St. Gerhards-Werk e. V. DIE HERKUNFT DER DONAUSCHWABEN IHRE GESCHICHTE BIS 1945 Budapest: Das Denkmal des Heiligen Gerhard, des Namensgebers des Vereins Eckdaten der Geschichte der Donauschwaben bis 1945 “Donauschwaben“ = DS, „donauschwäbisch“ = ds Siedlungsgebiete der Donauschwaben: 1 Ungarisches Mittelgebirge, Zentren: Budapest, Budaörs, Moor, Stuhlweißenburg (Székesfehérvár) 2 Schwäbische Türkei, Zentren: Fünfkirchen (Pecs), Bonyhad, Mohács, Esseg (Osijek) 3 Batschka, Zentren: Neusatz (Novi Sad) Hodschag (Odzaci), Apatin, Sombor, Neu Werbas (Vrbas), Theresiopol (Subotica), Palanka 4 Syrmien und Slawonien, Zentren: Semlin, India, Ruma, Mitrovitz, Vinkovici, Vukovar, Djakovo, Valpovo 5 Banat, Zentren: Temeswar (Timisoara), Hatzfeld (Jimbolia), Lugosch, Arad, Reschitza, Werschetz (Vrsac), Weißkirchen (Bela Crkva), Pantschowa (Pancevo) Groß Betschkerek (Zrenjanin) 6 Sathmar, Zentern Groß Karol (Carei) und Sathmar (Satu Mare) Adam Müller-Guttenbrunn (1852– 1923) Der „Erzschwabe“ hat mit seinem Schrifttum wesentlich zum Bewusstsein eines eigenen ethnischen Bewusstseins der Donauschwaben beigetragen. Jakob Bleyer (1874–1933) Germanist, Südostforscher, Befürworter der Eigenständigkeit und Respektierung der donauschwäbischen Volksgruppe, Leiter des deutsch-ungarischen Volksrates, Nationalitätenminister, engagierte sich politisch in den von ihm gegründeten Organe „Sonntagsblatt für das deutsche Volk in Ungarn“ und „Ungarländisch Deutscher Volksbildungsverein“. Ferdinand Riester (1846–1911) Land- und Reichstagsabgeordneter setzte sich für die Erhaltung und Förderung des Deutschtums ein, hatte enge Kontakte zu den anderen Führern deutschfreundlicher Parteien 1000 Seit der Staatsgründung Ungarns durch König Stefan kamen Deutsche ins Land. 1030 König Stefan gründet das Bistum Csanád (das heutige Banat) und setzt den Erzieher seines Sohnes, Gerhard von Sagredo, als ersten Bischof ein. 1526 Sieg der Türken über die Ungarn bei Mohatsch, Ungarn kommt für 160 Jahre unter die Herrschaft des Halmondes. 1689 Erstes Impopulationspatent unter Kaiser Leopold I. 1718 Frieden von Passarowitz: Neben der Batschka kommen das Banat, Serbien mit Belgrad und das nördliche Bosnien zu Österreich. 1722–1787 Drei „Schwabenzüge“ zur Ansiedlung mit Deutschen aus dem Südwesten des Reiches 1867 Nach Niederlagen in Italien und Königgrätz entsteht durch den Ausgleich des Kaisers mit den Madjaren die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Die DS, bis dahin österreichische Untertanen, werden nun ungarische Staatsbürger. 1907 Das Apponyi-Schulgesetz versetzt dem muttersprachlichen Unterrichts an donauschwäbischen Volksschulen den Todesstoß. 1918 Das Siedlungsgebiet von 1 400 000 DS wird dreigeteilt und den Nachfolgestaaten Ungarn, Rumänien und Jugoslawien zugeschlagen. 