Beschreibung der Region

4. Strecke, Orte und Regionen:
So führt die Tour
von Gießen über Cloppenburg,
Bremen, Jever, Papenburg
und Bad Zwischenahn nach Oldenburg!
Freut Euch, liebe Freundinnen und Freunde der Tour, es geht bald wieder los!
Während wir im Vorjahr die sonnenverwöhnte Ortenau durchfuhren und in Straßburg, Offenburg und anderen Orten Erinnerungen an frühere Touren auffrischen konnten, geht
es in diesem Jahr wieder auf Entdeckungsfahrt.
War es 2014 der äußerste Osten der Bundesrepublik, der viele neue Eindrücke vermittelte, so ist es in diesem Jahr der äußerste Nordwesten, der uns lockt.
Norddeutschland, wir kommen!
Die Fahrt führt uns in eine geschichtsträchtige Gegend: das Land zwischen Weser und
Ems. Wir kommen dabei durch drei Landesteile, die sich landschaftlich kaum voneinander unterscheiden. Alle sind flach, das Land dem Meer und dem Moor abgerungen. Aber
historisch haben sie eine unterschiedliche Entwicklung genommen. Friesland, wo schon
früh unterschiedliche Versuche unternommen wurden, die Gesamtheit der Bewohner an
der Regierungsgewalt zu beteiligen, das Oldenburger Land, mit seinem typischen Feudalsystem und der Bremer Stadtstaat ohne feudales System, aber beileibe keine Demokratie, sondern bis in die Neuzeit von einer dünnen Oberschicht beherrscht. Deshalb
setzen wir an den Anfang unserer Streckenbeschreibung eine historische Betrachtung.
Die Friesen
Beginnen wir mit der Küste: Diese war nicht immer da, wo sie jetzt ist. Nach dem Ende
der letzten Eiszeit, also vor ca. 10.000 Jahren, war sie noch fast 300 km weiter nördlich,
in der Gegend der Doggerbank.
Den Beginn der Besiedlung durch Jäger und Sammler datiert man auf etwa 8.000 v. Chr.
Die erste Einwanderungswelle brachte um 3.000 v. Chr. den Ackerbau ins Land. Damals
war das Wasser noch gefährlich und ungezähmt, Deiche kannte man noch nicht. Immer
wieder wurde das Land überschwemmt.
An der Küste siedelten die Friesen, im Binnenland die Sachsen – beides germanische
Stämme, die mit der ersten Völkerwanderung hierhergekommen waren.
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Beiden Stämmen gemeinsam war die Abneigung, sich unter das Joch einer Obrigkeit zu
beugen. Römer und Franken versuchten immer wieder, sich diese Gebiete einzuverleiben, wenn sie selbst stark waren, oder sich dieses aggressive Volk vom Leibe zu halten,
wenn sie selbst schwach waren.
Des ständigen Blutvergießens müde versuchte Frankenkönig Pippin I.es auf eine andere
Art. Er nahm das spätere Erfolgsrezept der Habsburger vorweg und verheiratete seinen
Sohn Grimoald mit Theutsinde, der Tochter des Friesenherzogs Radbod. Eine Zeit lang
war Ruhe, aber dann machte sich Radbod mit einer großen Streitmacht auf den Weg
rheinaufwärts nach Köln.
Nein, schrien die Kölner, nicht schon wieder! Wir haben den Hunneneinfall noch nicht
verkraftet. Dabei ist die heilige Ursula und mit ihr 11.000 Gespielinnen umgekommen.
Wer weiß, was jetzt bei den wilden Friesen alles passiert. Schwiegermutter Plektrudis,
Pippins Witwe, die in Köln das Sagen hatte, musste tief in die Schatulle greifen, um den
ungebärdigen Radbod wieder gnädig zu stimmen.
Erst Karl dem Großen gelang es durch seinen Sieg über den Sachsenfürsten Widukind,
den Norden zu christianisieren und in den fränkischen Staatsverband zu integrieren –
nicht ohne dass zuvor die Friesen Bonifatius, den Apostel der Deutschen, 754 in Dokkum massakriert hatten. Der war nunmehr in den Augen der Gläubigen ein Märtyrer, wohingegen die Friesen argumentierten, Bonifatius habe ihnen den Genuss von Pferdefleisch verbieten wollen, sowie überdies Hand oder Axt an den Upstalsboom gelegt, das
Sinnbild friesischer Freiheit. Flugs wurde dem entgegengesetzt, die Friesen hätten es
nur auf die goldenen Kultgefäße von Bonifatius abgesehen gehabt. Und von Gold verstanden die handelstüchtigen Friesen eine Menge. Wie dem auch sei, Bonifatius war tot,
die Friesen wurden Christen, aber im Geheimen blieben ihre alten Götter präsent.
Die fränkischen Herren aber wurden ihrer Rolle als Schutzmacht nur unzulänglich gerecht. Sie hatten an ihrer Ostgrenze und in Italien zu viel zu tun, um auch ihre Nordgrenze zu sichern. Schon Karl der Große hatte fremde Adlige als Gaugrafen eingesetzt, die
sich einander meistens spinnefeind waren. So gab es kein gemeinsames Handeln, als
Wikinger vor den Küstenorten auftauchten und dort leichte Beute machten. Als die Friesen sich dann endlich zu gemeinsamem Tun aufrafften, bereiteten sie den Seeräubern in
der Schlacht bei Norden eine empfindliche Niederlage. Aber so ganz konnten sie dem
Spuk kein Ende machen, dafür bot die Küste zu viele Schlupfwinkel und zu viele hatten
selbst Gefallen am gleichen Tun gefunden.
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Immerhin hatte der gemeinsame Kampf gegen den Feind, der übers Meer kam, so viel
Konsens geschaffen, dass der Kampf gegen den größten Feind, nämlich das Meer
selbst, um die Jahrtausendwende als Gemeinschaftsaufgabe verstanden wurde und eine
planmäßige Eindeichung der Küste erfolgte (Gott schuf das Meer, der Friese den Deich).
Erst dadurch konnte die gesamte Marsch als fruchtbares Ackerland genutzt werden.
Der Feudalismus konnte in Friesland nie richtig Fuß fassen. Immer mehr Gemeinden lösten sich aus der adligen Bevormundung und bildeten im sog. Upstalsboom-Verband eine
Art Basisdemokratie. Zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert versammelten sich jährlich
am 3. Pfingsttag im Rahmen der „Friesischen Freiheit“ gewählte Vertreter am Upstalsboom zu Rahe bei Aurich, sprachen Recht und trafen politische Entscheidungen. Man
vermied aber Handlungen, die ein Einschreiten der kaiserlichen Gewalt zur Folge gehabt
hätten. Wo man es mit der Freiheit zu ernst nahm, wie bei den Stedingern, die jede Art
von Tribut an die Obrigkeit verweigerten, endete es mit Strafexpedition und Vernichtung,
der die anderen freiheitsliebenden Friesen im Übrigen ungerührt zusahen.
In Friesland war der Basisdemokratie keine lange Lebensdauer beschieden, denn an der
Basis gab es Unterschiede. Es gab wohlhabende und ärmere Bauern, Schlitzohrige und
Dumme, Schwache und Willensstarke. Aus Familien bildeten sich Sippen, aus Sippen
Clans. Innerhalb eines Clans war es meist der Rücksichtsloseste, der das Sagen hatte.
Mitte des 14. Jahrhunderts hatte sich ein System von „Häuptlingen“ etabliert, die ständig
bestrebt waren, durch Heirat, Kauf, Vertrag, aber auch durch Lug und Trug, Gewalt oder
Meuchelmord ihren Machtbereich zu erweitern. Konflikte untereinander gab es ständig,
paktiert wurde mal mit diesem, mal mit jenem, mal mit der Hanse, mal mit Störtebekers
Vitalienbrüdern.
1427 lieferten sich die beiden mächtigsten Häuptlingsfamilien Tom
Brock und Ukena die Schlacht auf den „Wilden Äckern“ bei Aurich.
Der lachende Dritte war dann aber Ulrich Cirksena. Die Cirksenas
waren vor allem durch Seehandel zu Wohlstand gekommen.
Ulrich konnte Kaiser Friedrich III. in dessen Geldnöten helfen,
wurde dafür 1464 in den Reichsgrafenstand erhoben und mit Ostfriesland als Reichsgrafschaft belehnt.
Damit war die demokratische Sonderstellung, die „Friesische Freiheit“, die längst keine mehr war, zu Ende.
Verheerende Überschwemmungen, plündernde Söldner Herzog Albas im Niederländischen Freiheitskrieg und des Grafen Mansfeld im 30-jährigen Krieg suchten in der Folgezeit Ostfriesland heim. Aber im Großen und Ganzen entwickelte sich das Land unter
der Herrschaft der Cirksenas vorteilhaft. Die Reformation wurde nicht befohlen, sondern
setzte sich durch. Der Zuzug vieler Glaubensflüchtlinge erwies sich als Glücksfall. Emden wurde zu einer bedeutenden Hafenstadt. 1662 floss wieder viel Geld, das Haus
Cirksena wurde in den erblichen Fürstenstand erhoben, musste sich aber in der Folgezeit die Herrschaft mit den mächtig gewordenen Ständen teilen.
