André Stahl in der MAZ: „Bernau braucht die

André Stahl in der MAZ: „Bernau braucht die Reform nicht, richtig ist sie trotzdem“
5. August 2016
Stahl in der MAZ: „Bernau braucht die Reform nicht,
richtig ist sie trotzdem“
Bürgermeister André Stahl (Foto: Johanna Bergmann)
Gastbeitrag von André Stahl in der MAZ-Serie „Wie weiter mit der Kreisreform?“
(Märkische Allgemeine Zeitung, 5. August 2016)
"Ginge es nach der Mehrheit der Bernauer Stadtverordneten und der Barnimer
Kreistagsabgeordneten, dann würde es keine Kreisreform geben. Beide Gremien haben sich
ablehnend gegenüber dem Vorhaben der Landesregierung geäußert. Für den Landkreis Barnim
ist die Fusion nicht notwendig. Er erfüllt schon heute alle im Leitbild genannten Vorgaben, um
als eigenständiger Landkreis weiter zu bestehen.
Neben der Kreisstadt Eberswalde ist Bernau die zweite große Stadt im Barnim. Ihre überaus
positive Entwicklung in den vergangenen 25 Jahren hat sie zuallererst ihrer räumlichen Nähe
zu Berlin und der guten Erreichbarkeit zu verdanken. Da haben wir auch einfach eine
ordentliche Portion Glück! Gerade in berlinferneren Regionen sieht es anders aus. Es ist für
mich daher unabweisbar, dass die Landesregierung angesichts der so unterschiedlichen
demografischen und strukturellen Entwicklung im Land handeln muss.
Gleichwohl dürfen die Kommunen mit einer erneuten Kreisreform auch nicht überlastet
werden. Schmerzlich erinnern sich viele langjährig engagierte Stadtverordnete aus Bernau
noch an den Verlust des Kreissitzes nach der Verwaltungsreform 1993. Heute hat Bernau als
Mittelbereichszentrum zumindest eine Außenstelle der Kreisverwaltung, die viele öffentliche
Dienstleistungen bürgernah anbietet. Wichtig ist, dass sich diese Bedingungen für die
Menschen im Zuge der Kreisreform nicht verschlechtern. Das Niveau der Dienstleistungen
muss vor Ort gehalten werden.
Außerdem darf die wirtschaftliche Basis der Gemeinden nicht geschwächt werden. Diese
Gefahr sehe ich allerdings, wenn mit der Bildung eines Landkreises Barnim-Uckermark die
Kreisumlage steigen sollte. Andererseits hätte man dann mit einem gemeinsamen Kreistag
Barnim-Uckermark zumindest die Chance, über das Ausgabeverhalten im nördlichen Teil des
Kreises mitzubestimmen. Über das Gemeindefinanzierungsgesetz ist das aktuell nicht möglich.
Bemerkenswert ist, dass die Kreisreform gerade von der Partei bekämpft wird, die die letzte
Strukturreform maßgeblich vorangetrieben hat und in zwei kreisfreien Städten die
Oberbürgermeisterin respektive den Oberbürgermeister stellt. Die größten Reformgegner aus
der kommunalen Familie sind zugleich die großen Schuldenmacher. Mich wundert daher die
Ungleichbehandlung. Welche Gründe rechtfertigen eine deutliche Privilegierung der noch
kreisfreien Städte nach der Reform? Die Bevölkerungszahl kann es nicht sein. Schon jetzt
leben auf dem Gebiet der Nachbargemeinden Bernau und Panketal mehr Menschen als in
Frankfurt (Oder). Meine Solidarität gilt jedenfalls nicht denen, die über Jahre hinweg
Kassenkredite angehäuft haben, die nun von allen Brandenburger Kommunen gemeinsam
getilgt werden müssen. Denn was nützt es, wenn einige „Herzen kreisfrei schlagen“, deren
Infarkt aber nur durch den ständigen Einsatz eines Schrittmachers verhindert werden kann?
Große Landkreise würden zu einem Verlust von Heimat führen, ist ein häufig vorgetragenes
Argument. Es überzeugt mich nicht. Ich glaube, dass die Leute sich vielmehr mit den Städten
Stahl in der MAZ: „Bernau braucht die Reform nicht, richtig ist sie trotzdem“
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André Stahl in der MAZ: „Bernau braucht die Reform nicht, richtig ist sie trotzdem“
und Gemeinden identifizieren, in denen sie leben. Und mit dem Land Brandenburg. Das hat
auch eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Enquete-Kommission gezeigt.
Identität stiftet man vor allem direkt vor Ort. Das Engagement in den Ortsteilen, Gemeinden
und Städten wird deshalb sicher im Zuge der Kreisreform immer wertvoller. Die demokratische
Mitwirkung sollte aber auf allen Ebenen gewährleistet bleiben. Dazu gehört, dass die Mitglieder
der Kreistage in dann größeren Landkreisen unter vertretbaren Bedingungen ihrer
ehrenamtlichen Tätigkeit nachgehen können. Aus Bernauer Sicht ist es da fast egal, ob der
Landkreis Barnim oder Barnim-Uckermark heißt. Die Entfernung zur Kreisstadt Eberswalde
bleibt dieselbe, die Fahrten zur Behörde oder zum Kreistag werden nicht länger."
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