PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 285 Mitteilungsblatt des Evangelischen Pfarrvereins in Baden e. V. www.pfarrverein-baden.de 2015 Juli/August August | 7-8/2016 Aus dem Inhalt: Auslegen des Wortes Suchen der Worte – Rund um die Predigt „Was soll ich predigen?“ Annäherung – Definition(en) von Predigt Wenn es irgend geht: Herzhaft predigen! Sonderseelsorge und ihre Arbeitsfelder Aus dem Pfarrverein Aus der Pfarrvertretung Buchbesprechungen In memoriam PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 286 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser! „W ie Musik zur Trauer ist eine Rede zur falschen Zeit (Sir 22,6). Wider den kirchlichen Wortdurchfall“. So lautet der Titel eines Buches von Paul M. Zulehner, das mir einmal vor Jahren begegnete und mich nicht loslässt. Weder Titel noch Inhalt. Als Pfarrerinnen und Pfarrer reden wir häufig und viel. Hoffentlich immer zur richtigen Zeit und mit den angemessenen Worten. Viele Worte machen wir, um sonntäglich in der Predigt, bei Kasualgottesdiensten, Andachten und vielen anderen Gelegenheiten das e i n e biblische Wort zu deuten, durch das Gott sich hören lässt. Auf der Suche nach den passenden Worten, mit denen der Bibeltext übersetzt und in die Situation der Menschen heute gesprochen werden kann, bieten Predigthilfen aller Art und Couleur ihre Hilfe an. Und Predigtlehren unterfüttern das Tun mit Theorien. Doch gleich welcher Theorie oder Hilfe wir uns als Predigende anvertrauen – wir sind und bleiben immer Dienerinnen und Diener des Wortes Gottes. Und als solche vor allem und zuallererst Hörende. Zugleich Suchende. Und oft mit dem Wort und nach Worten Ringende. Die Sommerausgabe der Badischen Pfarrvereinsblätter widmet sich den Fragen nach Predigtarbeit heute. Wir finden, das ist ein wirkliches Sommerthema. Dazu finden Sie hier zwei anregende Beiträge sowie einen eben solchen Buchhinweis, die Sie inspirieren mögen. Daneben widmen wir einen beträchtlichen Teil dieses Heftes nochmals der umfangreichen Thematik der Sonderseelsorge, da uns weitere Beiträge zu den Arbeitsfeldern 286 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 Gefängnis-, Telefon-, Militär-, Polizei- und Studierendenseelsorge erreicht haben, die wir Ihnen nicht vorenthalten wollen.Was das aktuelle Thema angeht: Vielleicht verspüren Sie ja in den Ferien die Lust, ein entsprechendes Buch mitzunehmen und über Ihre Predigtpraxis in sommerlicher Gelassenheit nachzudenken. Doch gleich ob mit einem theologischen oder anderen Buch – in jedem Fall wünsche ich Ihnen einen erholsamen Sommer, in dem Sie das e i n e Wort begleiten und die ein oder andere Auslegung des e i n e n Wortes, die Sie hören dürfen, stärken möge für Ihren Dienst! So grüße ich Sie herzlich für das Tandem in der Schriftleitung! Ihre Hinweis auf die übernächste Ausgabe Die übernächste Ausgabe 10/2016 widmet sich dem Thema „Trauertage, Trauerzeiten in Gottesdienst und Seelsorge” Bitte senden Sie Ihre Beiträge am besten als Word-Datei bis spätestens zum 8. September 2016 an die Schriftleitung. Die kommende Ausgabe 9/2016 zum Thema „Dass ich meines getreuen Heilandes Jesu Christi eigen bin – Taufe, Kirchenmitgliedschaft Kirchenaustritt“ befindet sich bereits in Vorbereitung. PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 287 Thema „Was soll ich predigen?“1 Annäherung – Definition(en) von Predigt ❚ Heinz Janssen, Kirchenrat und Pfarrer em. sche(n) Pfarrvereinsblätter“ die Vorankündigung des Themas „Rund um die Predigt“ und die Bitte um Beiträge dazu las.3 Was für eine Thematik! Der Redaktion sei Dank für die Anregung. Meinen Beitrag verstehe ich als persönliche Reflexion meiner Predigtwege4 und meiner selbst als „rite vocatus“ in das „ministerium Verbi Divini“.5 Bei jeder Vorbereitung eines Gottesdienstes sehe ich mich durch diese Thematik von neuem gefordert, angefragt und in Frage gestellt, ob ich der kirchlichen Ordination6 gerecht werde. „Ach, HErr HErr, ich tauge nicht zu predigen“,7 wie menschlich nachvollziehbar doch dieses Sträuben Jeremias, jenes biblischen ie Frage jener prophetischen Stim„Predigers“8 (Jer 1,6). Wer bin ich denn, me, „Was soll ich predigen“, nachmich zum „Predigen“ berufen zu wissen! dem zuvor eine himmlische Stimme rief: Was für ein Anspruch! Was tue ich, wenn „Predige“, spricht wahrscheinlich allen ich predige?9 Denke ich darüber nach, begegne ich einer Fülle von Definitionen, aus dem Herzen, die beauftragt sind zu was eine Predigt eigentlich sei, was sie predigen. Die Frage setzt aber schon ein zur Predigt mache. Ist sie Wissen voraus, vielleicht Ist Predigt „Zeugnis“10 oder ist diese nur eine Ahnung darüber, „Zeugnis“ oder ist Definition nur ein Aspekt? was eine Predigt sei oder diese Definition sein könne. Von PredigthöDefinitionen sind ebenso nur ein Aspekt? renden kennen wir Reaktiovielfältig wie unterschiednen wie: „Eine schöne Prelich. Ich sehe darin weniger einen Mangel digt“ oder „Das war doch keine Predigt“. noch einen Beweis für die Unmöglichkeit Auch sie weisen auf ein solches (Vor-) von Predigtdefinitionen, sie verstärken Wissen und auf damit verbundene Ereher meinen Wunsch, mit den Predigtaufwartungen. fassungen in Vergangenheit und Gegenwart das Gespräch zu suchen. „Was ist das – eine Predigt?“ – so lautet der Titel einer kleinen Studie von Albrecht Schaue ich in die homiletischen LehrbüGrözinger.2 Ich erinnerte mich spontan daran, als ich für dieses Heft der „Badicher, lerne ich Vieles über die Geschichte sowie Herausgeber und Schriftleiter Heidelberger Predigt-Forum versteht seinen Beitrag zu dem, was eine Predigt sei oder sein könne, als persönliche Reflexion seiner Predigtwege und seiner selbst als „rite vocatus“ in das „ministerium Verbi Divini“. Nach theoretischen Gedanken zum Predigen lässt er an seinem Predigtweg genauso teilhaben wie an seinen Gedanken zur „Predigt als Auslegung“ unter dem Gesichtspunkt „Verständigung“ – um zu einem offenen Ende hin theologische, christologische, pneumatologische Aspekte der Predigt zu reflektieren. D Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 287 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 288 der Predigt, ihr Wesen und ihren Anmit dem Predigen zugehe“.24 In diesem spruch, bis hin zu der umstrittenen Frage, Sinn versteht er seine Predigtlehre als wie „zeitaktuell“ sie sein solle oder könne. „Sprachlehre des Glaubens, Hoffens und Ich brauche solche Bezugspunkte, den Liebens“,25 und er geht in vier Schritten26 vor: 1) Das Woher der PreBlick in die Geschichte und Mit den Predigtauffasdigt,27 2) Die Sprache der Gegenwart des Predigens, sungen in VergangenPredigt, 3) Der Prediger, 4) als Orientierung und Hilfe heit und Gegenwart Der Hörer.28 Den umfangzur kritischen Reflexion reichsten Teil widmet R. das Gespräch suchen. dessen, was ich tue, wenn Bohren dem zweiten Schritt, ich predige.11 Karl Barth,12 dessen letzte Vorlesung13 ich noch als dieser bildet m. E. nicht nur materialiter die Gymnasiast zusammen mit meinem GeBuchmitte, sondern zugleich, das inhaltlimeindepfarrer hörte, Wolfgang Trillhaas,14 che Zentrum und Herz seiner Homiletik, einer meiner Lehrer in Göttingen, Dietrich umgeben von der Frage nach dem Grund Bonhoeffer,15 Rudolf Bohren,16 Werner der Predigt (er„Die Predigt des Schütz,17 Gerd Theißen18 und Albrecht ster Schritt) soGrözinger19 gaben und geben mir wichtige Wortes Gottes wie der Frage Impulse. Wieder neu entdecke ich die ist Gottes Wort“. nach dem Pre„Pastoraltheologie“ von Gerhard Rau.20 diger / der PreIch lese viele Predigten und tue dies – imdigerin und der Frage nach den Adressamer gespannt, wie andere diesen und jeten, den Hörerinnen und Hörern.29 Es geht darin um „Gestalt und Gehalt“30 der Prenen Bibeltext hören – mit Gewinn für die 21 digt. Neu an seinem homiletischen Ansatz eigene Predigtpraxis. ist, dass er die „formale Homiletik“31 anZu den theologisch tiefgründigsten Definistelle der „materialen Homiletik“32 behantionen gehört m. E. die von Rudolf Bohren, delt und „die Formprobleme als Sachprodie seine Predigtlehre bestimmt. R. Bohbleme“ verstehen und damit eine Trenren bezeichnet die Predigt als „Wunder“, nung zwischen materialer und formaler und er spricht seine Sehnsucht nach dieHomiletik (entgegen der eigentlichen Insem Wunder aus: „So warte ich auf die tention der traditionellen Teilung) überwinPredigt, die Wunder ist und Wunder wird den möchte. Denn Form und Inhalt bilden für Prediger und Hörer“22. Er beruft sich eine Einheit, der Inhalt führt in die Form, damit auf die reformatorische Sicht der und die Form steht dem Inhalt nicht Predigt: „Praedicatio verbi Dei est verbum gegenüber, wie schon ältere Homiletiker Dei“ – „Die Predigt des Wortes Gottes ist betonten.33 Zustimmend zitiert er Manfred Josuttis: Die Predigt ist ein „Stück SpraGottes Wort“, keine der seitherigen Preche im Akt öffentlicher Rede“, charakterisdigtdefinitionen reiche „an die Prägnanz tisch für sie ist „das Ineinander von Form und Dichte“ dieser reformatorischen Defiund Inhalt“.34 Martin Luther: „Predigen nition heran.23 Das „est“ will er im Horizont des „Wortes Gottes“ als „Zukunft“ versteheisst anrichten, aufftragen und die hen, „auf die ich mit der Predigtlehre und schussel fur die Geste setzen“.35 288 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 289 Kritik – Beurteilung – 4) Eine gute Predigt … wirkt … anregend, Analyse der Predigt – stärkend, ermutigend, orientierend, also Empirische Predigtforschung lebens- und glaubensfördernd“.39 Dietrich Bonhoeffers Finkenwalder Ho„Erinnerungsort“ Predigt40 miletik mündet in einen „Nachtrag“, der Als ich meine 9jährige Enkeltochter sich mit der „Predigtbeurteilung“ befasst fragte, ob sie wisse, was eine Predigt sei, und „Fehlerquellen“ aufzeigt36 und nach wie vor für die eigene Predigtkritik und antwortete sie nach kurzem Überlegen: Kritik „fremder“ Predigten hilfreich sein „Die gibt es in der Kirche, aber ich weiß kann. Drei Beispiele: „Benicht genau, was eine PreWer länger predigt, teure nicht die Gegenwartsdigt ist“. Für meinen Beitrag muss auch etwas bedeutung der Schrift. (Sie) beziehe ich mich auf die zu sagen haben. wird vorausgesetzt. Spalte Predigt „in der Kirche“, (H. Schwier) deshalb die zusammengeim evangelischen Gotteshörige explicatio und applidienst unserer mir vertraucatio nicht auf. Vermeide das‚ gerade mir ten Landeskirchen. Ich meine hier nicht und dir‘. – Verteidige das Gotteswort die Auffassung von Predigt im weiten nicht, sondern bezeuge es. Du bist PrediSinn der Verkündigung, die überall mögger und nicht Apologet. – Quäle dich lich ist, besonders im Zusammenhang nicht mit der Einleitung und Anknüpfung. der Worte des Apostels Paulus „Ihr seid Du kannst dich sofort dem Worte anverunser Brief … erkannt und gelesen von trauen. Es ist das Schiff „geladen bis an allen Menschen“ (2. Korinther 3,2), womit den höchsten Bord.“37 Paulus die praxis pietatis, den gelebten Glauben, anspricht. Weiterführend für die homiletische Theoriebildung und Predigtpraxis ist die „PrePredigt im Gottesdienst, in der versamdigtanalyse“,38 ferner die „empirische Premelten Gemeinde,41 ist nach meiner Aufdigtforschung“, deren Resultat Helmut fassung nicht etwas Anderes als die LiturSchwier so zusammenfassen kann: „1) Eigie, so die traditionelle Sichtweise in der ne gute Predigt verbindet die Auslegung Rede von „Liturgie und Predigt“, sondern der Bibel mit einem erkennbaren Lebensein Element Predigt im Gottesbezug … 2) Eine gute Predigt ist lebendig der Liturgie. dienst ist ein und verständlich in der Sprache … Dabei Exponiert geElement der Liturgie. lässt sie sich vom Reichtum der biblischieht in der schen Sprach- und Formenwelt und der Predigt Erinnein ihr enthaltenen Motive immer neu anrerung an die Barmherzigkeit und Güte Gotgen und stören. 3) Eine gute Predigt ist tes,42 an „Gott als Geheimnis der Welt“.43 „Predigt und Kanzel sind ein herausgehoprägnant im Inhalt und dauert innerhalb eibener Ort,44 an dem die Gottesgeschichte nes normalen Gemeindegottesdienstes immer wieder aufs Neue erzählt wird“45 – nicht länger als 15 Minuten. Wer länger „dein einziger Trost im Leben und im predigt, muss auch etwas zu sagen haben. Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 289 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 290 Sterben“.46 A. Grözinger spricht von der Würdigung dieser Gottesgeschichte und der „Erinnerungssehnsucht“ von uns Menschen „durch eine sorgfältige Vorbereitung von Predigt“.47 Dabei gilt für die Predigt die im homiletischen Diskurs oft vernachlässigte Unterscheidung zwischen dem Machbaren und dem Unverfügbaren in der Predigt.48 „zu derselbigen Zeit“ – noch Martin Luthers Erstfassung, so lesen wir in der Revision von 1984: Zu der Zeit fing man an, den Namen des HERRN anzurufen (so die meisten deutschen, auch englischen und franzöischen Übersetzungen sowie die Übersetzungen in wissenschaftlichen Bibelkommentaren). Damit ergibt sich eine inhaltliche Veränderung. Ist das „Predigen von des Herrn Namen“ auf ein menschliMachbares und Unverfügbares ches Gegenüber ausgerichtet, auf einen In Erinnerung geblieben ist mir seit meieinzelnen oder auf mehrere Menschen, ner Jugend, als ich Organist in meiner Heiein Individuum oder ein Kollektiv, so ist mit matgemeinde49 war, das sonntägliche, der „Anrufung des Namens des HERRN“ stets gleiche, Kanzelgebet des Pfarrers: die Hinwendung zu Gott, das Gebet, um„Herr, gib deinen Geist zu deinem Wort“. schrieben. Wie kommt es zu diesen unterDamit ist ausgesprochen, was das „Unverschiedlichen Übersetzungen, die hier deutfügbare“ in der Predigt meint.50 Ohne den lich mehr als sprachliche Anpassungen Hl. Geist bleibt eine Predigt – und sei sie sind? Die Antwort gibt der zu Grunde lieexegetisch, theologisch, homiletisch die gende Wortlaut der Hebräischen Bibel. Ein beste – wirkungslos.51 In diesem pneumabesonderes Kennzeichen des biblisch-hetologischen Sinn wäre jenes andere bebräischen Vokabulars ist dessen Mehrdeukannte Kanzelgebet zu korrigieren, nicht: tigkeit, diese trifft beispielhaft für das he„Herr, segne Reden und Hören“, sondern: bräische Verb qr´ zu, das in seiner Grund„Hören und Reden“. bedeutung „(aus)rufen“ bezeichnet und damit ein weites Bedeutungsfeld öffnet – Biblische Anfänge um nur einige Beispiele zu nennen: In der Bibelübersetzung Martin Luthers JHWH, der Gott Israels, „ruft“ sein Volk von 1545 begegnet das Wort „predigen“ „bei deinem Namen“ (Jesaja 45,3.4, synzum ersten Mal in 1. Mose / Genesis taktisch entspricht die Formulierung der 4,26b: Zu derselbigen Zeit fing man an zu von Genesis 4,26, so dass sich eine mögpredigen von des HErrn Naliche Übersetzung wie „ … men. Es ist die Zeit des damals fing man an, beim / Nicht: „Herr, segne Enosch, des Erstgeborenen im Namen JHWHs zu ruReden und Hören“, Sets und Enkels Adams und sondern: „Hören und fen“ ergibt – Genesis Evas, wie wir aus dem Zu41,43. (Der Pharao) „ließ Reden“. sammenhang erfahren (4,25vor ihm (Joseph) her aus26). Entspricht der revidierte Text von 1912 rufen: Der ist des Landes Vater!“ – Leviti– abgesehen von der unwesentlichen, cus 25,10 „eine Freilassung / ein Erlassdem späteren Sprachgebrauch angepasjahr ausrufen“. „Rufen“ kann auch im Sinn sten, Neuformulierung „zu der Zeit“ statt von „verkündigen“ verstanden werden und 290 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 291 bezeichnet besonders die prophetische Verkündigung, so bekommt z. B. Jeremia den Auftrag, am Tor des Tempels zu Jerusalem „dieses Wort“ zu „rufen“ (Jeremia 7,2), zu nennen ist u.a. noch die Bedeutung „herausrufen aus“ / „hersagen aus“,52 i. S. v. „aus einer Schriftrolle / einem Buch „(vor)lesen“. Genesis 4,26, diese erste „Predigtstelle“ in der Bibel, lässt also beide Übersetzungen bzw. Deutungen zu: „Damals fing man an den Namen JHWHs anzurufen“54 und: „ … den Namen JHWHs auszurufen / zu verkündigen / zu predigen“.55 sich mit der inhaltlichen, die um das Problem des Anfangs der Verehrung JHWHs kreiste, denn die JHWHverehrung beginnt dem Buch Exodus zufolge erst, als das Volk Israel entsteht,59 obwohl „diese Fragestellung dem Text (Genesis 4,26b) nicht entspricht“.60 Und schon sind wir mitten drin in der „Schriftauslegung“, der „Exegese“! Predigt als Auslegung „Auslegung“, deutsche Übersetzung des aus dem Griechischen stammenden Terminus „Exegese“, ist die Voraussetzung für unser Predigen. „Vom Text zur Predigt“ heißt ein unaufgebbarer Paragraph in der Die Übersetzung von Gen 4,26 bereitete klassischen, im Jahre 1935 (!) erschieneschon der Septuaginta, der griechischen nen, Predigtlehre von Wolfgang Trillhaas, Übersetzung des TaNaK für die Juden in der „erste(n) Homiletik im Wirkungskreise der Diaspora, Schwierigkeiten, und nicht Karl Barths“.61 Exegese ist Arbeit, für mich so etwas wie „Seelenarbeit“, die mich zuletzt den Targumen, welche die hebräiganz, existenziell, beansprucht und mir viel schen Lesungen in der Synagoge ins AraGeduld abverlangt, wie oft fehlt sie mir. Es mäische übersetzten bzw. übertrugen geht dabei darum, den oder paraphrasierten. (Bibel)Text aus-zu-legen, Der griechische Text der Exegese ist Arbeit, für mich Septuaginta ergibt die dt. so etwas wie „Seelenarbeit“, ihn der Öffentlichkeit zu „präsentieren“. Ich stelle Übersetzung: „Dieser die mich ganz, existenziell, mir ein Schaufenster vor, (= Enosch) hoffte darauf, beansprucht. in dem ein Bibeltext öfden Namen Gottes des fentlich, für alle sichtbar, „ausgelegt“ wird. Herrn anzurufen“.56 Ganz anders die Targume, welche die mehrdeutige hebr. WurDas Schaufenster ist als würdiger Rahmen zel chll57 nicht als „anfangen“, sondern als gestaltet und lädt ein zu verweilen. Der „entweihen“ deuten, so dass „[D]ie ältere Text „ent-faltet“ sich vor dem Auge, ich jüdische Erklärung … in diesen (= Gen komme mit ihm in Kontakt, begebe mich 4,26b) Worten den Beginn des Götzenmit ihm ins Gespräch, in einen Dialog, öffdienstes“ fand.58 Darum ist es im Hinblick ne mich ihm, will sehen, hören, verstehen. auf diese Deutungsoffenheit des hebräiIst es das, was mit „aneignen“, „verinnerschen Textes bzw. die Möglichkeit eines lichen“ oder „rezipieren“ gemeint ist? Unter Missverständnisses des Konsonantentexhermeneutischen Gesichtspunkten bedarf tes nur verständlich, dass diese Bibelstelle, es dabei der ständigen Reflexion der Zuwie noch viele andere, Anlass zur Diskusgangswege zum Text, der „Methoden“, die sion gab. Die philologische Frage verband im günstigen Fall nicht an einen Text herPfarrvereinsblatt 7-8/2016 291 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 292 angetragen, sondern von diesem aufgeHören „So kommt der Glaube aus der Predigt …“, zeigt werden.62 Ich will weiterhin lernen, „studieren“, d. h. mich ernstlich und eifrig schreibt der Apostel Paulus im Römerbrief um die biblischen „Einsichten“ bemühen, (10,17).67 Auffälligerweise steht im griechischen Bibeltext für Martin Luthers Übersetmich in das „Buch der Bücher“ hinein-lesen zung „Predigt“ das Wort akoae, dieses beund -hören, es wie Nahrung aufnehmen, zeichnet die Hörfähigkeit durch das Ohr als die mich für ein verantwortliches, dem Wort Organ des Hörens, den Akt des Hörens antwortendes Leben, und einen rechensowie das, was zu Ohren, zu Gehör geschaftsfähigen Glauben63 nährt und stärkt. „Fanden sich Worte von dir, dann habe ich bracht wird, darum auch die Mitteilung, sie gegessen, und deine Worte waren mir Kunde, die Predigt.68 In den wenigen Worten des Paulus steckt in zur Wonne und zur Freude Die verschiedenen nuce eine umfassende Homeines Herzens; denn dein Übersetzungen miletik. Name ist über mir ausgerumachen es nicht fen, HERR, Gott der HeerAls Prediger, als Predigerin, immer leichter, wenn scharen” (Jeremia 15,16).64 Rudolf Bohren ermutigt in bin ich die erste Hörerin, der die Kriterien, sie zu seiner Predigtlehre, „selberste Hörer, bevor ich weiterbeurteilen, fehlen. ständig exegetisch zu arbeigebe, was ich gehört und zu ten“ und ist überzeugt: „Exegetische EntdePapier gebracht habe. Ich erfahre es als ckerfreude wird sich in die Predigt hinein sehr hilfreich, mein Predigtmanuskript eifortpflanzen“.65 Ein Text ist, wie es der lateinem mir vertrauten Menschen ein bis zwei nische Begriff „textum“ sagt, ein „Gewebe, Tage vor dem Gottesdienst zum Lesen zu Geflecht, Tuch, Kleid“, mehr oder weniger geben und von ihm zu hören, was von der kunstvoll „gewebt“ oder – im musikalischen Predigt und wie sie bei ihm „ankommt“ – ich Sinn – „komponiert“. Ich gewinne bei der möchte diese Praxis nicht mehr missen, die Lektüre einen ersten Eindruck, finde vielmein Hören auf die Predigtperikope vertieft leicht schnell Zugang oder der Text erund anregt, meine Formulierungsversuche scheint mir total fremd, weil mich zweitaunoch einmal zu überarbeiten, zu präzisieren send und mehr Jahre von ihm, seiner Spraund zu korrigieren.69 Zu solchem „Mitlesen“70 bedarf es einer schriftlich ausformuche und formalen Gestaltung trennen. Erlierten Predigt. Jede und jeder weiß, wieviel schwerend für das Verstehen, das Finden Mühe es kostet, eine Predigt zu schreiben, des „roten Fadens“, des „Leitfadens“ bzw. die Gedanken, die in Kopf und Herz doch des Grundtones, kommt der hebräische so klar sind (!), in Worte und Sätze zu fasbzw. griechische „Urtext“ dazu, und die versen. Begeistert erzählte mir ein Kollege, schiedenen Übersetzungen machen es dass er es aufgegeben habe, seine Predignicht immer leichter, wenn die Kriterien,66 sie zu beurteilen, fehlen. ten auszuformulieren und dass er sich dafür Die Gefahr, etwas in den Text hinein zu entschieden habe, nach gedanklicher Vordeuten („Eisegese“ statt „Exegese“), ist bereitung lediglich ein Stichwortkonzept71 zu erstellen und damit viel „erfolgreicher“ bekannt. 