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Eine Cirksena fiel noch aus dem Rahmen. Es war die eingeheiratete württembergische
Prinzessin Christine Charlotte, mit zwanzig schon fürstliche Witwe, unglücklich im zugigen Norden fernab der rebenumkränzten Neckarhänge.
Sie lästerte, der Upstalsboom sei nur zur Mahnung errichtet worden, sich von vier auf
zwei Beine zu erheben und man trage hier Holzschuhe, um sich nicht gegenseitig in die
Füße zu beißen.
Der letzte Cirksena starb 1744 kinderlos und jetzt betrat ein Mann die Bühne, den man
nicht unbedingt hier erwartet hätte: Es war der Alte Fritz. Aufgrund von Verträgen ging
die Grafschaft in preußischen Besitz über. Dann hatte man unter Napoleon kurze Zeit die
Niederländer, danach die Franzosen und seit dem Wiener Kongress das Königreich
Hannover als Herren. Als das Land von Preußen im Krieg 1866 kurzerhand annektiert
wurde, gehörte man wieder zu denen. Fast 80 Jahre blieb das so, dann wurde im November 1946 das Land Niedersachsen gegründet.
Die Oldenburger
Die Geschichte der Ostfriesen gab einiges her. Bei den Oldenburgern, die ja keine Friesen sind, muss es wesentlich ruhiger zugegangen sein, denn erst 1108 wird Oldenburg
zum ersten Mal urkundlich erwähnt.
Nach Widukinds Unterwerfung 785 wurde auch das
Oldenburger Land christianisiert. In der Folgezeit
mauserten sich die bekehrten Sachsen zu einem
mächtigen Stammesherzogtum, das nach dem
Aussterben der Karolinger mit Heinrich dem Vogler
und den Ottonen rund 100 Jahre lang die
Herrscher des Heiligen Römischen Reiches stellte.
Innerhalb des Herzogtums entwickelte sich die Grafschaft langsam um den Kern Oldenburg herum. Die Grafen entstammten einem friesischen Geschlecht.
Als Herzog Heinrich der Löwe 1180 von Kaiser Friedrich Barbarossa entmachtet wurde,
nutzten die Oldenburger Grafen die Schwächung der herzoglichen Oberhoheit zur
Selbstständigkeit und dehnten ihr Territorium beharrlich nach Norden aus. 1345 erhielt
Oldenburg das Stadtrecht und wurde um 1450 Residenzstadt. Die Reformation im 16.
Jahrhundert fand im gesamten Nordwesten rasche Verbreitung in den unteren Volksschichten, während Patrizier und der Adel weiter der alten Lehre anhängten.
Glück widerfuhr Stadt und Land Oldenburg, als 1603 Graf Anton Günther die Herrschaft
übernahm. Die Grafschaft reichte bis an die Küste. Zuletzt hatte man 1575 durch Erbschaft noch die bedeutende Herrschaft Jever dazu gewonnen. Die größte und klügste
Tat Anton Günthers war zweifellos, dass er seine Grafschaft durch strikte Neutralität aus
dem 30-jährigen Krieg heraushalten konnte. Deshalb wird er im Oldenburgischen heute
noch als „Vater des Vaterlandes“ verehrt.
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Sein Meisterstück lieferte der Graf aber 1612 ab, als er bei der Wahl von Kaiser Mathias
zugegen war.
Er schilderte dem Kaiser die hohen Kosten des Deichbaus an der Weser, sodass 1623
eine Zollurkunde ausgefertigt wurde, nach der alle die Weser nach und von Bremen passierenden Schiffe eine Abgabe zahlen mussten. Die Bremer liefen lange Zeit vergeblich
Sturm gegen diese Verfügung. Der Deichbau sah nicht viel von dem reichen Geldsegen,
der jetzt in die gräfliche Kasse strömte, aber letztlich profitierte das ganze Land davon.
Ein Spross aus dem Grafengeschlecht hatte es bis zum König von Dänemark gebracht.
Als Anton Günther 1667 ohne legitimen Erben starb, fiel Oldenburg an die dänische Krone und kam unter dänische Verwaltung. Noch im Todesjahr wurde Oldenburg von der
Pest heimgesucht – und da gab es keine Neutralität. Nur zehn Jahre später wurde die
Stadt Oldenburg durch einen Großbrand weitgehend zerstört. 1717 war es die Weihnachtsflut, die den Nordteil des Landes stark in Mitleidenschaft zog.
Während also in Oldenburg jetzt die Dänen das Sagen hatten, gingen nebenan in Hannover die Engländer ein und aus. Kurfürst Georg Ludwig erbte 1714 den englische Thron
und regierte nun als „King George the First“ auch in England. Diese Personalunion hatte
Bestand bis 1837. In Oldenburg ging der Wechsel weiter. Durch einen Tauschhandel
wurde die Grafschaft Oldenburg 1773 Eigentum des Hauses Schleswig-Holstein-Gottorf,
dessen Oberhaupt der spätere Zar Paul war. Der wiederum reichte den Neuerwerb
schon vier Tage später an seinen Vetter Friedrich-August, den Fürstbischof von Lübeck,
weiter. Dieser wurde daraufhin von Kaiser Joseph II. in den Herzogstand erhoben. Das
neue Herzogtum bestand nun aus zwei Teilgebieten: der alten Grafschaft Oldenburg und
dem Hochstift Lübeck mit der Residenzstadt Eutin. Sein Nachfolger verlegte die Residenz aber gleich wieder zurück nach Oldenburg.
Das Jeverland hatte Dänenherrschaft und Tauschhandel nicht mitmachen müssen. Es
war testamentarisch an das Fürstentum Anhalt-Zerbst gefallen und landete 1795 folgerichtig in Russland bei Zarin Katharina der Großen, vormals Prinzessin von AnhaltZerbst.
1803 wurde im so genannten Reichsdeputationshauptschluss das „Heilige Römische
Reich Deutscher Nation“, das bereits in Agonie lag und drei Jahre später starb, noch
einmal neu aufgestellt. Die Fürsten, die ihre Besitzungen links des Rheins an Frankreich
abtreten mussten, sollten rechtsrheinisch entschädigt werden. Das geschah hauptsächlich durch Auflösung der geistlichen Fürstentümer und die Eingliederung bisher reichsunmittelbarer Gebiete und Städte. Die Landkarte veränderte sich stark, das deutsche
Sprachgebiet blieb zwar ein Flickenteppich, aber die Flicken waren größer und wesentlich weniger geworden. Für Oldenburg fielen dabei im Tausch gegen den Weserzoll die
Ämter Wildeshausen, Vechta und Cloppenburg ab. Die Landschaft Oldenburg nahm ihre
heutige Gestalt an.
Ein paar Jahre später war das alles schon wieder vorbei. Napoleon schließt Oldenburg
dem französischen Staatsverband an.
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Nach Napoleons Sturz wenige Jahre später konnte der Herzog aus dem russischen Exil
zurückkehren und wurde ein Jahr später auf dem Wiener Kongress zum Großherzog befördert. Und als 1818 das Jeverland vom russischen Zaren zurückgegeben wurde, hatte
das Großherzogtum Oldenburg seine endgültige Gestalt gefunden. Da es sich 1866
rechtzeitig auf die Seite der siegreichen Preußen geschlagen hatte, blieb es von Gebietsverlusten verschont und trat in diesen Grenzen als Staat in das1870 gegründete
Kaiserreich ein. Nach dem Thronverzicht des Großherzogs Friedrich August 1918 blieb
Oldenburg Freistaat bis zum 8.11.1946. Da wurde durch Erlass der britischen Militärregierung das Land Niedersachsen gegründet, Oldenburg verlor seine Selbstständigkeit.
Durch einen positiven Volksentscheid wollte man 1956 noch einmal die Eigenständigkeit
erzwingen, aber der Bundestag lehnte es ab, das Land Oldenburg wieder herzustellen.
Die Bremer
Es ist anzunehmen, dass die Bremer Düne bereits in der Jungsteinzeit besiedelt wurde.
Auf dem Dünenrücken war man sicher vor Überschwemmungen. Zudem gab es hier
auch eine gute Furt durch die Weser. Um 250 v. Chr. drangen Sachsen in das Gebiet ein
und vermischten sich mit den bereits ansässigen Chauken, ebenfalls ein Germanenstamm. In der karolingischen Zeit war auf dem höchsten Punkt der Düne bereits eine
Kaufmannssiedlung entstanden, die vom regen Durchgangsverkehr lebte. Der Name
Bremen taucht urkundlich erstmals 838 auf. Das Wort sollte wohl so viel heißen wie „Am
Rande (der Düne) liegend“. Um diese Zeit war in der Gegend schon fleißig missioniert
worden. Karl der Große erhob Bremen schon zum Bischofssitz, wenn auch die Stiftungsurkunde von 788 sich später als Fälschung erwies.
