Die Verknüpfung handelsrechtlicher und steuerrechtlicher

Jahrbuch 2003/2004 | Schön, W olfgang | Die Verknüpfung handelsrechtlicher und steuerrechtlicher
Gew innermittlung im deutschen und europäischen Recht
Die Verknüpfung handelsrechtlicher und steuerrechtlicher
Gewinnermittlung im deutschen und europäischen Recht
Linkage between commercial and tax accounting under German and
European law
Schön, W olfgang
MPI für Geistiges Eigentum, W ettbew erbs- und Steuerrecht, München
Korrespondierender Autor
E-Mail: W [email protected]
Zusammenfassung
In Europa w urden die "International Accounting Standards (IAS)" als maßgeblicher Bilanzierungsrahmen für
börsennotierte Konzerne eingeführt. Dies w irft die Frage auf, ob gesellschafts- oder kapitalmarktrechtlich
geprägte Abschlüsse für die steuerliche Gew innermittlung zukünftig noch maßgeblich sein w erden. Das Institut
untersucht die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen - insbesondere zum Gesellschafter- und Gläubigerschutz -,
analysiert die rechtspolitischen Optionen für die deutsche Gesetzgebung und formuliert Vorschläge für eine
europaw eit
anw endbare
einheitliche
steuerliche
Bemessungsgrundlage
für
grenzüberschreitende
multinationale Unternehmen.
Summary
The introduction of the International Accounting Standards as binding framew ork for listed groups of
companies in Europe brings forw ard the issue of the future of "linkage" betw een commercial and tax
accounting. The Institute discusses the commercial and company law background - specifically creditor and
shareholder protection -, analyses legal choices for domestic legislation and prepares proposals for a Eurow ide applicable consolidated common tax base for cross-border multi-national enterprises in Europe.
Aus den vielfältigen Themen des nationalen, europäischen und internationalen Bilanz- und Steuerrechts mit
seinen Bezügen zu anderen Teilen des W irtschaftsrechts, die in der Abteilung "Rechnungslegung und Steuern"
des Max-Planck-Instituts für Geistiges Eigentum, W ettbew erbs- und Steuerrecht behandelt w erden, ragt in der
aktuellen
Diskussion
die
Problematik
der
w echselseitigen
Beeinflussung
handelsrechtlicher
und
steuerrechtlicher Rechnungslegung heraus. Dies gilt sow ohl für die Ebene der deutschen Gesetzgebung als
auch für den internationalen w issenschaftlichen Diskurs. Die Einführung der International Accounting
Standards/International Financial Reporting Standards (IAS/IFRS) im Jahr 2002 als europaw eit gültiger
Rahmen
für die
Rechnungslegung
börsennotierter Konzerne
führt in
sämtlichen
Mitgliedstaaten
der
Europäischen Union und darüber hinaus zu neuen Rahmenbedingungen für unterschiedliche Zielsetzungen,
die mit der unternehmerischen Rechnungslegung verbunden sind. Auf der Ebene des Gesellschaftsrechts stellt
sich die Frage nach einer Fortführung des traditionellen bilanzgestützten Kapitalschutzes. Auf der Ebene der
internen Unternehmenssteuerung stellt sich die Frage, ob das neue Regelungssystem für die innere Führung
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internen Unternehmenssteuerung stellt sich die Frage, ob das neue Regelungssystem für die innere Führung
großer betriebsw irtschaftlicher Einheiten einsetzbar ist. Auf der Ebene des Steuerrechts schließlich muss
geklärt
w erden,
ob
und
in
w elcher
Weise
die
nunmehr
grenzüberschreitend
standardisierten
Unternehmensinformationen zugleich Grundlage einer einheitlichen steuerlichen Bemessung sein können.
