Sachverhalt

Prof. Dr. Kyrill-A. Schwarz
Professur für Öffentliches Recht
Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Rechtsphilosophie
Hausarbeit im Öffentlichen Recht für Anfänger
Wintersemester 2016/2017
Anlässlich der neusten Enthüllungen um Steuerflucht, Steuerhinterziehung und der Umgehung
der Besteuerung in Deutschland im Zuge der Panama-Papers-Affäre beschließt das Bundesland
Bayern, der Steuerhinterziehung den Kampf anzusagen. Daher erlässt der Landtag am 14. Januar 2016 mit Wirkung zum 01.10.2016 ein Gesetz zur Bekämpfung der Steuerflucht und der
Vermeidung missbräuchlicher Gestaltungen. Die durch findige Steueranwälte praktizierte Umgehung oder Minderung von Steuerlasten durch Offshore-Briefkastenfirmen in sog. Steueroasen soll möglichst gänzlich unterbunden werden. Insbesondere sollen zudem Schwarzgelder
vermieden und anonymisierte Konten und Zahlungsströme verhindert und aufgedeckt werden.
Zielgruppen sind in Deutschland mit Standorten, Zweigniederlassungen, Tochtergesellschaften, Betriebsstätten, etc. tätige Unternehmen (Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften), sowie unternehmerisch tätige natürliche Personen. Das Gesetz sieht vor, dass die betroffenen Personen innerhalb des Bundesgebiets der Bundesrepublik Deutschland einen Server bereithalten müssen, auf welchem sich die gesamten Finanz- und Zahlungsaktivitäten des Unternehmens befinden (Finanzserver). Für internationale Konzerne, Gesellschafts- und Unternehmensstrukturen mit Auslandsbezug und ausländische – in Deutschland tätige – Gesellschaften,
welche aufgrund der Unternehmensstruktur ihre Server grundsätzlich im Ausland vorhalten,
wird die Pflicht statuiert, neben dem ausländischen Server einen zusätzlichen Server im Inland
bereitzustellen, auf welchem sich die Finanzunterlagen und -daten befinden. Das Gesetz sieht
die Pflicht vor, den Finanzbehörden das Aufspielen einer Software zu gestatten, mittels derer
die Behörden die auf den Finanzservern gespeicherten und vorgehaltenen Daten jederzeit auslesen und überprüfen können. Hierdurch würde sich insbesondere die steuerliche Nachprüfung
vor Ort erleichtern und auch der Betriebsablauf der betroffenen Unternehmen würde nicht –
zumindest nicht in dem Maße wie bisher – durch die Steuerprüfer beeinträchtigt werden, wenn
bereits ein Großteil der Überprüfung der steuerrelevanten Tatsachen online erfolgen könne.
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Nach zwei Lesungen waren bei der Abstimmung zum Gesetz im Landtag 167 Abgeordnete
anwesend. Hiervon stimmten 83 für den durch Horst Seehofer bei Barbara Stamm eingebrachten Antrag. 7 Abgeordnete haben sich enthalten. Das Gesetz wurde am 22. Januar 2016 verkündet und veröffentlicht.
Aufgrund des Gesetzes erging am 01. April 2016 ein Bescheid des zuständigen Finanzamt
Würzburgs an die in der Gemeinde Höchberg ansässige A-B-C-GbR mit der Aufforderung, ab
dem 01.10.2016 einen entsprechenden Finanzserver bereitzuhalten (sofern die gesamten Finanzdateien nicht ohnehin auf einem Firmenserver gesammelt zur Verfügung stünden) und der
Finanzbehörde das Aufspielen der Software bis Ende April zu gestatten. Hiergegen legten die
jeweils einzeln vertretungsbefugten Gesellschafter der GbR – A, B und C – im Namen der GbR
Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht ein. Das Rechtsmittel hatte jedoch keinen Erfolg.
Auch die nachfolgende Instanz hat nicht zu einer Abhilfe geführt. Am 05. August 2016 erging
das abweisende Urteil des BayVGH und wurde zugleich zugestellt.