1922 Die Bezeichnung „Donauschwaben“ wird von Robert Sieger, dem Ordinarius für Geographie an der Universität Graz, erstmals benutzt. Der in Stuttgart wirkende Geograph Hermann Rüdiger führt später den Begriff in die Wissenschaft ein. 29./30. Nov. 1943 Der „Antifaschistische Rat der Volksbefreiung Jugoslawiens“ (AVNOJ) deklariert in Jajce (Bosnien) alle, die sich gegen die „Volksbefreiungsarmee“ (Partisanen) stellen, zu „Volksfeinden“. Familie, Glaube, der Hof, das Dorf und ihr Feld – das war ihre Welt Donauschwäbische Bauernstube im Haus der Donauschwaben in Sindelfingen Oktober 1944 Evakuierung von rund 100 000 DS aus Syrmien und Slawonien nach Österreich, Flucht von 10 600 DS aus dem Westbanat und von rund 80 000 aus der Batschka und der Baranya. 195 000 DS geraten unter das Tito-Regime. 1944 „Blutiger Herbst“ in der Wojwodina. OktoberNovember: rund 7 000 DS als Opfer. 21. Nov. 1944 AVNOJ-Beschluss, Belgrad: DS zu Volksfeinden erklärt, Verlust aller ihrer bürgerlichen Rechte und Konfiskation sämtlichen Vermögens. Ab Weihnachten 70 000–80 000 DS aus Ungarn, Rumänien und Jugoslawien zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion depor1944–1949 tiert. Fast ein Viertel von ihnen kehrte nicht mehr zurück Anfang Dezember 1944 bis Herbst 1945 Die Einwanderung der Deutschen nach Ungarn. Gemälde von Stefan Jäger Texte und Konzeption: Rudolf Fath, Hans Vastag und Peter Krier Graphische Gestaltung: www.mueck-beitler.de 167 000 ds Zivilpersonen werden aus ihren Häusern getrieben und in acht Vernichtungs- sowie vielen Arbeitslagern interniert. St. Gerhards-Werk e. V. DAS KIRCHLICHE LEBEN DER DONAUSCHWABEN 1849 Dechantpfarrer Josef Nowak (1803–1880) fordert in einer Bittschrift an den Kaiser im Auftrag zahlreicher ds Richter und Geschworener einen „schwäbischen Grafen“ als nationales Oberhaupt. Obwohl die Vorfahren der Donauschwaben überwiegend aus dem Südwesten des Reiches stammten, war deren religiöses Leben weitgehendst vom süddeutschen und österreichischen Katholizismus geprägt. 1874 Josip Juraj Stroßmayer (1815–1905), Bischof von Djakovo, Bosnien und Syrmien, gründet die Universität in Agram/Zagreb. Politisch war er ein Vorkämpfer zur Aufwertung der slawischen Völker in der Donaumonarchie. Als einem der bedeutendsten Mäzene und Förderer der Kroaten werden ihm später zahlreiche Denkmäler, Straßennamen, Sonderbriefmarken und ein Museum gewidmet. Ihr Leben war in den kirchlichen Jahreslauf mit ihrem Brauchtum eingebettet: Ostern, Pfingsten, Weihnachten, mit großen feierlichen Prozessionen zu Fronleichnam und zur Auferstehung, mit Wallfahrten zu den Gnadenkirchen Maria Radna im Banat, Maria Doroszló in der Batschka, Maria Remete in Ungarn und Maria Zell in Österreich. 1895 Zur Erhaltung der konservativen Lebensordnung ensteht in Budapest die Katholische Volkspartei, die besonders auch die DS politisch aktivieren soll. 1935 Der Apatiner katholische Pfarrvikar Adam Berenz gründet als Kampforgan gegen die neuheidnische Entchristlichung seines Schwabenvolkes durch nationalsozialistische Propaganda das Wochenblatt „Die Donau“ und wird so zur herausragenden Figur des antifaschistischen Widerstands unter den DS. 1946 Mehrere ds Geistliche folgen ihren Landsleuten freiwillig in die titoistischen Vernichtungslager, um den Todgeweihten Trost zu spenden und ihnen im Glauben nahe zu sein. Pater Wendelin Gruber SJ legt dabei für den Fall der Errettung aus der Todesnot den Grund für die späteren Gelöbniswallfahrten der DS nach Altötting, Ellwangen, Bad Niedernau und Mary Lake in Kanada. 