Das junge Gemeinwesen entwickelte sich in einem für die damalige Zeit
atemberaubendem Tempo. Schon 789 zierte den höchsten Punkt der
Düne ein Dom, der dem Apostel Petrus geweiht wurde. Dessen Attribut,
der Schlüssel, wurde zum Bremer Wappen.
848 wurde Bremen bereits Erzbistum, nachdem der Erzbischof von
Hamburg wegen eines Normanneneinfalls seinen Sitz nach Bremen verlegt hatte. 888 erlangte Erzbischof Rimbert von Kaiser Arnulf von Kärnten neben dem Marktrecht auch das Münz und Zollrecht. 937 erneuerte
Otto I. die Rechte und versicherte den in Bremen ansässigen Kaufleuten den gleichen Schutz wie den königlicher Städte. Aus dem im November abgehaltenen Markt entwickelte sich der legendäre Bremer Freimarkt.
Im gleichen Tempo kamen aber auch die Heimsuchungen über Bremen. Bereits 850
wurde der erste Dom von den Wikingern niedergebrannt. 915 kamen die Ungarn, brannten die Kirchen nieder und verschleppten die Einwohner. 1041 zerstörte eine Feuersbrunst den Großteil der Stadtbebauung und den im Bau befindlichen Salischen Dom.
Doch Erzbischof Adalbert war ein energischer Mann. Er ließ den Dom, der die romanische Keimzelle des heutigen gotischen Doms ist, wieder aufbauen.
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Er förderte kräftig den Handel mit den Staaten an der Nordsee, aber auch mit dem Hinterland im Weserbereich, so dass Bremen zu einem bedeutenden Warenumschlagplatz
wurde. Aber nicht nur der Handel brachte Erfolge. Adalbert holte Benediktiner nach Bremen, welche die Macht der Geistlichen stärkten. Holländische Siedler machten das
sumpfige Land nördlich von Bremen urbar und auch auf Reichsebene nahm man jetzt
von der aufstrebenden Stadt an der Weser Notiz.
Ein zunehmend selbstbewusstes Bürgertum und eine starke geistliche Obrigkeit – das
konnte auf die Dauer nicht gut gehen. Zunächst aber ging es. Mit den im „Gelnhauser
Privileg“ von 1186 durch Kaiser Friedrich Barbarossa verbrieften Rechten konnten die
Bürger nicht viel anfangen, weil sie noch nicht über die erforderlichen Selbstverwaltungsorgane verfügten. Obwohl nach dem Dekret jetzt eine freie Reichsstadt, musste die
Unabhängigkeit erst noch errungen werden. Das ging zunächst auf friedlichem Wege.
1217 standen sich Stadt und Erzbischof in einer als „concordia“ bezeichneten Übereinkunft erstmalig gleichberechtigt gegenüber. Aber dann spannte Erzbischof Gebhard II.
eine Eisenkette über die Weser und verlangte Zoll von den Bremern. Die Eisenkette verschwand aber bald wieder und 1233 musste dieser Erzbischof den Bremern ihre eigenständigen Rechte und auch das Stadtrecht bestätigen.
Die Bremer bauten als Zeichen ihrer Eigenständigkeit eine große Stadtmauer und traten
1260 der Hanse bei. Nur 25 Jahre später warf man sie wieder raus. Bremen hatte sich
als schwieriger Bündnispartner erwiesen. Während die Ostsee-Hanseaten den WestOst-Handel ankurbeln wollten und deshalb eine Blockade Norwegens beschlossen, wollte Bremen seinen florierenden Nord-Süd-Handel nicht aufgeben und verweigerte die Zustimmung. Ein weiterer Grund war das lasche Vorgehen der Bremer gegen Seeräuber.
Sie wollten es sich nicht mit den Friesen verderben, die hin und wieder ja auch zur Seeräuberei neigten.
Die Bremer hatten auch genug mit sich selbst zu tun. Der Handel florierte, aber die städtische Selbstverwaltung funktionierte schlecht. Mal stritt der Rat mit den Patriziern, mal
muckten die Handwerker gegen ungerechte Abgaben auf, mal ließen sich die Bremer in
langwierige und kostspielige Fehden einbinden. Und dann kam die Pest. Allein in einem
Jahr sollen von den damals 15.000 Einwohnern 7.000 von der Pest dahin gerafft worden
sein. Und dann war Bremen pleite, klopfte wieder demütig bei der Hanse an und bat um
Wiederaufnahme. Dennoch blieb es ein zwiespältiges Verhältnis. Bremen verlangte immer viel und gab wenig. 1427 war mal wieder Schluss.
1438 wurde die Stadt wieder aufgenommen, entwickelte sich zum hoch geschätzten Mitglied und konnte mehrfach den prestigeträchtigen Hansetag ausrichten.
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Der dritte Ausschluss erfolgte wegen konfessioneller Differenzen und war ebenfalls nur
kurzfristig. Die Hanse war damals schon im Niedergang begriffen. Nutznießer daraus
wurde Bremen. Die Stadt war jetzt die führende Macht im Nordseehandel und hatte im
Hansekontor Bryggen in Bergen das Sagen.
Die Reformation ging natürlich auch nicht spurlos an Bremen vorbei. Die Streithähne waren aber nicht der katholische Erzbischof und der den Reformen zugewandte Rat, sondern zwei Parteien im Rat. Reformierte und Lutheraner stritten sich ein Jahrhundert lang
um die neue Glaubensrichtung. Im Zuge dieser Auseinandersetzung wurde Bremen zum
zweiten Mal aus der lutherisch orientierten Hanse ausgeschlossen und zeitweise sogar
mit der Reichsacht belegt.
Innenpolitisch musste Bremen den „Aufstand der 104 Männer“ verkraften, eine Revolte
von unten, die auf dem Gedankengut der mit der Reformation hochgekommenen Auffassung, dass alle Menschen gleichberechtigt seien, fußte. Nach anfänglichen Erfolgen der
„104“ gelang es dem Rat, die alten Verhältnisse wiederherzustellen. Gegen die friesischen Seeräuber startete Bremen dann eine Strafexpedition die friesische Küste entlang.
81 Gefangene wurden hingerichtet und die Gefahr für die Schifffahrt war beseitigt. Im
Schmalkaldischen Krieg lief Bremen Gefahr, erobert zu werden. Bremen war dem
Schmalkaldischen Bund der protestantischen Fürsten beigetreten und als es zum Krieg
mit dem Kaiser kam, wurde Bremen 1547 von einem kaiserlichen Heer belagert, das
aber wegen Versorgungsschwierigkeiten wieder abziehen musste.
Dann kam der 30-jährige Krieg. Bremen blieb – wie Oldenburg – zunächst neutral und
deshalb ebenfalls von den Exzessen der Mansfeldschen Soldateska verschont. Erst
1632 trat die Stadt offen auf die Seite der Schweden. In dieser Zeit öffnete Erzbischof
Friedrich II., Dänenprinz und späterer König von Dänemark und Norwegen, den Dom für
lutherische Gottesdienste. Beides war ein Affront gegen den Kaiser und gefährdete den
Status der Reichsunmittelbarkeit. 1643 stand der schwedische General von Königsmarck, eigentlich ein Verbündeter, vor den Toren. Aber die Bremer ließen ihn nicht rein
und er musste wieder abziehen.
Die Folgen der Neutralität bekam Bremen aber nach dem Westfälischen Frieden zu spüren. Der umfangreiche Landbesitz des Erzbistums wurde säkularisiert und fiel gemeinsam mit dem ebenfalls säkularisierten Hochstift Verden als Herzogtum Bremen-Verde an
Schweden. Jetzt hatten rechts der Weser die Schweden das Sagen und ab1667 links
der Weser, in Oldenburg, die Dänen. Nur gut, dass sich die beiden Länder einander nicht
grün waren. Bremen versuchte, das frühere Gebiet des Erzbischofs zurückzugewinnen,
verlor aber im ersten bremisch-schwedischen Krieg 1654. Da die Reichsunmittelbarkeit
Bremens nicht anerkannt wurde, war klar, dass Schweden eine Annektion der Stadt
plante. So wurden 1666 erneut die Waffen gekreuzt und diesmal mussten die Schweden
die besondere Rolle Bremens bestätigen. Das dauerte aber nur bis 1715, als das Herzogtum Bremen an das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg fiel. Der mächtige Nachbar erhob Besitzansprüchen an die Stadt und stellte die Reichsunmittelbarkeit in Frage.
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Im Stader Vergleich von 1741 musste Bremen große Teile seines Landbesitzes opfern,
um seine Unabhängigkeit bestätigt zu bekommen.
Vorübergehend folgte eine friedliche Periode und die Bremer konnten sich wieder dem
zuwenden, was sie am besten konnten: Handel treiben. 1783 begann der direkte Transatlantikhandel mit den USA. Im Reichsdeputationshauptschluss 1803 erhielt Bremen die
im Stader Vergleich verlorenen Gebiete wieder zurück und beim Wiener Kongress brachte der Bürgermeister Johann Smidt das Kunststück fertig, dass Bremen als souveräner
Staat in den Deutschen Bund aufgenommen wurde.
