Coverstory Fachthemen Hard- und Softwaretools Saubere Messung Ein mit Maple entwickelter 3D-Hallsensor-Algorithmus ermöglicht ein effizienteres Waschmaschinendesign In den vergangenen drei Jahren entwickelte ein Team des deutschen Herstellers Marquardt einen innovativen, in drei Dimensionen messenden Beladungs- und Unwuchtsensor für neue Waschmaschinenmodelle. Kraftvolle Unterstützung bei den komplexen Berechnungen kam von Maple. Autor: Dr. Frank Allmendinger Wer in den letzten Jahren eine neue Waschmaschine gekauft hat, wird es bemerkt haben: Statt wie früher üblicherweise fünf Kilogramm Wäsche zu verkraften, ist die typische Kapazität auf sieben oder sogar acht Kilogramm gewachsen. Die großen Trommeln passen immer noch in ein 60 Zentimeter breites Gehäuse. Gut für den Anwender, aber schlecht für den Entwickler. Denn: Der Abstand zwischen Trommel und Gehäuse schrumpft entsprechend und Kollisionen werden wahrscheinlicher. Marquardt hat daher einen Sensor entwickelt, der die relative Position der Waschmaschinentrommel zum Gehäuse in drei Raumdimensionen misst. Mit diesen Daten kann die Waschmaschinenelektronik im Voraus erkennen, ob eine Kollision der Trommel mit dem Gehäuse droht, und entsprechend präventiv reagieren. Mit Kenntnis der Trommelposition ist es der Waschmaschinensteuerung zum Beispiel möglich, Unwuchten zu erkennen und Resonanzfrequenzen des mechanischen Systems während des Schleuderns zu ermitteln. Um die Unwuchten zu minimieren, kann die Elektronik die Drehzahl reduzieren und durch erneutes Anschleu16 elektronikJOURNAL 12/2009 dern versuchen, die Wäsche gleichmäßiger auf den Trommelumfang zu verteilen. Als zusätzliches Feature ist es sogar möglich, das Gewicht der Wäsche zu messen, mit der die Maschine beladen ist, um eine Empfehlung für die Waschmittelmenge zu geben. Daten aufbereiten Das Marquardt-Team hat in enger Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen einen neuen 3DHallsensor-Asic (Anwendungsspezifische Integrierte Schaltung) entwickelt, der die drei Komponenten eines Magnetfelds misst. Um schnelle Datenraten zu realisieren, enthält der Asic drei Analog-Digital-Konverter. Damit kann der Chip die drei durch das Magnetfeld erzeugten Hallspannungen gleichzeitig digitalisieren. Das Messsystem besteht aus einem an der Trommel befestigten Magneten und dem 3D-Sensor am Gehäuse. Die Hauptkomponenten des 3D-Sensor sind der 3D-Hallsensor-Asic und ein 16-BitMikrocontroller, der den Asic ansteuert und den mathematischen Algorithmus enthält. Dieser Algorithmus berechnet aus den Mawww.elektronikjournal.com Fachthemen Hard- und Softwaretools Interview mit Frank-Michael Kaußen Numerische und symbolische Methoden kombinieren Den Vertrieb der Maplesoft-Produkte in Deutschland und Österreich hat Scientific Computers übernommen. Als Anbieter von Softwaretechnologien und Werkzeugen ist Scientific seit über 40 Jahren am Markt. Die Produkte und Projekte finden ihren Einsatz in allen Forschungs- und Industriezweigen, etwa in der Automobilindustrie, Chemie, Luft- und Raumfahrt, Telekommunikation, Medizintechnik und Finanzwesen. Das Journal hat sich bei Dipl.-Ing. Frank-Michael Kaußen, der bei Scientific Computers die Maplesoft-Produkte betreut, über Maple und das neue Maplesim erkundigt. Tools gibt es viele am Markt. Was ist das besondere an Maple? In der Modellierung und Simulation haben sich numerische Methoden längst etabliert. Dazu gehören FEM- und CFD-Analysen oder auch rein signalflussorientierte Modellierungen von Reglern oder Regelstrecken mit den derzeit üblichen Programmsystemen. Sie liefern aber nur einen zahlenmäßigen Wert. Die Kombination von numerischen und symbolischen Methoden, so wie sie Maple liefert, ermöglicht einen tieferen Einblick in die dahinter stehende Physik und der systemrelevanten Einflussgrößen, was vollkommen neue Möglichkeiten in der Berechnung bietet. Maplesoft präsentierte unlängst das neueste Produkt Maplesim 3. Was hat es damit auf sich? Die neueste Toolbox zu Maple heißt Maplesim und nutzt die