Ackerbausysteme künftig nachjustieren

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■ BAUERNBLATT | 23. Juli 2016
Erstes Vorernteforum in Schleswig-Holstein ein voller Erfolg
Ackerbausysteme künftig nachjustieren
Auch mit teilflächenspezifischem
Betriebsmitteleinsatz hat der Betrieb Erfahrung. Die Mähdrescher
seien mit GPS zur Ertragskartierung ausgestattet. Sein Fazit: Um
die Herausforderungen der Zukunft bewältigen zu können, müsse man sich wieder mehr auf die
ackerbaulichen Maßnahmen zurückbesinnen.
Stand der Kulturen
Futterkamp
Gut Panker betreibt unter anderem auch ein Trakehnergestüt neben der Landwirtschaft.
Auf Einladung der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein haben
am 12. Juli Fachleute aus verschiedenen Institutionen wie Handel,
Mühlen, Pflanzenzucht, landwirtschaftlicher Beratung und landwirtschaftlicher Praxis die aktuelle
Lage und die zukünftigen Perspektiven des Ackerbaus diskutiert. Zunächst wurden auf einer Rundfahrt
Praxisschläge von der Gutsverwaltung Panker und dem Lehr- und
Versuchszentrum in Futterkamp
(Kreis Plön) in Augenschein genommen und Prognosen für die Ernte
2016 ausgetauscht.
Anschließend diskutierten die Experten
unter der Moderation von Kammergeschäftsführer Peter
Levsen Johannsen
notwendige Änderungen der Acker-
Dr. Mathis Müller, Landwirtschaftskammer, stellte die Praxisschläge von Futterkamp vor.
Am Versuchsstandort Futterkamp der Landwirtschaftskammer
erläuterte er die erweiterte Fruchtfolge (Raps, Weizen, Gerste, Mais,
Ackergras) Futterkamps, die sich
durch die Tierhaltung im Betrieb
ergibt. Aufgrund der Fruchtfolge und der Kombination mit Sommerungen hat der Betrieb erheblich weniger Probleme mit Verungrasung. Die Erträge liegen im Betriebsschnitt langjährig auf stabil
hohem Niveau.
bausysteme unter den zukünftigen ge auf dem Betrieb. Lediglich auf
gesellschaftlichen und standörtli- erosionsgefährdeten Flächen wie
chen Anforderungen.
zum Beispiel steilen Kuppen werde pfluglose Bearbeitung/BestelHeinrich von der Decken, Ver- lung praktiziert. Zirka 110 l Diesel
walter der Hessischen Hausstif- pro Hektar benötige man im Jahr.
tung von Gut Panker, stellte die Glyphosat werde nicht mehr eingeStiftung mit allen Nebenbetrie- setzt. Die Grunddüngung erfolge
ben, unter anderem Tourismus, Ho- vorwiegend zu Raps. Man arbeite
tel und Gastronomie, Trakehnerge- mit 36-m-Fahrgassen. In diestüt, Forstwirtschaft und auch die sem Jahr sei man aufgrund
Landwirtschaft vor. Er zeigte ei- der Witterung mit wenig
nen Weizenschlag der Sorte ‚Tobak‘ Fungiziden ausgekommen.
nach Raps, spät gesät zur Acker- Die Gerstenernte bereitet
fuchsschwanzprophylaxe, und er- vielen Betrieben wie auch
klärte den Anwesen- Gut Panker Sorge. Von der
den, dass es besonders Decken berichtete, er habe
auf die Saatbettvor- damit begonnen, die Gersbereitung ankomme. te feucht zu ernten, um ErDer Betrieb sei zum tragsverluste durch Abfallen
Pflugeinsatz zurück- der abknickenden Ähren zu
gekehrt, mittlerwei- vermeiden. Die Erträge seien
le habe man statt ei- sehr heterogen, standortbe- Auf Kuppen hat Erosionsschutz Vorrang,
nem wieder drei Pflü- dingt.
hier wird nicht gepflügt.
Im Rahmen des Forums wurden Praxisschläge von Gut Panker in Augenschein genommen. Heinrich von der Decken stellte sie vor.
