Ausgabe 12/2013 - Kunststoffxtra

WERKZEUG-/FORMENBAU
KUNSTSTOFF XTRA
Variotherm-DS-Technik
Direktbeheizung der Konturoberfläche
Im Rahmen eines Forschungsprojektes im Kunststoff-Zentrum in Leipzig gGmbH (KuZ) ist es gelungen, eine konturnahe Dünnschichtheizung zur direkten Temperierung der Grenzfläche zwischen Kunststoffschmelze und Werkzeugkavität zu entwickeln und erfolgreich zu erproben. Dabei haben sich deutliche Vorteile des Variotherm-DSVerfahrens gegenüber variothermer Temperierung gezeigt.
Bilder: KuZ
Abformung der Oberfläche und eine Reduktion des Füllwiderstands. In der Nachdruckphase wird gleichzeitig die Druckübertragung in der Kavität begünstigt. Der
Druckgradient zwischen Anschnitt und
Fliesswegende, der zu unterschiedlichen
Eigenspannungen und Schwindungswerten
im Kunststoffbauteil führt, wird vermindert.
Abb. 1: Links: Werkzeugeinsatz mit Dünnschichtheizung und Kontaktierungsbalken. Rechts:
Thermografieaufnahme des Werkzeugeinsatzes im aufgeheizten Zustand.
Stefan Lehmann
1
Beim Spritzgiessen von Formteilen mittels
thermoplastischer, duroplastischer oder
elastomerer Werkstoffe, bei denen der
Werkstoff in ein Formwerkzeug eingebracht wird, entstehen vielfach neben
Fehlern in der Oberflächenqualität eines
Kunststoffformteiles, auch Fehler durch
eine nicht ausreichende Abformgenauigkeit an der Oberfläche, beispielsweise Bindenahtkerben, Glanzunterschiede oder
Wolken- und Schlierenbildungen. Weitere
Fehler bei der Herstellung eines Kunststoffformteils können entstehen, wenn
der erhitzte Werkstoff durch Kontakt der
Kunststoffschmelze mit der kälteren Werkzeugwand ungleichmässig erstarrt.
Dabei wird in jedem Zyklus vor dem Einspritzen die Oberflächentemperatur der
Kavität auf eine Temperatur vorzugsweise
über der Glasübergangs- bzw. Kristallitschmelztemperatur gebracht, und nach
dem Einspritzen wieder gekühlt. Dies führt
aber zu einer deutlichen Zykluszeitverlängerung. Bei der variothermen Temperierung von Spritzgiesswerkzeugen hat die
hohe Temperatur der Kavität zur Folge,
dass die Kühlung der einströmenden
Schmelze, beginnend mit der Ausbildung
einer eingefrorenen Randschicht, verzögert
wird. Daraus resultieren eine verbesserte
Einsatz einer Dünnschichtheizung im Spritzgiesswerkzeug
Das Ziel eines Forschungsprojektes im KuZ
war die Entwicklung einer technologischen
Lösung zur direkten Beheizung der Kontaktfläche zwischen Werkzeugwandung
und Kunststoffschmelze auf Grundlage der
vom Fraunhofer IWM Freiburg entwickelten
Tegonit PTA Heizschicht. Diese sollte als
Schichtsystem, in Verbindung mit einer
elektrischen Isolierschicht, auf die Oberfläche eines Spritzgiesswerkzeuges aufgebracht werden. Ziel war eine deutliche Verringerung der Zykluszeiten und eine starke
Reduzierung des Energieverbrauchs gegenüber konventioneller Variothermtechnik
sowie eine Verbesserung der Formteilqua-
Variotherme Temperierung
für bessere Konturabformung
Zur Modifikation der Fliesseigenschaften
bzw. zur gezielten Verbesserung der Oberflächeneigenschaften von spritzgegossenen Formteilen werden Spritzgiesswerkzeuge dynamisch (variotherm) temperiert.
1 Stefan Lehmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter MSR-Technik am KuZ Leipzig.
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Abb. 2: Schema des Variotherm-DS Schichtsystems und Werkzeugaufbau der Auswerferseite
mit Dünnschichtheizung.
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KUNSTSTOFF XTRA
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Versuchsdurchführung
und Ergebnisse
Abb. 3: Vergleich Aluminium- und Stahleinsatz, Sprungantwort (links), Variotherm-DS Zyklus
120 / 60 °C WZ-Temperatur (rechts).
lität. Zur Unterscheidung von konventioneller Temperierung und anderen variothermen Temperierungsvarianten wird die neu
entwickelte Technologie nachfolgend als
variotherm-DS bezeichnet.
