Internationales und Europäisches Finanz- und Steuerrecht 21. Juli 2016 Dr. Stephan Schauhoff von Rechtsanwalt, Fachanwalt Prof.für Dr.Steuerrecht Stephan Schauhoff Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht Teil II: Internationales Recht § 9 Internationale Steuergestaltung (Schaumburg, Kapitel 18, 19) 2 Teil II: Internationales Recht I. BEPS II. Steuerwettbewerb und Beihilfenverbot – die Fälle Fiat, Starbucks und McDonalds III. Zinsschranke IV. Die internationale Unternehmerfamilie 3 Teil II: Internationales Recht I. BEPS - Europäische Richtlinie gegen Steuervermeidungsansätze 1. BEPS: 19.7.2013 OECD verabschiedet BEPS-Aktionsplan: 15 verschiedene Aktionen, Abschlussberichte dazu unter OECD/Publikationen. Ziel: Verhinderung der Möglichkeit von internationalen Konzernen, unabgestimmte Besteuerung zu nutzen. Lediglich Empfehlungen an die Nationalstaaten 2. Beispiel: BEPS-Aktionspunkt 7: Verhinderung der künstlichen Vermeidung einer Betriebsstätte (dazu Demleitner, BB 2016, 599; Schmidt-Heß, IStR 2016, 165) : 4 Teil II: Internationales Recht a) Betriebsstättendefinition nach Art. 5 Abs. 5 OECE-MA soll erweitert werden Vertreterbetriebsstättte setzt nicht mehr Abschlussvollmacht voraus, sondern wenn Vertreter (typischerweise Tochter-GmbH) entscheidende Rolle bei Vertragsabschluss einnimmt, so dass im anderen Staat ansässiges vertretenes Unternehmen ohne wesentliche Änderung Vertrag abschließt, steht Gewinn aus Vertrag Betriebsstättenstaat zu Rückausnahmen des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA und des Art. 5 Abs. 6 OECD-MA werden eingeschränkt Keine „Künstliche“ Separierung von Nebenleistungen, wirtschaftliche Gesamtbetrachtung 5 Teil II: Internationales Recht b) Auswirkung auf internationale Vertriebsstrukturen Kommissionär/Agent/Handelsvertreter begründen Betriebsstätte Eigenhändler, der auf eigenes wirtschaftliches Risiko handelt, auch künftig keine Betriebsstätte Limited Risk Distributor: hat weniger Risiken als Eigenhändler, keine Produktrisiken, keine Verantwortung für Umfang des Endkundengeschäfts Grenze testen 6 Teil II: Internationales Recht 3. EU-BEPS Richtlinie (dazu Jochimsen/Zinowsky, ISR 2016, 106) Grundfreiheiten, Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit müssen gewahrt bleiben Bekämpfung Abkommensmissbrauch durch multilaterale Regelungen angestrebt, aber letztlich Umsetzung in nationales Recht als treaty override denkbar Wenn Zahlungen in das Ausland im Inland als teilweise nicht abzugsfähig behandelt werden (Zinsen), droht Verstoß gegen Kapitalverkehrsfreiheit (vgl. EuGH v. 25.10.1999 – Rs. C-294/97-Eurowings) Richtlinie soll Rechtfertigungsgründe schaffen, 1. Entwurf v. 28.1.2016 7 Teil II: Internationales Recht Einzelne Regelungsvorschläge: Art. 4 RL-E: Begrenzung des generellen Zinsabzugs, gleichgültig ob gruppeninterne oder externe Zahlungen; 30 % des EBITDA wie §§ 4h EStG, § 8a KStG, Freigrenze aber nur EUR 1 Mio., statt EUR 3 Mio. Art. 5 RL-E, Entstrickungsbesteuerung ähnlich § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, aber zusätzlich Verzinsung und Garantieleistung Switch-over-Klausel für niedrigbesteuerte Drittstaateneinkünfte: anders als § 8b KStG wird Steuerfreistellung für Dividendeneinkünfte versagt, wenn im ausschüttenden Staat nur niedrig besteuert wurde (§§ 50d Abs. 8 und Abs. 9 EStG deswegen überhaupt nicht besteuert!) niedrig = 40 v. H. des Regelsteuersatzes im Empfängerstaat 8 Teil II: Internationales Recht II. Steuerwettbewerb und Beihilfenverbot – die Fälle Fiat, Starbucks und McDonalds 1. Beihilfeverbot (Art. 107 Abs. 1 AEUV) Abs. 1: Soweit in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus stattlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. 