1949 Gelöbniswallfahrt der Donauschwaben nach Altötting durch Pater Wendelin Gruber SJ. 1950 Der Weltkirchenrat erörtert, aufmerksam geworden durch die Schrift „Kinder im Schatten“ von A. K. Gauß, in Salzburg das Schicksal der in Jugoslawien zurückgehaltenen 30 000 ds Kinder. 1951 Josef Nischbach (1889–1970, Domherr u. Päpstlicher Prälat) wird am 10. März in Temeswar zu 20 Jahren Zuchthaus wegen Spionage, Hochverrat, Verbindung zu westlichen Staaten usw. verurteilt. Die Internierungswelle erfasste eine Vielzahl von Priestern und Ordensfrauen. 1952 Gründung des St. Gerhards-Werks als Arbeitskreis katholischer DS in München unter Dr. Ludwig Leber und Hans Diplich, ab 1955 in Stuttgart (Diözese Rottenburg-Stuttgart). Organ: „Gerhardsbote“. 1958 Auch bei den Familien- und Volksfesten wie Taufe, Hochzeit, Kirchweihfest stand die Kirche im Mittelpunkt, die auch räumlich in der Mitte des Ortes stand und, meist im Barockbaustil gebaut, mit ihrem hohen Turm das Dorf überragte. Auch das öffentliche, gesellschaftliche Leben der Donauschwaben, die zu 80% katholisch waren, wurde, bis zur Gleichschaltung 1940, durch katholische Mädchenvereine, Jugendvereine, Frauenvereine und andere christlich ausgerichtete Vereine geprägt. Dr. Augustin Pacha, der „Schwabenbischof von Temeswar“ wurde 1950 verhaftet und in einem Schauprozess zu 18 Jahren schweren Kerkers verurteilt, 1954 todkrank entlassen und starb bald darauf. Pater Wendelin Gruber SJ, Überlebender im Vernichtungslager, Initiator der Gelöbniswallfart nach Altötting. Er ging freiwillig in das Todeslager Gakovo, um seinen Landsleuten zu helfen. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart übernimmt die Patenschaft über die Donauschwaben. Von den Kommunisten zerstörte Kirche in Filipovo/ Philipsdorf „Unbekümmert um Weltereignisse, in Frieden und bester Eintracht mit allen Volksstämmen“, wollten sie leben, wie sie in ihrem Manifest von 1849 ihrem Kaiser gelobt hatten. Doch die Weltereignisse, um die sie sich nicht kümmern wollten, haben sie eingeholt, Mitte des vergangenen Jahrhunderts erdrückt und zum Verlust der Heimat geführt. Schmücken der Fronleichnamskapelle. Gemälde von Stefan Jäger Kirchgang. Gemälde von Stefan Jäger Gebrochenes Grabkreuz, Symbol der Auferstehung und der Hoffnung auf Versöhnung und Frieden. Alter deutscher Friedhof in Markt Krönau Foto: W. Strik 1999 Erzbischof Robert Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, hat als Kind die Vernichtung der Donauschwaben in der Batschka miterlebt. Über die Ereignisse in seinem Heimatdorf Philipsdorf schrieb er in der FAZ folgendes: „Mit dem Einzug der Partisanen begann die schreckliche Zeit. Am 25. November 1944 wurden 212 Männer zwischen sechzehn und sechzig Jahren, darunter mein damals gerade erst sechzehnjähriger Bruder Josef, von Titos Partisanen grausam abgeschlachtet und in drei Massengräber, die sie zuvor hatten selbst ausheben müssen, verscharrt. Ich