Um sich den Zugang zum Seehandel
zu erhalten, erwarb Bremen 1827
vom Königreich Hannover Land an
der Wesermündung und baute hier in
wenigen Jahren einen neuen Hafen.
Zwischen 1832 und 1960 verließen
mehr als sieben Millionen Auswanderer von hier aus die „Alte Welt“.
1847
wurde
Bremerhaven
Ausgangspunkt der ersten Dampferlinie von Europa nach Amerika. 1851
wurde es zur eigenständigen Stadt
innerhalb des bremischen Staates erhoben. Der Norddeutsche LLoyd, 1857 gegründet,
stieg neben der HAPAG zur größten deutschen Reederei auf. In den 20er-Jahren waren
in Bremen 90 Segelschiffe registriert. 1884 waren es 356 Seeschiffe.
Während also die wirtschaftliche Entwicklung boomte, blieb die gesellschaftliche Ordnung verkrustet. In der Märzrevolution 1848 wurden auch in Bremen gesellschaftliche
Reformen gefordert und in einer neuen Verfassung auch in Kraft gesetzt, aber vom Senat schon drei Jahre später wieder aufgehoben. Selbst in einem vorgeblich demokratisch
regierten Stadtstaat behielten also die reaktionären Kräfte die Oberhand. Das Klassenwahlrecht benachteiligte die Masse der Bevölkerung in eklatanter Weise. Andererseits
wurde Bremen somit als selbstständiger Staat unter dem Namen „Freie Hansestadt
Bremen“ in das Deutsche Kaiserreich aufgenommen. In der Gründerzeit ging die wirtschaftliche Entwicklung weiter nach oben. Die Weser wurde begradigt, 1888 der erste
Freihafen eröffnet. Viele Industriebetriebe ließen sich nieder.
Auf der Werft Weser AG arbeiteten bis zu 20.000 Menschen, auf der Vulkan Werft waren
es ebenfalls an die 4.000. Beide Werften bauten Schiffe für den Norddeutschen LLoyd,
die zwischen 1898 und 1930 fünf Mal das Blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung errangen.
Nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde aus der Stadtrepublik Bremen ein Bundesland
der Weimarer Republik. Würde Bremen seine Selbstständigkeit auch über den totalen
Zusammenbruch im Zweiten Weltkrieg hinweg retten können? Ein Einbinden der schwer
zerstörten Stadt in den Großraum Niedersachsen wäre doch logisch gewesen.
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Die Bremer hatten Glück. Obwohl Teil der Britischen Besatzungszone, beanspruchten
die Amerikaner Bremerhaven als Drehscheibe für die Rückführung ihrer Truppen. Das
frühere Land Bremen gehörte seit 1947 als Exklave zur Amerikanischen Besatzungszone. Das erleichterte es Bremen, seine Selbstständigkeit gegenüber dem niedersächsischen Umland zu erhalten. So wurde Bremen 1949 ein Land der Bundesrepublik
Deutschland.
Unabhängig seit 800 Jahren! Alle Achtung, Bremen!
Wir haben uns ausführlich mit der Geschichte der Landschaft befasst, durch die wir dieses Jahr fahren werden. Jetzt werden wir berichten, was es auf der Strecke an Schönem
und Interessantem zu sehen gibt.
Am Anfang steht, wie immer, der Prolog in und um Gießen.
Unsere Stadt Gießen!
Gießen ist die Stadt mit der höchsten Studentendichte in Deutschland. Bei einer Gesamtbevölkerung von rund 80.000 Einwohnerinnen und Einwohnern werden an der Justus-Liebig-Universität und der Technischen Hochschule Mittelhessen rund 43.000 angehende Akademiker ausgebildet.
Mit seiner lebendigen Innenstadt und seiner kulturellen wie gastronomischen Vielfalt präsentiert sich das im 12. Jahrhundert gegründete Gießen heute als Oberzentrum Mittelhessens, das bei aller Betriebsamkeit überschaubar bleibt. Gießens historische Altstadt
wurde am Ende des Zweiten Weltkriegs weitgehend zerstört, doch spätestens auf den
zweiten Blick erschließen sich dem Betrachter die schönen Winkel und der eigenwillige
Charme der jungen und liebenswerten Universitätsstadt.
Der Botanische Garten in Gießen ist der älteste botanische Universitätsgarten in
Deutschland, der noch an seinem ursprünglichen Standort verblieben ist.
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Er wurde 1609 durch den Mediziner und Botaniker Ludwig Jungermann als „Hortus Medicus“ (Medizinischer Heilpflanzengarten) angelegt. Zunächst nur zur Züchtung von Heilpflanzen genutzt, wurde er 1825 mit dem benachbarten forst-botanischen Garten (von
Friedrich L. Walther, 1759 - 1824) vereinigt, womit er seine heutigen Ausmaße erhielt.
Mitten im Stadtzentrum gedeihen auf einer Fläche von vier Hektar rund 8.000 Pflanzenarten aller Erdteile, aber auch seltene heimische Gewächse. Der Botanische Garten
dient auch heute noch wissenschaftlichen Zwecken. Zugleich ist er ein grüner, idyllischer
Ruhepol inmitten der Gießener Innenstadt.
Am Südostrand des Gießener Stadtwaldes erhebt sich sechs Kilometer vom Stadtzentrum entfernt der Schiffenberg (281 m) mit seinen weithin sichtbaren Baulichkeiten. Die
von einer kräftigen Mauer umgebene ehemalige Klosteranlage umfasst mit ihren noch
erhaltenen Gebäuden einen weiten Innenhof mit altem Baumbestand.
Die „Skephenburc“ („Schöffenburg“) Schiffenberg ist wohl um 780 als Etappenhof zur Sicherung der Vorbeifahrenden entstanden. Ausgrabungen an der Nordseite der Klosteranlage bezeugen, dass es auf dem Schiffenberg bereits eine spätbronzezeitliche Höhensiedlung (ca. 1.000 v.Chr.) gab. Gräfin Clementia von Gleiberg stiftete zwischen
1103 und 1105 den Augustinermönchen aus Springiersbach den Schiffenberg mit der
Auflage, dort ein Chorherrenstift zu errichten. 1129 wurde die Kirche vom Trierer Erzbischof Meginer geweiht. 1323 bis 1809 wurde das Kloster vom Deutschen Orden verwaltet. Für ihn wurden das Komturei-Gebäude (1493 - 1500) und die ehemalige Propstei
(1463) mit schönen Erkern erbaut, die ursprünglich kleine Türmchen trugen. Zwischen
beiden steht ein jüngerer Bau (1700) mit einem Portal und einem schön gestalteten
Brunnen (1715).
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Im 1716 ergänzten Pferdestall befindet sich heute eine Gießener Kunstgalerie mit ständigen Wechselausstellungen. An seiner Nordseite steht die 1130 bis 1150 erbaute eindrucksvolle romanische Pfeilerbasilika mit Querschiff und achteckigem Vierungsturm. Da
das südliche Seitenschiff in der Zeit der Säkularisierung abgetragen wurde, schaut man
heute von außen durch die Langhausbögen ins Innere der Kirche. Im Sommer finden auf
dem Schiffenberg Gottesdienste und kulturelle Veranstaltungen statt, unter anderem der
„Musikalische Sommer“ mit einem beachtlich vielseitigen Angebot. Auch befinden sich in
der Anlage ein Restaurant sowie ein im Sommer gut besuchter Biergarten. Vom Plateau
des Schiffenbergs aus bietet sich den Besucherinnen und Besuchern ein herrlicher Ausblick in die Region. Von hier aus sind auch die nördlichen Ausläufer des Limes, des Römischen Grenzwalls, auszumachen.
Mittwoch, 10. August, der Prolog in der Stadt und im Landkreis Gießen!
Ab 08.00 Uhr laden die Stadtwerke Gießen im SWG-Treff zum gemeinsamen Frühstück ein.
Die Begrüßungen beginnen um 09.20 Uhr mit Ansprachen vom
Stadtverordnetenvorsteher Egon Fritz und den Vorständen der
SWG, Jens Schmidt und Matthias Funk.
Bevor wir starten, wird uns von Kirchenpräsident Dr. Volker Jung
der Reisesegen erteilt.
Der erste Stopp nach 9 km ist in Lollar. Bei Bosch KWK Systeme
GmbH, dem größten Arbeitgeber Lollars, begrüßen uns Bürgermeister Dr. Bernd Wieczorek und Bosch-Geschäftsführer
Ralf Klein.
Die Fahrt führt uns nun weiter nach Buseck.
Im Gewerbegebiet von Großen-Buseck erwartet uns bei Schwabfrucht
Inhaber Horst Rieper.