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Auf dem Podium diskutierten, moderiert vom Geschäftsführer der Landwirtschaftskammer, Peter Levsen Johannsen (l.): Claus-Henning von Rhade, Gutsverwaltung Wittenberg, Dr. Helge Stephan, Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, Großbetriebsberater Matthias Mahrenholtz und Bernd Irps, Landwirtschaftskammer (v. li.).
Fotos: Daniela Rixen
Im Branchendialog
und Austausch
seien alle sehr positiv gestimmt gewesen, jetzt habe sich das Blatt gewendet. Der Getreide­referent der
Landwirtschaftskammer, Dr. Helge
Stephan, sagte: „Wir brauchen stabiles Hochdruckwetter, wie es aussieht, müssen sich die Landwirte
die Gerste in diesem Jahr allerdings
reinklauen.“ Erste Probleme mit
Märkte genau beobachten. Einige
hätten Vorkontrakte zu durchaus
höheren Preisen tätigen können.
Im Warenterminbereich gebe es
noch Lernbedarf, so sieht es auch
Matthias Mahrenholtz. Gerade die
Mindestpreismodelle, die neu von
Händlern angeboten würden, seien interessant, meinte Bernd Irps.
Der Geschäftsführer der Landwirtschaftskammer, Peter Levsen
Johannsen, moderierte die Podiumsdiskussion. Ziel dieses neuen Veranstaltungsformates – des
ersten Vorernteforums – ist der
Fachaustausch, in Dialog zu treten und
Meinungen und Einschätzungen, insbesondere auch über
bevorstehende Entwicklungen, auszutauschen. Peter Levsen Johannsen stellte den vier Fachleuten auf dem Podium
drei Kernfragen – erstens die Einschätzung
der Experten zur Ernte bezüglich der für
Schleswig-Holstein
wichtigen Leitkulturen, zweitens die Frage nach den künftigen Anpassungen für Der scheidende Abteilungsleiter Pflanzenbau, Pflanzenschutz, Umwelt, Dr. Conrad Wierden Marktfruchtbau mann, und der neue, Dr. Mathis Müller, mit Stefan Beuster, Melur (v. l.). Seit Jahren pfle2017 und darüber hin- gen Landwirtschaftskammer, Ministerium und Statistikamt Nord bei der Einschätzung der
aus drittens, wie man Getreide- und Rapsernte eine vertrauensvolle Zusammenarbeit wie zuletzt beim Erntefosich auf die Zukunft rum auf dem Versuchsstandort Futterkamp der Landwirtschaftskammer.
am besten einstellt.
Der Grundsatz „Was interessiert es den Hektolitergewichten würden Er schätzte, dass der Druck am
mich, wenn in China ein Sack Wei- vermeldet, die Gefahr des Halm-/ Markt noch größer werde – Risikozen umfällt“, gelte schon lange Ährenabknickens, verbunden mit management werde daher immer
nicht mehr, so der Geschäftsführer. Ertragsverlusten, liege auf der wichtiger.
Die Marktlage sei nicht mehr von Hand. Großbetriebsberater MatHeinrich von der Decken sprach
Mangel, sondern von Lagerbestän- thias Mahrenholtz sah die Situati- in diesem Zusammenhang die Ernden geprägt – auch zeichneten sich on ähnlich. Bezüglich der Vermark- telogistik an. Marktferne ist ein
Änderungen durch die Düngever- tung schilderte er, dass unter den wichtiger Handelshemmschuh. An
ordnung und Pflanzenschutzzulas- Landwirten noch immer zu wenig den Handel gerichtet daher die
sungssituation ab. Wie stellen sich Vorverkäufe getätigt würden. Man Frage, ob nicht Rendsburg oder
Erzeuger und Handel auf die ande- habe sich auf den im vergangenen Kiel als Getreidehäfen weiter ausren Verhältnisse ein?