292 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 293 predige, was ihm die Gemeinde bestätige. Ich plädiere entschieden trotz anderer Stimmen für eine genaue Ausformulierung,72 auch wenn das Ziel der Predigtarbeit nicht Verschriftlichung, sondern die hörende Gemeinde ist.73 nicht die Richtung gefunden, die zum Ziel führt. Es sind Schritte, die ich gehe, und ich möchte sie nicht alleine gehen, „nicht, dass ich es schon ergriffen habe …“.74 Meine Predigten entstehen meist nicht in einer ununterbrochenen Niederschrift. Ich Für mich ist das Schreiben der Predigt mit lese den Predigttext, auch den näheren und der schwierigste Teil der Predigtarbeit: in weiteren Kontext, fast immer am Anfang der Worte zu fassen, was mir das Predigtwort Woche vor dem Gottesdiensttermin, weil sagt, mich zu entscheiich – kaum dass ein Gotden, auf welche Gedantesdienst vorbei ist – Ich plädiere für eine Ausken ich mich in der Preschon gespannt bin, formulierung, auch wenn das digt konzentriere, eine welcher Text am nächZiel der Predigtarbeit nicht dem Inhalt entsprechensten Sonntag „dran“ ist. Verschriftlichung, sondern de literarische Form zu Ich notiere zunächst die hörende Gemeinde ist. finden und in alledem zu Einfälle zur Perikope, oft unterscheiden, was in die Predigtvorbereigeschieht dies unterwegs, etwa auf dem tung und was auf die Kanzel gehört. Aber Fußweg zu einem Hausbesuch oder unich lerne viel dabei, denn im Schreiben ordmittelbar danach. Der Text geht mit, ich genen sich die Gedanken, und ich bin stets he mit dem Text, begegne mit ihm den Mengefordert, für sie eine Form zu finden, die schen, die mit mir unterwegs sind, zu denen dem Predigttext und der hörenden Gemeinich gehe, von denen ich komme. Ein Text de gerecht zu werden versucht. wird lebendig, ich trage ihn mit mir, er trägt mich, unsichtbar baut er eine Brücke zu Predigtweg(e) dem Menschen neben mir. Mit der vertieNach den theoretischen Gedanken zum fenden exegetischen Arbeit am Text beginPredigen möchte ich die Leserinnen und ne ich erst ab Mitte der Woche: Übersetzen Leser an meinem Predigtweg teilnehmen des hebräischen bzw. griechischen, danelassen, um danach das bereits angedachben auch des lateinischen, Textes, mit te Thema „Predigt als Wörterbuch, GrammaIch trage den Text mit mir, Auslegung“ noch eintik, Konkordanz, Syner trägt mich, unsichtbar mal aufzunehmen, jeopse(n), dabei nehme baut er eine Brücke zu doch unter dem Geich die „Klippen“ und dem Menschen neben mir. sichtspunkt „Verständi„Stolpersteine“ wahr, forgung“, und zu einem ofmuliere meine Fragen. fenen Ende hin theologische, christologiEs folgt ein Vergleich meiner „Arbeitsübersche, pneumatologische Aspekte der Presetzung“ mit traditionellen Bibelübersetdigt zu reflektieren. Mein Weg verlief keizungen, auch Übertragungen wie die seit neswegs geradlinig, er bahnte sich Irrwege meinem Studium geschätzte paraphrasieund Sackgassen, und er hat noch lange rende Bibelübersetzung von Jörg Zink, Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 293 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 294 und Übersetzungen in wissenschaftlichen Bibelkommentaren. Exegetische und homiletische Anregungen hole ich mir außerdem in Predigthilfen75 sowie ausgearbeiteten Predigten (print und online).76 Dabei ist es mir wichtig, mit Menschen vor mir und mit zeitgenössischen ins Gespräch zu kommen, und ich erfahre, wie sie das Predigtwort verstehen, auch, welche Schwierigkeiten sie damit haben. Ab Donnerstag dann Schreibversuche. Obwohl die ersten Worte, die ich schreibe, die Anrede „Liebe Gemeinde“ sind – sie stellen mir Menschen aus der Gemeinde vor Augen und erinnern mich an die „seelsorgliche“77 Blickrichtung – fange ich meist nicht mit dem Predigtanfang an (wie oft habe ich mich damit schon geplagt und kam nicht weiter!), sondern steige mit irgendeinem Gedanken ein, um den ich im Augenblick kreise, ohne dass ich gleich auf Satzbau und Sprache achte, was später erfolgen wird. liches tut mir gut! Geschätzte durchschnittliche Arbeitszeit für eine Predigt: 10 bis 12 Stunden, dabei sind die Gebete mit einbezogen, die im Verlauf der Predigtarbeit entstehen (meist formuliere ich die Gebete selbst oder überarbeite veröffentlichte Texte bzw. übernehme sie ganz). Gelegenheit zum „Gottesdienst- bzw. Predigtnachgespräch“ bietet am Sonntag vielleicht die Begegnung beim Kirchencafé und für mich ebenso wichtig und unersetzlich das Gespräch zu Hause mit meiner Familie. In meiner Predigtarbeit möchte ich mich gerne als ein „Steinchen“ mitbauend am „Haus der lebendigen Steine“ (1. Petrus 2,5) sehen: Ich bin ein Teil eines Ganzen, habe eine Aufgabe, baue mit, um Leben zu schützen, Frieden zu schaffen – gemeinsam gestalten wir Beziehung, fügen zusammen, nehmen einander wahr, lebendige Steine, die einander halten. Verständigung Von Martin Luther stammen die Worte: „Jede Stelle der Schrift ist von unendlicher Nach offenem Abschluss des PredigtmaEinsicht; darum was du erkennst, mache nuskriptes am Freitagabend (spätestens nicht hochmütig geltend; bestreite nicht am nächsten Morgen) ist der Samstag für dem anderen seine Einsicht und wehre ihn mich ein „meditativer“ Tag, ein innerer Dianicht ab! Denn es sind Zeugnisse, und jelog, ein an Maria, die Mutter Jesu, orienner sieht vielleicht, was du tiertes „Sich unterreden“ nicht siehst ... So ist immer (Lukas 2,19) mit dem Pre„Jede Stelle der Schrift voranzuschreiten in der digtwort, um es „zusamist von unendlicher Erkenntnis der Heiligen menzubringen“ (symbalEinsicht.“ (M.Luther) Schrift“. Diesen Ausspruch lein) mit dem Hier und Heudes Reformators lese und verstehe ich als te meines Lebens und den (Gemeinde-) einen befreienden Impuls, sich miteinanErfahrungen der zu Ende gehenden Woder darüber zu verständigen, was uns die che, eine Zeit der inneren Einstellung auf biblischen Schriften mit den darin „verdichden Gottesdienst. Zum Samstag gehören teten“ Erfahrungen mit dem Gott Israels auch „praktisch-theologische“ Arbeiten wie und mit Jesus von Nazareth weitergeben, z. B. das Rasenmähen oder das Aufräuins Herz, in Sinn und Verstand sagen und men des Arbeitszimmers, Beides und Ähn- 294 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 295 schreiben wollen. Solche Verständigung als ein Bemühen um Verstehen lässt die subjektive Einsicht eines anderen Menschen gelten und stellt die eigene nicht besserwisserisch über sie, weil es sich um „Zeugnisse“78 von Menschen handelt, die Bibel aber „von unendlicher Einsicht“ ist, m. a. W. deutungsoffener als wir es aufgrund unserer eigenen Tradition vielleicht zulassen möchten. Der Gedanke, dass ein anderer Mensch vielleicht mehr sieht als ich, ist der Weg, auf dem wir nach Martin Luther „in der Erkenntnis der Heiligen Schrift“ weiterkommen. Im Hinblick auf unsere Predigtpraxis höre ich die Worte Martin Luthers als Anfrage, ob wir als „professionelle“, „rite“ berufene Predigerinnen und Prediger, einander an unseren Erkenntnissen im Hören auf die biblischen Einsichten und „Weisheiten“ genügend teilnehmen lassen – und ganz entsprechend auch die Gemeinde. Wenn Predigt Auslegung und Weitergabe der biblischen Botschaft ist und „Kommunikation des Evangeliums“,79 dann ist auch und gerade das Kommunizieren zwischen denen gefragt, die im „Dienst am Wort“ stehen.80 rorum“). Mit zu meinen schönsten Erfahrungen gehört die „kollegiale Beratung“ zur Gottesdienstpraxis, denn was wissen wir von den Predigten bzw. Gottesdiensten der Kollegin oder des Kollegen. An einem freien Sonntag Gemeinsam vorannehme ich schreiten in der Erkenntam Gottesnis der Heiligen Schrift. dienst eines Kollegen teil. Wir schenken einander Zeit, setzen uns nach dem Gottesdienst zusammen und teilen uns einander mit, hörend, einfühlsam, um Verstehen bemüht, suchend, offen und bereit, gemeinsam „voranzuschreiten in der Erkenntnis der Heiligen Schrift“. Die Gestaltung des Gottesdienstes wird thematisiert, Form und Inhalt der Gebete ebenso wie Form und Inhalt der Predigt. Ganz ebenso braucht die hörende Gemeinde die Kommunikation. Predigen „Im Namen Gottes …“ – Theologie, Christologie, Pneumatologie Seit fast fünf Jahrzehnten wurde der „klassische“ Weg „vom Text zur Predigt“81 im Hinblick auf das „Machbare“ durch ebenso wichtige wie künftig unverzichtbare Ergebnisse der Kommunikations- und Pfarrkonvente und Pfarrkonferenzen, FortRezeptionsforschung ergänzt und im Bebildungen, die außergewöhnliche Ermöglimühen um Wege zum Menschen in die chung eines „KontaktstudiPredigttheorie einbezoDas Kommunizieren ums“, bieten Gelegenheigen.82 Der Anspruch der zwischen denen, die im unverfügbaren Heiligen ten des lernenden Aus„Dienst am Wort“ stehen, Schrift(en), die nach Martauschs, wie kostbar sind ist gefragt. tin Luther „von unenddie dabei sich ergebenden licher Einsicht“ ist bzw. persönlichen Begegnunsind, bleibt. Biblische Texte predigen setzt gen und Gespräche, wer erlebte sie nicht ihr geduldiges Lesen voraus, zuerst in eischon als überraschend anregend, ermutiner vertrauten Übersetzung, um dann gend, aufbauend („consolatio fratrum et soPfarrvereinsblatt 7-8/2016 295 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 296 durch Vergleich mit anderen Übersetzunreden, einmal ganz abgesehen von peingen tiefer in sie einzudringen. Im Theololichen Trivialisierungen . Für einen Mangel giestudium lernen wir Hebräisch und Griehalte ich es, dass auch in der neuen Perichisch, Latein bringen viele schon aus der kopenrevision immer noch viel zu wenige Schule mit. Es ist schwer, in den heutigen alttestamentliche Predigttexte vorkommen. Anforderungen eines Pfarramtes, in den Sehe ich es richtig, dass wir in unseren biblischen Sprachen Predigten oft auffalDas Allerschwerste beim Predigen heimisch zu bleiben. lend allgemein von sehe ich in der Art und Weise, Aber sie ermöglichen Gott sprechen, ohne wie wir von Gott reden. einen Zugang zum Bezug auf den Gott „Original“ sowie die Israels, JHWH, den Übersetzungen kritisch zu sichten. Denn Gott Abrahams, den Gott Isaaks und den jede Übersetzung ist Interpretation, und Gott Jakobs, seine Geschichte mit seinem ein Vergleich mit dem Urtext gibt zu erkenVolk, mit dem wir als christliche Kirche keinen, welche exegetischen Entscheidunneswegs identisch sind oder an dessen gen sie bestimmen, da der originale Text Stelle als das „neue Israel“ rückten.84 Um ein Beispiel zu nennen: nicht selten uneindeutig ist und unsere Übersetzungen diesen oft glätten. BeIm Predigttext Epheser 2,17-22 (leider ohne sonders die über zweitausend Jahre alten die dazu unverzichtbaren Verse 11-16)85 Texte der Bibel Israels, der Bibel Jesu, das zum diesjährigen 2. So. n. Trinitatis / „Alte / Erste Testament“ unserer christ5.06.2016 werden die „Heidenchristen“ an lichen Bibel, stellen z. T. vor große Textprodas Einst und Jetzt ihres Lebens erinnert. bleme, schon die griechische Übersetzung Vers 11 wird meist so ausgelegt, dass nur der Hebräischen Bibel hatte ihre Übersetdiejenigen angesprochen sind, die in der zungsschwierigkeiten und weicht in zahlVergangenheit Heiden waren, so auch in reichen Fällen von dem uns vorliegenden den meisten Übersetzungen. Jedoch sind masoretischen Text ab, ganz abgesehen die Adressaten all die Menschen, die nach davon, dass es schon innerhalb der Bibel wie vor zu den „Völkern / Heiden“, d. h. Auslegung gibt, was leicht übersehen wird. Nicht-Israeliten, gehören, wie es der grieDa es sich bei einem Predigttext um eine chische Wortlaut ergibt: „ihr, die ihr zu den „Perikope“ (= „rings umhauenes Stück“!) Völkern gehört“ (Prähandelt, ist die FraAuch in der neuen Perikopenrevision sens!) „und Unbege nach dem weitekommen immer noch viel zu wenige schnittene“ genannt ren biblischen Zualttestamentliche Predigttexte vor. werdet“ (Präsens!). sammenhang, in Übersetzungen wie dem der Textab„ihr, die ihr von Geburt einst Heiden w a r t schnitt steht und innerbiblisch weiterbeund Unbeschnittene genannt w u r d e t“, dacht, „fortgeschrieben“ wird, unerlässlich. können sich nicht auf den griechischen Wortlaut berufen.86 Dies bedeutet mit HelDas Allerschwerste beim Predigen sehe mut Gollwitzer: „Christsein heißt: als Nichtich in der Art und Weise, wie wir von Gott 296 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 297 jude am Bürgerecht der Juden teilhaben ein, und nehmen wir in unseren Predigten dürfen, ... mit den Juden im Gottesbund ledie aspektreichen Gottesbilder der Bibel,94 87 besonders des Alten / Ersten Testaments, ben und arbeiten zu dürfen“. Jesus Christus hat die Völker/ die Nicht-Jugenügend auf, um uns davon gedanklich den mit dem Gott Israels verbunden, mit und sprachlich inspirieren zu lassen, und dem das Volk Israel schon immer verbunwahren wir in alledem etwas von dem „Geden ist.88 Heinz Kremers bringt es auf den heimnis Gottes“? Lernen möchte ich von Punkt, wenn er auf die für Juden und Nichtder Scheu der Juden, die den GottesnaJuden verschiedene Bedeutung Jesu hinmen nicht aussprechen, sondern nur umweist: „Für Juden tut er [Jesus] einen Dienst schreiben. Immer formelhafter und blasser im Rahmen ihres Bundes. Und für die Heierscheint mir die oft permanente (An-)Reden ist er der Jude, der sie zum Gott Israels de „Herr“ in Gebet und Predigt. bringt“.89 Darum sind wir als Christinnen und Christen „Hineingebrachte“ in Gottes Bund Zur Problematik der allgemeinen Rede mit Israel. Christlichen Glauben gibt es nicht von Gott kommt ihre Dominanz gegenüam Gottesvolk Israel vorbei. Noch einmal ber der Rede von Jesus in Predigten, die Heinz Kremers: Christlichen Hoffnung ist ich heute höre und lese, sowie beider un„die Hoffnung der Nichtjuden, der ‚Gojim‘, verbundenes Nebeneinander oder Identidaß sie auch dabei sein dürfen, wenn Israel fikation,95 meist in der parataktischen Formulierung „Gott, Jesus“. Die christliche vollendet wird – wenn der Messias kommen Rede von Gott geschieht dann beziewird“.90 Hat unsere christliche Lehre oft nicht das Gegenteil behauptet hungslos wie losgerissen und damit die „ZwischenEs ist notwendig zu sagen, von Jesus, dem Christus wand“ (Vers 14) wieder was wir meinen, wenn wir / Messias (!), und die Reaufgerichtet, die Jesus von Gott sprechen. de von Jesus bezievon Nazareth „gelöst“ hat? hungslos wie losgerissen von JHWH, dem Gott Israels.96 Durch Martin Luthers Ausspruch „nihil nisi Christus Bezugnehmend auf das liturgische Votum praedicandus“ ist JHWH eben „nicht aus„Im Namen des Vaters und des Sohnes gelöscht, sondern zu Ehren gebracht“.97 und des Heiligen Geistes“ umschreibt R. 91 Predigt ist darum „praedicatio“ Seines NaBohren Predigt als „Namenrede“, sie predigt den Namen JHWHs, der der Vater Jemens, in diesem ist das ganze, Israel und su ist, in der Kraft des Heiligen Geistes, der mit ihm den Völkern zugedachte, Heil prävon Gott und Jesus92 ausgeht. Darum ersent. Jene Frage „Was soll ich predigen?“ scheint es mir heute angesichts diffuser blieb nicht ohne Antwort, eine Antwort mit Gottesbilder93 notwendig zu sagen, was wir einem gewichtigen „Aber“, das jedem meinen, wenn wir von Gott sprechen. Zweifel trotzt: „ … aber das Wort Gottes98 bleibt ewiglich“.99 Beziehen wir dabei die Geschichte Gottes ❚ Heinz Janssen, Neckargemünd mit Israel, seinem Volk, und durch dieses [email protected] mit den Völkern theologisch angemessen Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 297 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 298 1 Jesaja 40,6 / Übersetzung Martin Luther 1545. 2 A. Grözinger, Was ist das – eine Predigt?, in: Pastoralblätter. Predigt – Gottesdienst – Seelsorge – Die Praxis. 146. Jg., Stuttgart 2006, 73-77. 3 Badische Pfarrvereinsblätter. Mitteilungsblatt des Evangelischen Pfarrvereins in Baden e.V., 5/2016, 158. 4 Heinz Janssen, Berührungspunkte. Worte der Bibel ins Heute gesagt. Saarbrücken 2011; ders., Gottes Wort und Menschenwort. Lesen – Hören – Weiter sagen. Saarbrücken 2012. Vgl. meine Predigten sukzessive aus den Jahren 1996-2016 in: Pastoralblätter. Predigt und Seelsorge in der Praxis, hg. v. Hans-Georg Lubkoll, später v. Gerhard Engelberger mit neuem Untertitel (s.o., Anm. 2), sowie in den Lesepredigten www.predigtvorlagen.de, hg. v. EOK Stuttgart, und in den Predigtportalen: Göttinger Predigten im Internet www.predigten.uni-goettingen.de; offene Predigtdatenbank predigten.de; www.online-predigten, seit 2016: www.predigten.evangelisch.de, hg. v. Kathrin Oxen, begr. v. Isolde Karle, Christoph Dinkel und Johannes Neukirch; Heidelberger Predigt-Forum www.predigtforum.de, hg. v. Heinz Janssen. 5 Vgl. Peter Haigis: Ministerium verbi divini. Theologische Überlegungen zum Pfarrerleitbild (als pdf: pfarrerverband.de/download/vortrag_24012011_pfarrerleitbild.pdf). 6 CA XIV, vgl. CA V. 7 Übersetzung Martin Luther 1545. 8 Nach Martin Luthers Bibelübersetzung steht das Wort „predigen“ für den so besonders im Alten Testament weiteren Sinn „rufen, sprechen, als Bote / Botin (das ihnen von Gott aufgetragene „Wort Gottes“) verkünden. Im Neuen Testament begegnen für „predigen“ / „Predigt“ mehr als dreißig Wendungen (Rudolf Bohren, Predigtlehre. München 1971, 51, mit Hinweis auf Gerhard Friedrich, ThW III, 702). 9 Nach Henning Luther, der die Predigt im Sinne der sog. Sprechakttheorie (J. L. Austin) beschreibt, „scheint die viel beklagte Wirkungslosigkeit der Predigt … ein Resultat der Unklarheit des Predigers darüber zu sein, mit welcher … Absicht er eigentlich redet“ (zit. in Anm. 2 Beitrag von A. Grözinger, 75). 10 Philipp Müller, Predigt ist Zeugnis. Grundlegung der Homiletik. Freiburg i. Br. 2007. 11 Nach wie vor lesenswert das im Jahre 1992 erschienene Buch des ehemaligen Bischofs unserer Evangelischen Landeskirche in Baden, Hans-Wolfgang Heidland: Das Ende der Predigt? Eine selbstkritische Dokumentation. Göttingen 1992. – Das Buch enthält 27 (von ca. 70) Predigten aus H.-W. Heidlands zweijähriger Dienstzeit als Gemeindepfarrer in Kandern (1980-1982), nachdem er im Alter von 68 Jahren aus dem Bischofsamt schied. Mir ist keine Predigtsammlung bekannt, wie sie H.-W. Heidland hier im „Dreischritt von Information, Dokumentation 298 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 und Reflexion“ (18) bietet. Die „Information“ enthält „einige Angaben über den betreffenden Gottesdienst und die Lage der Gemeinde“, die „Dokumentation“ die Predigt, die „Reflexion“ die eigene Predigtkritik (18). Karl Barth, Wesen und Vorbereitung der Predigt. Nachschrift des homiletischen Seminars „Übungen in der Predigtvorbereitung“ im WS 1932 und SoSe 1933 in Bonn, besorgt von Günter Seyfferth, 1966 und Zürich 1970. „Einführung in die evangelische Theologie“, Basel, WS 1961/62 (= Karl Barth, Einführung in die evangelische Theologie, Zürich 1962, 21963). Wolfgang Trillhaas, Evangelische Predigtlehre, München 1935, 5(neubearb.)1964, vgl. ders., Einführung in die Predigtlehre, WBG Darmstadt 1974 (= 21980). Dietrich Bonhoeffer, Finkenwalder Homiletik. HalbjahrsSeminar-Vorlesung zwischen 1935 und 1939. Dieses Scriptum ist aus Nachschriften verschiedener Kurse vom Hg. Eberhard Bethge zusammengestellt, in: D. Bonhoeffer, Gesammelte Schriften IV, hg. v. E. Bethge, München 1961, 237-289. Rudolf Bohren, Predigtlehre. München 1971, (folgend zit.: R. Bohren, PL …). W. Schütz, Probleme der Predigt, Göttingen 1981 (= Dienst am Wort 41). „Homiletik ist nichts anderes als ein gegenseitiges, methodisches und theologisches Gespräch von Predigern über ihre gemeinsame Aufgabe … Eine abschließende Antwort darf man dabei nicht erwarten; das Gespräch soll ja weitergehen, es darf nicht erlahmen und abbrechen.