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Section 7. Political science
Heiko Ital,
Hankuk University of Foreign Studies, Ass. Professor
in the German Department of Interpretation and Translation
E‑mail: [email protected]
Historische Entwicklung des modernen Imperialismus
und seine Anwendungsformen
This article was supported by Hankuk University of Foreign Studies Research Fund of 2016
Abstrakt: In diesem Artikel wird die historische Entwicklung des modernen Imperialismus aufgezeigt. Daran
anschließend werden seine Anwendungsformen kurz skizziert.
Stichwörter: Imperialismus, 19. Jahrhundert, Anwendungsformen, Europa.
Die Formen imperialistischer Herrschaft waren — und
sind bis heute — sehr unterschiedlich, da sie in Abhängigkeit zu den spezifischen politischen und ökonomischen Beweggründen ihres Anwenders stehen. So findet sich auch
eine Vielzahl von Theorien, die den Imperialismus unter verschiedenen Aspekten interpretieren. Sie lassen sich in drei
Gruppen gliedern, die ökonomischen und die nichtökonomischen Imperialismus Theorien sowie die des Sozialimperialismus. Der Betrachtung dieser Theorien muss eine Definition des Begriffes >Imperialismus< vorangestellt werden. Der
moderne Imperialismus stand im Frankreich des 19. Jahrhunderts für die Verfügungsgewalt eines Herrschers über mehrere
Territorialgebiete, über England wandelte sich die Bedeutung
später in „weltpolitische Geltung“ [1]. Mit der industriellen
Revolution gewannen die wirtschaftlichen und die sozialen
Komponenten des Imperialismus an Bedeutung.
Hieraus erklärt sich die Schwierigkeit, eine umfassende
Definition für Imperialismus zu finden, ohne seiner jeweiligen
zeitgeschichtlichen Bedeutung zu widersprechen [2]. Sehr
allgemein gefasst lässt sich jedoch feststellen, dass Imperialismus die Gesamtheit allen staatlichen und nichtstaatlichen
Handelns einer Nation oder eines Einzelnen meint, das auf die
macht- oder wirtschaftspolitische Unterwerfung einer fremden Nation bzw. deren Bevölkerung ausgerichtet ist.
Historisch lässt sich der moderne Imperialismus in vier
Phasen gliedern [3]:
1. Die Zeit der industriellen Revolution vom Ende des 18.
Jahrhunderts bis 1882:
Im Zuge der industriellen Revolution wuchs der Expansionswille der europäischen Wirtschaft auf der Suche nach neuen
Absatzmärkten und Rohstofflieferanten. Imperialistische Bestrebungen hatten weitestgehend wirtschaftlichen Charakter
und unterlagen keiner staatlichen Kontrolle. Erst, als private
Kolonialherren ihre überseeischen Besitzungen durch Unruhen
und Aufruhr der dort ansässigen Bevölkerung gefährdet sahen,
zwangen sie die politischen Herrschaftsträger ihrer Heimatländer, sie zu unterstützen und ihnen Schutz zu gewähren, womit
der staatlich gelenkte Imperialismus begann.
2. Der klassische Imperialismus von 1882 bis zum Ende
des 1. Weltkriegs 1918:
Mit der Stagnation des Wirtschaftswachstums in Europa
Mitte der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts ergab sich aus
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dem zunächst freiwilligen Expansionsdrang einzelner Kolonialherren eine sozioökonomische Notwendigkeit, neue Märkte in Übersee zu erschließen. Die staatlichen Machtträger
wirkten der Unzufriedenheit der stark anwachsenden Arbeiter- und Kleinbürgerschicht mit der Aussicht auf wirtschaftliches Wachstum durch die Schaffung neuer, transkontinentaler
Absatzmärkte entgegen. Die zunehmende Politisierung der
breiten Masse zwingt die Industrienationen in den nationalstaatlichen Wettbewerb um immer neue Kolonialgebiete.
Dieses zweite Stadium des modernen Imperialismus ist von
dem Versuch gekennzeichnet, innenpolitische Unzulänglichkeiten durch außenpolitische Expansion zu absorbieren. Als
Beispiel hierfür soll die britische Besetzung Ägyptens herangezogen werden. „Die Diskussion über Ursachen und Motive
der Besetzung Ägyptens durch britische Truppen begann im
Juli 1882, einen Monat bevor die 25.000 Mann des britischindischen Expeditionskorps in Ägypten landeten und zwei
Monate vor dem britischen Sieg über die ägyptische Armee
bei Tel-el-Kebir. Von Anfang an wurde diese Diskussion von
der skeptischen Vermutung geprägt, die militärische Intervention sei nur zu erklären durch die großen finanziellen und kommerziellen Interessen Großbritanniens in Ägypten, die durch
die ägyptische nationale Bewegung gefährdet schienen“ [4].
