Ein individueller Leitfaden

Ein individueller Leitfaden zur Unterstützung von Herrn B.
(Quellen: Prinzipien des TEACCH-Ansatzes, der Verhaltenstherapie und der Heilpädagogik
wurden entsprechend der Bedürfnisse des einzelnen Menschen mit Autismus für diesen
Leitfaden verwendet und angepasst. Weitere Quellen waren u.a. auch die Hefte
„Schulbegleitung für Schülerinnen und Schüler mit Asperger - Syndrom“(Herausgabe 2007)
und „Asperger Syndrom - Strategien und Tipps für den Unterricht“ (Herausgabe in Deutschland
2005).
Beide Hefte wurden vom Verband „autismus Deutschland e.V.“ herausgebracht.)
Das Ergebnis enthält zwar einige allgemeingültige Unterstützungsmöglichkeiten, aber dieser
Leitfaden muss für jeden einzelnen Menschen mit Autismus jeweils neu bearbeitet werden.
Individueller Leitfaden zur Unterstützung von Herrn B.
Autismus
=
tiefgreifende
Entwicklungsstörung,
die
Funktionen
der
Wahrnehmungsverarbeitung und soziale Fähigkeiten wie Empathie und Steuerung der sozialen
Interaktion sind u.a. beeinträchtigt. Hinzu kommen häufig Störungen in der Selbststeuerung
und Besonderheiten im Denken und Lernen.
Bestehendem Perfektionismus ist mit viel Verständnis und Geduld zu begegnen.
MISSVERSTÄNDNISSE in der zwischenmenschlichen Kommunikation sind die Regel!!!
Psychische und soziale Bedürfnisse
Eindeutigkeit
• hilfreich sind eindeutige Signale, Kontaktangebote, Anweisungen und Anforderungen
• jegliche Form der Ironie oder Sarkasmus sind absolut zu vermeiden
(da sie mehrdeutig und widersprüchlich sind, sie werden nicht verstanden)
Vorhersehbarkeit
• strukturierte Ablauf- und Stundenpläne, Zeitvorgaben (ganz wichtig)
Zugehörigkeit
• auf den Betroffenen zugehen und Fragen stellen, nicht ausschließen
Eine oder zwei Bezugspersonen festlegen als:
• Ansprechpartner
• Sprachrohr
• Vermittler
• Orientierungshilfe: Strukturgeber und Lenker der Aufmerksamkeit
• Krisenhelfer
• „Dolmetscher“
In Krisen: Verlassen der Situation ermöglichen!
(Bei Fragen oder Krisen an die Psychologin des BBW
und /oder an den Coach, der Herrn B. begleitet, wenden)
Gemeinsam mit dem Betroffenen müssen individuelle Hilfen vereinbart werden.
Notwendigkeit einer intensiven, gezielt störungsangepassten und individuellen Unterstützung
Unterstützungsmöglichkeiten
Hilfen zur Wahrnehmungsverarbeitung
Räumliche Orientierung
• in Form von Hilfen zur Orientierung im Praktikumsgebäude
• in Form von Hilfen zur Orientierung im Arbeitsraum
Schaffung reizarmer bzw. klar strukturierter Lernräume
• Festlegung eines gleich bleibenden Arbeitsplatzes:
• reizarmer und übersichtlicher Arbeitsplatz, d.h. es ist immer nur das auf dem Tisch, was
wirklich in diesem Moment gebraucht wird,
(gerade beim Schneiden von Lebensmitteln zu beachten)
• Schaffung von Rückzugsmöglichkeiten
• Schutz vor Reizüberflutung schaffen = um erfahrene Reizfülle verarbeiten zu können
und um wieder Ruhe und Konzentration zu finden, sollte der Rückzugsraum jederzeit
zugänglich, dennoch weitgehend ungestört sein und sich in relativ unmittelbarer Nähe
zum Arbeitsplatz befinden:
Diesen Ort gemeinsam vereinbaren!!!!
Hilfen zur Aufmerksamkeitslenkung
Wichtiges vom Unwichtigen wird oft nicht unterschieden
• Überschaubarkeit des Zeitraumes
(z.B. 20 Minuten konzentrierte Bearbeitung einer Aufgabe sind bei Herrn B. möglich)
• Verlässlichkeit (etwas zuvor Vereinbartes sollte nach Fertigstellung erfolgen; z.B.
„Belohnung“ in Form einer Phase ungeteilter Aufmerksamkeit für 10 Minuten)
Hilfen zum Denken und Lernen
Bei Gedächtnisproblemen:
• helfen über ruhige, verbale Anweisungen, sich für ein Thema zu entscheiden
(z.B. Hilfsfrage: „Was ist im Moment das Thema/ die Aufgabe?“)
• Helfen mit zusätzlichen, visuellen Hilfen
(z.B. Abdecken nicht relevanter Aufgaben/ - teile)
Probleme bei der Vorstellung von (neuen) Situationen
Zeitliche Orientierung
• Erstellen von Wochen-,Tages- und Arbeitsplänen!!!
• Regelmäßige Hinweise auf diese Pläne, um immer wieder die zeitliche Vorhersehbarkeit
wiederherzustellen
• Zeitvorgaben; (Timer, Kurzeitwecker verwenden)
Struktur
• Ablaufpläne: kleinschrittige Gliederung von Handlungsabläufen
(erstens, zweitens, drittens…, einfache, klare, kurze Sätze oder Fragen)
• Wesentliche Inhaltsangaben in Stichpunkten entsprechend der Zeit zuordnen
• Erklärungen vom Sinn und Zweck einer Situation geben
• Handlungsabläufe für die Pausen festlegen
Mangelnde Fähigkeit zur Empathie
•
•
•
transparentes Verhalten der Mitmenschen ermöglichen, um deren Wahrnehmung,
Empfinden und dessen Reaktionen nachvollziehen zu können
auf den Betroffenen zugehen, um Rückmeldungen und Erklärungen zu ermöglichen
Offenheit gegenüber der Bitte nach Erläuterung der Interpretation von Verhaltensweisen
Logik
•
Versuch die Argumentationslogik des Menschen mit Autismus nachzuvollziehen und zu
bestätigen, um dann, wenn angebracht, eventuell zu erklären, warum es lohnt, sich an
andere Vorgaben zu halten
Unterbinden von Diskussionen oder „Frageorgien“, wenn nicht die Notwendigkeit besteht oder
es keinen Erklärungsspielraum dazu gibt:
• klare Anweisungen in ruhigem Ton
• einfache , klare Sprache, möglichst große, emotionale Mimik vermeiden
• entsprechende Erklärungen für einen späteren Zeitpunkt in Aussicht
stellen und auch geben
• zugleich beruhigen und Sicherheit vermitteln
Oberstes Prinzip jeglichen Handelns ist: Ruhe und Geduld bewahren.
Das Handeln eines Menschen mit Autismus hat immer einen Grund!
Die üblichen vertrauten pädagogischen Erklärungsmuster greifen nicht!
von Carsten Donath