Das Unternehmen Schwabfrucht steht für Handel, Logistik und Dienstleistungen rund um die Frucht. Das komplette Kaleidoskop des grünen
Sortiments aus aller Welt findet hier einen Anlaufpunkt.
Die Tour rollt weiter in das Europaviertel von Gießen zu dem Fachgroßhandel Egon Klein. Inhaber Gerhard Klein wird uns gewiss wieder mit einem Scheck überraschen.
Weiter rollen wir nach Steinbach.
Am Rewe-Markt begrüßen uns Inhaberin Katja Kohl
und Bürgermeister Stefan Bechthold.
Beide werden uns mit einer weiteren Spende erfreuen.
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Unser nächster Haltepunkt ist Lich, die „Stadt im Herzen der Natur“. Lich liegt an dem
Flüsschen Wetter, das der Wetterau zwischen Taunus und Vogelsberg den Namen gibt.
Wir fahren zur Licher Privatbrauerei IhringMelchior.
Im Jahr 1854 gegründet, verfügt sie über eine
lange Tradition.
Traditionell ist auch die große Unterstützung der
Tour durch das Unternehmen.
Begrüßt werden wir im Brauereihof von Bürgermeister Bernd Klein und Brauerei-Geschäftsführer Dr. Ulrich Peters.
Nach einem erfrischenden Licher Pils müssen wir den Hügel in
Richtung Gießen überwinden und danach rollen wir gemächlich
nach Pohlheim zur Feuerwache.
Dort werden wir von Bürgermeister Udo Schöffmann willkommen geheißen.
Lassen wir uns überraschen, was die vielfältigen Aktivitäten zu
Gunsten der Tour unter Leitung des Vorsitzenden der Feuerwehr Pohlheim, Ulli Kuhn,
erbracht haben.
Wir fahren weiter zur Möbelstadt Sommerlad, wo uns der Geschäftsführer, Tourfreund und Mitradler
Frank Sommerlad erwartet.
Als besondere Überraschung wird die Sängerin
Antonia aus Tirol bei Sommerlad auftreten.
Nach einer Polonaise rollt die Tour weiter zu den „Alten Brauereihöfen“
im Leihgesterner Weg.
Dort hat die LÜCK Gruppe ihren Hauptsitz. Begrüßt werden wir von den Inhabern, den
Brüdern Ingo und Udo Lück.
Der nächste Stopp ist in der Plockstraße im Herzen von Gießen.
Vor der Volksbank Mittelhessen begrüßt uns Hans-Heinrich Bernhardt,
Mitglied des Vorstands, und überreicht eine Spende.
Die Tour rollt weiter nach Heuchelheim zu der Rinn Beton- und
Naturstein GmbH. Geschäftsführer Christian Rinn wird die
Hoffnungsradler im Rinn-Ideengarten begrüßen.
Die letzte Etappe führt uns zurück zu den Stadtwerken Gießen.
Dort warten schon die Busse zum Transfer ins Michel Hotel nach
Wetzlar.
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Der erste Tag endet im Licher Golfclub, Fürstliches Hofgut Kolnhausen, bei einer gemütlichen Grillparty und einigen Spendenübergaben sowie einem Auftritt von unserem
musikalischen Botschafter Michael Heck.
Danach bringen uns die Busse in das Michel Hotel in Wetzlar, wo wir sicherlich einen
erholsamen Schlaf finden.
Donnerstag, 11. August 2016: Der Tag in Niedersachsen und Bremen!
Am Donnerstag steht zunächst eine 345 km lange Busfahrt auf dem Programm.
Gegen Mittag erreichen wir Cloppenburg, unseren Startort. Aufgerüstet wird bei der
Firma Derby Cycle. Das Unternehmen ist mit seinen diversen Marken der größte Fahrradproduzent Deutschlands und vor allem führend in Entwicklung und Produktion von
Elektrofahrrädern. Herr Sudhoff der die Tour willkommen heißt, wird uns sicher mehr
darüber berichten. Exklusiv für uns ist die Ausstellung der Radmodelle 2017 geöffnet.
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Um 12.45 Uhr startet die Tour. Wir fahren zunächst durch Cloppenburg und daher müssen wir an dieser Stelle etwas zu Stadt und Land sagen.
Cloppenburg, eine Kreisstadt mit 30.000 Einwohnern, ist der Hauptort des Oldenburger
Münsterlands. Das heißt so, weil das Gebiet früher zum Bistum Münster gehörte und erst
nach der Säkularisierung der geistlichen Fürstentümer 1803 dem Herzogtum Oldenburg
einverleibt wurde. Die 400-jährige Herrschaft der Münsteraner Bischöfe macht sich bis
heute bemerkbar. Viele Sitten und Gebräuche aus dem Westfälischen haben hier überdauert. Das Oldenburger Münsterland ist stark landwirtschaftlich geprägt, aber es ist kein
armes Land. Stattliche Fachwerkhöfe, Prachtstücke ländlicher Architektur – oft seit
Jahrhunderten im Besitz der gleichen Familie, zeugen von gewachsenem Wohlstand.
Cloppenburg ist ein Zentrum der Pferdezucht. Statt
der kräftigen “Oldenburger“-Arbeitspferde werden
hier edle Turnierpferde gezüchtet, die auf den
Auktionen in aller Welt Höchstpreise erzielen.
Die Industrie vor Ort hat ebenfalls landwirtschaftliche Wurzeln, was sich am 76 m hohen
„Pfanni-Turm“ deutlich ablesen lässt.
Ein Schmuckstück ist das Museumsdorf mitten in
der Stadt. Man kann nicht weniger als 80 alte Gebäude aus dem 16. bis 18. Jahrhundert,
die original wieder aufgebaut wurden, bewundern.
Wir fahren nun in Richtung Bremen. An diesem Nachmittag werden wir viel Gegend und
wenig Volk zu sehen bekommen, denn die Etappen sind flach aber lang. Der einzige Halt
ist nach 38 km in Dötlingen, dem wohl schönsten Dorf in weitem Umkreis mit seinen
reetgedeckten Niedersachsenhöfen. Der Ort gewann beim bundesweiten Wettbewerb
„Unser Dorf hat Zukunft“ 2010 die Goldmedaille.
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Im Wettbewerb „Entente Floral Europe“ wurde auf europäischer Ebene 2012 die Silbermedaille errungen. Der Empfang durch Bürgermeister Ralf Spille findet vor dem Kindergarten statt.
Wir fahren weiter durch die Wildeshauser Geest. Das ist uraltes Kulturland. Typisch sind
die vielen Großsteingräber aus der Bronzezeit, die hier anzutreffen sind. Die schönsten
der gefundenen Grabbeigaben befinden sich heute im Landesmuseum in Oldenburg.
Von Dötlingen aus erreichen wir Wildeshausen.
Die Stadt hatte im frühen Mittelalter eine große Bedeutung, denn hier kreuzte die „Flämische Strasse“ von Lübeck nach Flandern, die Hunte. 1270 erhielt Wildeshausen die
Stadtrechte, deutlich früher als Oldenburg.
Wir durchfahren die Stadt mit ihrem schönen gotischen Rathaus nur kurz auf unserem
Weg nach Bremen.
Bei Brinkum fahren wir ins Bremer Stadtgebiet ein. Wenn wir bei dem Unternehmen ZFService haltmachen, haben wir eine Etappe von 45 km gefahren. ZF – die Zahnradfabrik
Friedrichshafen – ist ein weltweit agierender Technologiekonzern. Bekannt ist er vor allem als Zulieferer der Autoindustrie, speziell für Getriebe.
Das Unternehmen engagiert sich aber auch zunehmend in Zukunftstechnologien wie automatisiertes Fahren und Internet gesteuerte Produktions- und Anwendungsprozesse.
Empfangen werden wir vom Standortleiter Christof Marzian. Sicher wird er uns noch einiges Wissenswerte über dieses fortschrittliche Unternehmen vortragen.
Bis zum nächsten Halt am Markt sind es nur wenige Kilometer. Der Marktplatz ist sozusagen Bremens „Gute Stube“. Hier steht das Rathaus mit seiner strengen gotischen
Fassade, von wo aus die vornehmen Geschlechter viele Jahrhunderte die Geschicke der
Stadt lenkten. Auf der anderen Seite der Schütting mit seiner Renaissancefassade, das
Haus der Kaufmannsgilde, steingewordene Opposition zum Herrschaftsanspruch gegenüber. Von der Seite her erinnert Bremens Petersdom daran, wer ganz früher hier das
Sagen hatte. Und wer das heute ist, bezeugt das „Haus der Bürgerschaft“, das man in
den 60er-Jahren zwischen Rathaus und Schütting setzte. Seinerzeit als avantgardistisch
empfunden, sprengt es aber die schöne Intimität dieses Platzes nicht.
Die Giebelhäuser auf der gegenüberliegenden Seite lockern dieses großartige architektonische Ensemble wieder auf.
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Mittendrin der Roland als Symbol der städtischen Freiheit. Einen schöneren Empfangsort für die Tour kann man sich kaum vorstellen. Frau Senatorin Prof. Dr. Eva QuanteBrandt wird die Tour dort willkommen heißen.