Jahr deutlich höheren Preisen aus- gebaut würden. Hamburg sei ein
Claus-Henning von Rhade, Gut geruht. Bernd Irps, Marktexperte echtes Nadelöhr; der Handel konWittenberg, schilderte die Erntesi- der Landwirtschaftskammer, er- zentriere sich daher eher Richtung
tuation in Frankreich und auch die gänzte, dass dem Risikomanage- Rostock und Dänemark, entgegneunterschiedlichen Ernteergebnisse ment gerade bei stark schwanken- te Nils Volbehr von Ceravis. Wichtiseiner Betriebe in Brandenburg so- den Preisen mehr Bedeutung zu- ge Spieler auf dem Weltmarkt seiwie auf Rügen. Bis vor vier Wochen komme. Landwirte müssten die en zudem Osteuropa und die Uk-
raine sowie Russland. Mit den dortigen Preisen und Bedingungen
konkurriert hiesige Ware: Stichwort Protein, Aufmischweizen.
Am Rande wurde von einem
Vertreter der Mühlen auch der Aspekt der Kornhärte, abhängig von
Witterung und Sorte, diskutiert.
Hier wünsche man sich weitere Erkenntnisse über die Ursachen der
Unterschiede. Harte Körner seien
für Mühlen besser zu Mehl zu verarbeiten.
Was verändert sich im
Anbau nach 2017?
Matthias Mahrenholtz machte
deutlich, dass sich der Schwerpunkt
der Aussaat nach hinten verlagern
werde, allerdings würden viele Betriebe erst nach zwei bis drei Jahren reagieren. „Wir müssen weg
von der absoluten Frühsaat.“ Dies
sehen auch die Vertreter der Landwirtschaftskammer so. Darüber hinaus stelle sich die Landwirtschaftskammer mit ihren Versuchen von
den Fragestellungen her erheblich
breiter auf (Fruchtfolge, Saatzeiten, organische Düngung et cetera), um vernünftige gesamtpflanzenbauliche Antworten geben zu
können, so Dr. Mathis Müller, künftiger Leiter der Abteilung Pflanzenbau, Pflanzenschutz, Umwelt.
Wie stellt sich die
Saatzucht ein?
Von Rhade warb für Verständnis,
dass man Zeit brauche. Die Qualitätsparameter, die jetzt gerade
gefordert seien, seien züchterisch
nicht so schnell zu lösen. Hier gelte
es auch, den Sortenpool dahingehend zu analysieren. Als besonders
bedeutsam schätzt er die Kohlhernieproblematik ein. Bezüglich der
Ackerhygiene müssten hier auch
der Anbau von Bohnen und Sommerungen noch mehr in den Blick
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genommen werden. Noch habe der
Handel jedoch keine guten Vermarktungskonzepte für die Leguminosen.
Dr. Mathis Müller machte deutlich, dass man aufhören müsse,
nur in Kulturen zu denken, sondern vielmehr in Anbausystemen.
Schon jetzt müssten Standorte entsprechend umgestellt werden, bevor Ackerfuchsschwanz oder andere Probleme sich bemerkbar machten. Matthias Mahrenholtz merkte
jedoch an, man dürfe die Landwirte nicht überfordern. Es sei ein Anfang unter hiesigen Witterungsverhältnissen, nicht vor dem 15.
September Getreide zu säen, besser wäre allerdings nicht vor dem
1. Oktober.
Aus der Praxis brauche es dafür
Sorten, die gesund sind, qualitativ
hochwertig und spätsaatverträglich. Gerade was die Zulassungssituation von Pflanzenschutzmitteln
angehe, sei der Wandel deutlich
spürbar, das spiegele auch die gesellschaftliche Debatte wider, betonte Dr. Helge Stephan.
Der Kammerrepräsentant des
Kreises Ostholstein, Lutz Schlünzen, betonte, die Fruchtfolgethematik sei noch nicht in den Köpfen angekommen, und Thies Burmeister gab den Hinweis, die Beratung müsse hier stärker in Richtung
mechanischer Bodenbearbeitung
Empfehlungen aussprechen. Er führe inzwischen vier- bis fünfmal Bodenbearbeitungen durch und bekämpfe den Ackerfuchsschwanz
damit mechanisch. Aus der Praxis kam der Hinweis, Precision-Farming halte zwar gute Hilfsmittel
vor, noch sei die Nutzbarkeit aber
nicht voll ausgereift, auch sei ein
gutes Gespür für die Pflanzen auf
dem Acker unersetzlich. Dr. Helge
Stephan ergänzte, man dürfe sich
nicht in technischen Spielereien verlieren. Der Landwirt müsse ein Ma-
Zum Dialog beim ersten Vorernteforum in Schleswig-Holstein kamen Vertreter des Handels, der Mühlen, Praktiker
und d
­ er Großbetriebsberatung mit der Landwirtschaftskammer zusammen.