9 Teil II: Internationales Recht Abs. 2: Rechtfertigungen für Beihilfen sozialer Art, Beseitigung von Schäden Abs. 3: Ausnahmen im Einzelfall für regionale Wirtschaftsförderung, vorübergehende Störung im Wirtschaftstleben, Einzelfall Notifikation Art. 108 AEUV: Kommission fordert Mitgliedstaat zur Änderung auf, bei Ungehorsam Klage vor EuGH Rat kann einstimmig beihilfewidrige Regelung erlauben 10 Teil II: Internationales Recht 2. Grundzüge Erlaubt ist Steuerwettbewerb zwischen Mitgliedstaaten, beispielsweise durch niedrigere Steuersätze Beilhilfeverbot erfasst auch Gewährung von Steuervorteilen durch Steuerermäßigung, sei es gesetzlich oder durch Steuerabzug, nicht nur direkte Subventionen Mitgliedstaaten sind frei, welches Steuersystem sie schaffen, solange sie in ihrem jeweiligen Steuersystem die Unternehmen bzw. Produktionszweige gleich behandeln Problem ist festzustellen, ob einzelnen Unternehmen selektiver Vorteil gewährt wird. Wenn das Steuersystem eng auf einzelne Unternehmensgruppen zugeschnitten wird, liegt keine Benachteiligung vor, da keine Ausnahme angeordnet wird (vgl. EuGH v. 4.6.2015, KKW Lippe-Ems/Hauptzollamt Osnabrück, C-5/14) 11 Teil II: Internationales Recht 2. Grundzüge Progressive Steuersätze sind Teil des Systems, deswegen sind auch selektive Begünstigungen für kleine und mittlere Unternehmen zulässig Für die Feststellung der Selektivität ist nicht die Regelungstechnik entscheidend, sondern der faktische Effekt der Begünstigung im Einzelfall. Auch aus dem Zusammenspiel verschiedener Steuernormen kann sich Begünstigung ergeben (EuGH v. 15.11.2011, Kommission/Gibraltar, C-106 u. 107/09) Nutzen des Steuergefälles zwischen den Mitgliedstaaten ist den Unternehmen erlaubt, nicht aber rein künstliche Gestaltung ohne wirkliche wirtschaftliche Grundlage (EuGH v. 12.9.2006, Cedbury Schweppes, C-196/04) 12 Teil II: Internationales Recht Bei Prüfung, ob einzelnen Unternehmensgruppen Vorteil gewährt wird, bleiben gesetzgeberische Sekundärziele grundsätzlich außer Betracht (Umweltförderung, Forschungsförderung), da Rechtfertigungen in Art. 107 AEUV eng begrenzt sind, vgl. EuGH v. 20.11.2003, GEMO, C-126/01; EuGH v. 4.6.2015, KKW Lippe-Ems/Hauptzollamt Osnabrück, C5/14. Allerdings sind Maßnahmen, die bezwecken, alle Unternehmen in Bezug auf Forschung oder Umweltschutz zu bestimmtem Verhalten zu veranlassen, grundsätzlich zulässig. Grundfrage ist, ob bestimmten Unternehmen sachwidrig ein Steuervorteil durch Steuerermäßigung gewährt wird (EuGH v. 14.1.2015, Eventech, C-518/13). Selektive Steuererleichterung kann durch Natur oder inneren Aufbau des Steuersystems gerechtfertigt werden (EuGH v. 3.3.2005, Heiser C-172/03). Mitgliedstaat trägt Beweislast für innere Kohärenz seines Steuersystems Beihilfeverbot ist scharfes Schwert, da begünstigtes Unternehmen rückwirkend Steuervorteil nebst Zinsen an Staat zurück zu zahlen hat, evtl. Staatshaftung? Rechtsstaatsgebot bei Unabänderlichkeit? (Vgl. dazu auch EuGH v. 8.9.2015 – Rs.C-105/14) 13 Teil II: Internationales Recht 3. Prüfungsreihenfolge a) Regeltatbestand der Steuernorm ohne Maßgeblichkeit der Sekundärziele (Wohl aber