Nimmt man die Liebfrauenkirche, die älteste Kirche Bremens,
die 1953 von Gerhard Marcks geschaffene Skulptur der Bremer
Stadtmusikanten und vor allem die Böttcherstraße, die hinter
dem Schütting zur Weser führt, dazu, dann hat man das
Schönste, das Bremen zu bieten hat, sozusagen auf einem
Präsentierteller.
Wir werden einiges von außen zu sehen bekommen, anderes
leider gar nicht – wie die Böttcherstraße, die heute als größte
touristische Sehenswürdigkeit Bremens gilt.
Die Geschichte der Böttcherstraße ist die Geschichte eines
Mannes. Der hieß Ludwig Roselius und war einer der kleinen
Kaffeeröster Bremens.
Er machte eine ganz besondere Erfindung: den
entkoffeinierten Kaffee. Sein Kaffee HAG
eroberte die Märkte und machte Ludwig Roselius
zum schwerreichen Mann.
Zu seinem Erfolg gehörte aber nicht nur das
neuartige Produkt allein, sondern auch ein Bruch
mit alten Traditionen der Bremer Kaufmannschaft. Die stand jeder Art von Werbung ablehnend gegenüber. „Schiffe und Fische, Tabak und
Wein, Kaffee und Tee empfehlen sich durch
langjährige traditionsgebundene Beziehungen
von selbst“, war die Maxime. Wer seine Ware öffentlich anpreise, beweise damit nur,
dass er es sehr nötig habe.
Ludwig Roselius setzte andere Prioritäten: Die Ware muss gut sein und die Werbung Niveau haben. Die Suche nach originellen Malern und Zeichnern brachte ihn früh in Kontakt zur Künstlerkolonie Worpswede. Vor allem von den Arbeiten der Malerin Paula Modersohn-Becker angezogen, war er von da an allem Kulturellen genauso zugetan wie
seinen Geschäften. Sein Reichtum gestattete es ihm, sich als Mäzen zu betätigen.
Da er bereits ein altes Patrizierhaus in der Böttcherstraße besaß, das er sorgfältig restauriert hatte, beschloss er, die ganze Gasse zu einem Gesamtkunstwerk umzubauen, in
dem Traditionelles und Avantgardistisches gleichermaßen seinen Platz finden sollte.
1922 kaufte er eine Seite der Böttcherstraße. Ein Jahr später kaufte der Senat die andere Seite, legte die baufälligen Häuser nieder, und überließ den Baugrund Roselius in
Erbpacht. Und der fing an, zu bauen. Als er 1931 fertig war, erntete er zum Teil Zustimmung, aber weitaus mehr Hohn und Spott. Zu gegensätzlich und verwirrend erschienen
Form und Aussehen der einzelnen Häuser.
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Neben historischer Backsteinrenaissance entstanden Bauten, die vom genialen Katalanen Antoni Gaudi inspiriert waren. Auch hatte sich der politische Wind gedreht. „Völkisches“ stand im Vordergrund und dafür war die neue Böttcherstraße die reinste Provokation.
Ludwig Roselius hielt eisern an seinem Konzept und seinen Künstlern fest. Zu dem geplanten Abriss kam es nicht mehr. Das besorgten die Kriegseinwirkungen 1944, ein Jahr
nach dem Tod von Ludwig Roselius. 1954 baute die HAG-AG sie originalgetreu und aus
eigenen Mitteln wieder auf. Jetzt schlossen auch die Bremer ihren Frieden mit der Böttcherstraße, die sich mehr und mehr zum Besuchermagneten entwickelte, bis sich
schließlich jeden Tag Menschenströme hindurch schoben.
Wenn man die Böttcherstraße richtig verstehen will, muss man Zeit mitbringen – die wir
jedoch nicht haben. Man darf sie nicht nur von außen, sondern muss sie auch von innen
besichtigen. Sie beherbergt drei Museen, Galerien, ein Theater und interessante Läden,
dazu eine Innenarchitektur, die der außen in nichts nachsteht.
Nach dem Empfang am Rathaus sind es nur noch wenige Kilometer bis zu unserem Tagesziel, dem Hotel Maritim in der Hollerallee.
Das Hotelzimmer, die Dusche und der Chugai-Abend im Borgward-Saal des Maritim
erwarten uns.
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Freitag, 12. August 2016: Der lange Weg nach Jever!
Der Start erfolgt vom Hotel Maritim aus. Wir fahren durch die Hollerallee. Der Name erinnert an die Holländer, die sich hier ansiedelten und als fachkundige Leute das Bremer
Umland entwässerten. Wir passieren den Vorort Walle und fahren dann durch eine sehr
interessante Gegend: Links fließt die Weser und rechts erstreckt sich das Teufelsmoor,
mitten drin die berühmte Künstlerkolonie
Worpswede.
Das Hochmoor hatte früher einen Torfkörper bis
zu 15 m Tiefe, der aber weitgehend abgebaut
wurde. Erst im 17. und 18. Jahrhundert wurde dieses Gebiet besiedelt. Es waren vor allem arme
Knechte und Mägde, die sich durch die Aussicht
auf eigenen Besitz in diese unwirtliche Gegend
wagten. Die Lebensbedingungen waren so schlecht, dass man im Volk den Spruch prägte: „Den Eersten sien Dood, den Tweeten sien Noot, den Drüdden sien Broot“. Heute ist
der Torfabbau gestoppt und das Gebiet unter Naturschutz gestellt.
Wir kommen zum ersten Stopp, der Faun Umwelttechnik GmbH in OsterholzScharmbeck. Die FAUN Umwelttechnik GmbH ist ein deutsches Unternehmen, fertigt
Abfallsammelfahrzeuge und Kehrmaschinen und ist ein Teil der Kirchhoff Gruppe. Beim
Empfang durch die Geschäftsleitung werden wir
bestimmt mehr darüber erfahren.
Über Osterholz-Scharmbeck selbst, die niedersächsische Kreisstadt mit 30.000 Einwohnern, wird
uns dann Bürgermeister Torsten Rohde informieren.
Wir fahren anschließend wieder zur Weser, die wir
im Bremer Vorort Vegesack mit einer Fähre überqueren.
Auf der anderen Seite der Weser sind wir in Lemwerder, besuchen dort Hof Sosath und
werden begrüßt von Gerd Sosath und Lemwerders Bürgermeisterin Regina Neuke.
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Zucht und Sport an einem Ort – dieses Motto zieht sich wie ein roter Faden durch alle
Aktivitäten des Hofes Sosath. Zum Spektrum gehören eine Hengststation, Zucht, Aufzucht, Ausbildung von jungen Pferden, Turniervorstellungen und Verkauf von Pferden aller Alters- und Ausbildungsklassen. Rund 300 Pferde leben auf dem Hof – bei idealen
Bedingungen, inmitten der idyllischen Wesermarsch-Landschaft mit endlosen saftigen
Weiden.
Lemwerders größte Errungenschaft sollten die 1936 gegründeten Weser Flugzeugwerke
werden. Krieg und Nachkriegszeit verhinderten das. Bis 2010 wurde das Werk noch für
Wartungsarbeiten von der EADS benötigt, dann wurde der Standort geschlossen. Die
Start- und Landebahn wird heute nur noch von Segelflugzeugen genutzt. An die fliegerische Vergangenheit erinnert das Luftfahrt-Technik-Museum und das alljährlich im August
auf dem Ritzenbütteler Sand stattfindende weithin bekannte Drachenfest.
Wir sind nun in der Wesermarsch, in der historischen Landschaft Stedingen, die durch
ein mittelalterliches Massaker in die Geschichte eingegangen ist. Die Stedinger Bauern
hatten sich gegen die übermäßigen Abgaben an den Bremer Erzbischof aufgelehnt, was
1234 mit ihrer Vernichtung durch ein Kreuzfahrerheer mit Teilnehmern aus ganz Europa
endete. Wir fahren über die Deichstraße durch Stedingen, wenden uns dann in Berne
von der Weser ab, kreuzen die Hunte kurz vor ihrer Mündung am herrlichen Badestrand
Elsflether Sand und fahren ins Moor nach Elsfleth-Moorriem.
Hier erwarten uns am Melkhus auf dem Hof Harms die Besitzerin Imke Harms und die
Elsflether Bürgermeisterin Traute von der Kammer. Die grünen Melkhüser sind eine
nette touristenfreundliche Idee. Sie werden von Landfrauen betrieben, sind zumeist auf
Bauernhöfen gelegen und bieten Milchspezialitäten als Erfrischung an.
Moorriem selbst prunkt mit zahlreichen unter Denkmalschutz stehenden Fachwerkhöfen
und restaurierten Reetdach-Häusern mit davor liegenden schönen Bauerngärten. Frau
von der Kammer wird uns sicher noch etwas von der eigentlichen Stadt Elsfleht erzählen, vor der wir abgebogen sind. Elsfleth war die bedeutendste Hafenstadt des Landes
Oldenburg und hatte seine größte Bedeutung in der Zeit der Segelschiffe.