3. Der „verschleierte“ Imperialismus von 1919 bis 1945:
Schon mit dem Eintritt der USA in den 1. Weltkrieg und
deren Nichteinverständnis mit den Kriegszielverträgen der
europäischen Alliierten, die darauf auszielten, die deutschen
Kolonien unter sich aufzuteilen, wurde der klassische Imperialismus in einen „verschleierten“ umgewandelt. Die sich immer weiter ausbreitende Idee des Nationalitätenprinzips,
besonders im osteuropäischen und eurasischen Raum von
Lenin unterstützt, machte eine Fortführung des althergebrachten Imperialismusstrebens unmöglich. Jedoch einigte
man sich auf eine schrittweise Loslösung der Kolonien unter
dem Vorwand, man wolle sie nicht abrupt fallen lassen, um ihnen so die Chance auf einen Anschluss an die Zivilisation zu
gewähren. Tatsächlich bot sich so den alten Herrschaftsstrukturen die Möglichkeit, ihre Kolonialtätigkeit weiterzuführen.
4. Zeit des Nachimperialismus:
Im Zuge der Dekolonisation fand die Umwandlung von
totaler machtpolitischer Kontrolle in wirtschaftliche Abhängigkeit statt. Mit dem Ende des 2. Weltkriegs begann die
Historische Entwicklung des modernen Imperialismus und seine Anwendungsformen
Dekolonisation, was zwar zum Abbau der staatlichen, nicht
aber der wirtschaftlichen Bevormundung durch die ehemaligen Kolonialherren führte.
Wie schon in der Einleitung bemerkt, gibt es verschiedene Anwendungsformen imperialistischer Herrschaft. Militärischer Imperialismus [5] zielt auf die vollständige machtpolitische Unterwerfung einer fremden Nation unter Einsatz von
Waffen aus. Es ist die risikoreichste Form des Imperialismus,
weil die Gefahr des Verlustes eigener Territorialgebiete direkt
abhängig ist von der Stärke des Gegners. Gleichzeitig bietet
der militärische Imperialismus dem Aggressor die schnellste
Möglichkeit, sein Ziel zu erreichen.
Ökonomischer Imperialismus wurde erst durch die Ausbreitung des Welthandels im Zuge der industriellen Revolution möglich. Er versucht ein Land in die wirtschaftliche
Abhängigkeit zu drängen, um auf diesem Wege die Kontrolle
über dasselbe zu erlangen. Ist dies einmal erreicht, wird die
unterlegene Nation politisch nicht gegen das Interesse des
Siegers agieren.
Die dritte Anwendungsform findet sich im kulturellen Imperialismus [5]. Er stellt sich als die erfolgreichste Form imperialistischer Herrschaft dar. Der Aggressor verzichtet auf
den Einsatz militärischer oder ökonomischer Machtmittel.
Es ist vielmehr der Versuch, die Bevölkerung zu beeinflussen
und dadurch auch langfristig zu lenken. Praktisch ist die „geistige“ Unterwerfung einer Nation ohne den Einsatz anderer
Mittel nicht realisierbar, jedoch spielt er beim Erhalt imperialistischer Herrschaftsstrukturen eine entscheidende Rolle.
Der Erhalt der Herrschaft über eine fremde Nation ist nur
mit der Zustimmung durch die Mehrheit der Bevölkerung zu
erreichen. In der Realität treten diese hier streng getrennten
Formen meist im Zusammenhang miteinander auf, wobei die
zeitliche Abfolge differieren kann, je nach Ausgangslage und
politischer Intention ihres Anwenders.
Referenz:
1. Fenske Hans. Politisches Denken im 20. Jahrhundert. Imperialismus, in: Lieber, H.-J. (Hg.), Politische Theorien von der
Antike bis zur Gegenwart (Schriftenreihe, Bd. 229, Bundeszentrale für politische Bildung), 2. Aufl. – Bonn, 1993.
2. Milios Jannis und Sotiropoulos Dimitris. Marxsche Theorie und Imperialismus//PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft. Heft 159, 40. – Jg., 2010. – Nr. 2. – S. 259–275.
3. Mommsen Wolfgang J. Der moderne Imperialismus. – Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz, 1971.
4. Bierschenk Thomas. Die englische Ägyptenpolitik Anfang der 1880er Jahre und der Imperialismus//Arbeitspapiere/Working Papers Nr. 29. – Institut für Ethnologie und Afrikastudien, Johannes Gutenberg Universität Mainz, Mainz, 2003.
5. Morgenthau Hans J. Politics among Nations. The struggle for Power and Peace. – New York, 1948.
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