngland).Die
aktuelleKrisederEUinZeitenderFlüchtlingswellenzeigt,wiewenigbelastbardieIdee
einerpolitischenUnionselbstdortist,wosieamweitestenrealisiertzuseinscheint:in
Europa.WederdieUnabhängigkeitsbestrebungeneinzelnerRegionenundschongar
nichtdieimmerweiterumsichgreifendepopulistischeAnti-EU-Politik,diesichmit
einerBetonungnationalerInteressenverbindet,werdenzueinerStärkungder
Demokratieführen.ImGegenteil.
Imneuen„rechten“,anti-europäischenPopulismus9siehtderniederländischeSoziologe
DickPelseine„völligeUmwertungderWerte“.DieserPopulismusberuftsichzwar„auf
dasVolk“.Aber„nichtimSinnedesgriechischenDemosalsStaatsvolk,sondernimSinne
einesPlebs,einesgefühltenUnten.Im„WirsinddasVolk“derPegidalässtsichdasgut
beobachten.EsberuftsichaufeinegefühlteGemeinschaftundschließtalleanderen,etwa
Neuankömmlinge,aus.(...)insofernsehenwireineNeudefinitionderVolkssouveränität.
DasgipfeltineinemmoralischenÜberlegenheitsgefühltgegenüberderElite–ausPolitik,
aberauchMedienundWirtschaft:„Wirhabenimmerrecht.“Unddieses„Wir“isteine
homogeneGemeinschaft.“10Demokratieheißt,soD.Pels,ebennicht(nur)„Herrschaft
derMehrheit“,sondernvorallemauch„SchutzderMinderheit“.DieEntwicklungenin
EuropaundindenUSAsinddiesbezüglichderzeitnichtbesondersermutigend.
Dazukommt,dassgrobgeschätztnureinSiebtelodereinSechstelallerMenschenin
StaatenundKulturräumenleben,indenenDemokratieundWertewieMenschenwürde
undMenschenrechteeinegewisseTraditionhabenundimgesellschaftlichenAlltag
verankertsind.VoralleminaußereuropäischenKulturkreisendominierenseit
JahrhundertenautokratischeStrukturenundrelativstarresozialeKlassen-und
Kastensysteme;dortbestehennachwievorstarkegroßfamiliäreBindungenfort.Die
MenschenlebeninFamilienclansundsozialenOrdnungen,dieineinemSystem
8ArnoldJ.Toynbee(1889–1975):MenschheitundMutterErde.DieGeschichtedergroßenZivilisationen,
1979,S.501f.–vgl.https://de.wikipedia.org/wiki/Arnold_J._Toynbee
9TypischfürpopulistischeBewegungenistdieBehauptungeinesnationalenKernvolkes,dem
Zugewandertegrundsätzlichnichtangehören,unddieAblehnungderherrschendenEliteninkl.der
staatlichenMedien,diealstendenziell„internationalistisch“,d.h.als„Verräter“amVolkgelten.
10„Das‚Wir’hatimmerRecht“,InterviewmitdemSoziologenDickPelsinFR04.04.2016
8
JensReißmann,GemeinsinnundEigensinn–TeilIII
Stand:Juli2016
wechselseitigerUnterstützungundVerpflichtungGemeinschaftbietenund
repräsentieren.GemeinschaftstattFreiheit.DiemultiethnischenStaateninAfrikaund
AsienfördernnichtetwaföderaleoderländerübergreifendepolitischeKonzepte,
sonderneinenmitunterfanatischenNationalismus,indemMehrheitsethnienoderreligionenihreDominanzansprücherigorosgegenüberMinderheitendurchsetzen.
DieglobaleVerantwortungfürdieMenschheitalsGanzes,fürdieSicherungdes
ÜberlebensaufdemPlaneten,fürmenschenwürdigeLebensbedingungenundfürdie
WahrungderMenschenwürdeundderMenschenrechteistabernochlangenicht
wirksaminstitutionalisiert.EinVerständnisvon„Gemeinwohl“,dassichaufdieeine
Menschheitbezieht,bestehtallenfallsinAnsätzen.
DieZukunftderMenschheitistoffenundm.E.auchnichtwirklichprognostizierbar.Das
hat„Zukunft“soansich.ZuvieleEventualitätenspielenindieweiterenEntwicklungen
hinein.
WiesichderKlimawandelauswirkenwird,welcheFolgendieinsgesamtvomMenschen
vorgenommenenmassivenEingriffeinStoffkreisläufeundÖkosystemehaben,istnur
vageabzuschätzen.DasindnochvieleÜberraschungenmöglich.Vonmöglichen
geologischenodermeteorologischenKatastrophen(z.B.ExplosioneinesSupervulkans,
Meteoriteneinschlag),diediegesamtemenschlicheZivilisationauslöschenkönnten,
ganzzuschweigen.Siesindnichtzusteuernundnichtzuverhindern,dagibteskeine
wirklichePrävention.Siesindaber,„GottseiDank“,ausderPerspektiveeines
Menschenlebensextremselten.
