zum „BLue Award - der Vierte“ in Architektur Aktuell - FH

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BLue Award - der Vierte
Text Isabella Marboc
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architektur.aktuell, 7-8.2016
Zum vierten Mal wurde heuer der Blue Award ausgeschrieben.
Der biennale, internationale Wettbewerb für Studierende würdigt
besonders ökologische, soziale und kulturell nachhaltige Projekte.
Die Jury unter dem Ehrenvorsitz von KazuyoSejima einigte sich
auf 15 Nominierungen. Die Sieger werden bei der Preisverleihung
am 24. August bekannt gegeben.
T e n d e n z e n e n t g e g e n w i r k e n „Lasst uns nicht unsere
Augen verschließen. Lasst uns nicht davor zurückschrecken,
der Wahrheit ins Gesicht zu schauen. Unsere Welt verändert
sich dramatisch. Ihr Gleichgewicht hängt an einem seidenen
Faden", so der flammende Appell der Architektin Francoise
Helene Jourda an ihre Kollegen- und Studentenschaft. 2009
initiierte sie den ersten Blue-Award, einen biennalen, internationalen Preis für Studierende der Fachrichtungen Architektur,
Bauingenieurwesen, Stadt- und Raumplanung. Er wurde ins
Leben gerufen, um einer sozialen, nachhaltigen, ökologischen,
partizipativen, kultur-, hoffnungs- und verantwortungsvollen
Haltung in der Studentenschaft und in der universitären Lehre mehr Gewicht zu verleihen. Völlig unvermutet und viel
zu früh verstarb Jourda am 31. Mai 2015. Ihre Analyse aber
stimmt noch immer und der Blue Award lebt weiter. „Die Globalisierung, liberaler Extremismus und ein tobender Wettbewerb sind die Ursache für viele Unsicherheiten. Der Ausdruck
zeitgenössischer Architektur bezeugt das; Die Dekonslruküon und Fragmentierung von tradierten Objekten, MoebiusGeometrie, die Zersplitterung von organischen Formen...", so
Jourda. Mit dem Blue Award wollte sie diesen Tendenzen entgegensteuern, „einen tragfähigen Grund finden, um eine Balance zu erreichen. Die Klarheit der Form, die Transparenz
oder Annäherung an die Umgebung. Diese Fragestellungen allein sind nicht die einzigen Ansatzpunkte der Analyse. Sie setzen den Architekten mitten ins Zentrum seiner Profession. Als
Zeugen seiner Zeit und seiner Kultur. Sie spiegeln seine Sicht
der Welt, sei sie verzweifelt, glorreich oder in Opposition. Als
eine höhere Form von Kunst kann sie nicht anders gesehen
werden als ein Akt des Bauens."
verleihung gelüftet. Die nominierten Projekte aber zeigen so
viele unterschiedliche Ansätze und spannende Aspekte, dass
wir einige davon nun herausgreifen und vorstellen wollen.
Engagiert, verbindend, bereichernd Ein ernst zu
nehmender Anwärter auf den Sieg ist beispielsweise die
Kunst- und Architekturschule bilding im Innsbrucker Rapoldipark, wo Kinder und Jugendliche kreativ sein können. Diese Idee stammt von Monika Abendstein und Arno Ritter, ihre
räumliche Gestaltwerdung erfuhr sie durch das studio 3 - Institut für experimentelle Architektur der Universität Innsbruck
(Prof. Volker Giencke]. Unter der Federführung von Verena
Rauch, Walter Premier und Wolfgang Pöschl entwickelte und
plante eine Gruppe von 27 Studierenden ein einmaliges, einzigartiges, frei geformtes, lichtdurchflutetes, nach allen Seiten
hin offenes Gebäude mit schrägen Rampen, raumhohen Fensteröffnungen, Plattformen, Wandscheiben und eingeschnittenen Oberlichtern, das mit weitläufigen Terrassen den umliegenden Außenraum umarmt. Das bilding passt wunderbar an
den Rand des grünen Parks, belebt ihn und wertet ihn auf.
Außerdem gibt es Jugendlichen zwischen vier und 19 Jahren die Möglichkeit, unter fachkundiger Anleitung kreativ zu
sein. Sein Inneres isl ein fließendes Raumgefüge mit Werk-
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Das bilding in Innsbruck entstand in gemeinsamer Anstrengung von
Studierenden, Profis und Freiwilligen und ist ein einzigartiges Labor für
die künstlerische Bildung von Kindern und Jugendlichen
© Universität Innsbruck/Fotos: Günter R. Wett
2016 lobte das Department für Raumgestaltung und Nachhaltiges Entwerfen der TU Wien, dem Francoise Helene Jourda
seit 1999 vorgestanden hatte, zum vierten Mal den Blue Award
aus. Teilnahmeberechtigt waren Studierende der Fachrichtungen Architektur, Bauingenieurwesen, Stadt- und Raumplanung, sowie Bautechnologen, insbesondere Holzbauer, weil
der Blue Award diesmal in Kooperation mit der World Conference on Timber Engineering abgehalten wird. Als Ehrenvorsitzende der Jury konnte die TU Wien Kazujo Sejima gewinnen, außerdem gehörten noch Cuno Brulhnann, Much
Untertrifaller, Albert Dubler, Wolfgang Winter und Marina
Hämmerte der Jury an.