war damals sechs Jahre alt und erinnere mich an viele Details. Ich höre die Schüsse und das Weinen der Frauen, Mütter und Kinder heute noch. Meine Mutter wurde in ein Zwangsarbeitslager abgeholt. Und am 1. April 1945 – es war Ostersonntag – wurde ich mit meiner Großmutter ins Vernichtungslager Gakovo eingeliefert. Dort befanden sich zeitweise zwischen 18 000 und 23 000 Deutsche - vorwiegend alte Leute und Kinder. (...) Sie verhungerten, starben massenweise. Die Leichen wurden in Massengräber geworfen.“ Kath. Kirche von Ruma Kirche Lenauheim Basilika Maria Radna Dom zu Temeswar St. Gerhards-Werk e. V. VERTREIBUNG – NEUE HEIMAT NOTKIRCHEN – EINGLIEDERUNG 1946/47 Ab Herbst 1946, auf Druck der Westmächte, tolerierte Flucht aus den jugoslawischen Lagern. 30 000–40 000 DS können nach Ungarn und Rumänien entkommen. 22. Dez. 1946 Ungarische Regierung erlässt Verordnung zur Aussiedlung der Ungarndeutschen. 1947 bis 1949 Entlassung der meisten Deportierten aus dem GULag der UdSSR. Mitte März 1948 Auflösung der Vernichtungs- und Arbeitslager in Jugoslawien. Viele DS bleiben aber weiterhin zwangsverpflichtet und dürfen das Land erst Jahre später (1954) verlassen. Ca. 4 400 DS, weniger als ein Prozent, bleiben (nach der Volkszählung von 1991) dauerhaft in Jugoslawien. 1949 1950 Gründung der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn und des Bundesverbandes der Deutschen aus Jugoslawien. Begründung der Gelöbniswallfahrt der Donauschwaben nach Altötting durch Pater Wendelin Gruber SJ. 1950 „Charta der Deutschen Heimatvertriebenen“ wird in Stuttgart proklamiert. Gründung der Landsmannschaft der Banater Schwaben. 1951 Neue Deportationswelle von Deutschen in Rumänien in die Baragan-Steppe. Dr. Augustin Pacha (1870–1954), Bischof von Temeswar, wird in einem Schauprozess zu langer Haftstrafe verurteilt und 1954 entlassen, ohne seine bischöflichen Funktionen weiter wahrnehmen zu dürfen.Im brasilianischen Bundesland Paraná wird die aus fünf Dörfern bestehende Siedlung Entre Rios mit Hilfe der „Schweizer Europahilfe“ gegründet. 2 500 DS in österreichischen Flüchtlingslagern suchen dort eine neue Heimat als Ackerbauern. 1954 Übernahme der Patenschaft des Landes Baden-Württemberg über die Volksgruppe der Donauschwaben (11. September 1954). 1959 Der Verband der ungarndeutschen Akademiker „Suevia Pannonica“ wird begründet. 1964 Gründung des Johannes-Künzig-Instituts für ostdeutsche Volkskunde (JKI) in Freiburg/i.Br.Übernahme der Patenschaft der Stadt Sindelfingen über die Landsmannschaft der Donauschwaben aus Jugoslawien. 1967 Übernahme der Patenschaft des Saarlandes über die Banater Schwaben (bis 1998). 1969 Gerlingen wird Patenstadt der Ungarndeutschen. 1970 Das Haus der Donauschwaben in Sindelfingen wird seiner Bestimmung übergeben. 1975 Gründung des „Arbeitskreises donauschwäbischer Familienforscher“ in Sindelfingen. 1986 Mit der Ausstellung „Die Donauschwaben – deutsche Siedlung in Südosteuropa“ wird im Neuen Schloß in Stuttgart die Geschichte und Kultur der Volksgruppe vorgestellt. Übernahme der Patenschaft durch Ingolstadt über die Banater Schwaben in Bayern. Gründung des Instituts für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen. 1988 Übernahme der Patenschaft durch Göppingen über die Banater Schwaben in Baden-Württemberg. 