“ (15f.) Gerd Theißen, Zeichensprache des Glaubens. Chancen der Predigt heute. Gütersloh 1994. Albrecht Grözinger, Homiletik, Gütersloh 2008 (Lehrbuch praktische Theologie, Bd. 2). A. Grözinger betont den „kulturwissenschaftlichen Aspekt der Homiletik“, fokussiert die „homiletischen Fragestellungen auf die Situation des religiösen und weltanschaulichen Pluralismus unserer Gegenwart“, und er reflektiert „die Bedeutung der Sprache für eine zeitgenössische Predigt“ (8). Gerhard Rau, Pastoraltheologie. Untersuchung zur Geschichte und Struktur einer Gattung praktischer Theologie. München 1970 (Studien zur Praktischen Theologie, Nr. 8). Ein Hinweis auch auf die Pastoraltheologie von Manfred Josuttis, meinem ersten Lehrer in Homiletik, dessen erstes homiletisches Seminar ich als Student in Göttingen besuchen konnte: Die Einführung in das Leben. Pastoraltheologie zwischen Phänomenologie und Spiritualität. Gütersloh 1996. Ich danke meinen Kolleginnen und Kollegen, die als Autorinnen und Autoren an meinem Projekt „Heidelberger Predigt-Forum“, www.predigtforum.de, mitarbeiten und mit mir am Thema der Predigt bleiben. PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 299 22 R. Bohren. PL 24, vgl. ders., Zur Definition der Predigt, in: Theologie zwischen Gestern und Morgen. Interpretationen und Anfragen zum Werk Karl Barths, hg. v. Wilhelm Dantine und Kurt Lüthi. 1968, 125ff.; ders., Reformatorische und neuprotestantische Definition der Predigt, in: EvTh 31 (1971), 1ff. (Eine Gegenüberstellung der Definitionen von Heinrich Bullinger und Emanuel Hirsch); Johannes Schreiber, Art. Predigt, in: PrThH, 400f. (zum Problem der Predigtdefinition). 23 R. Bohren, PL 51. 24 R. Bohren, PL 51. 25 R. Bohren, PL 56. 26 R. Bohren, PL 56. 27 Traditionell seit Alexander Schweizer (1848: Homiletik der evangelisch-protestantischen Kirche, systematisch dargestellt) „Prinzipielle Homiletik“. 28 Der erste (65-155), dritte (343-440) und vierte Schritt (441-553) umfassen jeweils ca. 100 Seiten, der zweite mit ca. 200 Seiten die fast doppelte Seitenzahl (159-342). 29 Zu Rudolf Bohrens Predigtlehre vgl. Jantine Marike Nierop, Die Gestalt der Predigt im Kraftfeld des Geistes. Eine Studie zu Form und Sprache der Predigt nach Rudolf Bohrens Predigtlehre, Homiletische Perspektiven Bd. IV, hg. v. Heye Heyen und Gottfried Bitter, 2008 (als pdf abrufbar: https://openaccess.leidenuniv.nl/bitstream/handle/1887/4981/Thesis.pdf?sequence=18). Martin Nicol würdigt R. Bohrens Predigtlehre: „Bis heute hat keine Predigtlehre wieder vermocht, Theologie und homiletisches Handwerk zu einem ähnlich geschlossenen, ähnlich inspirierenden Entwurf zu verknüpfen“, und er fragt, „ob nicht in der aktuellen Situation Rudolf Bohrens Predigtlehre unter neuem Vorzeichen einzuholen wäre“, J. M. Nierop nimmt diese Fragestellung in ihrer o.g. Dissertation auf. 30 R. Bohren, PL 56. 31 In der traditionellen Homiletik geht es dabei um die „Predigt als Rede“, d. h. um ihre sprachliche Gestaltung. 32 In der traditionellen Homiletik: (Bibel-)Text und Predigt. 33 R. Bohren, PL 58f., nennt in diesem Zusammenhang Alexander Schweizer und Albert Schädelin. 34 R. Bohren, PL 58f. 35 Martin Luther, WA 49, 74,26. 36 D. Bonhoeffer, Finkenwalder Homiletik, 287-289. 37 D. Bonhoeffer, Finkenwalder Homiletik, a.a.O., 288f. 38 Stefanie Wöhrle, Predigtanalyse. Methodische Ansätze – homiletische Prämissen – didaktische Konsequenzen. LIT Verlag Münster 2006 (Homiletische Perspektiven, Bd. 2). 39 Helmut Schwier, Sieghard Gall, Predigt hören. Befunde und Ergebnisse der Heidelberger Umfrage zur Predigtrezeption. Berlin, Münster: LIT Verlag, 2008 (Heidelberger Studien zur Predigtforschung, Bd. 1): 135f. 40 Vgl. Albrecht Grözinger, Predigt und Kanzel als 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 Erinnerungsort, in: Pastoralblätter …, 153.Jg., 2013, 592596. A. Grözinger bezieht sich dabei auf Christoph Markschies / Hubert Wolf (Hg.), Erinnerungsorte des Christentums. München 2010. CA VII: „communio sanctorum“. Dtn 26,1-11 („kleines geschichtliches Credo“, G. v. Rad); Psalm 103,8 („Barmherzig und gnädig ist JHWH …“); Psalm 136 („ … denn / ja seine Güte währet ewiglich“); Lukas 1,54f. („ER gedenkt an seine Barmherzigkeit …“). So der gleichnamige Titel des Buches von Eberhard Jüngel. Tübingen 31978. Vgl. Nehemia 7,72-8,12. A. Grözinger, a.a.O., 595. Der Heidelberger Katechismus, Frage 1. A. Grözinger, a.a.O., 595. W. Schütz, Probleme der Predigt, 56-58. Nonnenweier (heute: Ortsteil von Schwanau). Klaus Baschang, Pastbl., 144. Jg., 2004, S.778-782: 778, hebt in diesem Zusammenhang im Hinblick auf den gesamten Gottesdienst die Bedeutung des „Sakristeigebetes“ für die Bitte um den Hl. Geist hervor. Dies bedeutet vice versa, dass selbst meine schlechteste Predigt kraft des Hl. Geistes das Wort Gottes zu Gehör bringen und heilsam wirken kann. Was mich aber nicht – um dem Wirken des Hl. Geistes nicht im Weg zu stehen (!) – davon abhalten soll, mich um Gottes und der Menschen willen bestens vorzubereiten. Vgl. die frühere (umgangssprachliche?) Bezeichnung „Hersag(e)Sonntag“ für die Konfirmandenprüfung, es ging um ein „Hersagen“ aus der Bibel und dem sie auslegenden Katechismus und dem Gesangbuch. So z. B. Ex 24,7; Dtn 17,19; Jer 36; Hab 2,2; Neh 8,3.8.18; 9,3; 2Chro 34,18. Claus Westermann, BK I/1, 437. Exodus 33,19; 34,5 (mit JHWH als Subjekt); Jesaja 12,4; Psalm 105,1; zur hebr. Wendung qr‘ beschem JHWH s. die hebr. Lexika. Septuaginta Deutsch. Das griechische Alte Testament in deutscher Übersetzung, hg. v. W. Kraus und M. Karrer, Stuttgart 2009. S. hebr. Lexika. Zitiert bei C. Westermann, BK I/1, 438. Exodus 3f. C. Westermann, BK I/1, 460-463. S.o. Anm. 14. Vgl. Das Buch Gottes. Elf Zugänge zur Bibel. Ein Votum des Theologischen Ausschusses der Arnoldshainer Konferenz. Neukirchen-Vluyn 1992; Manfred Oeming, Biblische Hermeneutik. Eine Einführung, WBG Darmstadt 42013. 1.Petrus 3,15f.: „Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, und das mit Sanftmut und Gottesfurcht …“ Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 299 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 300 64 Rev. Elberfelder Bibelübersetzung (1993). 65 R. Bohren, PL 151. 66 Kriterien sind nicht nur philologische und literarhistorische, sondern auch zeit-, religions- und kulturgeschichtliche Hintergründe, die sich in einem Bibeltext spiegeln, oft aber schwer zu ermitteln sind und hypothetisch bleiben. 67 Vgl. immer noch lesenswert: Ernst Bizer, Fides ex auditu. Eine Untersuchung über die Entdeckung der Gerechtigkeit Gottes durch Martin Luther. Neukirchen Kr. Moers 1958 (21960). 68 S. griech. Lexika. 69 Zur Einsicht in notwendige Korrekturen gehört die Sensibilät für gravierende Fehler, welche die Kommunikation zwischen Prediger bzw. Predigerin und Gemeinde empfindlich stören. In seiner oben genannten Predigtlehre bietet R. Bohren einen ziemlich ungemütlichen, aber schließlich heilsamen „Lasterkatalog für Prediger“ (§ 23, 402-422), er beschränkt sich dabei „auf Laster, die der Prediger möglicherweise mit seinem Beruf und Stand übernimmt“, m.a.W. auf „Untugenden des Berufs“ (402), zu diesen gehören (ich nenne die nach meinem subjektiven Empfinden wichtigsten): über das Evangelium predigen statt das Evangelium predigen – Weitschweifigkeit, sie wird meist durch Adjektive verursacht und verbreitet Langeweile (R.B., 404, zitiert Gottfried Benn und seinen Rat: „Streichen Sie die Adjektive“) – Geschwätzigkeit (R.B., 405f., zitiert Kurt Tucholsky: „Merk Otto Brahms Spruch: Wat jestrichen is, kann nicht durchfalln“) – Selbstgefälligkeit (nicht zu verwechseln mit Selbstbewusstsein): „Doxologie wird zur Kauchesis, Gotteslob durch Eigenlob ersetzt“ (R.B., 406) – Gefallsucht, „den Menschen gefallen zu wollen“, vgl. Galater 1,10: „Wenn ich noch Menschen gefällig sein wollte, wäre ich nicht Christi Knecht“, 1Thessalonocher 2,4: So reden wir nicht, um Menschen zu gefallen, sondern Gott“, (R.B., 406). 70 Ich vermeide bewusst den geläufigen Begriff „Gegenlesen“, weil es in der oben beschriebenen Praxis um ein „Mit“ und nicht um ein „Gegen“ geht. 71 Ein Stichwortkonzept halte ich nur dann für sinnvoll, wenn es auf der ausformulierten Predigt basiert. 72 Mit D. Bonhoeffer, Finkenwalder Homiletik. 73 R. Bohren, PL 60. Es geht um einen reflektierten und kritischen Umgang mit der Predigtsprache, PL 61: „Ohne den Unterschied von Schreiben und Sprechen zu verwischen, empfiehlt sich für den Prediger das Gespräch mit einer Berufsgruppe, die sich wie keine andere um die Sprache müht“. 74 Philipper 3,12. 75 Z. B. Göttinger Predigtmeditationen (GPM). 76 Schon lange begleiten mich die Worte von Rudolf Smend über die Bibliotheken füllenden Arbeiten zur Bibel: „Der einzigartige Gegenstand … setzt auch die an ihm geleis- 300 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 77 78 79 80 81 82 83 84 tete Arbeit in eine besondere Verantwortung und Würde“ (in: Die Entstehung des Alten Testaments. Stuttgart4 1989 (ThW Bd. 1), S.12 / 5(neubearb. u. erw.)) 1995. Vgl. Christian Möller, Seelsorglich predigen. Die parakletische Dimension von Predigt, Seelsorge und Gemeinde. Göttingen 1983. S.o., Anm. 10. Kommunikation des Evangeliums in der digitalen Gesellschaft. Lesebuch zur Tagung der EKD-Synode vom 9. bis 12. November 2014 in Dresden (aktualisierte Auflage, März 2015, als pdf: http://www.ekd.de/synode2014/ schwerpunktthema/lesebuch/index.html. Zum besonderen Profil des Heidelberger Predigt-Forums (online seit 1.Advent 2002), www.predigtforum.de, gehört es, dass die Autorinnen und Autoren ihren ausgearbeiteten Predigten exegetisch-homiletische Hinweise beifügen, welche den Lesenden Einblicke in die „Predigtwerkstatt“, in die Zugänge und Fragestellungen, ermöglichen und ihnen Impulse für die eigene Arbeit am Bibeltext und ihrer Predigt geben. Das Predigtportal versteht sich als offener und weiter Raum, in dem alle im kirchlichen Predigtdienst engagierten beruflichen und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter andere an ihrer Predigtarbeit teilnehmen lassen, dadurch einander anregen und ermutigen, im Sinn des griechischen Wortes mathaetaes / „Schüler“, das Martin Luther mit „Jünger“ (Jesu) übersetzt, immer im „Dienst am Wort“ zu bleiben. - Eine ausführliche Erklärung der Konzeption des Heidelberger Predigt-Forums findet sich auf www.predigtforum.de sowie in verschiedenen Beiträgen im Deutschen Pfarrerblatt. „Die Debatte der vergangenen Jahrzehnte hat das Problem Text – Predigt als ungelöstes hinterlassen“, vermerkt R. Bohren, und er wollte es einer Lösung zuführen, PL 59. Vgl. z. B. Thomas Nisslmüller, Homo audiens. Der Hörakt des Glaubens und die akustische Rezeption im Predigtgeschehen. Göttingen 2008. Der Autor widmet sich einer noch wenig erforschten „auditiven Ästhetik“, die den Predigthörenden in den Blick nimmt, beleuchtet aus theologisch-philosophischer, pychologischer und ästhetischer Perspektive die verschiedenen Facetten des Hörens und zeigt „ein Forum von Hörqualitäten“ auf. Solche beklagt Markus Beile mit beachtenswerten Hinweisen auf einige wichtige „Problemhorizonte“ des Redens von Gott in seinem Diskussionsbeitrag: Mit Gott auf du und du. Die Rede von Gott in heutigen Predigten. In: DtPfrBl. 116 (2016) 348-350. Vgl. a.a.O., 332-334. Exodus 3,6; Römer 9-11. Vgl. nach dem seit 1960 Beginn des jüdisch-christlichen Dialogs den Rheinischen Synodalbeschluss 1980, dem bald darauf Landessynode unserer Badischen Landeskirche folgte. PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 301 Thema 85 Vgl. dazu die hervorragende Predigtmeditation von Volker Haarmann, in: GPM 70(2016) 318-323. 86 Darum bin ich auf die Revision 2017 der Übersetzung Martin Luthers gespannt, ob sie Epheser 2,11 revidiert und dem griechischen Bibeltext gerecht wird. 87 Unvergesslich ist mir Helmut Gollwitzers Bibelarbeit über Epheser 2,11-19 beim Evangelischen Kirchentag in Hannover, an dem ich als Theologiestudent teilnehmen konnte. In: Friedebert Lorenz (Hg.), Der Friede Gottes und der Friede der Welt. Biblische Verkündigung beim 13. Deutschen Evangelischen Kirchentag Hannover 1967. Stuttgart 1967, 23-32.25. 88 Vgl. Hans-Christoph Goßmann, Teilhaber des Segens. Warum das Judentum für uns Christen so wichtig ist. In: DtPfrBl. 116 (2016) 348-350. Vgl. a.a.O., 332-334. 89 Heinz Kremers, Der Beitrag des Neuen Testaments zu einer nicht-antijüdischen Christologie, in: Adam Werner (Hg.), Liebe und Gerechtigkeit. Gesammelte Beiträge von Heinz Kremers, Neukirchen 1990, 121-133: 127. Vgl. Römer 15,8: „Christus ist ein Diener der Juden geworden“. 90 H. Kremers, a.a.O., 130. 91 R. Bohren, PL 91. 92 Filioque! 93 Nicht selten werden fragwürdige Gottesbilder auch in den Medien transportiert, z. B. in Talkshows. 94 Gott als Vater, Mutter (Jesaja 66,13, Jahreslosung 2016), Bärin, Löwe, Licht, Fels, Quelle etc., vgl. M. Beile, a.a.O., 350. 95 Man betrachte das unter diesem Gesichtspunkt theologisch, auch christologisch, höchst problematische Lied „Freut euch, wir sind Gottes Volk“ (EG, Regionalteil Baden, Elsass und Lothringen, Pfalz, 611), vgl. Albrecht Lohrbächer, Helmut Ruppel, Ingrid Schmidt (Hg.), Was Christen vom Judentum lernen können. Anstöße, Materialien, Entwürfe. Unter Mitarbeit von Jörg Thierfelder, Stuttgart 2006. 96 Vgl. R. Bohren, PL 91. 97 R. Bohren, PL 92, und: „Der Hauch von Unmöglichkeit und Unwirklichkeit, der vielen Osterpredigten anhaftet, dürfte im Vergessen Jahwes seinen Grund haben. Verleugnet wird die Auferstehung in diesem Fall nicht so sehr in ihrer Bestreitung, als vielmehr in ihrer Isolierung“. 98 Das Wort Gottes ist JHWHs Offenbarung in ihrer weltumspannenden und, „nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf mancherlei Weise geredet hat“ (Hebräer 1,1,), das Christusgeschehen umfassenden Gesamtheit. 99 Jesaja 40,6-8. Wenn es irgend geht: Herzhaft predigen! ❚ Ausgehend von Beobachtungen zur spirituellen Erfahrung Jesu plädiert Pfarrer i.R. Martin Auffarth für eine Abkehr vom eher diskursiven Predigen und für ein aus dem Herzen kommendes Predigen, das Predigende und Hörer „hinter die Worte“ führt. An zwei Beispielen aus seiner Wort-Werkstatt beschreibt er sein Anliegen praxisnah. Was ist die Frage, was die Ausgangslage? Stefan ist ein Lausbub, ein sympathischer obendrein. Immer wieder bringt er Bewegung in die Gruppe. Manchmal zu viel Bewegung, zugegeben. Heute sind wir dran, „über“ Gott zu reden. Noch haben wir kaum etwas dazu gesagt, kaum etwas dazu gelesen, da haut er diesen Satz raus: „Zu Mose hat er gesprochen, zu Maria, zu Martin Luther King und ein paar anderen auch. Zu mir nicht. Also glaube ich nicht an Gott“. Ups, dieser Satz sitzt. Bei allen in der Konfi-Runde. Ich bin sprachlos. Was soll ich auf die Schnelle sagen? Ein paar dogmatische Formulierungen? Genügt der Hinweis, die Bibel sei Gottes Wort? Würde er sich damit zurecht finden, sich gar umstimmen lassen? Irgendwie kriegen wir die Situation doch noch hin. Aber, was dieser sympathische Lausbub sagt, das arbeitet in mir. Davor schon. Und auf die Dauer meines Lebens. Vor und in jedem Gottesdienst und wo auch immer: Zu jedem scheint Gott gesprochen zu haben. Aber auch zu mir? Auch zu uns? Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 301 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 302 Was ist eine spirituelle Erfahrung? Kommentierung. Zuweilen ist es schon Und wie kommt sie zu Wort? heftige Dogmatisierung und holzschnittarWir gehen davon aus, dass Jesus innetige Systematisierung dessen, was der re Erfahrungen erlebt, die er in seiner Meister zum Ausdruck hat bringen wollen. Weise in Worte formt, Evangelien entstehen die er als Heiler aus mit ihren jeweiligen „Zu Mose hat er gesprochen, sich heraus wirken Intentionen. Indem zu Maria, zu Martin Luther King lässt, die Jesus in eine das Christentum zur und ein paar anderen auch. Handlungsweise der staatstragenden ReliZu mir nicht. Also glaube ich auffälligen Weise umgion wird, setzt eine nicht an Gott“. setzt. Wir fragen: Was große Welle der doggeschieht da in ihm? Wohl etwas sehr Feimatischen Lehrsätze ein. Das Ganze wird nes, in Worte – eigentlich – nicht zu fasschließlich in eine Volksreligion transfesen. Eine vor-sprachliche Erfahrung, wie riert. Was hier einen kompletten Werdewir dann sagen. Vielleicht fast zu fein, zu gang hinter sich hat, muss hinterfragt werfremd, zuweilen zu überwältigend. Ein den: Ist das, was wir heutzutage hören, leWort könnte diese innere Erfahrung platsen, weiter geben möchten, noch idenzen lassen wie eine Seifenblase, deren tisch mit der inneren, der sehr feinsinniSchönheit für Momente aufscheint. gen, auch für Jesus fast kaum wahrnehmIrgendwann will es aber doch gesagt sein. baren Erfahrung? Was innen ist, will, muss nach außen. Es Ich schildere dies deswegen so ausführdarf, es kann nicht verborgen sein. Auf lich, weil uns hier eine Grundaufgabe Dauer. des Predigens vorgelegt wird: Wie komIn der Weise der alttestamentlichen Promen wir vom heutigen Stand der Überliepheten – formt er das Erlebte in Reime ferung einigermaßen deutlich an diese und rhythmische Worte. Er verdichtet das innere Erfahrung heran – und was sie in Geschehen. Gibt dem – eigentlich - nicht Jesus auszulösen vermag? Darüber hinzu Benennenden ein Wort. Darüber hinaus ist das Aramäische seine Mutteraus gehend sind es heilige, göttliche sprache. Diese eher erzählende SpraWirkkräfte, die in sein Bewusstsein komche wird in eine völlig anders tickende men, das er das eine Mal im Jüngerkreis griechische – eher digitalisierende, deweiter gibt, dann in aller Öffentlichkeit. terminierende – Sprache übersetzt. Von Weil Poesie und Rhythmus, ist es für da aus in ein wiederum anders tickendes Menschen leicht, das Gehörte mündlich deutsches Sprachvermögen. Gegen den weiter zu geben. Strich gebürstet muss man fragen: Was ist denn, zum Beispiel bei den EvangeliWir kennen die Vorgänge: Das Mündliche en, der Ur-Text? Das griechische Neue wird verschriftlicht und dabei mit kleinen Testament? Ich behaupte: Bestimmt Kommentaren versetzt. Man meint, die nicht. Wenn, dann ist es der Übergang Leserin oder der Leser bräuchten diese von der inneren existenziellen Erfahrung 302 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 303 Jesu hin zu den Worten seiner aramäi„Barmherzig“ zum Beispiel heißt im heschen Muttersprache. Über all dieses bräischen Original: Rachamim, zusamhinaus geht es um eine wirkmächtige Urmen gesetzt aus Mayim – das sind die Urkraft, die sich im Inneren wasser, über denen (laut eines Menschen zeigt und Schöpfungslied Genesis 1) Wie kommen wir vom aus dem Inneren nach heutigen Stand der Über- der Geist schwebt - und reaußen zu drängen sucht. chem, das ist das Wort für lieferung einigermaßen Was heißt dies für das Sudeutlich an diese innere Mutterschoß oder allgechen der Worte, die sich meiner: Unterleib. Wir könErfahrung heran – zu gottesdienstlichen Texnen dieses Wortbild also und was sie in Jesus ten verdichten? so übertragen: „Was Moauszulösen vermag? ment passiert, dreht uns Wie können wir diese die Gedärme um. Wir sind in unseren tiefperformativ darstellen? sten (Mit-) Gefühlen und körperlich spürbar angerührt“. Jetzt sind wir – über jedes Die Karte ist nicht die Landschaft denkerische und substantivierende VerWorte können zum Gefängnis für das mögen hinaus – nahe dran an einem Gewerden, was sie eigentlich meinen. So in schehen und den Wirkkräften, die im Geetwa drückt es St. Exupéry aus. Weil sie schehen mächtig sind. Jetzt sind wir naheetwas einfangen, etwas hinter Gitter nehzu überwältigt. Jetzt finden wir fürs Predimen, in eine Form zu bringen suchen, die gen Beispiele aus der weiten Welt, der eider ursprünglichen Erfahrung kaum zu genen Mit-Welt oder der Selbsterfahrung. entsprechen vermag. Die Karte ist eben Jetzt kommen wir an dieser Situation nicht nicht die Landschaft. Der Quantenphysidran vorbei, jetzt verlangt sie eine Antwort. ker David Bohm hat sich vielfach mit Und wenn und weil Gott barmherzig ist, Sprache auseinander gesetzt: Sie sei zu wie es heißt bis in 1.000 Generationen sehr objektorientiert, substantivierende hinein, dann nimmt er heftigen Anteil an Sprache. Sie gäbe damit eine Wirklichdem, was unter uns geschieht. Ja mehr keit wieder, die wie eingefroren, kalt und noch: Er entwickelt eine Beziehung, wie statisch sei. Weil (quantenphysikalisch sie eine Mutter (und auch Väter) zu dem betrachtete und damit jede) Wirklichkeit Leben entwickeln, das im Mutterleib im aber fließe, sich ständig bewege und Entstehen ist. Spüren wir, wie anders das transformiere, entsprächen Verben weit ist, als das nüchterne Adjektiv „barmhereher der Wirklichkeit, können mitnehmen zig“? Wie wir in eine Empathie gehen, die und Realitäten oder Personen verän– reinmenschlich und personal gesprodern, transformieren. chen, Gott uns vorlebt? Wie hinter die Worte kommen? Wie wir ihre dahinter sich Wort-Bilder predigen lassen zeigenden Wirkkräfte erspüren? Wie wir Glücklicherweise liefern sowohl das nicht die Karte beschreiben, sondern uns Hebräische wie auch das Aramäische mitten in der Landschaft befinden. Denn wunderbare Sprachbilder. wenn wir dies selber erleben, davon Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 