WERKZEUG-/FORMENBAU KUNSTSTOFF XTRA Variotherm-DS-Technik Direktbeheizung der Konturoberfläche Im Rahmen eines Forschungsprojektes im Kunststoff-Zentrum in Leipzig gGmbH (KuZ) ist es gelungen, eine konturnahe Dünnschichtheizung zur direkten Temperierung der Grenzfläche zwischen Kunststoffschmelze und Werkzeugkavität zu entwickeln und erfolgreich zu erproben. Dabei haben sich deutliche Vorteile des Variotherm-DSVerfahrens gegenüber variothermer Temperierung gezeigt. Bilder: KuZ Abformung der Oberfläche und eine Reduktion des Füllwiderstands. In der Nachdruckphase wird gleichzeitig die Druckübertragung in der Kavität begünstigt. Der Druckgradient zwischen Anschnitt und Fliesswegende, der zu unterschiedlichen Eigenspannungen und Schwindungswerten im Kunststoffbauteil führt, wird vermindert. Abb. 1: Links: Werkzeugeinsatz mit Dünnschichtheizung und Kontaktierungsbalken. Rechts: Thermografieaufnahme des Werkzeugeinsatzes im aufgeheizten Zustand. Stefan Lehmann 1 Beim Spritzgiessen von Formteilen mittels thermoplastischer, duroplastischer oder elastomerer Werkstoffe, bei denen der Werkstoff in ein Formwerkzeug eingebracht wird, entstehen vielfach neben Fehlern in der Oberflächenqualität eines Kunststoffformteiles, auch Fehler durch eine nicht ausreichende Abformgenauigkeit an der Oberfläche, beispielsweise Bindenahtkerben, Glanzunterschiede oder Wolken- und Schlierenbildungen. Weitere Fehler bei der Herstellung eines Kunststoffformteils können entstehen, wenn der erhitzte Werkstoff durch Kontakt der Kunststoffschmelze mit der kälteren Werkzeugwand ungleichmässig erstarrt. Dabei wird in jedem Zyklus vor dem Einspritzen die Oberflächentemperatur der Kavität auf eine Temperatur vorzugsweise über der Glasübergangs- bzw. Kristallitschmelztemperatur gebracht, und nach dem Einspritzen wieder gekühlt. Dies führt aber zu einer deutlichen Zykluszeitverlängerung. Bei der variothermen Temperierung von Spritzgiesswerkzeugen hat die hohe Temperatur der Kavität zur Folge, dass die Kühlung der einströmenden Schmelze, beginnend mit der Ausbildung einer eingefrorenen Randschicht, verzögert wird. Daraus resultieren eine verbesserte Einsatz einer Dünnschichtheizung im Spritzgiesswerkzeug Das Ziel eines Forschungsprojektes im KuZ war die Entwicklung einer technologischen Lösung zur direkten Beheizung der Kontaktfläche zwischen Werkzeugwandung und Kunststoffschmelze auf Grundlage der vom Fraunhofer IWM Freiburg entwickelten Tegonit PTA Heizschicht. Diese sollte als Schichtsystem, in Verbindung mit einer elektrischen Isolierschicht, auf die Oberfläche eines Spritzgiesswerkzeuges aufgebracht werden. Ziel war eine deutliche Verringerung der Zykluszeiten und eine starke Reduzierung des Energieverbrauchs gegenüber konventioneller Variothermtechnik sowie eine Verbesserung der Formteilqua- Variotherme Temperierung für bessere Konturabformung Zur Modifikation der Fliesseigenschaften bzw. zur gezielten Verbesserung der Oberflächeneigenschaften von spritzgegossenen Formteilen werden Spritzgiesswerkzeuge dynamisch (variotherm) temperiert. 1 Stefan Lehmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter MSR-Technik am KuZ Leipzig. 92 Abb. 2: Schema des Variotherm-DS Schichtsystems und Werkzeugaufbau der Auswerferseite mit Dünnschichtheizung. 12/2013 KUNSTSTOFF XTRA WERKZEUG-/FORMENBAU Versuchsdurchführung und Ergebnisse Abb. 3: Vergleich Aluminium- und Stahleinsatz, Sprungantwort (links), Variotherm-DS Zyklus 120 / 60 °C WZ-Temperatur (rechts). lität. Zur Unterscheidung von konventioneller Temperierung und anderen variothermen Temperierungsvarianten wird die neu entwickelte Technologie nachfolgend als variotherm-DS bezeichnet. Anforderungen an den Schichtaufbau Eine funktionsfähige Dünnschichtheizung entsteht durch ein Schichtsystem aus Substrat, elektrischer und thermischer Isolierschicht und Heizschicht. Ergänzend können auf die Heizschicht weitere funktionale Schichten aufgebracht werden, z.B. nanostrukturierte und antiadhäsive Schichten. Bei der Tegonit Heizschicht des IWM Freiburg handelt es sich aus elektrotechnischer Sicht um einen ohmschen