Über 200 Projekte wurden heuer eingereicht, am 31. Mai destillierte die Jury daraus fünfzehn Nominierungen. Aus dieser
handverlesenen Auswahl wurden die Preisträger bestimmt,
das Geheimnis um die Sieger wird allerdings erst hei der Preis-
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revitalisiert werden könnte. Am Hauptplatz von Ferrara - einer UNESCO-Weltkulturerbe-Stätte projektierte er einen temporären, zylinderförmigen, 20 Meter hohen Bühnenturm aus
Holz, der als öffentliche Bühne wirkt. Die Grundfläche ist
etwa 450 m2, die Bühne hat ein Dach und kann wie eine Jurte mit textilen Elementen, die auch an einen Theatervorhang
denken lassen, geschlossen werden. Das Holzskelett dient
auch als Sitzfläche für das Publikum: es kann auf der umlaufenden Galerie der Tragstruktur Platz nehmen und das Theatergeschehen verfolgen. Vorbild für die Bühne ist das Shakespeare-Theater, dank ihrer auffallenden Form und Höhe wird
sie auch städtebaulich wirksam und sollte genug Potential
entwickeln, um den Platz zu beleben und mit dem angrenzenden Giardino delle Duchesse zu verbinden.
statten zum Malen, Basteln, Filmen oder Experimentieren
mit Medien aller Art voll unterschiedlicher Atmosphären und
Möglichkeiten. Das Bilding wurde aus CLT-Paneelen und vorgefertigten Holzelementen von den Studierenden in Kooperation mit Fachplanern, Architekten, Ingenieuren und Firmen in
nur fünf Monaten errichtet, außen ist es mit weißen Lastwagenplanen verkleidet. Es wurde vor allem durch private Spenden finanziert und hat eindeutig einen Nerv getroffen: Viele
der Workshops für Kinder und Jugendliche sind ausgebucht.
Sehr eindrucksvoll ist auch die Arbeit von Florian Anzenberger und Thomas Harlander: Die beiden Studierenden von Peter
Nigst an der FH Kärnten planten, entwickelten und bauten als
Diplomarbeit eine Brücke über den Mzamba Fluss in Südafrika. Er trennt eine der wohlhabendsten Regionen (KwaZulu Natal) von einer der ärmsten (Eastern Cape). Auf einer Seite gibt
es Schulen, kleine Märkte und eine medizinische Grundversorgung, auf der anderen mangelt es an allem, gibt es keine Elektrizität, keine Straßen, keinerlei Infrastruktur. Auch der Bauplatz
der Brücke konnte nur von einer Seite erreicht werden, alle
Bauteile der Brücke mussten also händisch transportiert werden können. Den Studierenden gelang es, gemeinsam mit der
örtlichen Bevölkerung, eine Hängebrücke zu bauen. Nun können die Menschen den Fluss sicher überqueren - und haben
so Zugang zu Medikamenten, Nahrungsmitteln und Schulen.
Leo Bettini Oberkalmsteiner von der TU München (Betreuer: Florian Nagler) überlegte sich, wie das geschichtsträchtige und wunderschöne, mittelalterliche Zentrum von Ferrara
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Sozial, nachhaltig, selbstbautailglich Sophie Schrattenecker von der University of Art and Design in Linz (Betreuer: Roland Gnaigcr) fuhr auf eigene Faust nach Ecuador und
Kolumbien. Ecuador leidet unter einer starken Zuwanderung
zu den städtischen Ballungsräumen, an deren Zufahrtsstraßen sich bereits komplett überbevölkerte Favclas anlagern.
Diese wilden Siedlungen waren ursprünglich temporär gedacht, verfestigten sich aber zu permanenten Behausungen,
denen es an sozialer und räumlicher Organisation fehlt. Sophie Schrattenecker versuchte, dieses Dilemma zu lösen, indem sie Strukturen bildet, die ihren Bewohnern sowohl Innen- als auch Außenräume bieten soll. Zu deren Errichtung
langlebige Materialien wie Stahlbeton mit vor Ort erhältlichen, nachwachsenden Materialien wie Bambus kombiniert.
Justus Menten von der Kunstuniversität Berlin (Betreuer: Jean
Philippe Vassal) geht davon aus, dass sich das Konzept der
Trennung von Natur und Stadt längst überlebt hat, In Berlin
gibt es viele ehemalige Industriestandorte auf kontaminiertem
Boden, die Ansiedlungen schwierig und teuer machen. Aufgrund des hohen Drucks auf Wohnraum werden auch diese
Orte für Investoren immer attraktiver. Der Bauplatz im Norden von Berlin ist seh zwölf Jahren verlassen und dient als
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Die Brücke von Florian Anzenberger und Thomas Harlandervon
der FH Kärnten verbindet eine
der wohlhabendsten mit einer der
ärmsten Regionen Südafrikas
© Anzenberger/Harlander
Justus Menten (TU Berlin) überlagert unberührte Natur inmitten der
Stadt mit einer Wohnstruktur
© J u s t u s Menten
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Leo Bettini Oberkalmsteinervon
derTU München konzipierte nach
dem Vorbild des ShakespeareTheaters einen hölzernen Bühnenturm für das Zentrum von Ferrara
© Leo Bettini Oherkalrnsteiner
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fiktives Symbol für unberührte Natur inmitten der Stadt. Dieses Projekt ist als Denkanstoß gedacht, um unsere Beziehung
zur Ökologie und wie wir leben wollen, neu zu überdenken.