303 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 304 berührt sind, dann können wir in einer anWort „meta-noein“ bedeuten: Über jedes deren Sprachmächtigkeit reden. Dann Denken hinaus gehen? Und steht nicht berühren wir Herzen. Weil wir uns selber genau dieses griechische Wort auch berühren lassen und in der griechischen Jetzt sind wir nahe dran an einem Übersetzung des Aldies in Worte zu fasGeschehen und den Wirkkräften, sen suchen. Und verten Testaments an der die im Geschehen mächtig sind. mögen. Stelle, wo es heißt, Mose „geht über die Ist das Predigen? Nahe heranführen an Steppe hinaus“. Mit dem Sinn, dass er die Landschaft, so dass Menschen sich über die Grenzen seines Bisherigen hinvon der Kraft der Worte berühren lassen? aus geht. Und sich ihm dann erst ein Gott Und ihre Sogwirkung, es selber tun zu zu offenbaren vermag, der von sich sagt, wollen? er sei die „Wirklichkeit, die überrascht“. (So könnten wir den Eigennamen Gottes Nicht „über“ Gott reden. „Ich bin, der ich bin“ auch übersetzen – Weitestgehend jedenfalls Exodus 3, 1 ff). Die Ur-Crux allen Predigens scheint mit Wenn schon, dann herzhaft derzeit zu sein, dass wir zu-viel über Gott Da ist eine Herzzelle, von einem Menwissen oder meinen zu wissen. Karl Barth schen entnommen, in einer Nährflüssighat das für sich selber so beannt: „Der liekeit in einer Petrischale. Da ist eine andebe Gott wird lachen, wenn ich mit einem re Herzzelle, von einem anderen MenHandwägelchen voller Kirchlicher Dogmaschen entnommen, ebenso in einer Nährtik daher komme“. Dieses „über“ Gott reflüssigkeit in einer anderen Petrischale. den, ist durchaus wörtlich zu nehmen. Die eine Herzzelle hüpft in ihrem eigenen Hier haben wir die Welt der inneren und Rhythmus vor sich hin. Und die andere äußeren Erfahrung. Statt dass wir selber Herzzelle hüpft ebenso, wiederum in ihdort einzutauchen suchen und auch anderem eigenen Rhythmus, vor sich hin. Beire damit hinein nehmen, geben wir sie in de Rhythmen unterscheiden sich voneinWorten einer darüber liegenden Metaander. Nach einer Weile jedoch gleichen Ebene wieder. sich die beiden Rhythmen einander an bis Ich lese eines Tages wieder einmal dieses sie im selben Takt schwingen. Ist das nicht Wort Jesu, ganz zu Beginn seiner Wirwundersam? Wie nehmen die beiden mitkungszeit. Plötzlich geht mir ein Gedanke einander Kontakt auf, in welcher Weise auf. Da lesen wir im Griechischen das kommunizieren sie miteinander? Was geWort „meta-noein“ – Markus 1, 14f. Es ist schieht da? übersetzt mit: „Tut Buße“. Oder auch mit: Das Herz nur eine Pumpe – „Ändert eure Wahrnehmung“. Dann weit überholt kommt mir in den Sinn, dass ja Meta-PhyNoch immer ist unter uns im Schwange, sik bedeute, über jede materielle Physik das Herz sei eine Pumpe. Etwas materiell hinaus gehen. Könnte dann nicht dieses 304 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 305 Handfestes, mehr nicht. In Leben, ob biologisch, psyder Religion behaupten wir chologisch, energetisch, etwas müde, das Herz sei – mental oder seelisch geseBetonung liegt auf „dahen. Leben ist Verändemals“ – der Sitz des Gemürung, das ist sowas von evites gewesen. Lasst uns dent. Wollen wir dann noch sehr viel mehr begreifen, im lediglich Denkerischen dass die Forschung uns (und Dogmatisierenden) schon lange andere Verstehensweisen an verhaftet bleiben? Noch immer sind wir die Hand gibt, die dem biblisch-mystischen sehr in der linken Gehirnhälfte zuhause, Verständnis sehr viel mehr entspricht: Es der digital denkenden. Die gerne „über“ etgibt eine Herz-Kommunikation. Wie am was nachdenkt, also „über“ dem GescheBeispiel der beiden tanzenden Herzzellen hen schwebt und so tut, als sei dieses nur anfangsweise angedeutet. Weil das „über“ das Eigentliche. Wozu aber hat uns Herz eine Torus-Struktur aufweist (vgl. Abdie Schöpfung eine rechte Gehirnhälfte bildung), spielen in dieser Art des Kommugegeben, die das Gesamtbild zu erfassen nizierens Raum, Entsucht. Stellen wir uns Heißt das Abschied nehmen vom vor, wie seien im Mufernung und Zeit keine vorrangig diskursiven Predigen? Rolle. Das Herz bildet seum und schauten ein 5.000-fach (!) stäruns ein Gemälde Pixel keres elektromagnetisches Kraftfeld aus – für Pixel an und bildeten uns hauptsächals das Gehirn. Was soll uns das sagen, lich daraus eine Meinung zum Geschaudie wir seit über 300 Jahren gesagt beten. Anstatt mal ein Detail anzuschauen, kommen, nur wer denke, der sei („cogito, um dann wieder das Ganze in die Wahrergo sum“. R. Descartes). Die Forschunnehmung zu bekommen. Nur so sind linke gen der über die klassische Newton‘sche und rechte Gehirnhälfte miteinander aktiv Physik hinaus gehenden Quantenphysik und ineinander verschränkt. Nur so ererzählen von einer weit anderen Auffasschaffen wir sinnlich eindrückliche Erlebsung dessen, was wir die Wirklichkeit nennisse und Veränderungsprozesse. Eine nen. Heißt das Abschied nehmen vom vorandere, eine wahrhaft sehr viel ganzheitlirangig diskursiven Predigen? chere Wahrnehmung – oder? Weiter noch: Denken ohne Gefühle ist, neurologisch betrachtet, nicht möglich. Das im mittleren Bereich des Gehirns angesiedelte, für Gefühle und Bewertungen zuständige Limbische System ist beim Lernen und Behalten, beim Neu-Konstruieren von Gedanken, von Haltungen und Ideen wesentlich beteiligt. Und an Veränderungsprozessen. Und um die geht es im Begreifendes & berührendes Denken ineinander verschränken „Auslegen des Wortes. Suchen der Worte – Rund um die Predigt“ heißt der Titel dieses Heftes. Ein Suchen, ein Finden, ein sich finden lassen. Ein Hin- und HerWechseln von „begreifendem und berührendem Denken“, wie es Jörg Zink nennt. Das eine ist eher der aktive, von uns ausPfarrvereinsblatt 7-8/2016 305 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 306 gehende Vorgang. Die exegetische Arbeit mit eingeschlossen. Das andere ist eher der zulassende, der intuitive, durchaus auch im Herzen stattfindende Vorgang dessen, was wir Predigen nennen: „Hinter die Worte kommen“. So gestalte ich oft die Predigt – rein praktisch – in zwei Teile, eine mehr dem begreifenden Denken gewidmet, der andere Teil mehr dem berührenden Denken. Dazwischen Musik, die Zeit lässt, das eine und das andere sacken zu lassen. Aus meiner Werkstatt Hier nun zwei Beispiele, mit denen deutlich werden möge, was ich einerseits beschreibe, andererseits in die Praxis zu nehmen suche: Das erste Beispiel ist zur Seligpreisung: „Selig die sanften Mutes sind, sie werden die Erde in Besitz nehmen“ – Matthäus 5, 4. In der Muttersprache Jesu, dem Aramäischen, lesen wir: „Selig, die sich in sich weich machen lassen, sie haben schon jetzt ein Gespür für die Zartheit der Schöpfung. Glücklich, die nicht nach harter, unausweichlicher Moral urteilen, sondern schon jetzt aus der tiefen, klaren Quelle eine geradlinige Liebenswürdigkeit in sich aufsteigen lassen. 8. Klasse. Reli ist gerade fertig. Ich auch. Wie ein Kampf kommt es mir vor, diese 45 Minuten. Ich bin versucht, mich unter die Verlierer des Kampfes einzuordnen. Oder sind es die Schüler und Schülerinnen, die sich anscheinend durch nichts aus der Deckung holen lassen, denen ich dann die Schuld am Misslingen dieser und so manch anderer Reli-Stunde geben könn306 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 te? Wo ich mir doch alle Mühe gebe, einen anschaulichen Unterricht zu gestalten. Aber nach dieser Stunde bin ich einfach nur müde. Ich gehe über den Schulhof zurück ins Gemeindebüro. Spüre so langsam auch eine Wut, von der ich nicht weiß, ob sie nach außen platzen will oder ob sie sich zerstörend nach innen, gegen mich, richtet. Und ich stolpere. Auch das noch, denke ich. Aber irgendwie treibt es mich, zurück zu schauen, über was ich denn gestolpert bin. Überall Asphalt. Nein! Da ist der Asphalt aufgebrochen, hat sich aufgewölbt. Und da! Da sehe ich inmitten des Aufgebrochenen etwas Grünes. Beim näheren Hinschauen ein Löwenzahn. Das darf doch nicht wahr sein. Hat etwa diese so zarte Pflanze es tatsächlich geschafft, diese harte Schicht aufzureißen? In welcher Kraft? Wie lange schon ist sie dran, zum Licht hervor zu dringen?! Und sie hat es geschafft. Sie hat wohl nicht Schätzungen angelegt, was denn stärker sein könne: Dieser Asphalt oder diese in ihr wohnende Lebenskraft. Diese Pflanze und der Zeitpunkt, an dem dieses geschieht – eben nach wahrscheinlich erfolgloser Arbeit in Reli – für mich ein Bild, nein, das (!) Bild für Sanftmut. Es lebt in mir, dieses Bild. Es kommt in Momenten nach oben, wie zufällig, wo ich oder wo wir in Gremien oder im Lebensalltag sowas von fixiert sind - auf die Probleme. Wenn Verhärtungen sich der Situation zu bemächtigen suchen. Jetzt jedoch dieser in aller Schöpfung und wohl auch in uns innewohnenden Kraft vollends, eigentlich ausschließlich, vertrauen. Jetzt aus dem Kampfmodus heraus gehen können. Sich von dieser göttlichen Kraft berühren las- PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 307 sen, ihr und damit dem, was wir Gott nennen, das Feld überlassen. Geht das? Das zweite Beispiel ist eine Wortverdichtung anlässlich einer Beerdigung eines 14 Tage alt gewordenen Kindes. Im Vorfeld machen mir seine Eltern klar, dass nicht sie, jedoch viele, die zur Beerdigung kommen wollen, es stark in Frage stellen, ob es denn sein müsse, dass ein Pfarrer diese Beerdigung anleite? Wie soll ich alle mitzunehmen suchen? Meine Eingangsworte sind diese: Leben … manchmal so grausig fast gewalttätig dann kaum auszuhalten schmerzvoll wie ein Faustschlag in die Magengrube herzerschütterlich und dann leer endlos leer kaum noch ein Gedanke kaum noch Gefühle einfach nur leer. Leben – manchmal so grausig … Neugierig wäre ich schon, wenn Stefan, dieser sympathische Lausbub, diesen Gedankengang hören könnte. Wie er wohl darauf regieren würde, auf seinen wuchtigen Einwurf seiner Zeit: „Zu jedem scheint Gott gesprochen zu haben, zu mir nicht“. Spricht er zu mir, zu uns? „Herzhaft ins Leben und in Gott hineinhören, herzhaft predigen“ – Möge es gelingen. ❚ Martin Auffarth, Merzhausen Leben ... manchmal so übervoll und glücksströmend sowas von begeisternd zum Staunen zum tiefer schauen wollen einladend, herzöffnend und dann so voll so randvoll gefüllt nur noch staunende Augen einfach nur erfüllt. Leben – manchmal so übervoll und glücksströmend Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 307 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 308 Thema „Was soll ich predigen?“1 Annäherung – Definition(en) von Predigt ❚ Im Zusammenhang des Themas dieser Ausgabe weist Pfarrerehepaar Dr. Andreas Obenauer und Dr. Silke Obenauer auf das Buch von Erik Flügge „Der Jargon der Betroffenheit. Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt“ hin, das die viel diskutierte Milieuverengung unserer Kirche anschaulich, provozierend und auch schmerzhaft beschreibt. Erik Flügge Der Jargon der Betroffenheit. Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt. Kösel. München 2016, 160 Seiten, 16,99 Euro nie im Blick sind und die dem eigenen Empfinden nach ganz weit weg sind von der Kirche. Aber er tut uns nicht den Gefallen wortreich und eloquent sein Desinteresse an Glaube und Kirche kundzutun, sodass wir uns damit beruhigen könnten, dass solche Leute ohnehin kein Interesse an unserer Arbeit haben. Flügge interessiert sich für die Kirche und den Glauben, er traut Predigten zu, dass sie Menschen erreichen und verändern können. Aber er kommt in der Kirche nicht vor. Nicht mit seiner Sprache, nicht mit seinen Themen, nicht mit seiner Lebenswelt und seinem Lebensstil. Vordergründig geht es in Flügges Buch um die kirchliche Sprache, v. a. in den Predigten: zu betroffen, zu traditionell, zu gefühlsduselig für die, die das schnelle Leben und den großen Auftritt lieben. Aber das ist nur die Oberfläche. Hinter Es sind Sätze wie dieser, die das Buch der kirchlichen Sprache verbirgt sich ja von Erik Flügge so leeine eigene kirchliche senswert machen. Da Welt mit ihren leitenden Der Autor traut Predigten schreibt einer aus den Bildern und Konventiozu, dass sie Menschen jungen, mobilen Milieus nen. In der Sprache erreichen und verändern können. Aber er kommt über die Kirche; „ein kommt eine Denkwelt in der Kirche nicht vor. junger Mann nach der zum Ausdruck, die den Pubertät und vor der Anschluss an die moMidlife-Crisis“, ohne Kinder – und nicht dernen Lebenswelten zu verlieren droht im Blick bei kirchlichen Angeboten: „Ich und keine Worte mehr findet für das, was bin das verlorene Schaf, nach dem man diese bewegt. Die viel diskutierte Milieulängst die Suche aufgegeben hat. verengung unserer Kirche wurde selten „Da schreibt einer von denen, die bei unanschaulicher, provozierender und – weil serem kirchlichen Reden und Planen fast mit grundsätzlich positivem Interesse an „Ich bin kirchenfern – so fern wie man nur sein kann, denn Kirche hat Menschen, die so leben wie ich, schon lange aufgegeben.“ 308 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 309 Kirche – auch selten schmerzhafter beschrieben als in Flügges Buch. rinnen und Pfarrer wie andere in der Kirche Tätige neben einem grundsätzlichen Interesse v. a. Zeit. Wer z. B. von Gott auf Man kann es sich mit dieder Kanzel so sprechen Entdeckungsreise sem Buch leicht machen, will wie in einer Kneipe zu einer Sprache, sich auf einzelne Aussabeim Bier (so einer von die das binnenkirchliche gen stürzen, die je für Flügges Vorschlägen), Biotop verlässt. sich sicher diskussionsbraucht dazu als Grundwürdig sind, und sich davoraussetzung die Zeit, mit die grundsätzliche Anfrage an kirchliab und an eine Kneipe zu besuchen und che Arbeit vom Leib halten. Und man dort mit den Menschen zu sprechen. Die kann – im Jargon der Betroffenheit – Kneipe steht dabei als Chiffre für all die wortreich beklagen, wie wahr dieses Orte, an denen man außerhalb kirchliBuch doch ist, und dann zur Tagesordcher Räume und Veranstaltungen Mennung übergehen. Beides ist Flügges schen begegnen kann. Die dort verBuch und v. a. uns als Kirche nicht zu brachte Zeit wird an den Hochverbundewünschen. nen abgehen. Konflikte sind vorprogrammiert, aber unumgänglich, wenn es nicht Zu wünschen ist uns als Kirche vielmehr, beim Betroffensein bleiben soll. dass wir uns anregen lassen von diesem ❚ Andreas Obenauer Buch. Auf 160 Seiten findet sich eine und Silke Obenauer, Karlsruhe Fülle von Ideen, sei es zur im guten Sinn emotionalen Sprache in Predigten, zur Frage, wie kirchliche Rede in Gottesdienst und Unterricht Relevanz erhält, zur Spannung zwischen zunehmender Mobilität und parochial verfasster Kirche oder zur gezielten Nachwuchssuche für kirchliche Berufe außerhalb der klassischen Milieus. Vor allem aber ist uns als Kirche zu wünschen, dass wir durch Flügges Buch angeregt werden auf Entdeckungsreise zu gehen – zu den Lebenswelten, die in unseren Gemeinden in der Regel nicht vorkommen. Und zu einer Sprache, die das binnenkirchliche Biotop verlässt. Dazu brauchen PfarrePfarrvereinsblatt 7-8/2016 309 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 310 Sonderseelsorge Nachträge zum Thema der vorhergehenden Ausgabe „Sprich nur ein Wort – Sonderseelsorge und ihre Arbeitsfelder“ ❚ Mit den folgenden Beiträgen nehmen wir das Thema unseres letzten Pfarrvereinsblattes zur Sonderseelsorge noch einmal auf. Durch einführende Worte führt Kirchenrätin Dr. Monika Zeilfelder-Löffler die Bedeutung der Seelsorge im gesellschaftlichen Kontext vor Augen. Sie nimmt Kontakt auf mit Menschen, die nach Seelsorge fragen, laut oder ohne Worte. Sie steht Menschen in säkularen Einrichtungen und in gesellschaftlichen Kontexten in seelischer Not bei. Damit wird Seelsorge in Institutionen „Kirche am anderen Ort“. So begleitet die Seelsorge im Gefängnis eine „Gemeinde hinter Gittern“. Sonderseelsorge und ihre Arbeitsfelder Spätestens seit dem Amoklauf von Wina. „Kirche am anderen Ort“ – nenden steht Seelsorge verstärkt im Focus Von der Fremdheit der Seelsorge Aus eigener Freiheit und Begründung der Öffentlichkeit. Das seelsorgliche Hannimmt „Kirche am anderen Ort“ und nicht deln der Kirche, in diesem Fall die Notfallim eigenen Haus, ihren seelsorglichen Aufseelsorge, wird von der Gesellschaft als trag wahr. Seelsorgerinnen und SeelsorKompetenz der Kirche wahrgenommen. gern in Institutionen wird gewöhnlich eine Über die Orts- und Wohngemeinden hinbesondere Kompetenz für Grenzen und aus erfüllt sich der kirchliche Auftrag zur Grenzfragen des Lebens Seelsorge auch im nicht und deren Ansprech- und Seelsorge wird in binnenkirchlichen Kontext. Thematisierbarkeit zugeInstitutionen „Kirche Dies geschieht als Seelsorsprochen. Mitten unter andeam anderen Ort“. ge in Institutionen wie z. B. ren Professionen sind sie im Gefängnis, bei der Polifremden institutionellen Rahmenbedingunzei, der Feuerwehr, der Bundeswehr oder gen ausgesetzt, ohne ihnen in der Weise im Krankenhaus oder als Seelsorge in zu unterliegen wie die Mitarbeitenden der Akutfällen wie der Notfallseelsorge. SeelsInstitution selbst. Daher sind sowohl Unaborge geschieht auch in Bildungseinrichtunhängigkeit als auch vertrauensvolle Zugen als Studierendenseelsorge und Schulsammenarbeit seitens der Seelsorgenden seelsorge. Als Seelsorge in medialen Zugefragt. Die Zusammenarbeit und auch die sammenhängen arbeiten die TelefonseelsKonkurrenz mit anderen Professionen in orge und die Internetseelsorge. komplexen Institutionen mit eigenem HierSeelsorge im archie- und Qualitätsmanagement erforgesellschaftlichen Kontext dert neben aktiver Präsenz und KommuniSeelsorge in gesellschaftlichen Konkation auch die Aneignung von Feldkomtexten orientiert sich an den Lebensfrapetenz. Damit sind das nötige Wissen um gen und Lebenswelten der Menschen. die Rahmenbedingungen, die inneren 310 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 311 Regeln und Abläufe, die Verhaltensformen und Handlungsmöglichkeiten der Institution gemeint. tionen und säkularen Kontexten missionarische Kraft ausgehen. Denn Seelsorgende begeben sich dorthin, wo andere fern sind, bleiben dort, wo andere gehen, halten aus, wo keine Worte zu finden sind und entdecken Ressourcen des Lebens und des Glaubens. So können seelsorgliche Dienste am anderen Ort zu Ursprungs- und Entstehungsorten von Glauben und Kirche bei Gelegenheit werden und damit ihre missionarische Dimension entfalten. b. Der Verkündigungsauftrag der Kirche Als so genannte Kernkompetenz der Kirche hat Seelsorge in gesellschaftlichen Kontexten Teil am Verkündigungsauftrag der Kirche. Auch von Menschen, die der Kirche eher fern stehen, wird der Seelsorge in gesellschaftlichen Kontexten hohe Akzeptanz und Relevanz zugestanden. d. Seelsorge im gesellschaftlichen „Als Kommunikation des Evangeliums“ Kontext als Zukunftskompetenz (Ernst Lange) ist Seelsorge im nicht kirchDie Angebote der Seelsorge müssen lichen Kontext Kirche mitten im Leben. Um besonders im nichtkirchlichen Kontext der Nähe zu den Menschen willen wird der als Zukunftskompetenz der Kirche profiseelsorgliche Auftrag in verschiedenen liert werden. In säkularen Einrichtungen Formen und an unterschiedlichen Orten unterschiedlicher Art wie Gefängnis, Poliwahrgenommen. Seelsorge geschieht in zei, Schule und Kranbesonderen Formen der Seelsorgende begeben sich kenhaus wird die Kirche Kommunikation und in dorthin, wo andere fern sind, durch beruflich oder ehder Ausrichtung auf bebleiben dort, wo andere renamtlich Tätige als eistimmte Zielgruppen gehen, halten aus, wo keine ne Größe erfahrbar, die oder an Menschen in Worte zu finden sind und Menschen in seelischer Konfliktsituationen. Der entdecken Ressourcen des Not beisteht und ihnen kirchliche Auftrag der Lebens und des Glaubens. hilft. Kirche wird an dieVerkündigung des Evansen Stellen von der Öfgeliums und der Begleifentlichkeit in besonderer Weise wahrgetung und Ermutigung der Menschen wird nommen. Deshalb muss Seelsorge über von den Seelsorgenden erfüllt, indem sie die kirchlichen Grenzen in die Gesellals Kundige im Umgang mit Fragen nach schaft hineindenken und das kirchliche Glauben und Sinn, Religion und ReligioProfil von Seelsorge im säkularen Umfeld nen, Spiritualität, Gespräch und Ritual als muss als Markenzeichen von Kirche ge„Kirche am anderen Ort“ präsent sind. stärkt werden. c. Missionarische ❚ Monika Zeilfelder-Löffler, Karlsruhe Dimension von Seelsorge Eine Seelsorgesituation ist keine missionarisch nutzbare Gelegenheit. Dennoch kann von der Seelsorge in InstituPfarrvereinsblatt 7-8/2016 311 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 312 Sonderseelsorge Telefonseelsorge ❚ Über den sehr wertvollen Dienst der Telefonseelsorge informieren die Leitungen der Telefonseelsorge in Karlsruhe und Freiburg. Sie zeigen auf, wie wichtig der Auftrag der Telefonseelsorge ist und wie engagiert und kompetent die Ehrenamtlichen Notsuchenden