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Auf Elsflether Gebiet machen wir noch einen Stopp in Bardenfleth beim Modehaus W
und werden dort von der Inhaberin begrüßt.
Wir haben etwa die Hälfte der Tagesstrecke hinter uns. Es folgt jetzt eine längere Etappe
von 30 km, bei der wir die Landschaft mit seinem typischen
norddeutschen Flair zwischen Kühen, Schafen und Pferden
genießen können.
Dann haben wir die Stadt Varel am Jadebusen erreicht. Am
Schlosspark wird uns Bürgermeister Gerd-Christian
Wegner willkommen heißen. Varel ist eine Stadt mit 25.000
Einwohnern im Landkreis Friesland. Obwohl sie nicht direkt
am Wasser liegt, gilt sie durch ihren Vorort Dangast mit
seinem schönen Sandstrand als Nordseebad. Varel war
Oldenburger Land und musste deshalb in seiner
Geschichte ebenfalls die vielen Herren über sich ergehen lassen. Lange Zeit war das
Schloss der Witwensitz der Oldenburger Gräfinnen. Die Schlosskirche ist vor allem durch
den Münstermann-Altar sehenswert. Schön ist auch die fünfgeschossige Windmühle aus
dem Jahr 1847, mit 30 Metern Höhe eine der größten in ganz Deutschland. Ja – und
dann soll Varel noch mit „Up‘n Prüfstand“, der kleinsten Kneipe Deutschlands aufwarten
können.
Hinter Varel können wir mal die Klingel betätigen: Wir haben 100 km auf dem Tacho.
Jetzt wird zügig die letzte Etappe der langen Tagesstrecke in Angriff genommen. Um
den Jadebusen herum geht es in Richtung Wilhelmshaven. Aber in Schortens biegen wir
ab und fahren unserem Tagesziel Jever entgegen. Am Alter Markt werden wir im Rahmen des Stadtfestes von Bürgermeister Edo Albers begrüßt.
Jever, Hauptort des friesischen Jeverlandes und heutige Kreisstadt des Landkreises
Friesland, hatte eine wechselvolle Geschichte.
Im frühen Mittelalter war Jever ein wichtiger Handelsort und damals noch Seehafen.
Später war das Jeverland in das demokratische System der „Friesischen Freiheit“ eingebunden, das seine Richter und Häuptlinge selbst wählte. Das hinderte die Jeverländer
aber nicht, mit der Piratengenossenschaft der Vitalienbrüder unter Klaus Störtebeker
Geschäfte zu machen.
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Der letzte Häuptling des Jeverlandes war Edo Wiemkes, der 1505 den Bau des Schlosses vollendete. Danach kam Jever unter die Herrschaft von Edzard dem Großen aus
dem Geschlecht der Circsena, der sich vom Häuptling zum Grafen gemausert hatte.
Aber Jevers Nationalheldin Fräulein Maria, Edo Wiemkes Erbtochter, stellte die Unabhängigkeit wieder her. Unter ihrer Regentschaft erhielt Jever 1536 die Stadtrechte. Nach
Marias Tod fiel das Jeverland 1575 an Oldenburg, 1667 dann an das Fürstentum AnhaltZerbst. Durch komplizierte Erbverhältnisse landete Jever sogar bei der Zarin Katharina
der Großen, vormals Prinzessin von Anhalt-Zerbst. Die russische Krone trat das Jeverland dann 1818 endgültig an das Großherzogtum Oldenburg ab.
Jever ist eine hübsche Stadt. Fünf alte Festungsgräben, die
Graften, bilden mit ihrem Baumbestand einen Ring um die
historische Altstadt und das Schloss. Sakrale und profane
Bauten laden zur Besichtigung ein. Der „Hof von Oldenburg“ mit seinem Glockenspiel, die Schlachtmühle und das
Fräulein-Maria-Denkmal gehören zu den interessantesten.
Übrigens gab es in Jever noch ein Fräulein Maria, das im
Gegensatz zur Nationalheldin weltbekannt wurde und sogar
eine gewisse Beziehung zur Tour der Hoffnung hat. 1783 erschien der Offizier in österreichischen Diensten Johann Heinrich de Martin in Jever und trat seinen Dienst als
Schlosshauptmann an. Mit ihm kamen seine Frau Christine von Mergenthal und das
achtjährige Töchterchen. Das Mädchen verlebte den Rest seiner Kindheit in Jever, aber
schon 1792 ging das erst 17-jährige Fräulein Maria ins Kloster. Die Zeiten waren turbulent. Schon zehn Jahre später war es vorbei mit dem abgeschiedenen Klosterdasein. Ihr
Kloster wurde wie so viele andere, säkularisiert und Maria Clementine Martin, wie sie
sich jetzt mit vollem Namen nannte, stand auf der Straße.
Kurzzeitig verlor sich ihre Spur, doch dann war sie plötzlich wieder da – 1815 auf dem
Schlachtfeld von Waterloo, wo sie aufopfernd die Verwundeten beider Seiten pflegte.
Der preußische König Friedrich Wilhelm III. wurde auf die tapfere Frau aufmerksam und
ehrte ihre Tat mit einer jährlichen Leibrente von 160 Talern. Maria Clementine hatte nun
keine materiellen Sorgen mehr und wieder zehn Jahre später finden wir sie in Köln, wo
sie nun – schon über 50 Jahre alt – das Unternehmen Maria Clementine Martin Klosterfrau gründet. Es wurde zur Hoflieferantin zahlreicher europäischer Königs- und Fürstenhäuser und seine Erzeugnisse errangen auf
den Weltausstellungen der damaligen Zeit
viele Goldmedaillen. Da sie eine sehr
mildtätige Frau war, hätte sie die mehr als 20jährige Unterstützung der Tour durch ihre
heutigen Manager sicherlich gut geheißen.
Nun sind wir wieder in der Gegenwart und
fahren vom Marktplatz noch wenige Kilometer
bis zum Schützenhof, wo der heutige Fahrtag
nach 127 km Strecke in einem Friesischen Abend sein Ende findet.
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Samstag, 13. August 2016: Der Tag von der Werft nach Oldenburg !
Wir fahren mit dem Bus von der Weser zur Ems - von Bremen nach Papenburg. Wenn
man früher Papenburg sagte, dachte man zugleich an Moor. Wenn man heute Papenburg erwähnt, denkt man an die Meyer Werft, ein Vorzeigeunternehmen der deutschen
Industrie.
Dem allgemeinen Niedergang der Werften in Deutschland setzte man hier ein zukunftsorientiertes, aber auch wagemutiges Programm entgegen. Viele von uns haben im Fernsehen schon einmal miterlebt, wenn ein neu gebautes Luxuskreuzschiff auf der aufgestauten Ems zentimetergenau ins Tiefwasser überführt wird.
Die Meyer Werft hat eine lange Tradition. Sie wurde bereits 1795 gegründet und wird
heute von der siebten Generation der Gründerfamilie geleitet. Anfangs wurden nur Holzschiffe gebaut. Früher als andere Werften begann man mit dem Bau von Stahlrumpfschiffen mit Dampfmaschinenantrieb. Durch seine zukunftsorientierte Strategie überlebte
die Meyer Werft als einzige von einstmals 20 Papenburger Werften.
Ursprünglich in der Stadtmitte gelegen, musste die Werft durch die ständig größer werdenden Neubauten in den Außenhafen verlegt werden. Hier ist auch das weltweit größte
überdachte Baudock, in dem die modernen Kreuzfahrtriesen entstehen.
In einer einstündigen Besichtigung werden wir die
Welt der Ozeanriesen im neuen Besucherzentrum
der Werft näher kennenlernen.
Es folgt die Begrüßung durch die Geschäftsleitung
und den Ratsvorsitzenden Heiner Butke.
Von der Werft fahren wir direkt über Stapelmoor und
Weener die Ems entlang nach Leer.
Wir werden von der schönen Stadt Papenburg nicht viel zu sehen bekommen. Sie hat
35.000 Einwohner, eine Ausdehnung von 11,5 x 14,5 km und ist damit flächenmäßig eine der größten Städte Deutschlands.
Diese große Ausdehnung verdankt Papenburg ihrem Charakter als Fehnkolonie. Im
Jahr 1458 findet diese Fehnkolonie erstmals Erwähnung.
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Sie musste dem Moor regelrecht abgetrotzt werden. Erst nach dem 30-jährigen Krieg
konnte durch den Drosten Christian von Velen die Kolonisierung planmäßig in Angriff
genommen werden. Durch die vielen rechtwinklig verlaufenden Kanäle wurde der abgebaute Torf zum Hafen befördert, der dadurch Deutschlands südlichster Seehafen wurde.
Als Rückfracht wurde Emsschlick geladen, um so langsam den Mutterboden für die
Fruchtbarmachung zu gewinnen. Eine jahrhundertelange Schinderei, bis die Stadt ihre
heutige Gestalt hatte.