nager sein, der wisse, wann er zum
Beispiel spritzen müsse. „Ackerbaulichen Sachverstand kann eine
App nicht ersetzen“, so Dr. Helge
Stephan. Als zusätzliches Betriebsmittel bezeichnete Mahrenholtz
die Kommunikation in und mit der
Öffentlichkeit. Hier seien alle gefordert, sich zu engagieren. Das sei
eine nicht triviale Aufgabe, die immer komplexer werdenden Sachverhalte über die Medien nach außen zu tragen.
Erstes Vorernteforum
erfolgreich
„Wir haben mit dieser Veranstaltung etwas Neues gestartet und
versucht, das Fenster im Hinblick
auf das, was kommt, Herausforderungen, aber auch Chancen aufzumachen“, sagte der Geschäftsführer, Peter Levsen Johannsen,
abschließend. Die Teilnehmer des
ersten Vorernteforums der Land-
Mit dabei Vertreter des Ackerbauausschusses (v. li.): Gerhard Hansen, Hermann Evers sowie der Kammerrepräsentant des Kreises Ostholstein, Lutz
Schlünzen.
wirtschaftskammer zeigten sich
begeistert über den Dialog zwischen den verschiedenen Institutionen. Es gab reichlich Denkanstöße
im Hinblick auf die auf den Marktfruchtbau zukommenden Herausforderungen. Hierzu gehören Resistenz-, Risikomanagement und
eine Rückbesinnung auf die alten
Tugenden im Ackerbau. Dazu zählt,
Maßnahmen selbstkritisch zu hinterfragen, und schließlich die Forderung an die Politik, verlässliche
Rahmenbedingungen zu schaffen.
Auch gab es den Wunsch, ein solches Treffen im kommenden Jahr
zu wiederholen. Doch zunächst
bewegte alle vor allem die Frage,
wann sich besseres Erntewetter
einstellen dürfte.
Daniela Rixen
Dr. Conrad Wiermann
Landwirtschaftskammer
Tel.: 0 43 31-94 53-110
[email protected]
FAZIT
Beim ersten Ernteforum der
Landwirtschaftskammer wurde deutlich, dass besonders die
kommenden Vorgaben in den
Bereichen Düngung und Pflanzenschutz, aber auch die Entwicklungen auf den globalen
Märkten die Anbausysteme in
Schleswig-Holstein maßgeblich
beeinflussen werden. Gerade
hinsichtlich des Resistenz- und
Nährstoffmanagements
werden nach Auffassung der Experten zeitnah Anpassungsstrategien erforderlich. In den für
Schleswig-Holstein typischen Anbausystemen sind in diesem Zusammenhang besonders nachhaltige Maßnahmen zur Ackerfuchsschwanzproblematik, das
Resistenzmanagement hinsichtlich von Kohlhernie und Rapsglanzkäfern, der absehbare Wegfall relevanter Wirkstoffgruppen
sowie die Einhaltung von Nährstoffbilanzobergrenzen im Rahmen der kommenden Düngeverordnung zu nennen.
Um diese Herausforderungen
auch in wirtschaftlicher Hinsicht
meistern zu können, waren sich
die Experten einig, dass die Sortenwahl, der Saattermin, die
Fruchtfolge und eine verbraucherorientierte Öffentlichkeitsarbeit im Fokus der Entwicklung
zukunftsfähiger Ackerbausysteme stehen sollten. Hierbei werden, mehr als in den vergangenen zehn bis 20 Jahren, wieder zunehmend grundlegende
ackerbauliche Kenntnisse erforderlich sein. Digitale Steuerungen von Arbeitsprozessen können zwar wichtige Hilfsmittel
darstellen, aber die pflanzenbaulichen Entscheidungen nicht
ersetzen, so die Einschätzung
der Fachleute. Auch hinsichtlich
der Vermarktung wird sich der
einzelne Landwirt weiterentwickeln müssen: Um positive Preisentwicklungen besser nutzen zu
können, werden Warenterminmärkte und -börsen zunehmend
interessanter für den Praktiker.