Hilfe anbieten. auch Ausdruck davon, dass in unserer Gesellschaft viele Menschen leben, die am Rande stehen, die einsam sind, denen niemand (mehr) zuhört. Im Jahr 2015 kamen bundesweit mehr als 1 795 485 Telefonate, 2 284 Chats und 21989 Mailkontakte zuViele der Anrufe, stande. Davon der Mails und weist die Bundesder Chats sind statistik folgende Hilferufe. Daten aus: „TelefonSeelsorge, guten Tag“ – auf dieses freundlich gesprochene Wort hin hören wir manchmal leise, zaghaft, oder mit gebrochener Stimme gesprochene Worte. Ein andermal hören Die Hauptthemen, die Menschen 2015 wir ein schweres Atmen, und bei anderen bewegten waren: depressive VerstimAnrufen kommt uns eine Flut von Wormung, körperliche Befindlichkeiten, ten, Lebenserfahrungen, Verletzungen Ängste, Einsamkeit/Isolation und famientgegen. All diese Lebensmomente von liäre Beziehungen mit 9000 bis 8000 Anrufenden oder auch von RatsuchenNennungen.100 den im Chat sind aufgehoben, sind geWir hoffen auch, dass durch diesen Arborgen in der Anonymität der Telefontikel die Arbeit unserer „stillen Helden“ Seelsorge, dem Gespräch mit einem/eiden derzeit 8000 aktiven Mitner unserer ehrenamtlichen Seelsorarbeiter/innen in 107 Stellen bundesger/innen. Es ist gut, dass Ratsuchende weit am Telefon, im Chat und Mail diesen Schutz erfahren können. Und sichtbar wird. Diese Frauen doch ist es auch ein Auftrag Die Arbeit unserer und Männer haben eine der TelefonSeelsorge, über „stillen Helden“ 200 Stunden umfassende die Nöte, die Sorgen, die Ausbildung absolviert und Verletzungen der Menschen bilden sich regelmäßig fort durch Suin unserer heutigen Welt zu sprechen. pervision, Arbeitskreise und Vorträge. Dabei soll der einzelne Mensch weiter im Sie sind 24 Stunden, sieben Tage die Schutz der TelefonSeelsorge geborgen Woche, Sonn- und Feiertag für Ratsubleiben, aber die dahinter liegende Not chende da, hören zu, begleiten, untersoll sichtbar werden. Darum freuen wir stützen, helfen bei der Suche nach uns, dass die TelefonSeelsorge mit dieWegen in der Krise. Ohne diese Mensem kurzen Artikel ihrem prophetischen schen gebe es die TelefonSeelsorge Charakter Ausdruck verleihen kann, indem nicht – DANKE! das Leid benannt und in die Gesellschaft Die TelefonSeelsorge Deutschland wurhinein gezeigt wird. Viele der Anrufe, der de 1956 gegründet. Die sieben badiMails und der Chats sind Hilferufe, sind 312 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 313 Von einer Mitarbeiterin der Telefonseelsorge: Meine erste Nacht an diesem Ort, Nichts als mein Atem hält mich aus. Wo die Bäume sich im Nachtwind wiegen, Langweilt sich ein blasser Mond. schen Stellen kamen in den 60-70iger Jahren hinzu. Getragen wird die Arbeit in Baden von Anfang an von den christlichen Kirchen, so dass es ein durch und durch ökumenisches Wirken ist Nach mehr als 40 Jahren TelefonSeelsorge in Baden können wir feststellen die Not nimmt zu, die Menschen mit psychischen Auffälligkeiten, die von unserem Gesundheitssystem nicht mehr aufgefangen werden, steigt und die Einsamkeit bleibt ein großes Problem unserer Gesellschaft. Da bei knapper werdenden Mitteln viele Vereine und Organisationen um Ehrenamtliche werben, hoffen wir, dass wir auch weiter Frauen und Männer finden, die bereit sind am Telefon in Chat und Mail für andere da zu sein. Wir würden uns sehr freuen, wenn die Kollegen in den Kirchen auf die Telefonseelsorge hinweisen und auch Menschen, die auf der Suche nach einem erfüllenden Ehrenamt sind, auf die Möglichkeit einer Arbeit bei der Telefonseelsorge hinweisen, denn es ist unser gemeinsamer Auftrag für Menschen in Not da zu sein. Müde blinzeln ein paar Sterne – Und schon fünf Minuten hinterm Haus Stirbt der Lärm der Straßenbahnen. Wo die Bäume sich im Nachtwind wiegen, Langweilt sich ein blasser Mond. Aus verschwiegenen dicht verhängten Fenstern Starrt das Schicksal fremder in die Nacht – Alte Kinderangst ist aufgewacht. Vieles wird im Dunkel zu Gespenstern. Ein irgendwas, nicht richtig zu benennen, verführt dazu, sich gar nicht mehr zu trennen. Vieles wird im Dunkel zu Gespenstern. Und irgendwann ich träume Und horche dann dem Schlag der Stunden. Dieses warten, dass es Morgen wird. Meine erste Nacht an diesem Ort, nichts als mein Atem hält mich aus. ❚ Isabel Overmans und Helmut Ellensohn, Freiburg Bettina Grimberg, Karlsruhe 100 Die Gesamte Statistik kann eingesehen werden unter: www.telefonseelsorge.de Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 313 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 314 Sonderseelsorge Biographie und Kontext – Seelsorge an den Hochschulen ❚ Der Karlsruher Hochschulpfarrer Hans-Georg Ulrichs sieht in der spezifischen Situation der Studierenden die besonderen seelsorglichen Herausforderungen für evangelische Hochschulgemeinden und deren Pfarrer. E entsteht der „Sonderseelsorge“-Bereich Hochschulseelsorge102, dessen Besonderheit durch zwei weitere Beobachtungen einsichtig ist: Es gibt zum einen wenige kirchliche Angebote für diese Altersgruppe und zum anderen ist diese Kohorte, wie die fünfte KMU (2015) zeigt, durch mehrfachen Traditionsabbruch maximal weit von kirchlichen und religiösen Traditionen entfernt. Da nicht mehr lediglich kleinere, sich selbst rekrutierende Gruppen an die Uni gehen, sondern nahezu die Hälfte der Jahrgänge103, kommen hier – wenn nicht alle – so doch sehr viele und divergente Lebenswelten zusammen. So gibt es auch keine traditionelle, sozialisationsbedingte Bindung an die ESG, wie dies etwa bei Wohnortgemeinden der Fall sein kann. ESGen müssen ihre Relevanz und ihren „Mehrwert“ für die einzelnen potentiellen Mitglieder einsichtig machen können.104 vangelische Studierendengemeinden (ESG) sind an sich normale Orte kirchlichen Lebens. Die Ordnung der ESG Heidelberg beschreibt beispielsweise, dass die Gemeinde „verkündigend, kritisch bildend, missionarisch, seelsorglich und diakonisch tätig“ ist. Sie versucht also alle Lebensäußerungen von Kirche zu praktizieren. Sie wird von einem gewählten Gremium, dem Gemeinderat, in Zusammenarbeit mit einer/m Pfarrer/in101 geleitet. Das Spezifische der Gemeinden ist die spezifische Situation der Gemeindeglieder: in der Regel Studierende zwischen 17 und 28 Jahren. Dadurch, dass nahezu alle StuTrotz oder gerade wegen dieser erdierende zugezogen sind, dass das Stuschwerten Rahmenbedingungen ist der dium zeitlich begrenzt ist und dass mit Anteil der Seelsorge in diesem Funktionshoher Wahrscheinlich die Studierenden pfarramt überraschend groß, gerade auch nach dem Abschluss den Studienort verdann, wenn unter Seelsorge nicht nur eine lassen werden, ergibt sich eine GemeinKrisenintervention, sondern auch insgede auf Zeit – mit Problemen, Chancen, samt eine geistliche BeSelbstverständlichkeiDiese Altersgruppe ist gleitung in allen Lebensten. Die Seelsorgenden maximal weit von kirchlichen lagen als eine Dimenkennen also nicht die und religiösen Traditionen sion in allen kirchlichen früheren Lebenskontexentfernt. Handlungen verstanden te ihrer „Klienten“, sie wird. Man ist öfter durch haben in der Regel nicht unmittelbare Seelsorge herausgefordert viel Zeit miteinander oder kennen sich als in volkskirchlichen Gemeinden. Das nur flüchtig und schließlich besteht nicht hängt wohl vor allem mit der besonderen mehr die Chance für „nachgehende“ Lebenssituation der Studierenden zusamSeelsorge. Innerhalb dieses settings 314 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 315 men: Die Jahre des Studiums stellen eine leicht, dass manche früheren Lebensgewichtige biographische Orientierungsphawohnheiten irgendwie nicht mehr passen. se dar, nachdem das Elternhaus endgültig Es braucht dann empathische Begleitung verlassen wurde und man sich als junger in den Vollzügen des Glaubens. Zum anErwachsener ausprobieren kann. Zudem deren: Empathische Begleitung ist ebenist das nach dem Bologna-Prozess zeitso bei biographischen Krisen wichtig, etlich eng getaktete Studium so anstrenwa wenn sich Eltern von Studierenden gend, dass es nicht selten zu Überfordetrennen, was gar nicht so selten der Fall rungen (Prüfungsängste) und Erschöpist (oder gar ein Todesfall zu betrauern fungen kommt. Es gibt Leiden an der Anist). Das ist besonders dann schmerzhaft, onymität an den überfüllten Hochschulen: wenn sich noch jüngere Geschwister im Es gibt auch einsame Studierende. Nasich auflösenden Elternhaus befinden. türlich gibt es niederschwellige Seelsorge Schnell sind dann Selbstzweifel oder Fraim Zusammenhang mit Kasualien wie gen nach den eigenen schuldhaften AnHochzeiten und Taufen sowie bei Hilfen, teilen an der Entwicklung da oder die Fradie in finanziellen und sozialen Notfallsige, was man zur Klärung der Situation tuationen möglich sind. Aber oft gibt es noch hätte beitragen können. Ein anderes nicht nur das eine, klar gravierendes Lebensidentifizierbare Problem, problem ist etwa auch eiIn der spezifischen Situation sondern es herrscht eine ne einschneidende seedes Studiums gibt es Gemengelage von Belische oder körperliche spezifische seelsorgliche dürfnissen vor. VorranErkrankung mit vorüberHerausforderungen. gig scheint jedoch die gehendem oder permaSeelsorge bei Glaubens- und Lebensfranentem handicap, wobei die Kooperation gen. Zum einen: Es gibt gerade in einer mit den oftmals außerordentlich profesUni-Stadt zahlreiche christliche Gemeinsionell arbeitenden universitären Beraden und Gruppen, so dass die Orientietungsstellen sehr gut ist. Kurzum: In der rung erschwert ist: Welches Format des spezifischen Situation des Studiums gibt Glaubens passt zu mir, welche Auses zwar spezifische seelsorgliche Herausdrucksformen – und wo ist dann die pasforderungen, aber diese sind quasi eingesende Gemeinschaft? Oder man trifft in bettet in das große Spektrum der gesamuniversitären Kontexten auf andere Forten kirchlichen Seelsorge. men christlicher Lehre oder der Glaube wird in Frage gestellt – explizit durch antiIm Hinblick auf die Seelsorgenden in der religiöse Propaganda oder implizit durch Hochschulseelsorge ist Professionalisieden vorherrschenden Agnostizismus. rung nötig – im Übrigen eine SelbstverOder umgekehrt – es kommt zu einer ständlichkeit in anderen Sonderseelsor(Neu-) Begegnung mit Religion: Junge gefeldern: Man muss die akademischen Menschen auf der Suche nach oder bei Welten mögen und sich darin auskennen, der Ausbildung der eigenen Identität stoum darin positiv auftreten zu können, man ßen auf den Glauben – und merken vielmuss neugierig sein und bleiben auf neue Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 315 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 316 Lebenswelten und andere Lebenskonzepte, um die jungen Erwachsenen wertschätzen zu können. Man muss es ertragen können, dass man die „Früchte“ der eigenen pastoralen Arbeit nicht immer reifen sieht, sondern ad hoc und temporär für vorübergehende Gemeindeglieder da ist und mehr der Kirche Jesu Christi im Gesamten dient.105 Ohne zu starken Regulierungen das Wort reden zu wollen: eine spürbare Altersdifferenz zu den Studierenden ist eher ein Vorteil, eine mehrjährige Praxis im gemeindlichen Pfarramt gewiss auch. „Erfahrung“ scheint doch so etwas wie eine seelsorgliche Schlüsselqualifikation zu sein. ❚ Hans-Georg Ulrichs, Heidelberg 101 Vgl. Hans-Georg Ulrichs, Hochschulgemeinde – eine privilegierte Herausforderung, in: Pastoralblätter. Predigt, Gottesdienst, Seelsorge – die Praxis 153 (2013), S. 70–74. 102 Vgl. eher praeskriptiv: Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden. Seelsorge in der Evangelischen Landeskirche in Baden. Gesamtkonzeption, Karlsruhe 2013, S. 72–74; deskriptiv: Christine Jacob, Von nachhaltiger Hilfe bis zu Tipps auf der Treppe. Die Situationen, in denen Studierende Seelsorge brauchen, sind vielfältig, in: ekiba intern. Mitarbeitendenzeitschrift, März Ausgabe 2/2016, S. 16f. 103 Angesichts dieser Zahl und auch im Vergleich zu anderen Landeskirchen ist die personelle Ausstattung der badischen Hochschulseelsorge als prekär zu bezeichnen: Konstanz 50% / Freiburg 100% [derzeit vakant] / Karlsruhe 50% / Mannheim 50% [plus 50% CityKirche] / Heidelberg 50% [plus 50% Universitätsgemeinde]. In anderen Landeskirchen wird ab 20.000 Studierenden eine volle ESG-Pfarrstelle eingerichtet, also viermal so viel wie im badischen Heidelberg. Außerdem werden in den kleineren und neuen Hochschulstandorten andernorts zahlreiche Teildeputate eingerichtet. Und schließlich: In immer mehr anderen Landeskirchen wird der Bau von kirchlichen Wohnheimen forciert. 104 Zum Kontext der Hochschulen gehören über die Studierenden hinaus auch weitere Angehörige der Hochschulen und des akademischen Milieus. Auch diese sind im 316 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 Fokus der „Hochschulgemeinden“ und der „Hochschulpfarrer/innen“. Da die Nicht-Studierenden aber auch in den Wohnort- oder anderen Personalgemeinden beheimatet sein können (Studierende übrigens auch), gehe ich hier nicht näher auf sie ein. Ebenso bleibt die singuläre Konstruktion einer „Universitätsgemeinde“ mit eigener Kirche in Heidelberg (www.peterskirche-heidelberg.de) hier außen vor. 105 Hans-Georg Ulrichs, Was bleibt? Gedanken zur Nachhaltigkeit der eigenen pastoralen Tätigkeit, in: Pastoralblätter. Predigt, Gottesdienst, Seelsorge – die Praxis 156 (2016), S. 98–101. PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 317 Sonderseelsorge Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen! Psalm 18 – Gefängnisseelsorge ❚ Pfarrer Gotthold Patberg ist evangelischer Gefängnisseelsorger in der JVA Mannheim und hat täglich Einblicke in die Lebenswelt der Gefangenen hinter den Mauern. Er kennt den Alltag dort und weiß um die Schwierigkeit einer gelingenden Resozialisierung, die Mut von allen Beteiligten braucht. Mut, der im Vertrauen auf Gott wachsen kann. gebracht, dass man eigentlich nur in den Himmel hinausschauen kann. Das entsprach dem Denken in den Anfängen des 20. Jahrhunderts, als die JVA Mannheim gebaut wurde. Die Fenster sollten den Blick gen Himmel und damit zum Gebet ermöglichen. Die Zellen waren gedacht als Orte der Besinnung und Buße für die Gefangenen. Dementsprechend beherbergt die JVA n diesem Herbst durfte ich einige Tage Mannheim auch eine schöne große Kirim Kloster Kirchberg in Sulz am Neche, die wir bis heute für die sonntägckar verbringen. Es waren Tages des lichen Gottesdienste und die VerkündiSchweigens und der ingung des Evangeliums Die Zellen waren gedacht als nutzen. Besinnung, Buneren Einkehr. In diesen Orte der Besinnung und Tagen der Besinnung ße und eine vom GlauBuße für die Gefangenen. auf Gott und die Regunben getragene Bessegen der eigenen Seele rung sind Teil dieses habe ich die alten Klostermauern durchDenkens. Bei aller Hochachtung des aus als wohltuend erlebt. Sie strahlten etchristlichen Glaubens auch für die perwas Behütendes aus und gaben meinen sönliche Lebensführung sind wir uns inneren Betrachtungen und Gebeten eiwohl heute bewusst, dass eine erfolgnen geschützten Raum. reiche Resozialisierung von Straftätern nicht so einfach verläuft. In meinem Alltag arbeite ich auch hinter Es stellt sich vielmehr die Frage, ob das Mauern. Allerdings haben diese Mauern Wegsperren von Straftätern hinter Geeine ganz andere Funktion: sie grenzen fängnismauern trotz aller Behandlung aus, nehmen aus dem Blickfeld und sperund mancher therapeutischer Angebote ren ein. Ich arbeite als nicht für eine erfolgreiEingesperrtsein kann auch Gefängnisseelsorger in che Resozialisierung zur Unselbständigkeit führen. von vielen Gefangenen der JVA Mannheim. eher hinderlich ist. EinDabei haben Gefängnisse mehr mit Klösgesperrtsein kann auch zur Unselbstäntern zu tun als wir vielleicht auf den ersten digkeit führen. Blick denken. Die Fenster der Zellen in Gefangene können sich auch untereinder JVA Mannheim sind so weit oben anander negativ beeinflussen. I Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 317 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 318 Thema Fast jeder Krimi im Fernsehen endet mit der Festnahme der Straftäter und wir Fernsehzuschauer lehnen uns zufrieden zurück mit der Gewissheit, dass die Übertäter jetzt nach einem Gerichtsverfahren hinter hohen Gefängnismauern verschwinden und dort ihre Strafe verbüßen. Oft genug machen wir uns wohl nur wenig Gedanken über das, was dort hinter diesen Mauern geschieht und dass die meisten der Gefangenen eines TaEine Gesellschaft ges wieder an braucht Mut, in die unserer LebensLebenswelt hinter welt teilnehmen den Gefängniswerden.Für eine mauern zu schauen. erfolgreiche Resozialisierung ist es aber notwendig darüber nachzudenken, wie der Weg der Gefangenen zurück in unsere Lebenswelt geebnet werden kann gerade auch im Hinblick auf die Opfer und die Verhinderung weiterer Straftaten. Hierfür braucht eine Gesellschaft Mut. Mut, der auch in die Lebenswelt hinter den Gefängnismauern schaut. Mut, der nicht nach absoluter Sicherheit schreit, der aber Menschen mit geeigneten Schritten (z.B. mit Ausführungen und Ausgängen von Gefangenen und mit einer intensivierten Bewährungshilfe) zurückholt in unsere Gesellschaft. Für diesen Mut müssen wir oft genug über die Mauern unserer Ängste springen. Dieser Mut kann wachsen in dem Vertrauen auf Gott und hilft dabei auch, die Straftäter die Mauern ihres Eingesperrtseins wieder überwinden zu lassen. ❚ Gotthold Patberg, Mannheim 318 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 Evangelische Polizeiseelsorge in Baden ❚ Bernhard Goetz, Landespolizeipfarrer registriert eine Veränderung der kirchlichen Arbeit in der Polizei. Neben der Arbeit in der Ausbildung ist die Seelsorge an einzelnen Polizistinnen und Polizisten gefragt. Dazu muss das Vertrauen wachsen, weshalb eine Präsenz der Polizeiseelsorge in Posten, Revieren und Präsidien wichtig ist. D ie kirchliche Arbeit in der Polizei bezieht sich sowohl auf das berufsethische Engagement in der Ausbildung der Polizisten und Polizistinnen im Land, als auch immer stärker auf die Seelsorge an der einzelnen Polizistin, am einzelnen Polizisten. Doch kommt kaum ein persönliches seelsorgliches Gespräch ohne ethische Aspekte aus. In der Polizeiseelsorge gilt dies in weit höherem Masse als bei anderen Seelsorgegebieten, da die ganz heftigen persönlichen Belastungen im Berufsalltag aufschlagen und seelsorglicher Begleitung immer häufiger und dringender fordern. Die Einsätze der Polizei werden täglich aufs Neue in den Medien kritisch beachtet. Hochachtung wird den Beamt/innen entgegen gebracht. Doch schon beim Nachdenken, dass in jeder Uniform ein Mensch steckt, stellt in unserer Gesellschaft mache Anfragen. Wer weiß schon etwas über die ganz eigenen Belastungen und Frustrationen im Alltag der Polizei? Die fehlende Anerkennung, PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 319 die Respektlosigkeit und Diffamierung die jeden polizeilichen Alltag prägen, werden leider verschieden diskutiert. Die Polizeiseelsorge ist ein Angebot für alle Bediensteten der Polizei –unabhängig von ihrer konfessionellen oder religiösen Bindung. Sie spricht sich auch eng mit dem ärztlichen und psychologischen Dienst der Polizei, der Konfliktberatung sowie der Suchtkrankenhilfe ab. Welche Auswirkungen hat der tägliche Umgang mit Kriminalität, Gewalt, Ohnmacht, Schuld, Schmerz, Tod auf das dienstliche und auch das Die „Kirchliche Arbeit in private Leben dieser Beder Polizei“ wird von der rufsgruppe? Auch die Polizei hoch geachtet Angehörigen werden und erwünscht. stark betroffen. Ein Polizeibeamter sagte nach einer schweren Einsatznacht: Gott sei Dank gibt es die Polizeiseelsorger. Bevor solch ein Satz fällt, ist Vertrauen zwischen dem Polizisten und dem Polizeiseelsorgenden gewachsen. Die intensive Präsenz der Polizeiseelsorge in den Posten, Revieren, Präsidien ist vonnöten. In Baden sollte es in jedem Dekanat einen Bezirksauftrag für die Polizeistellen geben. Diese „Kirchliche Arbeit in der Polizei“ wird von der Polizei hoch geachtet und erwünscht. Im Umgang mit schweren Ereignissen und Bedrohungen ist für die betroffenen Beamt/innen immer wieder wichtig, dass Seelsorgende nicht dem Strafverfolgungszwang unterliegen und die Seelsorge unter dem Schutz des Zeugnisverweigerungsrechts geschieht. Die Seelsorge in der Polizei ist nicht - wie z. B. bei der Bundeswehr- in polizeiliche Hierarchien eingebunden. Polizeiseelsorge ist ein Dienst unserer Landeskirche für die Polizei. Es sind Gemeindepfarrerinnen und Gemeindepfarrer die zusätzlich zu ihrem Gemeindedienst mit dieser Aufgabe beauftragt werden. ❚ Bernhard Goetz, Bickensohl Natürlich werden Gottesdienst und Gedenkfeiern gemeinsam gestaltet, Impulse für die rituelle und liturgische Gestaltung zur Bewältigung ihrer alltäglichen Erfahrungen mitgestaltet und veröffentlicht. Besinnungstage, unterstützende Workshops und Seminare werden angeboten. Die Polizeiseelsorger/innen begleiten Einsatze und sind für Einsatznachbesprechungen, Betreuungsgruppen, und verschiedene Kriseninterventionsteams wichtige Partner innerhalb der Polizei. Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 319 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 320 Sonderseelsorge Militärseelsorge im Auslandseinsatz ❚ Pascal Kober ist seit 2014 Militärpfarrer an den Standorten Stetten am kalten Markt und Pfullendorf. Er begleitete den Einsatz der Bundeswehr in Mali von Dezember bis März 2015 und von Mai bis Juli 2016. Als Militärseelsorger teilt er die besonderen Lebensumstände im Einsatz. Seine Seelsorge kennt viele Themen und Anlässe. die Sinnhaftigkeit ihres Einsatzes und der Verteidigungspolitik allgemein, sie fragen nach dem Grund für das Böse in der Welt, nach der Wahrheit Gottes, sie freuen sich und sie weinen. Seelsorge im Auslandseinsatz hat viele Themen und viele Anlässe. Das Besondere an der Militärseelsorge im Einsatz: Seelsorger und Soldaten leben über Monate hinweg vierin Soldat zeigt gerührt das Ultraundzwanzig Stunden am Tag zusammen schallbild seines ungeborenen Kinauf engstem Raum und teilen die besondes auf seinem Smartphone, das seine deren Lebensumstände, die der Alltag im Frau ihm eben gemailt hat. Ein anderer Auslandseinsatz mit sich bringt. Distanz? erzählt von seinem Sohn, der bei einem – Fehlanzeige. Der Seelsorger, rund um Autounfall ums Leben gekommen ist. Da die Uhr im Blickfeld der Soldaten, steht ist die Soldatin, die sich am Telefon nur zwangsläufig mit seiner ganzen Person ständig mit ihrem Freund streitet, und da für sein Amt, von der Wahl des Duschist der Soldat, der Post von einer Scheigels bis hin zu den Worten in der Predigt. dungsanwältin in den Einsatz gesandt Nichts bleibt unbeobachtet, nichts bleibt bekommt. Das Kind rutscht in der Schule unhinterfragt. Der Gottesdienstbesuch im ab, der Soldat fehlt beim Einsatz ist hoch, wenn Der Gottesdienstbesuch ersten Krippenspiel seidie Sprache stimmt. im Einsatz ist hoch, wenn ner Tochter. Die Ehefrau die Sprache stimmt. daheim bekommt die Zwischen zwölf und bis Diagnose Krebs mitgezu neunzig Prozent – je teilt. Zwei Soldaten streiten über die Abnach Standort – nehmen am Gottesgrenzung ihrer Aufgaben, der Kommandienst teil. Gefragt sind Themenpredigdeur holt sich Rat bei einem disziplinariten in klaren Worten. Mit dogmatischen schen Problem. Soldaten erzählen vom Formeln redet man an vielen vorbei, Schießen und Beschossen werden und denn die Gottesdienste im Einsatz wervon verwundeten oder toten Kameraden. den auch von Soldaten besucht, die Sie möchten in die Kirche eintreten, aus sonst keinen Kontakt zur Kirche haben, der Kirche austreten, sie möchten die weil sie etwa aus den ostdeutschen BunKonfession wechseln, die Unterschiede desländern kommen. zwischen katholisch und evangelisch wissen, mehr über den Islam erfahren, Militärseelsorge gehört zu den kirchlisie machen ihrer Enttäuschung über friechen Diensten in der Arbeitswelt, basiert densethischen Populismus aus dem aber auf dem unveräußerlichen GrundRaum der Kirche Luft, sie hinterfragen recht auf Religionsfreiheit, auf dem vom E 320 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 321 Zur Diskussion Grundgesetz garantierten Recht auf ungestörte Religionsausübung (Art 4. (2)). Wer als Soldat vom Bundestag in einen Einsatz fern der Heimat geschickt wird, hat sozusagen das Recht, dass der Staat den Zugang seiner Religionsgemeinschaft zu ihm gewährleistet und organisiert. Die Arbeit der Militärseelsorge ist dabei „von staatlichen Weisungen unabhängig“. Auch im Auslandseinsatz ist der Militärpfarrer in seiner Arbeit unabhängig, gebunden an das Ordinationsversprechen und den geistlichen Auftrag, über den die Kirche wacht. ❚ Pascal Kober, Stetten am kalten Markt Thesen zum Umgang mit dem Thema Arbeitszeit im Pfarrberuf ❚ Das Thema Arbeitszeit im Pfarrberuf ist aus verschiedenen Gründen hochaktuell: wegen der Diskussion um Arbeitszeitvorgaben in anderen Landeskirchen, wegen der Belastungssituation (die durch die längere Lebensarbeitszeit eher steigen dürfte), aber auch wegen der Befürchtung, mit den aktuellen Arbeitszeiterwartungen keinen Nachwuchs mehr zu finden. Die folgenden 24 Thesen zur Arbeitszeit im Pfarrberuf wurden in der Pfarrvertretung und in mehreren Pfarrkonventen schon diskutiert; nun möchte die Pfarrvertretung eine Diskussion auf breiterer Basis. Das von Volker Matthaei verfasste Papier ist dabei nicht als abschließende Positionsbestimmung der Pfarrvertretung zu verstehen, sondern als Grundlage für den Diskussionsprozess. Rückmeldungen sind ausdrücklich erwünscht! 1 PfarrerInnen auf Gemeindepfarrstellen arbeiten im Jahresdurchschnitt 64 Wochenstunden (aus der Werbebroschüre (!!) des EOK für den Pfarrberuf „Dein neuer Style? Sehr cool!“). 2 Diese Arbeitszeit führt zu Unzufriedenheit und langfristig zu Burnout und ist gesundheitsgefährdend. Diese Arbeitszeit führt zu Unzufriedenheit und langfristig zu Burnout. Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 321 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 322 3 Der Schritt von der bislang nicht geregelten Arbeitszeit hin zu einer 48-Stunden-Woche (wie sie in den Dienstplänen der bayrischen Landeskirche festgehalten ist) erscheint daher zunächst einmal als entlastend. 4 Tatsächlich ist das bayrische 48Modell eine Burnoutfalle, erst recht das 56-Stunden-Modell, das (neben 41 und 48 Stunden) im Rheinland in Diskussion ist: Die Arbeitszeitberechnung berücksichtigt viele Tätigkeiten nicht in realistischem Umfang (z. B. Schule), andere Tätigkeiten werden nur pauschal als „Sonstiges“ erfasst und ebenfalls zu gering quantifiziert. Berufe!!) darf durch kirchliche Regelungen nicht überboten werden. 7 Dagegen ist festzuhalten: Orientierungswert ist die (als Durchschnittswert!) 41-Stunden-Woche (= Arbeitszeitverordnung für Beamte in BadenWürttemberg und im Bund und davon abgeleitet auch für die PfarrerInnen im Evang. Oberkirchenrat). 8 Ein Orientierungswert ist keine exakt definierte Arbeitszeitvorgabe. Berufe mit einem hohen Grad an Verantwortung brauchen Gestaltungsspielräume. Die Freiheit, Schwerpunkte zu setzen je nach Erfordernissen und persönlichen Begabungen, muss im Pfarrberuf erhalten bleiben. 5 Arbeitszeitberechnungen kranken oft daran, dass sie jahreszeitliche Spitzen 9 Arbeiten über die 41 Stunden hinaus nicht berücksichtigen. Wenn z. B. der ist kein Problem, solange sie selbstbeLeitfaden für den Probedienst in eistimmt, gerne und freiwillig geschieht. nem Musterdienstplan 8 WochenstunDie allermeisten PfarrerInnen sind den für 3x im Monat Gottesdienste anhochmotiviert und wollen sich engagiesetzt, ist nicht berücksichtigt, dass ren. Ob man allerdings mit (nicht März/April und Dezember mehr als 3x nur ausnahmsweise) im Monat GottesDie allermeisten PfarrerInnen 64 Stunden in ausreidienst zu halten ist. sind hochmotiviert und wollen chendem Maß der Entlastungen in Ferisich engagieren. Verantwortung gegenenzeiten (z. B. bei über seinen sozialen Schule oder KonfirBezügen (Partnerschaft, Kinder, Freundmandenunterricht) werden dagegen – schaften) und sich selbst (Ruhezeiten, wenn man nicht gerade selbst Urlaub Gesundheit) gerecht wird, erscheint macht – meist durch verstärkte Vertrefraglich. tungsaufgaben kompensiert. 6 Das im Rheinland diskutierte Modell einer 56 Stunden-Woche ist ein Affront gegen die PfarrerInnenschaft: Die EUArbeitszeitrichtlinie (durchschnittlich maximal 48 h, Ausnahme: geistliche 322 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 10 Das Denkmodell, mit dem sich freiwilliges Engagement von belastendem Überengagement unterscheiden lässt, ist die Differenzierung in Pflicht und Kür im beruflichen Handeln von PfarrerIn- PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 323 nen: Pflicht ist das berufliche Handeln, dessen Unterlassen als Dienstpflichtverletzung anzusehen ist. Kür ist das berufliche Handeln, das über die Kernaufgaben (Gottesdienst, Kasualien, Schule, Konfirmandenunterricht, Seelsorge, Verwaltung) hinaus geleistet wird und das von niemand eingeklagt werden kann – nicht von Ältestenkreisen, die mit der Mentalität eines Aufsichtsrates agieren, und nicht von DekanInnen, die über Zielvereinbarungen in unangemessener Weise Gestaltungsspielräume einengen wollen. 11 Die Definition eines Kür-Anteils jenseits der verpflichtenden Kernaufgaben zielt nicht darauf, sich Gemeinden mit Stoppuhrmentalität zu präsentieren, sondern darauf, selbstbestimmt Tätigkeitsfelder zu wählen, die man als Ressource wahrnimmt, weil sie die Freude am Beruf steigern. Dieser Anteil ist freiwillig, d.h. dass es z.B. in Belastungssituationen wie Kleinkindbetreuung, gesundheitlichen Problemen oder Pflege auch möglich sein muss, diese Aufgaben zur Disposition zu stellen, weil sie sich nicht mehr als Ressource erweisen – wofür wir ja im Umgang mit Ehrenamtlichen auch Verständnis haben. reichungen sollten sich an diesen 41 Stunden orientieren. 13 Auch der Stellenplan gehört zum Verantwortungsbereich der Landeskirche: Mit den Pfarrstellenkürzungen der Jahre 1999-2003 hat die badische Landeskirche dafür gesorgt, dass ihre PfarrerInnen im EKD-Vergleich die höchste Arbeitsbelastung haben. (Baden liegt bei der Pastorationsdichte mit 2144 Gemeindegliedern pro Stelle unter 21 EKD-Kirchen auf Platz 6 der Tabelle und damit deutlich über dem Durchschnitt von 1684 Gemeindegliedern. Allerdings hat Baden, anders als viele andere EKD-Kirchen, ein Pflichtdeputat im Religionsunterricht von 6 bis 8 Stunden (und liegt mit diesem Pflichtdeputat EKD-weit mit an der Spitze). Unter den Kirchen mit Unterrichtsverpflichtung hat Baden die mit Abstand ungünstigste Pastorationsdichte!! Für das Belastungserleben badischer PfarrerInnen gibt es also objektive Gründe! 14 Mit der Bildung überparochialer Dienstgruppen und der Zusammenlegung von Gemeinden will die Landeskirche belastbare Strukturen für künftig notwendige Pfarrstellenstreichungen schaffen (die Ermöglichung gabenori12 Die Verantwortung entierten Arbeitens in Unter den Kirchen mit Unterder Landeskirche Dienstgruppen ist dabei richtsverpflichtung hat Baden besteht darin, Struktueher ein Nebeneffekt). die mit Abstand ungünstigste ren bereitzustellen, bei Das ist grundsätzlich Pastorationsdichte. denen die Kerntätigverantwortungsbewusst, keiten in 41 Stunden geleistet werden verkennt aber, dass die Landeskirche können. Stellenbeschreibungen, Auszunächst einmal in der Pflicht ist, die moschreibungstexte, aber auch Mustermentane Arbeitsbelastung der PfarrerIndienstpläne in landeskirchlichen Handnenschaft deutlich zu reduzieren. Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 323 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 324 15 Eine Verantwortung der Landeskirche renamtlichen in der Gemeinde ist allerist auch der wertschätzende Umgang dings nicht hilfreich, weil dadurch die mit dem Berufsstand der PfarrerInnen. Frage in den Hintergrund rückt, in welIn der PfarrerInnenschaft ist es nicht chem Umfang Küranteile an der Arbeit gut angekommen, dass die im EKDgerne und freiwillig realisiert werden. Vergleich höchste Arbeitsbelastung 17 DekanInnen haben als Vorgesetzte nicht nur als Folge der Haushaltskonhinsichtlich der Arbeitsbelastung eine solidierung des Landes mit Nullrunden Fürsorgefunktion auszuüben (gegenübei den Gehältern zusammengetroffen ber Ältestenkreisen, aber auch im Hinist, sondern dass die badische Landesblick auf die Inanspruchnahme von Urkirche als einzige EKD-Gliedkirche laub und dienstfreien Tagen; auch beihren PfarrerInnen einen beschleunigzirkliche Urlaubsplanung und bezirkliten Übergang zum Ruhestand mit 67 che Vertretungsorganisation wirken Jahren zugemutet hat und dadurch auf enorm entlastend). Das entbindet nicht Kosten der PfarrerInnenschaft viel Geld von der Pflicht zur Selbstfürsorge. gespart hat. Zur EKD-weit höchsten Arbeitsbelastung kommt also auch noch 18 Das Verhältnis zur Berufsgruppe der die längste Lebensarbeitszeit! Die inGemeindediakonInnen ist dadurch pozwischen erfolgte Abfederung dieser tenziell belastet, dass diese eine 39Maßnahme durch eine Beschränkung Stunden-Woche als konkrete Arbeitsauf 40 Dienstjahre erreicht zwei Drittel zeitvorgabe haben, der betroffenen Kolwährend PfarrerInnen Eine Verantwortung der LanlegInnen nicht. Es ist prinzipiell ohne Bedeskirche ist auch der wertZeit für ein Signal, grenzung arbeiten. Daschätzende Umgang mit dem dass wir PfarrerInher besteht die Gefahr, Berufsstand der PfarrerInnen. nen nicht nur ein Kodass alles, was nicht stenfaktor sind, soninnerhalb des Zeitkontingents der Gedern in unserer Schlüsselrolle (KMU 5) meindediakonInnen leistbar ist, autofür die Kirche Anerkennung erfahren! matisch an den PfarrerInnen hängen16 Druck zum Arbeiten über eigene Belableibt. stungsgrenzen hinaus kommt z. T. aus 19 Das gleiche gilt für SekretärInnen und den Gemeinden. Ehrenamtliche in der HausmeisterInnen: Einsparungen von Gemeinde fühlen sich dazu oft subjekStellenanteilen bei diesen Berufsgruptiv im Recht, weil sie sich schließlich pen (oder auch krankheitsbedingte ehrenamtlich engagieren und daher Ausfälle) erhöhen automatisch die Armeinen, zusätzliches Engagement auch beitszeit von PfarrerInnen; wichtig von ihren PfarrerInnen erwarten können. wären ausreichende Stundenzahlen Hier gilt es, Pflicht- und Küranteile zu und gegenseitige Vertretungen auf kommunizieren. Eine Orientierung der überparochialer Ebene. Arbeitszeit an den engagiertesten Eh324 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 325 20 Die Arbeitszeit von PfarrerInnen muss beitsbelastung zu übernehmen. So gesellschaftliche Entwicklungen wichtig Rahmenbedingungen und gute berücksichtigen: Die Arbeitszeit von Mitarbeiterführung sind: Schützen könPfarrerInnen darf sich nicht mehr orinen wir uns letztlich nur selbst. Daher entieren am Berufsvertrete ich zum BeiDie Arbeitszeit von PfarrerInnen spiel auch eine abgebild von Personen, muss gesellschaftliche deren EhepartnerIn wandelte Version der Entwicklungen berücksichtigen. Rechtfertigungslehre: die Familien- und Hausarbeit leistet. Niemand muss seinen Wert aus einer weit überdurchschnittli21Soziologen konstatieren eine „Generachen Arbeitszeit ableiten. Wir haben ein tion Y“, die nicht mehr bereit ist, alles Recht auf Grenzen. Unsere Aufgabe ist dem Beruf unterzuordnen, sondern es, sie verbindlich zu kommunizieren. eine angemessene Balance von Be24 Am besten sind wir in unserem Beruf, ruf und Freizeit erwartet. Für diese wenn wir Freude daran haben. Es gilt Generation ist es schwer zu vermitalso zu analysieren, was uns die Freuteln, dass PfarrerInnen ihren Beruf de nimmt, und das ernstzunehmen. häufig in Zeiten ausüben, die dadurch Kollegialer Austausch und Supervision wertvoll sind, dass sie mit vielen ansind dafür wichtige Instrumente. Und deren Menschen für Freizeitbedürfwer glaubt, dass das ja dann auch wienisse geteilt werden kann (Abende, der Zeit kostet, dem möchte ich noch Wochenenden, Feiertage). Wenn Kireine kleine Geschichte von Stephen che als Arbeitgeberin attraktiv bleiben Covey mitgeben: will, muss sie eine Antwort auf die Frage haben, warum der Pfarrberuf „Ein Waldarbeiter sägt mühsam einen trotz dieser Arbeitszeiten ein lohnengroßen Stapel Holz und kommt nur langdes Berufsziel ist. sam und angestrengt voran. Fußgänger 22 Dienstgruppen verändern das Berufskommen am Wegesrand vorbei und bebild. „Selig die Beine, die am Altar obachten den Holzarbeiter eine Weile. steh´n alleine“ ist out; TeamorientieSchwitzend flucht und schimpft er. Die rung ist in. Das bietet Chancen (GabePassanten fragen ihn, warum er denn norientierung z. B.), aber auch die Genicht zuerst seine Säge schärft. Der fahr erhöhter Arbeitsbelastung, wenn Holzarbeiter schüttelt entrüstet den Kopf die im Team notwendige Kommunikaund sagt: ‚Sehen Sie nicht die viele Artion nicht effizient organisiert wird. beit? Ich habe keine Zeit die Säge zu schärfen. Ich muss sägen!‘“ 23 Zu guter Letzt noch der Blick auf die ❚ Volker Matthaei, Stutensee eigene Person: Bei allem Druck, der von außen kommt, ist es auch wichtig, selbst die Verantwortung für seine ArPfarrvereinsblatt 7-8/2016 325 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 326 Zur Diskussion Buße als politische Chance ❚ Pfarrer Klaus Paetzholdt sieht, inspiriert von Michael Lüders Buch „Wer den Wind sät ... “ und mit Blick auf das bevorstehende Reformationsjubiläum, die Notwendigkeit zur Buße als einem politischen Akt. Im Eingeständnis von politischer und wirtschaftlicher Schuld liegt die Chance eines Neuanfangs der Vertrauensbildung, so Paetzholdt. Er versteht diesen kleinen Artikel als Beitrag zur Lutherdekade, noch einmal für den Zusammenhang von Politik und Reformation und darüber hinaus als Beitrag für die Friedensarbeit, die in meiner evangelischen Landeskirche in Baden geschieht. Mit großem Interesse habe ich das Buch Wer den Wind sät … von Michael Lüders1 gelesen. Auch wenn ich mir durch mein politisches Interesse im Laufe der letzten Jahre ein einigermaßen umfangreiches Wissen und ein recht sicheres Einschätzungsvermögen angeeignet habe, hat mir dieses Buch darüber hinaus viele zusätzliche Informationen gegeben und vor allem Zusammenhänge gezeigt, die mir bisher so noch nicht vertraut waren. Als Nahost-Korrespondent der Hamburger Wochenzeitung DIE ZEIT will Lüders Zusammenhänge nicht im Weltmaßstab zeigen. Durch seine journalistische Schwerpunktsetzung hat er sich auf den Nahen Osten konzentriert. Als grundlegendes historisches Datum, ich müsste eher sagen: als den grundlegenden politischen Sündenfall, wie er das selber nennt 2, stellt er dar, wie CIA und der britische Geheimdienst im Jahr 1953 alles daran gesetzt ha326 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 ben, den demokratisch gewählten Präsidenten des Iran, Mohammed Mossadegh, zu stürzen, um vor allem die wirtschaftlichen Vorteile Großbritanniens und der USA zu sichern. Leider – oder soll ich lieber sagen: unvermeidlich – ist dieses Vorhaben geglückt. Das Buch stellt dann in zahlreichen Details dar, wie sich Politik im Nahen Osten seit diesem Urdatum und aus diesem Urdatum entwickelt hat. Unter Politik verstehe ich jetzt nicht allein die Entwicklungen dort im Nahen Osten, sondern auch die Einflussnahme des Westens. Es kann jetzt nicht meine Aufgabe sein, die in diesem Buch genannten Details zu wiederholen. Jedenfalls legt Lüders überzeugend dar, wie unter anderem auch der militärische Einmarsch unter G. Bush in den Irak, die Entstehung des islamischen Terrorismus bis hin zur augenblicklichen Unübersichtlichkeit der politischen Situation im Nahen Osten, Elemente einer Geschichte sind, die jenen genannten Sündenfall möglicherweise nicht als alleinige Ursache hat, aber sich doch in entscheidender Weise politischen Entscheidungen des Westens verdankt, die mit diesem Urdatum zusammenhängen und kaum anders als imperialistisch bezeichnet werden können. Was Michael Lüders konzentriert für die islamische Welt, den Nahen Osten, entfaltet, könnte für andere Bereiche unserer Welt und die jeweiligen politischen Zusammenhänge gezeigt werden. Auch wenn unser Wissen (ich denke, es geht vielen wie mir) zum Teil bruchstückhaft ist und uns viele PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 327 Zusammenhänge nicht durchsichtig genug sind, haben wir durch unser kirchliches Engagement über Brot für die Welt, Misereor, die Missionspresse (etwa „Eine Welt“) und andere doch viel Einblick bekommen in Verhältnisse in anderen Teilen unserer Welt. Dabei ist uns deutlich geworden, wie zum Beispiel der Kolonialismus weiter gewirkt hat und noch immer wirkt. Und da Kolonialismus wirtschaftliche Vorteile auf Kosten der früheren Kolonien als entscheidende Ursache hat, geht es in der Folge dieser anderen Sündenfälle vor allem um Armut bzw. Verarmung, starke soziale Unterschiede und vieles mehr. Wie stark diese Arten der Ausbeutung auch die Flora und Fauna dieser Länder beeinträchtigen, muss ich in diesem Zusammenhang außer Acht lassen, obwohl es spannend wäre zu untersuchen, wie sich die Ausbeutung von Menschen auf die Ausbeutung der Natur verschoben hat. es Amerika und Europa und wohl auch in vielen anderen Bereichen unserer Welt zu einer erneuten militärischen Aufrüstung, zur Optimierung der Waffen und Ausrüstung, darüber hinaus zu immer neuen Einsätzen hier und dort in unserer Welt, die gewöhnlich zunächst (euphemistisch) als humanitäre Einsätze bezeichnet werden und sofort oder bald ein Teil des militärischen Vorgehens werden. Wie Wirtschaft angeblich nur gesund ist, wenn sie wächst, so scheint auch die militärische Kraft nur gesund zu sein, wenn sie in ihren Möglichkeiten dem Gegner immer ein Stück voraus ist, was unvermeidlich zum Kreislauf des Wettrüstens führt. Nun lassen sich Entscheidungen und Prozesse früherer Zeit nicht mehr rückgängig machen. Das gilt sogar für Vorgänge, die uns noch historisch relativ nahe sind. Denn sobald etwas auf den Weg gebracht ist, beginnt dessen Wirkungsgeschichte. Dann entsteht als positivste Möglichkeit die Frage, welche Alternativen uns angesichts dieser Wirkungsgeschichte für unser politisches Handeln bleiben. Nun hat dieser Tage der Bundestag fast einstimmig für Völkermord erklärt, was vor 100 Jahren durch den Vorgängerstaat der heutigen Türkei an den Armeniern geschehen ist. Dabei könnte jemand einwenden, es sei leicht, nicht sich selbst, sondern ein anderes Land des Völkermordes zu bezichtigen. Doch wird beim Blick in die damalige Weltgeschichte klar, inwiefern Deutschland durch den ersten Weltkrieg auch an dem mitbeteiligt war, was in jenem Teil Asiens, dem Osmanischen Reich, damals geschehen ist. Insofern ist die Anerkennung dieses Geschehens als Völkermord zumindest ansatzweise auch Eingeständnis eigener, also deutscher Mitschuld. Wir erleben auch in Europa den Terrorismus radikaler Gruppen. Und wir erleben, wie die Politik gemeinhin darauf reagiert: Da Sicherheit bei uns ein sehr hohes Gut darstellt und ein Politiker kaum gewählt würde, wenn er nicht Sicherheit als ein zentrales Anliegen nennen würde, kommt Was von deutscher Seite gegenüber den Hereros in Südwestafrika geäußert wurde3, kam zwar spät, vielleicht zu spät, aber ich möchte auch das werten als Schuldeingeständnis und als Versuch, über dieses Schuldeingeständnis ein neues Verhältnis, neues Vertrauen aufzubauen. Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 327 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 328 Ein weiteres Beispiel sind für mich die Worte nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, die die Schuld der Deutschen im 3. Reich und am Weltkrieg benennen 4. Nun sind uns die Defizite dieser Äußerungen durchaus bewusst: die grauenhafte Schuld an den Juden und anderen nicht-arischen Volksgruppen bleibt noch ausgeblendet. Und natürlich gab es auch Widerstände gegen das, was hier bekannt und zugestanden wurde. Was hier geäußert wurde, war nicht das einzige und wohl auch nicht das Entscheidende, was in der deutschen Bevölkerung (ich denke jetzt in erster Linie an Westdeutschland) sich nach dem 2. Weltkrieg entwickelt hat. Und auch wenn ein Neuanfang immer wieder gefährdet ist und es immer Rückschläge auch beim Aufbau eines Vertrauensverhältnisses gibt, können wir doch ein wenig stolz darauf sein, dass wir es im Großen geschafft haben, zu den früheren Feinden ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, mit vielen Völkern freundschaftlich verbunden zu sein, ja, jetzt in dieser beeindruckenden Weise offen zu sein für die Flüchtlinge aus vielen Ländern Afrikas und des nahen Ostens. Welche Rolle dabei politische Bußäußerungen gespielt haben, kann ich nicht einschätzen. So freue ich mich auch, wenn wir uns angesichts eines so großen Ereignisses wie des Reformationsjubiläums auch die Schattenseiten bewusst machen. Wo wir uns dem großen Jubiläum der Reformation nähern, wird Martin Luther natürlich auch als Glaubensheld und Kirchenreformator gewürdigt. Aber zum Glück nicht nur. Natürlich kann man unterschiedlicher Ansicht sein, welche Rolle er z. B. für den 328 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 weiteren deutschen Antisemitismus gespielt hat. Wir nehmen ja deutliche Unterschiede wahr zwischen seinen frühen und seinen späteren Äußerungen zum Judentum. Mir kommt es im Zusammenhang mit dem oben Ausgeführten darauf an, dass auch hier Irrtümer, Fehler, Schuld benannt werden, weil mir dadurch eine neue Würdigung des Reformators und der Reformation möglich erscheint. So wie in den oben genannten Beispielen ein neues Miteinander mit anderen Völkern dieser Erde und gesellschaftlichen Gruppen möglich geworden zu sein scheint. Um nun bei Luther zu bleiben und mein Anliegen zu nennen: Was für uns als Urdatum der Reformation gilt, ist der Thesenanschlag in Wittenberg. Luther betont bekanntlich, das ganze Leben eines Christen solle Buße und Umkehr sein. Nun weiß ich selber nicht, wie stark es an Luther selber lag, dass sich Buße in der weiteren Frömmigkeitspraxis sehr stark auf den einzelnen Menschen und sein Verhältnis zu Gott bezogen hat. Immerhin betont er in einer der ersten Thesen, dass die Buße auch nach außen wirken und so wirksam werden solle (5). Doch wie stark sich in der Frömmigkeitsgeschichte Religion überhaupt zur Sache des jeweils Einzelnen entwickelt hat, so war dieselbe Entwicklung für eine Praxis wie die Buße geradezu unvermeidlich: Nach meinem Eindruck hat sich Buße stark auf unser Verhältnis gegenüber Gott bzw. Jesus konzentriert, unsere sozialen und sonstigen Bezüge dabei aber weniger in den Blick genommen. Wenn ich nun Luthers 95 Thesen verbinde mit dem, was ich oben zu politischen Vorgängen und Entscheidungen gesagt habe, PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 329 lässt sich mein Interesse leicht erkennen: Ich möchte die für unser Leben so wichtige Buße zu einem politischen Vorgang werden lassen – und zwar als Chance für einen Neuanfang. Das ist mehr als die neue Einführung eines bundesweiten Buß- und Bettags als Feiertag. Zumal ich den Eindruck habe: Von den wenigen, die ausgerechnet an einem Mittwoch mitten im November einen Gottesdienst besuchen, womöglich sogar während ihrer Arbeitszeit, geht ein deutlicheres Zeichen aus als von den wenigen, die an einem noch geduldeten, aber in der Öffentlichkeit kaum mehr verstandenen Feiertag ihrer Pflicht zum Gottesdienstbesuch nachkommen. Mir geht es angesichts einer bedrohten und bedrohlichen Weltsituation um eine Alternative zur Spirale des Weiter- und Nachrüstens, zur wachsenden Angst und dem zunehmenden Bedürfnis nach immer größerer Sicherheit, Absicherung. Natürlich ist mir bewusst, wie schwierig bei einem seit Jahrzehnten, womöglich Jahrhunderten eingeschlagenen Weg eine Richtungsänderung ist. Wer bisher auf Schläge mit Gegenschlägen reagiert hat, findet nicht leicht hinaus aus diesem tödlichen Hin und Her. Trotzdem wage ich meine These: Das Eingeständnis der politischen und wirtschaftlichen Schuld auch Deutschlands, anderer Nationen aber auch, kann einen Neuanfang der Vertrauensbildung setzen. Ich mache mir und anderen keine Illusionen: Das kann und wird mit Sicherheit ein langer und mühsamer Weg werden und es kann beim einen und der anderen darüber auch ein Resignieren geben, ob der jeweils eingeschlagene Weg der richtige ist. Ich behaupte ja auch nicht, dass es der einzige Weg ist, der mir als Alternative zur amerikanisch-europäischen Politik der Terrorbekämpfung als möglich erscheint. Aber ich bin fest überzeugt von dem, was aus dem christlichen Glauben heraus auch im politischen Miteinander möglich ist. Wir sollten nicht die Augen zumachen, sondern die Augen öffnen dafür, was Politik, unsere und die anderer Völker, bewirkt oder angestellt hat, unserer Welt weiter geholfen oder Menschen in Abhängigkeit, Armut und Angst gebracht hat. Und benennen, was durch uns geschehen ist – gerade denen gegenüber, die Empfänger oder Opfer dessen geworden sind, was bei uns und durch uns geschehen ist. Eine solche Buße kann einen Neuanfang ermöglichen, kann die Grundlage legen für ein neues Miteinander. Wahrhaftig sein sich selbst gegenüber und so einen Beitrag leisten, damit Vertrauen sich entfalten und entwickeln kann. Auch bei Terror und Krieg sollte Politik nicht bloß reagieren, sondern fähig werden, einen Weg zu entwerfen, auf dem aus der Einsicht in die eigene Schuld Vertrauen wächst und gemeinsames Leben ohne Angst voreinander auf dem Weg in die Zukunft möglich wird. ❚ Klaus Paetzholdt, Karlsruhe 1 Michael Lüders, Wer den Wind sät, Was westliche Politik im Orient anrichtet, 13. Auflage, München 2015. 2 Der Begriff „Sündenfall“ taucht gleich in der Überschrift zum 1. Kapitel nach der Einführung auf: Putsch in Teheran: Der Sündenfall. 4 Heide-Marie Wieczorek-Zeuls Äußerungen 1904, also 100 Jahre danach, bei einem Besuch in Namibia, die unter anderem die Forderung nach Wiedergutmachungsleistungen zur Folge hatte. 5 Das Stuttgarter Schuldbekenntnis 1945 und das Darmstädter Wort 1947.5 Martin Luther: 95 Thesen, hier These 3. Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 329 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 330 Zur Diskussion Künftiges Denk und entscheide von der Zukunft her, wo alle Wesen sich um Jesus sammeln als Gott dem Herrn, ihm jubeln oder stammeln, denn Fluchtpunkt aller Wege ist doch er. Denk und entscheide nicht bloß ephemer, wo alle nur ums Glück der Stunde bammeln, aus Lust des Augenblicks das Ziel vergammeln, in sich gekehrt den Blick und erdenschwer. Denk und entscheide dich für das, was bleibt, für ihn, der und den keine Zeit vertreibt. Er kommt und wird mit sich die Zukunft füllen. Dann werden Schleier, dran das Schicksal wirkt, und jede Formel, die die Zukunft birgt, und alle Rätsel ihn allein enthüllen. ❚ Helge Heissler, Königsfeld 330 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 331 Aus dem Pfarrverein Deutscher Pfarrerinnen- und Pfarrertag Montag, 26. September bis Mittwoch, 28. September 2016 in Lübeck-Travemünde Informationen und Anmeldeformular finden Sie im Deutschen Pfarrerblatt 5 / 2016 Anmeldeschluss 31. Juli 2016 bei der Geschäftsstelle des Dachverbandes in Kassel. Der Badische Pfarrverein gewährt einen Teilnehmer-Zuschuss von 100 Euro pro Mitglied nach Ablauf des Deutschen Pfarrertages anhand der dort geführten Teilnehmerliste. Eine Beantragung ist nicht erforderlich. Der Zuschuss wird im November 2016 ausbezahlt. Delegierte und Teilnehmende der Sonderkonferenzen wurden bereits vorab eingeladen. ✂ Förderverein Pfarrhaushilfe • Förderverein Pfarrhaushilfe • Förderverein Pfarrhaushilfe Bitte ausfüllen und einsenden an: Förderverein Pfarrhaushilfe e. V., Postfach 22 26, 76010 Karlsruhe. BBBank Karlsruhe, IBAN: DE61 6609 0800 0002 4128 88, BIC: GENODE61BBB Name und Anschrift: ________________________________________________________ Bitte ziehen Sie – widerruflich – von meinem Konto Nr.: ________________________ bei (Bank): _________________________________________ BLZ: _________________ ❏ einmalig EUR _____________ ❏ monatlich EUR _____________ ❏ vierteljährlich EUR _____________ ein. Datum: _____________ Unterschrift: ___________________________________________ Eine Spendenbescheinigung (Zuwendungsbestätigung) erhalten Sie automatisch Ende Januar des Folgejahres. Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 331 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 332 Aus dem Pfarrverein Unsere Leistungen: • Regelmäßige Information unserer Mitglieder in den Badischen Pfarrvereinsblättern über berufsständische und aktuelle kirchliche Fragen • Unterstützungen im Krankheitsfall durch die angegliederte Krankenhilfe als Beihilfeergänzung • Unterstützungen im Todesfall • Enge Zusammenarbeit mit der Pfarrvertretung als gewählter Interessenvertretung der badischen Pfarrerschaft • Tag der badischen Pfarrerinnen und Pfarrer als Forum der Kommunikation, jährlich mit der Mitgliederversammlung, der Ehrung der Ordinationsjubilare und dem Treffen der Neumitglieder • Bezug des Deutschen Pfarrerblattes als monatliche Publikation des Verbandes evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland e. V. (Dachverband) • Herausgabe des Pfarramtskalenders und des Badischen Pfarrkalenders, dem Adressenverzeichnis aller badischen Pfarrerinnen und Pfarrer, der Ruheständler und Witwen • Verbindung zu den Pfarrvereinen der anderen Landeskirchen durch den Dachverband und zur Pfarrerschaft im Ausland durch die Konferenz europäischer Pfarrvereine und Pfarrvertretungen (KEP) 332 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 • Unterstützungen in besonderen Notlagensituationen • Talarbeihilfe für die Erstausstattung bei LehrvikarInnen • Beihilfen und zinsfreie Darlehen für studierende Kinder durch den Dachverband • Hilfe für bedürftige Angehörige des Berufsstandes, ihre Hinterbliebenen und die in Ausbildung befindlichen Pfarrerinnen und Pfarrer mit Schwerpunkt Osteuropa durch den angegliederten Förderverein Pfarrhaushilfe e. V. • Kostenlose Erstberatung in dienstrechtlichen Angelegenheiten durch einen Vertragsanwalt • Günstige Bedingungen bei den Versicherern im Raum der Kirchen (Bruderhilfe/Pax/Familienfürsorge) PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 333 Aus dem Pfarrverein Direktabrechnung in der Beihilfe – nähere Infos zum Verfahren Seit dem 01. März 2016 können Aufwendungen für stationäre Leistungen direkt mit der Beihilfestelle abgerechnet werden. Krankenhäuser, Rehakliniken und Pflegeheime können ihre Rechnungen seitdem per Kurzantrag unmittelbar beim KVBW oder LBV einreichen, die Beihilfezahlung erfolgt direkt an die Einrichtung. Das Antragsverfahren läuft wie folgt ab: Sie müssen einen Kurzantrag ausfüllen und diesen unterschrieben an die entsprechende Einrichtung (Krankenhaus, Klinik, Heim) weitergeben. Den Kurzantrag können Sie telefonisch oder per EMail beim KVBW anfordern. Es gibt 3 verschiedene Vordrucke (Krankenhaus, Rehabilitation, Pflege), aus denen der jeweils passende verwendet werden muss. Auch auf der Homepage des KVBW sind die Formulare abrufbar. Weitere Infos zum Verfahren erhalten Sie bei Ihrer Beihilfestelle. In der Krankenhilfe des Pfarrvereins bleibt alles beim Alten: Wie bisher erhalten Sie anschließend von Ihrer Beihilfestelle einen Bescheid, in dem die Zahlungen dargestellt sind. Diesen reichen Sie bitte vollständig, im Original und ohne Belege bei uns ein. Pflegekosten sind entsprechend zu kennzeichnen als „Pflege“ – hier ist es erforderlich, Belege vorzulegen. Auch weiterhin bitte bei stationären Aufenthalten angeben, dass Sie Beihilfeberechtige/r und Selbstzahler sind. Mitverdienende Angehörige: Beitragspflicht auch bei Rentenbezug Wenn EhepartnerInnen von Mitgliedern eine eigene Rente beziehen, werden dadurch in der Krankenhilfe des Pfarrvereins Beiträge fällig. Voraussetzung ist, dass es sich dabei um eine Rente aus Berufstätigkeit handelt und die Ehepartnerin/der Ehepartner in der Krankenhilfe des Pfarrvereins mitberücksichtigt werden möchte. Ein Rentenbezug von mitberücksichtigten Angehörigen muss uns immer gemeldet werden! Liegt die Rente unter einem Bruttobetrag von monatlich 800 Euro, wird kein Beitrag erhoben. Zwischen 800 und 1.700 Euro entsteht ab 2016 ein Monatsbeitrag in Höhe von 70 Euro, über 1.700 Euro werden 7% der Bruttorente fällig. Generell gilt: wer in der Krankenhilfe mitberücksichtigt werden möchte, muss vorher angemeldet werden. Adressänderungen Aus aktuellem Anlass möchten wir noch einmal darauf hinweisen, dass die Geschäftsstelle des Badischen Pfarrvereins bei Adressänderungen dringend auf Ihre Mithilfe angewiesen ist. Wenn Sie aufgrund eines Stellenwechsels oder aus privaten Gründen umziehen, bekommen wir dies nicht vom Evangelischen Oberkirchenrat oder von anderer Stelle gemeldet. Damit unser Badischer Pfarrkalender jedoch aktuell bleibt und die Ihnen zugedachte Post weiterhin richtig zugestellt werden kann, benötigen wir stets Ihre aktuelle Anschrift. Sollte sich diese ändern, bitten wir Sie daher, uns die neue Adresse so bald wie möglich mitzuteilen. Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 333 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 334 Aus der Pfarrvertretung Aktuelles D er Verband der Pfarrvereine in der EKD ist übereingekommen, den Vorsitz ab 2017 hauptamtlich zu besetzen und zu finanzieren – zur Zeit ist der Vorsitzende Andreas Kahnt von der Oldenburgischen Landeskirche für diese Aufgabe freigestellt; diese Freistellung endet allerdings im kommenden Jahr. Die EKD wird sich, obwohl der Verband u. a. die Aufgabe der Pfarrvertretung auf EKDEbene übernimmt, nicht an der Finanzierung beteiligen. Das ist nun der Punkt, wo die Frage des hauptamtlichen Vorsitzes uns als Pfarrvertretung interessieren muss: Auf der einen Seite werden immer mehr rechtliche Regelungen nicht mehr auf landeskirchlicher Ebene gemacht, sondern auf EKD-Ebene; auf der anderen Seite wird die professionelle Wahrnehmung der Pfarrvertretungsaufgaben – anders als in den meisten Landeskirchen! – von der EKD nicht durch Gewährung von personellen und materiellen Ressourcen unterstützt. Zwar gibt es auf EKD-Ebene eine paritätisch besetzte dienstrechtliche Kommission; der koordinatorische Aufwand des Verbandsvorsitzenden wird dabei aber abweichend von im Arbeitsleben üblichen Standards nicht anerkannt. Die volle Finanzierung des Verbandsvorsitzenden durch die Vereine ist daher eine Maßnahme, die für die professionelle Amtsführung notwendig ist, an der sich die EKD zukünftig aber auch beteiligen sollte. Zu zwei pfarrdienstrechtlichen Themen hat die Frühjahrssynode Gesetze be334 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 schlossen, zu amtsärztlichen Untersuchungen und zu Leistungsbescheiden: • Statt amtsärztlichen Untersuchungen sollen zukünftig auch fachärztliche Untersuchungen möglich sein. Der Oberkirchenrat begründet dieses Gesetz damit, dass Gesundheitsämter zunehmend nicht oder erst mit großer zeitlicher Verzögerung amtsärztliche Untersuchungen für die Landeskirche durchführen. Die Pfarrvertretung hat in ihrer Stellungnahme herausgestellt, dass sie bei Verfahren zur Feststellung der Dienstunfähigkeit die Begutachtung durch Amtsärztinnen bzw. ärzte aufgrund ihrer Neutralität als beste Lösung ansieht. Wir haben daher für eine Formulierung plädiert, nach der fachärztliche Untersuchungen nur dann möglich sein sollen, wenn Gesundheitsämter amtsärztliche Untersuchungen ablehnen bzw. nur mit erheblichen Wartezeiten durchzuführen bereit sind. Die Synode hat diese Formulierung auf Vorschlag des Oberkirchenrats abgelehnt, um nicht zusätzliche Hürden für fachärztliche Untersuchungen aufzubauen. Sollte als Folge dieser Veränderung bei Betroffenen der Eindruck entstehen, dass Gutachten deutlich den Interessen ihrer Finanziers (d.h. der Landeskirche) folgen • ich bin in solchen Fällen dankbar für eine Rückmeldung an mich – kann ihnen nur geraten werden, eigene fachärztliche Gutachten vorzulegen, die dann zumindest verdeutlichen, dass der medizinische Sachverhalt klärungsbedürftig ist. PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 335 • den Leistungsbescheiden geht es um ein Verfahren zur Regelung vermögensrechtlicher Ansprüche aus dem Pfarrdienstverhältnis. Eine Rolle kann das z. B. spielen, wenn PfarrerInnen in ihrer Funktion als KGR-Vorsitzende ihre Nebenkosten nicht abgerechnet haben und nun die Nachzahlung zu regeln ist. Die Pfarrvertretung hat gegen diese Leistungsbescheide keine Einwendungen gehabt. Die Pfarrbesoldung war Gegenstand zweier Rechtsverordnungen zur Ausführung des EKD-Besoldungs- und Versorgungsgesetzes, die der Oberkirchenrat bzw. der Landeskirchenrat im Mai beschlossen haben. Bei der Rechtsverordnung des Landeskirchenrats ist bemerkenswert, dass in § 5 zukünftig eine Dynamisierung der 1000 €-Zulage für die PfarrerInnen im privatrechtlichen Anstellungsverhältnis vorgesehen ist (zukünftig nimmt diese seit 1.1.15 gewährte Zulage an den allgemeinen Besoldungserhöhungen teil; diese Erhöhung wird im GVBl veröffentlicht). Außerdem wird diese Zulage auf LehrvikarInnen im Angestelltenverhältnis ausgeweitet (500 €). Die Veröffentlichung der Besoldungstabelle (für Bundesbesoldung mit Bemessungssatz 98 %) im Gesetzes- und Verordnungsblatt schafft Transparenz über die Gehaltshöhe. In § 8 (4) wird begrüßenswerter Weise geregelt, dass für VersorgungsempfängerInnen bis zur nächsten Besoldungserhöhung der § 50f des Beamtenversorgungsgesetzes ausgesetzt wird, um Ausgleichszulagen zu vermei- den. Nicht geregelt ist damit die Frage, ob diese Aussetzung auch zukünftig gelten soll, wenn die Höhe der Versorgungsleistungen auch über die nächste Besoldungserhöhung hinaus beim Land höher ist als beim Bund. Die Rechtsverordnung des Oberkirchenrats übernimmt eine alte Regelung aus dem Jahr 2001, die aber bei dieser Gelegenheit hier wieder einmal ins Gedächtnis gerufen werden soll: Auf Antrag können LehrvikarInnen eine Mietbeihilfe erhalten, wenn die Kaltmiete (bei angemessener Wohnungsgröße) 30 % des Nettoeinkommens (bzw. bei Ehepaaren 30 % des Nettogesamteinkommens) übersteigt. Der übersteigende Betrag wird auf Antrag zu zwei Dritteln übernommen; die Obergrenze beträgt 260 €. Diese 260 € können überschritten werden, wenn durch Pflege oder Erziehung von Angehörigen die Mietaufwendungen besonders hoch sind. Die Pfarrvertretung hätte sich nach 15 Jahren eine Anpassung der Obergrenze an die gestiegenen Mietkosten gewünscht. Von einem Kollegen hörte ich die Beschwerde über einen Schuldekan, der die