1998 Übernahme der Patenschaft der Stadt Ulm und des Landes Baden-Württemberg über die Banater Schwaben (vom Saarland übernommen). 2000 Gründung des Donauschwäbischen Zentralmuseums in Ulm. Felix-Ermacora-Institut in Österreich ins Leben gerufen. 2003 Die DS aus dem ehemaligen Jugoslawien beginnen an den Orten der Vernichtungslager Gedenkstätten zu errichten (Valpovo, Krndija, Rudolfsgnad, Gakowa, Kikinda, Kruschiwl usw.) Vertreibung Nach Österreich und in das ausgeblutete, ausgehungerte und zerbombte Deutschland kamen am Ende des Zweiten Weltkriegs ca. 14 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene, aus den Lagern Entlassenen Zivilisten, entlassene Kriegsgefangene und entlassene Zwangsarbeiter. Die Donauschwaben unter ihnen ließen sich, soweit es in ihrer eigenen Entscheidung lag, überwiegend in den Ländern Baden-Württemberg und Bayern nieder. Heimatlos, arm und gezeichnet vom erlebten Schicksal, hausten sie zunächst in überfüllten Lagern, Baracken und anderen Sammelunterkünften. Nach Baden Württemberg kamen: 115 000 126 000 102 300 9 000 deutsche Flüchtlinge und Vertriebene aus Ungarn deutsche Flüchtlinge und Vertriebene aus Jugoslawien Banater Deutsche als Flüchtlinge, entlassene Soldaten, Zwangsarbeiter und Aussiedler Sathmarschwaben Gesamt 352 300 Donauschwaben Nach Bayern kamen: 49 000 67.000 121 000 6 000 deutsche Flüchtlinge und Vertriebene aus Ungarn deutsche Flüchtlinge und Vertriebene aus Jugoslawien Banater Deutsche als Flüchtlinge, entlassene Soldaten, Zwangsarbeiter und Aussiedler Sathmarschwaben Gesamt 243 000 Donauschwaben Die Orte der Verbrechen Todesorte mit Todeszahlen: Banat, Batschka, Baranja, Syrmien, Slawonien Zahlen ohne *: Die Zahlen der in Band IV der Dokumentation „Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien“ (Abk.: LW IV) namentlich genannten, in den betreffenden Arbeits- und Vernichtungslagern umgekommenen Zivilpersonen. Zahlen mit *: Die Zahlen der in LW IV namentlich genannten, bis zum 31. Dezember 1944 ermordeten Zivilpersonen unter den Orten, in welchen die Morde stattfanden. Kreuz-Symbole: Vernichtungslager mit mehr als 2 000 namentlich genannten Opfern. Entnommen (geändert) aus LW IV 970/971 Vertreibung Ein Kind vor dem Hungertod in einem Vernichtungslager Titos Brutale Gewalt der Sieger. Ausschnitt aus einem Ölgemälde von Julius Stürmer. Eingliederung Zugreifen wo es Arbeit gibt, mit Fleiß und Sparsamkeit, auch mit gegenseitiger Hilfe wieder nach oben kommen! Dank guter Eingliederungsgesetze und staatlicher Hilfen fassten die ds. Flüchtlinge bald Fuß, fanden Arbeit und Brot. Ende der 50er und anfangs der 60er Jahre entstanden durch staatliche Förderung hunderte Wohnsiedlungen, die von den Flüchtlingen meist in Gemeinschaftsarbeit aufgebaut wurden. Für viele erfüllte sich der Wunsch nach einem eigenen Heim. Langsam wurde die Fremde zur Heimat.Treu im Glauben hatten