umfangreiche Funktionalität von Maple für die physikalische modellbasierte Entwicklung (MBD) der nächsten Generation. Ohne die Software wechseln zu müssen, kann der Anwender hiermit unterschiedliche Ingenieurdisziplinen wie Elektrotechnik, Mechanik, Thermodynamik, Mehrkörpermechanik und Hydraulik nahtlos miteinander verknüpfen. Was ist so besonders an Maplesim? Maplesim ermöglicht erstmals, akausale und kausale Systeme in einer einzigen graphischen Eingabeoberfläche über Komponentenblöcke zu erstellen. Dabei werden die resultierenden Gleichungen automatisch generiert und man erhält den uneingeschränkten Zugriff auf alle Glei- gnetfeldkomponenten den dreidimensionalen Abstand zwischen Magnet und 3D-Sensor. Grundlage des Algorithmus’ ist ein magnetisches Dipolfeld. Der Zylindermagnet erzeugt im Fernfeld in guter Näherung ein Dipolförmiges Magnetfeld, das mathematisch modelliert werden kann. Die drei berechneten Abstandskoordinaten überträgt der 3D-Sensor dann zum Mikrocontroller der Waschmaschinensteuerung, der wiederum über einen eigenen Algorithmus berechnet, wie die Trommel im Hochlauf optimal angetrieben wird. chungen und Lösungen. Diese symbolisch, vollständig parametrisch vorliegenden Gleichungen lassen sich dann beliebig weiterbearbeiten, numerisch Frank-Michael Kaußen ist Sales auswerten, lösen, plotten, grafisch Manager Maplesoft-Produkte animieren und mehr. bei Scientific Computers in Aachen. Können Sie weitere Vorteile hervorheben? Zu nennen sind die in der Regel echtzeitfähigen Modelle für regelungstechnische Entwicklungen (wie HIL oder SIL) sowie die automatische Codegenerierung in C, Fortran, Java, Visual Basic, Matlab und Modelica, die einen Austausch und eine Integration in die bestehende Softwarekette ermöglicht. Auch bereits erstellte Modelle oder ganze Bibliotheken lassen sich über Direktankopplungen oder Schnittstellen mit einbeziehen und weiter nutzen. Hier verfügt Maplesim über den Labview-Connector und den Simulink-Connector, um Maplesim mit allen weitverbreiteten Echtzeitplattformen zu verbinden. Mit der Maplesim Control Design Toolbox steht dem Anwender zudem eine umfassende Sammlung grundlegender Werkzeuge für die Modellierung der Regelstrecke zur Verfügung. Der symbolbasierte Ansatz garantiert dabei überragende Ergebnisse. Da die Entwicklung der Strecke und Regler in ein- und derselben Umgebung erfolgt, wird ein unnötiges Wechseln der Werkzeuge vermieden und der Entwicklungsprozess merklich beschleunigt. Um den Algorithmus der Ortsberechnung aus den Magnetfeldkomponenten zu entwickeln, verwendete die Marquardt-Gruppe Maple. Das wichtige Tool ermöglichte es den Entwicklern, komplexe Probleme wie die Magnetfelder zu modellieren, die erlaubten Toleranzbereiche für den Magneten zu berechnen und zu analysieren, wie sich die Neigung des Magneten auf die Messgenauigkeit des Systems auswirkt. Aufgrund der Stahlrückwand kommt es zu einer Verzerrung des idealen Dipolfeldes (siehe Bild auf Seite 18 rechts oben). Diese Verzerrung erfordert einen Korrekturalgo- ➜ Auf einen Blick Symbol-Kraft 1 2 Die Kombination aus numerischer und symbolischer Mathematik ermöglicht es Entwicklern, mit Maple komplexe Probleme einfach und schnell zu lösen. Das zeigt sich zum Beispiel beim Berechnen der 3D-Position einer Waschmaschinentrommel relativ zum Gehäuse, wie sie Marquard mit einem Hallsensor, einem Asic und der Software für einen Mikrocontroller umgesetzt hat. infoDIREKT www.elektronikjournal.de 501ejl1209 Link zu Maplesoft, Marquardt und Scientific Computers VORTEIL Mit Maple können Entwickler effizientere Algorithmen viel Magnet (2) und 3D-Hallsensor-Asic (1), den Marquardt-Ingenieure mit Hilfe von Maple entwickelten. Beide sind hier in einer Waschmaschine montiert. www.elektronikjournal.com leichter entwickeln. elektronikJOURNAL 12/2009 17 Bilder: Maplesoft/Marquardt Coverstory Fachthemen Hard- und Softwaretools Simulation des magnetischen Felds an der Stahlrückwand der Waschmaschine. Ohne Unwuchtsensor (links) kann die Trommel mit dem Gehäuse