A – Gesellschafter der A-B-C-GbR – möchte sich mit der juristischen Niederlage nicht abfinden und sieht die Grundrechte seiner Gesellschaft in Gefahr. A war jedoch vom 06.-25. August
im Urlaub auf einer lang gebuchten Arktiskreuzfahrt und anschließend mit einer starken Lungenentzündung bis einschließlich 06. September 2016 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Am
07. September 2016 war A wieder im Büro. Aufgrund der Überbelastung im Rahmen des Unternehmens, welche sich im Zuge der Abwesenheit des A angestaut hat, konnte A die Verfassungsbeschwerde im Namen der GbR aber erst am 21. September 2016 erheben. Dies verband
er mit einem Schreiben, in welchem er die späte Erhebung der Verfassungsbeschwerde zu entschuldigen bat und die Gründe darlegte. Die Kreuzfahrt war bereits seit langem gebucht und
für die Krankheit könne A nichts. Dass es bei einem Ausfall von ca. einem Monat im Büro
„drunter und drüber gehe“, verstehe sich von selbst. Hieraus könne ihm kein Nachteil entstehen.
Inhaltlich führt A aus, dass ein solches Vorgehen mit dem Grundgesetz nur schwer in Einklang
zu bringen sei. Dies sei ein Ausspähen des Unternehmensbetriebes und würde in die Privatsphäre der Gesellschaft und der Gesellschafter eingreifen. Auch sei dies kaum mit der Eigentumsfreiheit des Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar. Zum einen könne ihm nicht vorgeschrieben
werden, einen entsprechenden Server anzuschaffen. Zum anderen – da ohne Software und PC
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ein unternehmerischer Betrieb heute kaum mehr möglich sein wird, nahezu jedes Unternehmen
dementsprechend einen Server und PC zur Verfügung haben wird – könne nicht verlangt werden, dass bestehendes Eigentum für Zwecke verwendet würde, für die es der Eigentümer nicht
vorsehe. Dies sei faktisch eine Enteignung, da der Eigentümer nicht mehr in vollem Umfang
über sein Eigentum disponieren könne. Letztlich merkt A an, die Zuständigkeit des Landes
Bayern für den Erlass des Gesetzes sei doch sehr zweifelhaft. Dies müsse doch Berücksichtigung finden. Selbst wenn das BVerfG zu dem Entschluss käme, Grundrechte seien durch die
Regelungen materiell-rechtlich nicht betroffen, so könne doch ein rechtswidrig zustande gekommenes Gesetz nicht wirksam in die Grundrechte der Bürger eingreifen.
Bearbeitervermerk: Erstellen Sie gutachterlich die Entscheidung des BVerfG hinsichtlich
der Verfassungsbeschwerde. Es ist auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen einzugehen. Bei
der Prüfung ist davon auszugehen, dass die Beschwerde zur Entscheidung angenommen
werden würde. Sollte zu dem Ergebnis der Unzulässigkeit gelangt werden, so ist die weitere Prüfung hilfsgutachterlich fortzusetzen. Europarechtliche Aspekte sind nicht zu prüfen. Es ist zu unterstellen, dass die Gesetzesregelung keine Regelung des Verfahrens oder
des Aufbaus der Finanzbehörden darstellt.
Die Korrektur dieser Ferienhausarbeit für Anfänger setzt eine Online-Anmeldung voraus.
Die Hausarbeit darf eine Seitenanzahl von 20 im Fließtext nicht überschreiten.
Für die weiteren Formalia sind die verbindlichen Hinweise des Leitfadens für das Erstellen
von Hausarbeiten zu beachten. Dieser ist auf der Homepage der Professur (www.jura.uniwuerzburg.de/ lehrstuehle/schwarz) abrufbar.
Die Hausarbeit ist spätestens bis zum 17.10.2016 (Datum des Poststempels) im Sekretariat der
Professur für Öffentliches Recht, Professor Schwarz (Zimmer 1132 am Paradeplatz 4, Eingang
Ebracher Gasse), abzugeben oder postalisch einzureichen. Das Sekretariat ist am 17.10.2016
von 9-13 Uhr besetzt.
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