sie den Terror und die Notzeiten durchgestanden, treu im Glauben pflegten sie nun ihr religiöses Brauchtum und ihre Frömmigkeit in der neuen Heimat. Durch den Zuzug der Flüchtlinge hatte sich die Zahl der Katholiken in Baden-Württemberg stark erhöht. Von einer hilfsbedürftigen Notgemeinschaft, wurden die Flüchtlinge bald eine mittragende Säule im wirtschaftlichen, geistig-kulturellen und religiösen Leben, Antrieb in der Entwicklung des neuen Bundeslandes Baden-Württemberg. Vielerorts feierte man den Gottesdienst zunächst in Notkirchen, Baracken und Lagerhallen, doch schon bald wurden in den neuen Siedlungen Kirchen gebaut. Seit 1946 waren es allein in BadenWürttemberg über 540. Essensausgabe durch die Hoover-Speisung im Lager Schlotwiese in Stuttgart-Zuffenhausen Donauschwaben aus Jugoslawien im Lager Schlotwiese in Stuttgart-Zuffenhausen Erste Notkirche in Heutingsheim bei Ludwigsburg Altar in einer Notkirche im Lager Schlotwiese in Stuttgart-Zuffenhausen St. Gerhards-Werk e. V. GRÜNDUNG DES ST. GERHARDS-WERKS MAßNAHMEN FÜR DIE EINGLIEDERUNG Bereits am 1. September 1954 hatte das Land Baden-Württemberg die Patenschaft über die Volksgruppe der Donauschwaben übernommen. Phasenverzögert übernahm die Diözese Rottenburg-Stuttgart die „Kirchliche Patenschaft“ über die Donauschwaben, ab dem 1. Mai 1958 wurde die Geschäftsstelle von München nach Stuttgart verlegt. Gleichzeitig wurde Pater Wendelin Gruber SJ für die Tätigkeit im St. Gerhards-Werk freigestellt, er wurde dessen geistlicher Beirat und Schriftleiter des Gerhardsboten. Kurze Zeit später wurde er von Bischof Carl-Josef Leiprecht zum Sonderseelsorger für die Donauschwaben in der Diözese Rottenburg berufen. Dr. Ludwig Leber erster Vorsitzender des St. Gerhards-Werks stehend, daneben links Rektor Killinger und Wilhelm Kronfuss. Rechts: Prof. Nikolaus Engelmann Vertretern beider Kirchen war von Anfang klar, dass neben der seinerzeit unstrittig wichtigen sozialen Betreuung der Landsleute zur Festigung des Glaubens und zur Erhaltung des gewachsenen religiösen Kulturgutes eine kirchlich-religiöse Pflege erfolgen muss. Unter der Leitung von P. Dr. Paulus Sladek OSA wurde zunächst die „Interessengemeinschaft Südostdeutscher Katholiken“ gegründet (Gründungsteilnehmer: Dr. L. Leber, Dipl. Ing. W. Kronfuss, Prof. Dr. L. Weifert, I. Kohler und H. Diplich). Daraus ging am 29. April 1952 der „Arbeitskreis Südostdeutscher Katholiken“, zu dessen Vorsitzender Dr. Ludwig Leber, als stellvertretender Vorsitzender Hans Diplich und der donauschwäbische Priester Hugo Killinger zum Geschäftsführer und gleichzeitig geistlichen Beirat gewählt wurden. Zu den Gründungsmitgliedern zählten je fünf Personen aus den Herkunftsländern der Donauschwaben. Am 1. März wurde Hugo Killinger von der Deutschen Bischofskonferenz als Seelsorger mit der Betreuung der heimatvertriebenen Katholiken aus Ungarn, Jugoslawien und Rumänien betraut. Schließlich wurde am 30. Mai 1955 beschlossen, den Arbeitskreis Südostdeutscher Katholiken in St. Gerhards-Werk um zu benennen. In der gleichzeitig verabschiedeten Satzung wurde