Um 11.30 Uhr haben wir nach 20 km Fahrt das ,Tor Ostfrieslands‘ erreicht. So nennt
sich die Stadt Leer selbst. Jetzt sind wir also im oft belächelten Ostfriesland angekommen. Der erste Eindruck: Alles, wie bei uns
auch. Und: Leer ist eine hübsche Stadt.
Die Gegend um Leer wurde schon früh (ca.
3.000 v. Chr.) besiedelt. Funde deuteten schon
auf einen Handwerks- und Handelsstandort hin.
Um 800 wurde Leer christianisiert, im 11. Jahrhundert wurde es Münzstätte.
Die Entwicklung als Seehafen wurde behindert,
als um 1400 in Emden der Stapelzwang eingeführt wurde. Leer revanchierte sich und
nahm seinerseits den Kaufleuten Geld ab – fürs Wiegen – so lange bis die Emder Soldaten schickten und die Gewichte konfiszieren ließen.
Leer war auch stark involviert in die Fehden der friesischen Häuptlinge untereinander.
Unter der Herrschaft der Cirksenas (vom 15. bis ins 18 Jahrhundert) konnte Leer dann
aufblühen. Es wurde Marktplatz und ein Zentrum der Tuchindustrie. Aus dieser Zeit
stammen auch die vielen gut erhaltenen Bauten. Im Zuge der Reformation, bei der in
Leer nicht die Lutheraner, sondern die Reformierten obsiegten, kamen zahlreiche Glaubensflüchtlinge nach Leer, die Kenntnisse und oft auch Geld mitbrachten. Aber Leer war
auch immer wieder Eroberungen und Plünderungen ausgesetzt, die erst mit der preußischen Herrschaft endeten. Als der Emder Stapelzwang in mehreren Schritten fiel, wurde
Leer eine bedeutende Seehandelsstadt. Wie überall an der friesischen Küste sank aber
diese Bedeutung rapide, als die Schiffe größer wurden und die Zufahrten immer mehr
versandeten.
Dank seiner guten Eisenbahnverbindungen blieb Leer aber der Verkehrsknotenpunkt
Ostfrieslands. Durch eine große Schleuse ist es nach wie vor mit dem Meer verbunden
und gilt auch noch immer als einer der größten Reedereistandorte.
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Bürgermeisterin Beatrix Kuhl wird uns sicher noch mehr erzählen, wenn sie uns vor
dem Rathaus willkommen heißt. Aber selbst im Vorbeifahren lässt sich die Aussage unterstreichen: “Leer is altied en Reis‘ wert“, besonders dann, wenn sich alle zwei Jahre die
Traditionsschiffe im Hafen vor dem Rathausturm treffen.
Wir fahren durch die ostfriesische Fehnlandschaft, kreuzen dabei Flüsschen und Kanäle
und kommen 40 km weiter nach Westerstede. Ostfriesland haben wir dabei schon wieder verlassen und sind jetzt im oldenburgischen Ammerland. Hier erwartet uns am
Markt Bürgermeister Klaus Gross.
Westerstede, die Kreisstadt des Ammerlands, hatte im Mittelalter schwer unter den häufigen Fehden zwischen den Oldenburger Grafen und den ostfriesischen Häuptlingen zu
leiden. Hier kam es 1457 zu einer Schlacht, bei der die eingefallenen Ostfriesen von den
Ammerländer Bauern vernichtend geschlagen wurden.
Das Ammerland ist das, was man sich unter einer blühenden Landschaft vorstellt.
Parks, Gärten und Baumschulen wechseln einander ab. In jeder Jahreszeit blüht es,
auch im Winter, wenn er mild ist.
Besonders wohl fühlt sich hier der Rhododendron. Schade, dass diese Pflanze nicht
riecht, das ganze Ammerland würde duften.
Es war ein Mann namens Hobbie, der die Rhododendronzucht zu seinem Hobby machte
und die Pflanze hier heimisch werden ließ. Der Rhododendronpark der Familie Hobbie
ist im Frühling eine wahre Symphonie aus Farben.
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Mitten im Ammerland liegt das Zwischenahner Meer. Aus der Stratosphäre betrachtet,
sieht es aus wie ein eingefasstes Juwel.
Und ein kleines Juwel ist es auch, das wird uns Bürgermeister Dr. Arno Schilling bestätigen, wenn wir am Rathaus eingetroffen sind. Das umliegende Moor, lange Zeit als
Fluch angesehen, verwandelte sich in Segen, als es Zwischenahn zum Moorheilbad
machte. Das ausgezeichnete Reha-Zentrum am Meer schafft Dauergäste, das Meer
selbst und die ausgedehnten Freizeitanlagen drumherum sowie die spezielle Gastronomie locken viele Touristen an. Wer kann denn schon dem Zwischenahner Räucheraal
und dem dabei gereichten Köm aus dem Zinnlöffel widerstehen?
Viel Köm ist aber auch im Spiel, wenn es im Herbst oder Winter auf Kohlfahrt geht. Der
Grünkohl muss den ersten Frost hinter sich haben, sonst schmeckt er nicht richtig. Vor
dem Schmaus steht aber die Kohlfahrt. Das ist weniger Fahren als
Wandern plus Trinken, am besten an jeder Wegkreuzung. Das
notwendige Material wird im Bollerwagen mitgeführt. Oft werden
auch sportliche Wettbewerbe eingestreut, zum Beispiel das Bosseln, ein friesischer Nationalsport, wobei Kugeln auf der Straße
möglichst weit geworfen werden müssen. Gewonnen hat die
Mannschaft, welche die Wettbewerbsstrecke mit den wenigsten
Würfen überwunden hat. Am Ende dieser schönen sportlichen
Geselligkeit steht die Wahl eines neuen Kohlkönigs bzw. einer königin und nicht selten ein veritabler Katzenjammer.
Mit dem Rad und ohne Bollerwagen machen wir uns auf die letzte Etappe der diesjährigen Tour. Noch 20 km trennen uns vom Ziel in Oldenburg. Eine grüne, luftige, sehr ansehnliche Stadt, mit typische „Oldenburger Einfamilienhäuser“ mit tief herabgezogenem
Giebeldach, der sogenannten „Hundehütte“, mit vielen gut
erhaltene „Bürgerhäuser“ und Villen im klassizistischen Stil.
Mit dem neugotischen Alten Rathaus, der Lamberti-Kirche
(außen neugotisch mit 5 Türmen, innen ein klassizistischer
Rundbau) und dem Schloss der Herzöge im Renaissancestil hat
Oldenburg architektonisch viel zu bieten. Die Lange Straße als
Fußgängerzone und Einkaufsmeile ist reizvoll und es heißt, die
Bremer würden zum Einkaufen gerne nach Oldenburg fahren. Vielleicht geht das Leben
hier einen Tick langsamer und behäbiger vor sich.
Wir fahren zum Klinikum in Kreyenbrück, und hier, am Ende der Tour, im Garten des
Elisabeth-Kinderkrankenhaus, erwarten uns sicher viele Gäste.
Bürgermeisterin Annelen Meyer und die Leitung des Klinikums werden uns hier begrüßen.
Dann tritt die Privatdozentin Dr. Ingke Jürgensen, die Direktorin der Orthopädischen
und Unfallchirurgischen Universitätsklinik Oldenburg im grünen Radtrikot an das Mikro.
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Es ist unsere langjährige Mitradlerin Ingke, die sich mit viel Herz und großer Tatkraft für
das Gelingen dieser Tour in ihrer Heimat engagiert hat. Danke, liebe Ingke, für Deinen
Einsatz und Dank auch allen anderen Mitstreiterinnen und Mitstreitern!
Ganz sicher können wir jetzt schon sagen, dass es eine schöne Tour war, und in wenigen Stunden, beim Allianz-Abend im Maritim, werden wir auch wissen, ob es eine erfolgreiche geworden ist im Sinne unserer selbst gestellten Aufgabe, krebskranken Kindern zu helfen.
Sonntag, 14. August 2016: Der Tag der Heimreise:
Nach einem ausgiebigen Frühstück im Maritim Hotel Bremen werden wir von unserer
Tour-Koordinatorin für Oldenburg und langjährigen Mitradlerin, Dr. Ingke Jürgensen,
verabschiedet.
Danke, danke Ihr vielen netten Menschen, die Tour hat sich wohl gefühlt bei Euch, wir
kommen gerne wieder!
Der anschließende Bustransfer nach Gießen und das gemeinsame Mittagessen in dem
Casino der Stadtwerke Gießen beendet eine hoffentlich erlebnisreiche und erfolgreiche
Tour der Hoffnung 2016.
Viel Freude bei den Vorbereitungen wünschen Euch
im Namen des gesamten Organisationsteams
Gerhard Becker
Karsten Koch, Dr. Mathias Rinn
Organisationsleiter
Sportliche Leitung
Wir bedanken uns sehr herzlich bei unserem lieben Freund
und zuverlässigen Ratgeber Helmut Wirtgen,
der das Konzept dieser Streckenbeschreibung entworfen hat.