kollidieren. Der Sensor misst daher die Entfernung in drei Dimensionen (Mitte). rithmus, den die Entwickler mit Hilfe von Maple analytisch untersucht und insbesondere die Jacobi-Matrix berechnet haben. Letztere ist für den gewählten Newton-Raphson-Algorithmus notwendig. Der resultierende Algorithmus wurde in Maple getestet und optimiert. Das Team hat ihn dann in C-Code übersetzt und im Mikrocontroller des 3D-Sensors implementiert. Das System aus 3D-Sensor und Magnet bietet folgende Vorteile: Die Montage beider Baugruppen ist einfach und es tritt kein Verschleiß auf, weil es keine mechanische Verbindung zwischen Magnet und 3D-Sensor gibt. Da das Sensorsystem die drei Magnetfeldkomponenten simultan misst, bietet es die Option, die Geschwindigkeit zu berechnen. So kann im Prinzip die Position der Trommel vorausberechnet werden. Der Algorithmus der Ortsbe- rechnung über das analytische Modell des Feldverlaufs ermöglicht es, einen kleinen Zylindermagnet zu verwenden, dessen nicht-lineares Feld über analytische Funktionen effizient ausgewertet wird. Dreidimensionale Kennfelder des Feldverlaufs sind damit nicht notwendig. Dank des kleinen Magneten ist es möglich, verantwortungsbewusster mit Ressourcen umzugehen. Die Berechnung über ein analytisches Feldmodell bietet gegenüber dem Einsatz dreidimensionaler Kennfeldern den Vorteil, dass ein Mikrocontroller mit weniger Speicher ausreicht. (lei) ■ Der Autor: Dr. Frank Allmendinger war Projektleiter bei der Marquardt Mechatronik GmbH und ist mittlerweile Professor an der Hochschule Furtwangen am Campus Tuttlingen. Infokasten Über Maplesoft Maplesoft bietet Softwaretools für Technik, Wissenschaft und Mathematik. Die Kerntechnologien umfassen eine symbolische Berechnungsmaschine und physikalische Modellierungstechniken. Maplesofts Produkte helfen, Fehler zu reduzieren, Entwicklungszeiten zu verkürzen, Kosten zu senken und Ergebnisse zu verbessern. Zur Produktpalette gehören Maple, die technische Berechnungs- und Dokumentationsumgebung, sowie Maplesim, das Hochleistungs-, Mehrdomänen-Modellierungs- und Simulationstool für physikalische Systeme. Ingenieure, Wissenschaftler und Mathematiker verwenden die Produkte, zu den Kunden zählen BMW, Bloomberg, Boeing, Bosch, Canon, Dreamworks, EADS, Ford, HSBC, Motorola, Microsoft Research, MBDA, Nasa und Renault, die in Automotive, Luft- und Raumfahrt, Elektronik, Verteidigung, Energieversorgung, Finanzdienstleistungen, Konsumgüter und Unterhaltung tätig sind. Mit Toyota gründete Maplesoft das Plant Modeling Consortium, um die Entwicklung von neuen Designmethoden für den Bereich Automotive und verwandte Industrien zu fördern. Vertrieb: In Deutschland und Österreich ist Scientific Computers zuständig (Frank-Michael Kaußen, f.kaussen@scientific.de, Interview Seite 17), in der Schweiz Philippe Perrier ([email protected]). Anwenderkommentar Dr. Allmendinger, Autor dieses Beitrags, arbeitete das erste Mal in seinem Studium mit Maple. Schon damals war er beeindruckt von der Fähigkeit des Tools, mit symbolischer Mathematik zu arbeiten, sowie von den leistungsfähigen graphischen Werkzeugen, dem technischen Doku- 18 elektronikJOURNAL 12/2009 Maple 13 bindet mit Maplesim 3 eine neue Toolbox ein, die auf den umfangreichen Funktionen von Maple 13 fußt. menteninterface und den Exportfunktionen in andere Sprachen, etwa C, Matlab und Java. Dr. Allmendinger erklärt: „Es war sehr einfach, mit Maple zu arbeiten, sogar wenn komplizierte Mathematik einbezogen war. Es war einfach, die Gleichungen einzugeben und zu modifizieren. Ich konnte schnell feststellen, ob sie eine Lösung hatten, um dann eventuell zurückzugehen und notwendige Änderungen vorzunehmen. Das Arbeiten der Maple-Benutzerschnittstelle ist schnell und reibungslos möglich. Die Exportfähigkeiten und die Interoperabilität mit anderen technischen Programmen wurde inzwischen wesentlich verbessert – sie sind für eine schnelle Lösungsentwicklung unverzichtbar.“ www.elektronikjournal.com
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