In Deutschland, anderen Staaten und in den Institutionen der Europäischen Gemeinschaft gab es hierzu
bereits erhebliche Aktivitäten, die schon frühzeitig durch das Institut begleitet w erden konnten. Auf der Ebene
des deutschen Rechts ist in einem ersten Schritt zu klären, ob und in w elchem Umfang die IAS/IFRS nicht nur
den kapitalmarktorientierten Konzernabschluss, sondern auch den gläubiger- und gesellschafterorientierten
Einzelabschluss von Gesellschaften prägen können. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den
gesellschaftsrechtlichen
Rahmenbedingungen
des
deutschen
Kapitalgesellschaftsrechts
und
seiner
europarechtlichen Vorgaben. Die Bundesregierung ist inzw ischen Vorschlägen, die in Zusammenarbeit mit
einem Arbeitskreis deutscher Hochschullehrer des Bilanzrechts erstellt w urden, gefolgt. Danach kann zumindest bis zur Entw icklung alternativer gleichw ertiger Schutzmechanismen - eine Aufspaltung von
Rechenw erken je nach Bilanzfunktionen angeordnet und durchgeführt w erden.
Für
das
deutsche
Steuerrecht
bedeutet
dies,
dass
die
gesellschaftsrechtlichen
Grundlagen
der
"Maßgeblichkeit" der handelsrechtlichen für die steuerrechtliche Gew innermittlung in Bew egung bleiben. Daher
muss die Grundsatzfrage, ob es an der Zeit ist, ein eigenständiges Steuerbilanzrecht zu entw ickeln, auf der
Basis alternativer Überlegungen entschieden w erden. Dabei lässt sich sow ohl unter Geltung der traditionellen
Kapitalerhaltungsbilanz
des
Handelsgesetzbuches
(HGB) als
auch
auf der Grundlage
von
IAS/IFRS-
Informationssystemen eine Bezugnahme steuerlicher Ansatz- und Bew ertungsregeln vertreten - w enn auch
jew eils mit bestimmten Modifikationen.
Besondere Bedeutung gew innt diese Entw icklung aus dem Umstand, dass die Europäische Kommission die
Vereinheitlichung
der nationalen
Handelsbilanzrechte
zum Anlass
nehmen
möchte, die
IAS/IFRS als
gemeinsamen Ausgangspunkt einer einheitlichen steuerlichen Bemessungsgrundlage zu w ählen. Damit sind
vielfältige Fragen verbunden - etw a die Frage nach der Gesetzgebungskompetenz europäischer Organe, der
Auslegungszuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und der Zulässigkeit von Bezugnahmen auf
private Rechtssetzung. Im Vordergrund stehen aber natürlich die Rechtsfragen der materiellen Übertragbarkeit
von kapitalmarktrechtlichen Informationsgrundsätzen auf das steuerliche Bild. Dabei stellt sich heraus, dass
nicht etw a Gew inn-, Vermögens- oder Einkommensbegriff unterschiedlich gefasst sind, sondern dass die
unterschiedlichen Rechtsfolgen - Information oder Geldabfluss durch Steuerzahlung - jew eils besondere
Modifikationen einschließen. Insbesondere muss zum Schutz des Steuerpflichtigen gew ährleistet w erden, dass
seine
Eigentümerfreiheit
hinreichend
gew ahrt
bleibt
und
auch
seine
am Kapitalmarkt
bestehenden
Refinanzierungsmöglichkeiten nicht fehlerhaft eingeschätzt w erden. Besondere Bedeutung genießt auch die
Notw endigkeit
einer
vom
Unternehmensergebnisses,
Bemessungszeitraum
die
entw eder
unabhängigen,
innerhalb
oder
zutreffenden
außerhalb
der
Bemessung
Bilanz
eines
besondere
Verlustverrechnungsmethoden erfordert.
Das Institut ist mit diesen Fragestellungen sow ohl in Bezug auf das Handelsrecht als auch in Bezug auf das
Steuerrecht befasst und mit den maßgebenden nationalen und internationalen Institutionen im laufenden
Gedankenaustausch. Dabei konnten die Forschungsleistungen des Instituts auf Tagungen im In- und Ausland
sow ie in Publikationen einem breiten Fachpublikum zugänglich gemacht w erden.
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