Anforderungen an den
Schichtaufbau
Eine funktionsfähige Dünnschichtheizung
entsteht durch ein Schichtsystem aus Substrat, elektrischer und thermischer Isolierschicht und Heizschicht. Ergänzend können
auf die Heizschicht weitere funktionale
Schichten aufgebracht werden, z.B. nanostrukturierte und antiadhäsive Schichten.
Bei der Tegonit Heizschicht des IWM Freiburg handelt es sich aus elektrotechnischer
Sicht um einen ohmschen Widerstand.
Entscheidend für die Funktionsfähigkeit der
Dünnschichtheizung ist, dass diese auf
eine elektrisch isolierende Oberfläche aufgebracht wird. Da das Spritzgiesswerkzeug
aus metallischem Werkstoff, zumeist Stahl,
besteht, ist es notwendig, eine elektrisch
isolierende Schicht zwischen Substrat und
Heizschicht einzubringen (Abb. 2).
Im Laufe des Projektes wurde eine Vielzahl an Isolierschichten auf ihre Eignung
hin untersucht. Es stellte sich heraus, dass
ein Grossteil der möglichen Materialien
zwar isolierend wirkt, jedoch nach dem
Auftragen der Heizschicht ein elektrischer
Kurzschluss über das Substrat erfolgte.
Grund dafür sind sogenannte Pinholes, Löcher in der Isolierschicht.
Durch intensive Voruntersuchungen konnten zwei funktionsfähige Schichtsysteme
gefunden werden. Dabei handelt es sich
einmal um eine Eloxalschicht auf Aluminiumsubstrat und einmal um eine thermische Spritzschicht auf Stahlsubstrat.
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Nach Optimierung des Versuchsaufbaus
des Spritzgiesswerkzeuges und des Heizungsreglers wurden die optimalen Prozessparameter für verschiedene Kunststoffe im konventionellen Spritzguss ermittelt.
Anschliessend wurden mit beiden Schichtsystemvarianten umfangreiche Spritzgiessversuche durchgeführt.
Mit Hilfe der Variotherm-DS-Technik ist es
gelungen, die Zykluszeit gegenüber der Va-
Global geniessen!
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Abb. 4: PP Auswerferseite links: konventionell temperiert, mit sichtbarer Bindenaht;
rechts: variotherm-DS temperiert, ohne
sichtbare Bindenaht.
riothermtechnik stark zu verringern. Dabei
sind auf Grund der unterschiedlichen Wärmeleitfähigkeit der beiden Grundsubstrate
Stahl und Aluminium Unterschiede in der
Heizzeit für einen definierten Temperaturhub zu verzeichnen (Abb. 3).
Weiterhin beeinflusst die direkte Beheizung der Konturwand das Fliessverhalten
der Kunststoffschmelze positiv, so dass
erhöhte Werkzeuginnendrücke am Fliesswegende im Vergleich zum normalen
Spritzguss mit gleichen Einstellparametern feststellbar sind. Daraus resultieren
eine bessere Konturabformung sowie die
Minderung von auftretenden Spritzgiessfehlern. Dies konnte am Spritzgiessdemonstrator am Beispiel der Bindenahtausbildung erfolgreich nachgewiesen
werden (Abb. 4).
Ein weiterer Aspekt der verbesserten Konturabformung ist die genaue Abbildung der
Oberflächentopographie der Masteroberfläche des Werkzeugeinsatzes. Dies ist
besonders bei der Abformung von funktionalisierten Formteiloberflächen mit bei-
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spielsweise hydrophoben oder antireflektiven Eigenschaften wünschenswert. Der
hervorgerufene Effekt ist sehr gut an
den REM-Aufnahmen einer abgeformten PMMA-Oberfläche sichtbar (Abb. 5).
Die Vorteile der entwickelten Lösung können wie folgt zusammengefasst werden:
• Verkürzung der Zykluszeiten
• Verringerung der Heizleistung
• direkte Beheizung der Werkzeugkavität
mit wenig Energieeintrag (hohe Leistungsdichte, hohe Energieeffizienz)
• Präzisere Abformung der Werkzeugkontur, dadurch Abformung von nanostrukturierten Oberflächen möglich
• Minderung des Einflusses von Bindenähten in Formteilen (Sichtbarkeit, Festigkeit)
• Einbeziehung des Regelkreises der
Dünnschichtheizung in den automatisierten Spritzgiessprozess
Das Projekt wurde durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
gefördert.
Abb. 5: REM-Aufnahme einer abgeformten PMMA-Oberfläche, links: konventionell; rechts:
variotherm-DS temperiert.
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Kontakt
Kunststoff-Zentrum in Leipzig gGmbH
Erich-Zeigner-Allee 44
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Telefon +49 (0)341 4941-500
[email protected]
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www.kuz-leipzig.de
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