als Zielsetzung festgelegt: Das Identitätsbewusstsein der Donauschwaben zu stärken und „auf der Grundlage der christlichen Glaubenslehre und Ethik“ Hilfen zu geben. Dies sollte durch kirchliche Veranstaltungen, wie Wallfahrten, Gottesdiensten, Andachten sowie auch durch Einkehr-, Besinnungs- und Kulturtagen erreicht werden. Zum ersten Vorsitzenden wurde Dr. Ludwig Leber gewählt. Rektor Hugo Killinger in Mariazell 1957 die von der Gerhardsjugend gestiftete Kerze Wallfahrt trägt die Inschrift: „Für die verfolgte Jugend im Osten“ Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer und Dr. Leber am 1. Mai 1960 bei der Vertriebenenwallfahrt „Kirche- Heimat“ auf dem Schöneberg/Ellwangen Vorsitzende des St. Gerhards-Werks: 1952–1963 1963–1965 1965–1967 1967–1978 1978–1981 1981–1985 1985–2000 2000–2007 seit 2007 Dr. Ludwig Leber MdL Dr. Valentin Merger Stefan Kohri Wilhelm Kronfuss OSTD Mathias Weber Prof. Nikolaus Engelmann Dipl. Ing. Franz Wesinger Bezirkstagspräsident a.D. Hermann Schuster Dr. Franz Metz Wilhelm Kronfuss bei der Studientagung der Gehardsjugend 1957 in Ulm. Neben den Studientagungen wurden regelmäßig Tagungen zu verschiedenen Themen, Vortragsreihen und Eingliederungsseminare durchgeführt. Geschäftsführer des St. Gerhards-Werks waren Pfr. Hugo Killinger, Mathias Appel, Nikolaus Bohnert und Rudolf Fath. Geistliche Beiräte des St. Gerhards-Werks: Pfr. Hugo Killinger, Pater Wendelin Gruber SJ, OSTR Dr. Jakob Eichinger, Prälat Prof. Josef Haltmayer, Msgr. Martin Roos und EGR Msgr. Andreas Straub. Prälat Josef Haltmayer, langjähriger geistlicher Beirat des St. GerhardsWerks und Bischöflicher Beauftragter für Heimatvertriebene und Aussiedler in der Diözese Rottenburg-Stuttgart Vorstand und Referenten bei der Studientagung des St. Gerhards-Werks 4., 5. Nov. 1989 v. l. Prof Dr. Adriányi, Prof. Dr. Wildmann, Pf. Ross, Prälat Haltmayer, Rektor Tscherny, Dr. Amann, Dr. Hambuch, Rektor Wüst, Lehrer Schmidt, Prof. Engelmann, Dipl. Ing. Wesinger Msgr. Martin Ross, Bischof von Temeswar und geistlicher Beirat des St. Gerhards-Werks E.G.R. Msgr. Andreas Straub, Geistlicher Beirat des St. Gerhards-Werks, Visitator der Donauschwaben und Deutschen aus Südosteuropa St. Gerhards-Werk e. V. DAS ST. GERHARDS-WERK UND DAS SÜDOSTDEUTSCHE PRIESTERWERK Das Südostdeutsche Priesterwerk St. Gerhard wurde am 21. August 1959 auf Anregung von Prälat Josef Nischbach gegründet, der auch dessen erster Vorsitzender war. Sein Nachfolger war, beginnend mit Prälat Josef Haltmayer, der jeweilige geistliche Beirat des St. Gerhards-Werks. Das Südostdeutsche Priesterwerk gibt regelmäßig einen Quartalbrief heraus und veranstaltet jährlich ein Priestertreffen. Aus dem religiösen Volksgut der Donauschwaben sind die Wallfahrten nicht wegzudenken. Das St. Gerhards-Werk hat diesem religiösen Bedürfnis von Anfang an Rechnung getragen und Wallfahrten, Gottesdienste, Marienandachten und Glaubenskundgebungen veranstaltet. Sie sollten der besseren Integration und Identifikation, der Stärkung des Glaubens und der Sammlung geistiger Kräfte dienen. Schon 1948 hat Dr. Leber zusammen mit Alexius Moser u.a. die seit dieser Zeit jährlich stattfindente Vertriebenen Wallfahrt zum Schöneberg in Ellwangen ins Leben gerufen. „Der summierende Strich unter die Vergangenheit muss ein Pfeil sein, der in die Zukunft weist. Die Zukunft heißt Europa, dass heißt Völkerverständigung, wie sie von den Donauschwaben in ihrer angestammten Heimat zwei Jahrhunderte im christlichen Glauben erprobt wurde.