Primärziele) b) Begünstigte Ausgabe zugunsten einzelner, faktische Selektivität maßgebend, nicht abstrakte Formulierung der Ausnahme c) Systemkonformität der Ausnahme d) Finanzieller Vorteil gegenüber Vergleichsgruppe e) Prozessuale Geltendmachung Kommission gegen Mitgliedstaaten Mitgliedstaat gegen Unternehmen, Bestandsschutz regelmäßig durchbrochen; nur unionsrechtlicher Vertrauensschutz, da Vorrang effet utile, auch bei gesetzlichem Vorteil keine echte Rückwirkung. Rechtsstaatlichkeit dabei nach GG gewahrt? Konkurrentenklage eines benachteiligten Unternehmens 14 Teil II: Internationales Recht 4. Beispielsfälle a) Fiat: (Kommission, Pressemitteilung v. 21.10.2015): Fiat Finance and Trade in Lux hat Gewinn in Lux für Steuerzwecke künstlich gesenkt, da nur niedrige Vergütung für Kapitalüberlassung und hohes Eigenkapital als Sicherungsgrundlage in Tax Ruling von Lux-Finanzbehörde unterstellt wurde. Muss an Lux EUR 20-30 Mio. für die letzten Jahre nachzahlen b) Starbucks: (Pressemitteilung dito) In NL Steuern von Starbuckes Manufacturing künstlich herabgesetzt, da an Schweizer Schwester überhöhte Preise für grüne Kaffeebohnen und überhöhte Lizenzgebühren an GB-Schwester gezahlte wurden. Starbucks-Firma hatte weder in GB noch in NL KSt auf diese Einkünfte zu zahlen. c) McDonalds: (FAZ v. 4.12.2015) Hat in Lux kaum Steuern bezahlt, da Lizenzgebühren aus Europa steuerfrei blieben, da Steuerpflicht in USA dafür unterstellt wurde, obwohl nach DBA USA/Lux in Lux Steuerhoheit 15 Teil II: Internationales Recht III. Zinsschranke § 4h EStG i.V.m. § 8a KStG BFH v. 14.10.2015 I R 20/15 Gesetzgeber hat 2002 sog. Zinsschranke eingeführt, um inländisches Steuersubstrat zu schützen. Da Fremdfinanzierung durch verbundenes ausländisches Unternehmen im Inland zur Steuerminderung führt, dürfen nur Saldo von Zinsaufwand und –erträgen bis zu einem Anteil von 30 % des Betriebsgewinns (EBITDA) steuermindernd abgezogen werden, ansonsten müssen sie vorgetragen werden Freigrenze von EUR 3 Mio. Nicht konzernzugehörige Betriebe sind ausgenommen Zinsvortrag geht bei Übertragung oder Aufgabe des Betriebs unter Escape-Klausel: Gegenbeweis fremdüblich 16 Teil II: Internationales Recht BFH, a.a.O.: Verstoß gegen Art. 3 GG, keine Ausgestaltung anhand des Prinzips der finanziellen Leistungsfähigkeit und nach Gebot der Folgerichtigkeit. Objektives Nettoprinzip verletzt, wenn nur Zinsvortrag möglich. Zinsvortragungsnutzung führt zum Überschreiten der Freigrenze; Zur Mißbrauchsbekämpfung oder zur Sicherung des nationalen Steuersubstrats nicht gerechtfertigt: 1.200 Steuerpflichtige, 0,13 % der Körperschaften nur betroffen Gesetzliche Typisierung darf kein atypisches Leitbild wählen, hier durch Ausdehnung auf Inlandsfälle erfolgt. EU-rechtlich wäre Beschränkung auf reine Missbrauchsfälle möglich 17 Teil II: Internationales Recht IV. Internationale Unternehmerfamilie Besitzt in- und ausländisches Vermögen; besitzt in mehreren Staaten Wohnsitze; zeitweilig gehen Anteilseigner zum Studieren oder zur Unternehmensleitung in das Ausland Wohnsitz: national, DBA Einkünfte aus ausländischen Quellen: Freistellung, Anrechnung Erbschaftsteuervorsorge: Anrechnung Vermögensteuer: nationale Systeme Wegzug: § 6 AStG § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG Nachlaufende Steuerpflicht in D, Erweiterung des Quellenprinzips § 2 AStG § 2 Abs. 1 Nr. 1 b) ErbStG § 4 AStG 18
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