Widerstand. Entscheidend für die Funktionsfähigkeit der Dünnschichtheizung ist, dass diese auf eine elektrisch isolierende Oberfläche aufgebracht wird. Da das Spritzgiesswerkzeug aus metallischem Werkstoff, zumeist Stahl, besteht, ist es notwendig, eine elektrisch isolierende Schicht zwischen Substrat und Heizschicht einzubringen (Abb. 2). Im Laufe des Projektes wurde eine Vielzahl an Isolierschichten auf ihre Eignung hin untersucht. Es stellte sich heraus, dass ein Grossteil der möglichen Materialien zwar isolierend wirkt, jedoch nach dem Auftragen der Heizschicht ein elektrischer Kurzschluss über das Substrat erfolgte. Grund dafür sind sogenannte Pinholes, Löcher in der Isolierschicht. Durch intensive Voruntersuchungen konnten zwei funktionsfähige Schichtsysteme gefunden werden. Dabei handelt es sich einmal um eine Eloxalschicht auf Aluminiumsubstrat und einmal um eine thermische Spritzschicht auf Stahlsubstrat. 12/2013 Nach Optimierung des Versuchsaufbaus des Spritzgiesswerkzeuges und des Heizungsreglers wurden die optimalen Prozessparameter für verschiedene Kunststoffe im konventionellen Spritzguss ermittelt. Anschliessend wurden mit beiden Schichtsystemvarianten umfangreiche Spritzgiessversuche durchgeführt. Mit Hilfe der Variotherm-DS-Technik ist es gelungen, die Zykluszeit gegenüber der Va- Global geniessen! Ferromatik weiss, wie Erfolg schmeckt: Als süddeutsches Traditionsunternehmen sind wir Teil des Milacron-Konzerns, der weltweit an vier Standorten Spritzgiessmaschinen produziert. Greifen Sie zu und geniessen Sie unser Erfolgsrezept! Halle 1 / Stand B 1037 Unsere Produktionsstandorte: Deutschland, Malterdingen USA, Cincinnati Indien, Ahmedabad China, Jiangyin Ferromatik Milacron GmbH I Riegeler Str. 4 I 79364 Malterdingen I Deutschland +49 (0)7644 78-0 I [email protected] I www.ferromatik.com 93 WERKZEUG-/FORMENBAU Abb. 4: PP Auswerferseite links: konventionell temperiert, mit sichtbarer Bindenaht; rechts: variotherm-DS temperiert, ohne sichtbare Bindenaht. riothermtechnik stark zu verringern. Dabei sind auf Grund der unterschiedlichen Wärmeleitfähigkeit der beiden Grundsubstrate Stahl und Aluminium Unterschiede in der Heizzeit für einen definierten Temperaturhub zu verzeichnen (Abb. 3). Weiterhin beeinflusst die direkte Beheizung der Konturwand das Fliessverhalten der Kunststoffschmelze positiv, so dass erhöhte Werkzeuginnendrücke am Fliesswegende im Vergleich zum normalen Spritzguss mit gleichen Einstellparametern feststellbar sind. Daraus resultieren eine bessere Konturabformung sowie die Minderung von auftretenden Spritzgiessfehlern. Dies konnte am Spritzgiessdemonstrator am Beispiel der Bindenahtausbildung erfolgreich nachgewiesen werden (Abb. 4). Ein weiterer Aspekt der verbesserten Konturabformung ist die genaue Abbildung der Oberflächentopographie der Masteroberfläche des Werkzeugeinsatzes. Dies ist besonders bei der Abformung von funktionalisierten Formteiloberflächen mit bei- KUNSTSTOFF XTRA spielsweise hydrophoben oder antireflektiven Eigenschaften wünschenswert. Der hervorgerufene Effekt ist sehr gut an den REM-Aufnahmen einer abgeformten PMMA-Oberfläche sichtbar (Abb. 5). Die Vorteile der entwickelten Lösung können wie folgt zusammengefasst werden: • Verkürzung der Zykluszeiten • Verringerung der Heizleistung • direkte Beheizung der Werkzeugkavität mit wenig Energieeintrag (hohe Leistungsdichte, hohe Energieeffizienz) • Präzisere Abformung der Werkzeugkontur, dadurch Abformung von nanostrukturierten Oberflächen möglich • Minderung des Einflusses von Bindenähten in Formteilen (Sichtbarkeit, Festigkeit) • Einbeziehung des Regelkreises der Dünnschichtheizung in den automatisierten Spritzgiessprozess Das Projekt wurde durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert. Abb. 5: REM-Aufnahme einer abgeformten PMMA-Oberfläche, links: konventionell; rechts: variotherm-DS temperiert. 94 Kontakt Kunststoff-Zentrum in Leipzig gGmbH Erich-Zeigner-Allee 44 D-04229 Leipzig Telefon +49 (0)341 4941-500 [email protected] ■ www.kuz-leipzig.de 12/2013
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