“ Kolomann Stumpfögger, Schriftleiter des Gerhardsboten, im Gerhardsboten vom 4./5. April 1972 Innenminister des Landes Baden-Württemberg Heribert Rech spricht das Wort der Laien bei der Wallfahrt in Altötting 2005. Vom St. Gerhards-Werk eigens ausgerichtete Wallfahrten seit 1959 Gelöbniswallfahrt nach Altötting, die auf die im Vernichtungslager Gakowa 1946 abgelegten Gelöbnisse von Pater Gruber SJ im Namen von Tausenden Todgeweihten zurückgeht. seit 1960 Wallfahrt nach Spaichingen seit 1960 Wallfahrt der Ungarndeutschen nach Marienthal/Rhg. Wallfahrt nach Speyer seit 1981 Wallfahrt nach Bad Niedernau Einzug der Priester zur Gelöbniswallfahrt der Donauschwaben in Altötting 2006 „Wallfahrt - Kirche - Heimat“ am Schönenberg bei Ellwangen, 1960er Jahre Publizistisch war und ist das St. Gerhards-Werk tätig durch die Herausgabe der Monatsschrift „Gerhardsbote“ und des „Quartalbriefs“ für die Priester und einer ganzen Reihe von Sachbüchern und Sammelbänden. Ab 1981 organisierte Franz Wesinger, Vorsitzender des St. Gerhards-Werks 1985–2000, zusammen mit dem „Missionskreis Olching“ Hilfslieferungen nach Tansania, Lebensmittel, Kleider, Baumaterialien für den Aufbau von Missions- und Krankenstationen, mehrere Kapellen und eine Kathedrale wurden gebaut. Ab 1982 gingen große Hilfstransporte mit Lebensmittel und Einrichtungsgegenstände für Krankenhäuser und Altenheime nach Polen. Weitere Hilfen gingen nach Südamerika zu den Wirkungsstätten von Pater Gruber, andere nach Angola. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes 1989 in Rumänien wurden 103 LKWs mit Hilfsgüter nach Rumänien, vor allem in das Banat, gebracht. Auch nach Ungarn, in die Ukraine, nach Kroatien, Bosnien und Albanien gingen Hilfssendungen. Franz Wesinger bilanziert die von ihm in Zusammenarbeit mit anderen Hilfsorganisationen, Klöstern und kirchlichen Einrichtungen überbrachten verschiedenen Hilfsgüter auf ca. 3 300 Tonnen. Der ehemalige Vorsitzende des St. GerhardsWerks Hermann Schuster und der Visitator der Donauschwaben Andreas Straub beim Heiligen Vater. Beim Empfang seiner Seligkeit Patriarch Teoctist aus Rumänien mit Vertretren des St. Gerhards-Werks aus Anlass der Veröffentlichung des Rumänischen Martyrologiums Marienmädchen, wie in der alten Heimat, bei der Wallfahrt 2006 in Altötting. ^ seit 1975 Gründung des Südostdeutschen Priesterwerkes: zweiter vorne rechts: Prälat Josef Nischbach, der kurz vorher aus dem Gefängnis der rumänischen Securitate freigekommen war. Msgr. Straub, Erzbischof Hocevar, Belgrad, Erzbischof Zollitsch, Freiburg i. Br., Bischof Mayer, Pécs/Fünfkirchen, Bischof Koch, Basel
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