Motorik – Balance – Schreiben (MoBaS): Der Einfluss motorischer Fähigkeiten auf frühe Handschrift bei Vorschulkindern Michael Fließer1, Gerit Brenner1, Annegret Klassert1, Steffen Müller², Monique Wochatz², Sabrina Gerth1, Thomas Dolk1, Julia Festman1 www.uni-potsdam.de/fghi 1) Universität Potsdam, Forschungsgruppe Heterogenität und Inklusion; 2) Universität Potsdam, Hochschulambulanz Einleitung Fragestellung Das Schreiben mit der Hand stellt eine sehr komplexe motorische Aufgabe dar. Benötigt werden dafür Kompetenzen in den unterschiedlichen motorischen Bereichen Stützmotorik (Flatters et al., 2014), Bewegungsmotorik und Handgeschicklichkeit (Volman et al., 2006). Bisher mangelt es allerdings an Erkenntnissen darüber, welchen konkreten Beitrag die genannten Kompetenzen zur Fähigkeit mit der Hand zu schreiben liefern. Besteht ein Zusammenhang zwischen stütz- und bewegungsmotorischen Fertigkeiten, Handgeschicklichkeit und früher Handschrift? Ablauf: Stichprobe: Methode • • • • • Aufbau von 4 Stationen (+ 1 Pausenraum), gegliedert nach den unten gezeigten Motorikbereichen • Kinder absolvieren diese jeweils zu zweit oder in Kleingruppen (Tabletaufgaben) 41 Kinder aus 4 Kindergartengruppen (13 Mädchen) Alter: M= 5;11 (SD= 5) Größe: M= 1.15 m (SD= 0.05) Gewicht: M= 20 kg (SD= 2.5) Stützmotorik Bewegungsmotorik Handgeschicklichkeit Bewahrung des Gleichgewichts und der Körperhaltung (Haibach, 2011) Bewegung des Körpers im Raum (Haibach, 2011) Feine Bewegungen um kleine Objekte zu steuern (Rosenblum & Josman, 2003) Aufgabe: Einbeinstand Dauer: 1 Sek. und 10 Sek. Maß: Veränderung des Center of Pressure (CoP) Aufgabe: Mit angehockten Beinen sitzen Dauer: 10 Sek. Maß: Veränderung des Center of Pressure (CoP) Aufgabe: In normaler Geschwindigkeit 3 Meter gehen Dauer: 10 Versuche Maß: Varianz der Gehgeschwindigkeit Aufgabe: Counter Movement Jump Dauer: 3 Versuche Maß: Zeit ohne Bodenkontakt Aufgabe: Münzen in Box werfen Dauer: Max. 2x pro Hand Maß: Benötigte Zeit Aufgabe: Perlen auffädeln Dauer: Max. 2x Maß: Benötigte Zeit Frühe Handschrift Maß: Anzahl der Geschwindigkeitsumkehrpunkte (Number of Inversions in Velocity, NIVs) beim Abmalen von Schlaufen auf einem Tablet NIVs sind ein Maß für die Automatisierung der Handschrift (Tucha et al., 2008). Abb.: NIVs geübter und nichtgeübter Schreiber (Tucha et al., 2008) 250 200 150 100 50 r= 0.272 N=29 0 0 20 40 60 80 100 120 30 80 25 20 15 10 5 r= -0.091 N=37 0 0 140 20 40 80 100 120 20 15 10 5 r= 0.117 N=29 0 20 40 60 80 Anzahl NIVs Schlaufen 60 50 40 30 20 r= 0.442* N=38 10 0 140 0 20 40 100 120 140 60 80 100 120 140 Anzahl NIVs Schlaufen 45 25 Bewegungsmotorik (Ränge) 30 0 70 Anzahl NIVs Schlaufen Anzahl NIVs Schlaufen Stützmotorik (Ränge) 60 Perlen Auffädeln (in Sek.) 300 40 40 35 30 25 20 15 10 r= 0.066 N=38 5 0 0 20 40 60 80 100 120 140 Handgeschicklichkeit (Ränge) Center of Pressure Einbeinstand (1 sec) 350 Coefficient of Variance Gang (in %) Ergebnisse 35 30 25 20 15 10 r= -0.371* N=38 5 0 0 20 40 60 80 100 120 140 Anzahl NIVs Schlaufen Anzahl NIVs Schlaufen Die verschiedenen Motorikaufgaben zeigen bei der Handschriftaufgabe unsystematisch leichte Einflüsse. Fasst man die Variablen hinsichtlich ihrer motorischen Einordnung zusammen, so zeigt sich vor allem Handgeschicklichkeit als einflussreicher Prädiktor, gefolgt von der Stützmotorik, während für Bewegungsmotorik kaum Zusammenhänge zur Handschriftaufgabe festgestellt werden können. Ausblick Diskussion Die Ergebnisse legen nahe, dass frühe Handschriftfertigkeit vor allem durch die Fähigkeit Dinge mit der Hand zu manipulieren bestimmt wird. Darüber hinaus finden sich Hinweise auf einen geringen Einfluss der Stützmotorik, hingegen keine auf einen Einfluss der Bewegungsmotorik. Da allerdings sowohl die Entwicklung der Bewegungs- als auch der Stützmotorik vor der Entwicklung der Handgeschicklichkeit erfolgen (Haibach, 2011), erscheint die Annahme eines indirekten Einflusses plausibel. Literatur: • Flatters, I., Mushtaq, F., Hill, Liam J. B., Holt, R. J., Wilkie, R. M., & Mon-Williams, M. (2014). The relationship between a child’s postural stability and manual dexterity. Experimental Brain Research, 232(9), 2907–2917. doi:10.1007/s00221-014-3947-4. • Haibach, P. S., Reid, G., & Collier, D. H. (2011). Motor Learning and Development. Champaign, IL: Human Kinetics. • Rosenblum, S., & Josman, N. (2003). The Relationship Between Postural Control and Fine Manual Dexterity. Physical & Occupational Therapy In Pediatrics, 23(4), 47–60. doi:10.1300/J006v23n04_04. • Untersuchung des Zusammenhangs in größerer Stichprobe, sodass die Annahme eines indirekten Einflusses von Stütz- und Bewegungsmotorik auf (frühe) Handschrift in komplexeren statistischen Modellen überprüft werden kann • Untersuchung älterer Kinder, um mögliche altersbedingte Veränderungen des Einflusses anderer motorischer Kompetenzen auf den Handschrifterwerb zu untersuchen • • Tucha, O., Tucha, L., & Lange, K. W. (2008). Graphonomics, automaticity and handwriting assessment. Literacy, 42(3), 145–155. doi:10.1111/j.1741-4369.2008.00494.x Volman, M. J., van Schendel, b. M., & Jongmans, M. J. (2006). Handwriting Difficulties in Primary School Children: A Search for Underlying Mechanisms. American Journal of Occupational Therapy, 60, 451–460.
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