DieWeltbevölkerungsdynamik,dienochaufJahrzehnteeinrasantes
BevölkerungswachstuminsbesondereindenvonextremerArmut,Umweltzerstörung
Korruption,politischerRepressionbetroffenenStaatenundRegionenprognostiziert,
wirdalleökologischen,sozialenundpolitischenProblemlagenverschärfen.Diesistwohl
kaumzubestreiten,auchwenneinigeExpertenundOrganisationendieMeinung
vertreten,dieErdekönnelockerauch9oder10MilliardenMenschenverkraftenbzw.
ernähren,undPlänezurGeburtenkontrollezudemoftmit„rassistischen“Unterton
daherkommen.Faktist,dassesinfastallenStaatendes„Südens“nichtgelingt,fürdie
wachsendeZahljungerMenschenWegeausderArmutzueröffnenbzw.fürsieeine
realistischeArbeits-undLebensperspektivezuentwickeln,dieauchangesichtsder
inzwischenüberSmartphonesundTVallgegenwärtigenBilderausden
WohlstandsregionendieserWeltBestandhat.„Auswege“bietenfundamentalistische
religiöseundpolitisch-militärischeBewegungenundGruppierungen,kriminelleBanden
–oderdieMigration„insgelobteLand“.
Dievielenlobens-undliebenswertenEntwicklungsprojekteindenLänderndessog.
„Südens“sindangesichtsderstrukturellenProblemlagen(Wirtschafts-und
Machtinteressen,diefürBevölkerungsmehrheitenkeinePerspektivenaufBildung,
Ausbildung,Arbeitusw.bieten)nureinTropfenaufdemheißenStein.DieZahlder
„Armutsmigranten“,derBürgerkriegs-undder„Umweltflüchtlinge“wirdzunehmen.
ZunehmenwerdenaberauchdieHerausforderungenindenglobalenMetropolregionen,
indenenbalddieMehrheitderMenschheitinmulti-undtranskulturellen
Agglomerationenlebenwird,dieZig-MillionenMenscheneinschließen.........
Dieungelöstenökologischen,sozialenundpolitischenKrisen-undKonfliktherde
schreiensozusagennacheinergemeinsamenReaktionderMenschheit.Sierufennach
einemneuen„Wir“,dasalleMenschenumfasst–undnachentsprechenden
internationalenRegelungenundInstitutionen,diesichu.a.anPrinzipiensozialerund
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JensReißmann,GemeinsinnundEigensinn–TeilIII
Stand:Juli2016
internationalerGerechtigkeitorientieren.11HierstehtdieMenschheiterstamAnfang–
undderGegenwindistleiderheftig.
DanebenwerdenaberwohlauchweiterhinkleinereGemeinschaftenunverzichtbarsein,
indenenverlässlichepersönlicheFormenderKooperationundKommunikationundein
GefühlderZugehörigkeitentwickeltwerdenkönnen.Vielleichtentwickelnsiesich
längstindentranskulturellenBallungsräumendieserWelt,vielleichtinFormflexibler
GruppenundNetzwerke,diedeneinzelnenFreiräumeundvielfältigeOptioneneröffnen
undzugleichUnterstützunganbieten:inneuenFormendes„realen“Zusammenlebens
undZusammenarbeitensund/oderals„fiktive“Netzgemeinschaft.
"Globaldenken–lokalhandeln":DieBalancezwischenuniversalistisch-humanistischer
Orientierungundpartizipativ-kooperativenGemeinschaftsformenvorOrtistm.E.eine
zentraleHerausforderungfürheutigeundkünftigePolitikundPädagogik(vgl.imTeil
IV:Kommunitarismus).
Ichfürchteallerdings,dasswirMenschenmitdenrationaleinsehbarenundauch
umsetzbarenLösungenletztlichüberfordertsind,daGruppenegoismen,kurzfristige
individuelleVorteilssuche,nationalistischeundreligiös-fundamentalistischeIdeologien,
diemitheftigenEmotionenundkaumsteuerbarensozialenBewegungeneinhergehen,
undnichtzuletztdieLogikkapitalistischerGewinnmaximierungalleLösungsversuche
torpedieren,zumindestmassiverschweren.WiesagtederSchauspielerund
SchriftstellerPeterUstinov(gest.2004)mitmildemSarkasmus:„DasGuteamMenschen
sindseineIdeenundVorsätze,dasSchlechteist,dassersienichtumsetzenkann.“
Sorry,vielleichtfälltmirjanocheinbessererSchlussein.
11Das„CapabilityApproach“-KonzeptdesindischenPhilosophenundWirtschaftswissenschaftlers
AmartyaSen,dasdie„Verwirklichungschancen“(MöglichkeitendesEinzelnen,einerfolgreichesLeben
nacheigenenWünschenzuverwirklichen)unterdenjeweiligengesellschaftlichenundkulturellen
Bedingungenbewertet,istdazueininteressanterundvonderUNbereitsgenutzterAnsatz(„Human
DevelopmentIndex“,HumanPovertyIndex“).-https://de.wikipedia.org/wiki/Capability_Approach
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