Justus Menten schlägt vor, das Problem der Kontamination
durch eine neue Bepflanzung zu lösen und den natürlichen
Wald mit der Wohnstruktur zu überlagern.
Florian Radner von der TU Wien (Betreuer: Baris Cokcan)
baute mit viel Engagement eine außerordentlich schöne und
poetische Gartenhütte mit großem innovativen Anspruch.
Etwa ein Jahr lang wurde in universitärem Rahmen die wabenartige Netzstruktur der Wand erforscht, die sowohl die
vertikalen Lasten abträgt, als auch horizontal ausgesteift
wird. Sie bestellt aus zwölf Millimeter starken Holzbändern,
die über Nacht in Wasser eingeweicht wurden und dann per
Hand paarweise miteinander verbunden und gedehnt wurden. Überzogen wurde diese schöne Primärstruktur mit einer
transluzenten PVC-Plane. Sie lässt tagsüber die Schatten der
umgebenden Sträucher über die Wand tanzen, nachts leuchtet das kleine Gebäude wie ein Lampion in den Garten.
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Auch Hannes Sampl von der Kunstuniversität Linz (Betreuer: Helmut Dietrich) reichte ein Projekt ein, das auf Eigenleistung beruht: Für einen Bauern entwarf und plante er eine
kleine Kapelle in Kendlbruck, einer ländlichen, nur spärlich
besiedelten Gegend auf i850 Meter Seehöhe. Der kleine Sakralbau hat einen rechteckigen Grundriss, ein steiles Dach und
soll vom Besitzer und seiner Familie errichtet werden können.
Wände, Boden und Dach folgen dem Goldenen Schnitt und
bestehen ausschließlich aus Holz, das in einem Umkreis von
zwei Kilometer geschlägert wurde.
David Kraler und Christoph Lachberger haben ihre komplexe
und schwierige Bau-Mission bereits erfolgreich erfüllt. Als Diplomprojekt planten und bauten die beiden Studenten der TU
Wien (Betreuer: Peter Fattinger) gemeinsam mit dreizehn freiwilligen Helfern aus Österreich, Bauarbeitern und Bewohnern
der Region Kajo-Keji im Südsudan das Mondikolok Healthcare
Center, eine Gesundheitsstation für die kleine NGO „Osttirol für
Jalimo." Die Bewohner des Dorfes sind sesshafte Kleinbauern,
die großteils noch in traditionellen Rundhütten aus Lehm le-
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architektur.aktuell, 7-8.2016
ben. Diese haben tragende Stützen aus Holz, Mauern aus Lehm
und Dächer aus getrocknetem Gras. Die örtliche Bevölkerung
weiß genau, wo der beste Lehm zu finden ist und und wie sie
ihre Häuser bauen und reparieren kann. Alle Baumaterialien
kommen aus der Umgebung, nachhaltiger geht nicht. Eine Gefahr sind allerdings die Termiten. Kraler und Lachberger verbrachten einige Monate vor Ort, um das Dorf, die Menschen,
ihre Kultur, Lebensbedingungen, Ressourcen und Fähigkeiten
besser zu verstehen und entwickelten auf Basis dieser Feldforschung das Projekt: Ein Gebäude auf einem soliden Betonfundament, Mauern aus örtlichen Lehmziegeln, mit Lehm verputzt
und mit einer sauber getrennten Dachkonstruktion aus Teakholz, die in speziellen Stützenfüßen steckt, um vor Termiten
sicher zu sein. Das Mondikolok-Healthcare-Center ist funktional, nachhaltig, schön und originell: Die Türen wurden in verschiedenen Farben gestrichen, Kochtöpfe mit Loch und Syphon
zu Waschbecken oder die Bremsbacken von Fahrrädern zu Türstoppern. Längst haben die Dorfbewohner aus Mondikolok und
Ärzte aus Österreich das Gebäude in Besitz genommen.
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Unter dem Titel „garden shed pi" verbindet Florian Radner
(TU Wien) Poesie und innovative Konstruktion © Florian Radner
Bestechend einfach und bestechend schön: die Bergkapelle von
Hannes Sampl (Kunstuniversität Linz) © Hannes Sampl
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David Kraler und Christoph Lachberger (TU Wien) bauten mit
Freiweilligen aus Österreich und Bauarbeitern aus der Region
ein termitensicheres Gesundheitszentrum im Südsudan
Fotos © David Kraler, Christoph Lachberger
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