Deputatsermäßigung (um 2 Stunden bzw. bei 50 bis 80 % -Anstellung 1 Stunde) im Religionsunterricht ab Beginn des Schuljahrs, in dem man 60 wird, nicht selbstverständlich umgesetzt hat. In der Rechtsverordnung über die Ermäßigung des Religionsunterrichtsdeputats ist zu lesen, dass diese Ermäßigung auf Antrag beim Schuldekan bzw. der Schuldekanin erfolgt. Formal ist dieser Schuldekan also im Recht. Allerdings Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 335 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 336 Aus der Pfarrvertretung kann von KollegInnen nicht unbedingt erwartet werden, dass sie ExpertInnen für Kirchenrecht sind; m.a.W. es ist eine Frage der Fairness, auf eine solche Möglichkeit hinzuweisen. Noch besser wäre es in meinen Augen, die Formulierung „auf Antrag“ in der RVO zu streichen. Ebenfalls auf Antrag (beim EOK auf dem Dienstweg) wird ab Beginn des Schuljahrs, in dem das 63. Lebensjahr vollendet wird, das RU-Deputat vollständig erlassen. Für beide Anträge gilt, dass sie spätestens bis zum 1. April zu stellen sind. Wer trotz Antragsmöglichkeit im bisherigen Umfang unterrichtet, erhält das nicht vergütet! Ebenfalls zum 1. April sind Anträge auf Deputatsermäßigungen wegen nachweisbarer gesundheitlicher Beeinträchtigung zu stellen. Weitere Reduktionsmöglichkeiten bestehen für Hospitation (2 Stunden in den ersten beiden Amtsjahren und dann nach 7 Jahren wieder) bzw. für religionspädagogische regionale (2 Stunden) oder Intensiv- (alle 7 Jahre für ein Schuljahr bei verbleibenden 2 Stunden RU) Fortbildungen. Sämtliche Regelungen finden sich auf www.kirchenrecht-baden.de in der Volltextsuche unter EV-ERU. Von einer Kollegin bekam ich nach der Besoldungsumstellung die Rückmeldung, dass sie 5 € im Monat weniger erhält als bisher. Die Zusage der Landeskirche, dass (als Folge des Prinzips der Besitzstandswahrung) niemand weniger 336 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 bekommt als vorher, weil eventuelle Verluste durch eine Ausgleichszulage kompensiert werden, trifft beim Blick auf den Überweisungsbetrag also nicht in allen Fällen zu. Die Ursache liegt allerdings nicht im Gehalt selbst, sondern im Berechnungsverfahren für die Pfarrvereinsbeiträge. Sie werden aus 7 % des Grundbezugs (plus, falls es sie gibt, der Ausgleichszulage) errechnet, nicht aber aus Verheirateten- und Kinderzuschlägen. Da aber die Ausgleichszulage nur dafür sorgt, dass die Summe von Grundbezug und Zuschlägen nicht kleiner als vor der Besoldungsumstellung ausfällt, profitiert der Pfarrverein, wenn sich beim Gesamtbrutto das Verhältnis von Grundbezug und Zuschlägen Richtung Grundbezug verschiebt. Der Pfarrverein kann allerdings nichts dafür, wenn er von der Besoldungsumstellung profitiert; insofern macht es wenig Sinn, dort zu protestieren. Angesichts von möglichen Verlusten beim Überweisungsbetrag ist es umso wichtiger, die vermögenswirksamen Leistungen zu nutzen: Seit dem 1.7. sind als Folge der Besoldungsumstellung die VWL in Höhe von 6,50 € pro Monat nach dreieinhalb Jahren wieder eingeführt worden. Da mittlerweile KollegInnen eingestellt wurden, die die VWL noch nicht kennengelernt haben, hier der Hinweis, dass für den Bezug die Mitteilung an den EOK über die Art der Anlage (z. B. Bausparvertrag, Aktienfonds, Banksparplan), das Institut und die Kontonummer erforderlich sind. Ohne diese Mitteilung gehen die 78 € im Jahr verloren. ❚ Volker Matthaei, Stutensee [email protected] PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 337 Buchbesprechung Rolf-Ulrich Kunze „Möge Gott unserer Kirche helfen!” Theologiepolitik, Kirchenkampf und Auseinandersetzungen mit dem NS-Regime: Die evangelische Landeskirche Badens 1933-1945, Stuttgart: Kohlhammer 2015, 514 Seiten, 39,99 Euro Verehrte Synode, der Bitte des Synodenpräsidiums, ihnen das Buch von Rolf-Dietrich Kunze mit dem Titel „Möge Gott unserer Kirche helfen!“ Theologiepolitik, Kirchenkampf und Auseinandersetzung mit dem NS-Regime: Die Evangelische Landeskirche Badens 1933-1945 vorzustellen, komme ich gerne nach. Es führt seine Leser zurück in eine Zeit heftiger innerkirchlicher Konflikte angesichts der Politik des NS - Regimes, die das Ziel der Gleichschaltung der evangelischen Landeskirchen in einer regimetreuen einheitlichen Reichskirche unter der Leitung des Reichsbischofs verfolgte. Es ging im Kirchenkampf darum, ob die nationalsozialistische Herrschaft mit ihrem Totalitätsanspruch einschließlich des Führerprinzips und des Arierparagraphen, der besonders Juden aus dem öffentlichen Dienst ausschloss, auch in den Landeskirchen gilt oder ob die Landeskirchen in ihrem Auftrag und ihrer Struktur weitgehend selbständig blieben. Man spricht hier von intakten Landeskirchen „mit legalen Kirchenleitungen unter Abwehr der Deutschen Christen“ oder zerstörten Landeskirchen „mit konkurrierendem deutschchristlichem und bekennendem Kirchenregi- ment“ (16). Intakt waren die Landeskirchen Bayerns, Württembergs und Hannovers, die sich der Reichskirche nicht unterstellten. Der Autor vertritt nun die These, dass die Badische Landeskirche nach ihrer Ausgliederung aus der Reichskirche im November 1934 die vierte intakte Landeskirche war. In den Entscheidungsjahren des Kirchenkampfes 1933 und 1934 wurden dafür die Weichen gestellt. Hier liegt auch der Schwerpunkt der Untersuchung von Rolf-Dietrich Kunze. Er ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte am Institut für Geschichte des KIT, Karlsruher Institut für Technologie. Der Autor ist also kein Theologie, sondern ein kritischer Historiker. Schon damit bringt er eine neue Perspektive in die evangelische Zeitgeschichtsschreibung, die „fast ausschließlich von Theologen bestimmt“ (11) wurde. Dafür wählt Kunze einen besonderen Zugang: Die Sozial- und Mentalitätsgeschichte. Ziel seines Forschungsprojektes ist es, „eine exemplarische, biografisch-sozialgeschichtlich und mentalitätsgeschichtlich konturierte Studie zur Geschichte der Evangelischen Landeskirche in Baden 1933-1945 zu erarbeiten, bei der die Erfahrungsräume und Selbstbildkonstruktionen von Pfarrern im Mittelpunkt der Betrachtung stehen ... Dabei geht es u. a. um das Verhältnis und den Kontext von Anpassung und Autonomiebehauptung der gesellschaftlichen Großformation evangelische Kirche in einer modernen Diktatur, schließlich auch um Widerstandsgeschichte“ (17). Kunze stellt also nicht die großen kirchenpolitischen Zusammenhänge in den Mittelpunkt. Er will Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 337 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 338 „am Beispiel der Geistlichen der badischen Landeskirche ... zeigen, inwieweit sich Elemente traditioneller politischer Kultur auf lokaler Ebene gegenüber dem totalitären Anspruch des Regimes behaupten konnten bzw. in welchem Ausmaß es dem Nationalsozialismus gelang die (milieuspezifischen) Räume alltäglicher Erfahrung zu besetzen“ (23). Das ist angesichts der Veränderungen in der politischen Kultur, die wir gegenwärtig in Deutschland erleben, höchst aktuell. Die evangelische Landeskirche in Baden eignet sich gut für eine solche Studie, weil die historischen Quellen umfassend zugänglich sind. Die Personalakten aller „hauptamtlichen Geistlichen der Landeskirche zwischen 1933 und 1945“ (15) sind erhalten; eine Quellenedition "Die Evangelische Landeskirche in Baden im „Dritten Reich“ in sechs Bänden liegt vor, dazu eine Reihe von Studien. Kunze entfaltet seinen Stoff und die Ergebnisse der Studie in neun Kapiteln. Der einleitenden Erläuterung von Forschungsstand, Methoden und erkenntnisleitenden Fragen folgt ein kirchen- und theologiegeschichtlicher Überblick. Eine eigene Untersuchung ist der Theologiepolitik in der badischen evangelischen Publizistik gewidmet. Die Theologie- und kirchenpolitischen Formationen, genauer die badische Bekenntnisgemeinschaft und die Deutschen Christen werden untersucht. Eine Fallstudie über einen Konflikt in Sankt Georgen und ein Vergleich des Kirchenkampfes in Württemberg und der Pfalz schließen sich an. Den Abschluss bilden „Bilanz und Desiderate für 338 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 die Forschung“ sowie ein bemerkenswerter ausführlicher Anhang. Er bietet nicht nur eine Kurzdarstellung der kirchenpolitischen Gruppierung und eine Chronologie der „Hauptereignisse“, sondern stellt „sozial- und mentalitätsgeschichtliche Muster“ und kurze Lebensläufe der führenden evangelischen Nationalsozialisten, Deutschen Christen und der badischen Pfarrer, die keiner nationalsozialistischen Gruppierung angehörten, dar. Um die Grundthese des Buches zu verstehen, bedarf es der Erinnerung an die grundlegenden kirchenpolitischen Ereignisse und Zusammenhänge der damaligen Zeit. Das NS-Regime konnte seinen Machtanspruch im Alltag nicht ohne die großen Kirchen durchsetzen. Es umwarb die Kirchen und verfolgte taktisch eine auf Auflösung der Landeskirchen und Vereinheitlichung zielende Politik. Obwohl der Nationalsozialismus im Kern antichristlich war und z. B. in Alfred Rosenbergs Manifest „Der Mythos des 20. Jahrhunderts“ teilweise selbst religiöse Züge annahm und in einzelnen einflussreichen Gruppierungen eine germanische Religiosität beförderte, enthielt das Parteiprogramm ein Bekenntnis zum „Positiven Christentum“. Darauf beriefen sich die evangelischen Nationalsozialisten immer wieder, um den christlichen Charakter der „Bewegung“ aufzuzeigen. Sie schlossen sich 1932 in der Glaubensbewegung „Deutsche Christen“ zusammen. In den Kirchenwahlen seit 1932 drängten die Deutschen Christen massiv in die Synoden. Nach der Machtergreifung Hitlers im Januar 1933 wurde die Deutsche Evangelische Kirche durch ei- PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 339 ne Änderung der Kirchenverfassung in eine Reichskirche unter der Leitung eines Reichsbischofs umgewandelt. Der Königsberger Wehrkreispfarrer Ludwig Müller wurde von Hitler zum Bevollmächtigten für die Evangelische Kirche ernannt. Die neu gebildete Deutsche Evangelische Generalsynode der Deutschen Christen wählte ihn im September 1933 einstimmig zum Reichsbischof. Der von der Deutschen Evangelischen Kirche designierte Reichsbischof Friedrich von Bodelschwingh war im Juni bereits auf Druck der Nationalsozialisten zurückgetreten. Der Reichsbischof setzte das Führerprinzip in der Kirche um, beanspruchte direktes Weisungsrecht für die Landeskirchen und gliederte die evangelische Jugend in die Hitlerjugend ein. Gegen die Ernennung von Ludwig Müller zum Reichsbischof und die Einführung des Arierparagraphen in der Kirche bildete sich am 21. September 1933 der Pfarrernotbund, in dem Pfarrer Martin Niemöller aus Berlin-Dahlem eine zentrale Rolle spielte. Ihm schlossen sich zahlreiche Pfarrer in den Landeskirchen an. Er wurde zum Vorläufer der Bekennenden Kirche, die im Mai 1934 in der Bekenntnissynode von Barmen die Lehren der Deutschen Christen als unchristliche Irrlehren „verwarf“ und gegen die Reichskirche den Anspruch erhob, die einzige rechtmäßige evangelische Kirche zu sein und mit einem „Notrecht“ eigene Leitungsämter- und Verwaltungsstrukturen schuf. Parallel zum Umbau der Reichskirche wurde im Juni 1933 auch die Verfassung der Vereinigten evangelisch-protestanti- schen Landeskirche in Baden umgebaut. Dabei spielten die kirchenpolitischen Parteien in der Landessynode, die kirchlich Positiven, die Deutschen Christen, die Liberalen und die religiösen Sozialisten eine Rolle. Die parlamentarische Kirchenverfassung von 1919 mit einem Kirchenpräsidenten als Vorsitzendem der Kirchenregierung und EOK-Vorsitzendem, einem Prälaten als erstem Geistlichen der Landeskirche und einer von Parteien geprägten Generalsynode wurde abgelöst. Dies geschah im Zusammenwirken der Gruppierungen der Deutschen Christen und der Kirchlich-Positiven. Das Amt des Landesbischofs wurde eingeführt. der Evangelische Oberkirchenrat wurde als Kollegialbehörde installiert, der auch der Landesbischof angehört. Der EOK ist nicht mehr abhängig von der Landessynode als Kirchenparlament. Die Organe der Landeskirche und die Grundstrukturen ihres Zusammenwirkens, die bis heute bestimmend sind, wurden im damaligen Umbau der Kirchenverfassung festgelegt. Sie war nicht nur ein Produkt des Zeitgeistes, sondern war auch darauf angelegt, der verbreiteten Unzufriedenheit mit der stark von Auseinandersetzungen zwischen der kirchlichen Parteien in der Synode und in der Zusammensetzung des Oberkirchenrats bestimmten Kirchenverfassung der Weimarer Zeit abzuhelfen. Am 24.6.1933 wurde Prälat Julius Kühlewein zum Landesbischof gewählt. Kurz darauf erhielt die Deutsche Evangelische Kirche eine neue Verfassung, die durch ein Reichsgesetz anerkannt wurde. Sie schrieb vor, dass die Landessynoden Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 339 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 340 und die kirchlichen Organe aufgelöst und neu gebildet werden mussten. In Baden bildeten die Kirchlich-Positive Vereinigung und die Deutschen Christen eine Einheitsliste und errangen die Mehrheit in der neuen Landessynode. Dies zeigt, dass es politisch eine große Nähe zwischen der Gruppe der Positiven und den Deutschen Christen gab, kirchenpolitisch jedoch Differenzen bezüglich der Eingliederung in die Reichskirche. Sie kamen ein Jahr später im Juli 1934 zum Tragen als ein Gesetzentwurf der Deutschen Christen „zur Eingliederung der Landeskirche in die Reichskirche“ abgelehnt wurde. Daraufhin wurde die Landessynode durch den von einer DC Mehrheit bestimmten erweiterten Oberkirchenrat aufgelöst. Er beschloss die Eingliederung der Landeskirche in die Reichskirche. Dies führte zum Protest der Kirchlich-Positiven Vereinigung, die den Beschluss des Oberkirchenrats nicht für rechtmäßig hielt. Die Bekenntnisfront unter den Kirchlich-Positiven und in der Pfarrerschaft war seit der Gründung des Pfarrernotbunds in Baden im November 1933 und der Dahlemer und Barmer Synode erstarkt. 260 badische Pfarrer und Vikare hatten sich dem Reichsbruderrat der BK unterstellt, während 111 der insgesamt 703 Badischen Pfarrer Deutsche Christen waren. 106 Pfarrer waren Parteimitglied, 50 gehörten keiner nationalsozialistischen Organisation an. Es drohte ein Bruch in der Landeskirche. Der Landesverband der Positiven Vereinigung gründete im Juni 1934 einen badischen Bruderrat, der öffentlich scharfe Kritik am Eingliederungsbeschluss übte. Die Zeit340 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 schrift „kirchlich-positive Blätter wandelte(n) sich zum Organ der badischen BK“ und bemühte sich, die Reichskirche als bekenntnisfeindlich darzustellen: „das letzte Ziel der Reichskirchenregierung und der deutschen Christen (ist) die überkonfessionelle Nationalkirche (...) die Evangelische, Katholiken und Deutschgläubige umfasst. Also Beseitigung der Bekenntnisse und nordisch-christliche Mischreligion“ (107). Im Hintergrund dieser Analyse stand die berühmte Berliner Sportpalastkundgebung der Deutschen Christen, in der im November 1933 unter dem Jubel von 20000 Teilnehmenden und über den Rundfunk die „Vereinigung aller Religionen und Konfessionen“ in einer „völkischen Nationalkirche“ gefordert wurde. Der Sportpalastskandal führte in der badischen Kirchenleitung zunächst nicht zu einer Veränderung der Eingliederungspolitik. Aber er verstärkte die Gegenreaktionen der am Bekenntnis orientierten Kräfte. Der badische Bruderrat forderte den Landesbischof am 10. November „ultimativ auf, sich von der Reichskirche zu trennen und der BK anzuschließen. Drei Tage später gliederte Kühlewein die badische Landes- aus der Reichskirche aus“. Das würde ihm möglich, weil sich die Stimmenverhältnisse im EOK geändert hätten. Oberkirchenrat Fritz Voges, der Schulreferent und Führer der Deutschen Christen, hatte sich nach abschreckenden Erfahrungen bei einem Aufenthalt in der Zentrale der Deutschen Christen und der Reichskirche, der Gruppe der Kirch- PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 341 lich Positiven zugewandt und für die Ausgliederung aus der Reichskirche gestimmt. Landesbischof Kühlewein schrieb an Reichsbischof Müller, dass er „nach wie vor für die Errichtung der deutschen evangelischen Reichskirche“ einstehe. „Aus allem aber, was sich in der letzten Zeit in der Reichskirchenleitung zugetragen hat, habe ich zu meinem großen Schmerz die Überzeugung gewinnen müssen, dass die gegenwärtige Leitung der Reichskirche nicht mehr die Autorität und die Möglichkeit besitzt, die Befriedung der Kirche herbeizuführen und ihre Einheit für die Zukunft zu wahren. Um die drohende Spaltung innerhalb der badischen Landeskirche zu verhindern und deren Weiterbestand aufrecht zu erhalten, muss ich Ihnen mitteilen, dass ich bis auf weiteres Weisungen von Seiten der Reichskirchenleitung nicht mehr entgegennehmen kann, sondern die Führung der badischen Landeskirche selbst in die Hand nehmen muss. Möge Gott unserer Kirche helfen“ (75). Kühlewein erhielt für diese Entscheidung die Zustimmung von 478 (77,9%) der 616 von ihm angeschriebenen Geistlichen. Der Badische Bruderrat anerkannte den Landesbischof und den Oberkirchenrat als rechtmäßige Kirchenleitung. Dies ist für den Historiker Kunze das entscheidende Argument, von der Badischen Landeskirche als einer nach der Wiedereingliederung intakten Landeskirche zu reden. Die Pfarrerschaft anerkannte den Landesbischof und das Kollegium als rechtmäßige Kirchenleitung. Darum hatte die badische Landeskirche nicht nur eine „Sonderstellung“ oder „Mittelstellung“ zwischen zerstörten und intakten Kirchen. Sie war eine intakte Kirche. Auffallend an dieser Argumentation ist die zurückhaltende Beurteilung der Politik von Landesbischof Kühlewein, der als kirchlich Positiver Kompromisse mit den Deutschen Christen geschlossen hatte und zunächst der politischen Linie der Reichskirche folgte, dann aber klar umschwenkte. Prüfsteine dafür, ob die Landeskirche als intakt bezeichnet werden kann, sind der Umgang mit der ab 1938 vom badischen Innenministerium eingesetzten Finanzabteilung und die Bewährung der Bekenntnisorientierung gegenüber der nationalsozialistischen Religionspolitik in der badischen Pfarrerschaft. Über die Einrichtung von staatlichen Finanzabteilungen für die Landeskirchen wollte der NS-Staat die Kontrolle über die Kirchen behalten. Relativ spät wurde am 25. Mai 1938 durch den Reichskirchenminister in Baden eine Finanzabteilung errichtet. „Finanziell relevante Entscheidungen konnte die Kirchenleitung nun nicht mehr treffen. Der nun entbrennende Kampf um die Finanzabteilung beherrschte die Auseinandersetzungen zwischen der badischen Landeskirchen und dem NS-Regime bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Mit letzter Schärfe rangen die unter einem Dach im EOKGebäude in der Karlsruher Blumenstraße residierenden Behörden, die sich gegenPfarrvereinsblatt 7-8/2016 341 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 342 seitig Legalität und Legitimität absprachen, um die Durchsetzung ihrer kirchenpolitischen Position“ (80). Der Landesbischof protestierte schriftlich gegen die Errichtung der Finanzabteilung und ließ die Information in den Gemeinden verlesen. 420 Pfarrer und Vikare unterzeichneten einen Protest des Landesbruderrates. Der Protest konnte spürbare Konsequenzen haben, vom Torpedieren von Bewerbungen auf Pfarrstellen bis hin zur Sperrung des Gehalts. Die Finanzabteilung versuchte bei allen personalpolitischen Entscheidungen die Gestapo einzuschalten. Die Erpressung der bekenntnisorientierten Pfarrerschaft durch die Finanzabteilung, eine Politik der Denunziation, des Ausspielens der verschiedenen kirchlichen Gruppierungen gegeneinander und der Zermürbungskrieg schadete dem Ansehen der Volkskirche und schwächte sie. Wie verhielten sich nun die badischen Pfarrer? Wie nutzten sie Räume zur Artikulation des Bekenntnisses und zur Auseinandersetzung mit dem Regime. Rolf-Ulrich Kunze rekonstruiert auf der Basis der erschlossenen Korrespondenz, der Publikationsorgane und der Personalakten Mentalität und Entwicklung der badischen Bekenntnisgemeinschaft und der Deutschen Christen. Die Frage des Bekenntnisses beschäftigte nicht nur die Pfarrer, sondern auch die Gemeinden. Viele kirchlich positive Pfarrer schlossen sich der Bekenntnisgemeinschaft an. Dabei waren eine ganze Reihe von Ihnen Befürworter oder Anhänger des Nationalsozialismus. 342 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 Die Heterogenität der Bekenntnisgemeinschaft und auch der Deutschen Christen wird durch die Darstellung von einzelnen Pfarrerbiographien verdeutlicht. Der Widerstand gegen die Judenverfolgung beschränkte sich auf Einzelne, namentlich Prälat Hermann Maass und Gertrud Luckner mit ihren Helferinnen und Helfern. Welche Schlüsse lassen sich aus der Untersuchung ziehen? • Die Stärke der BK-Pfarrer in Baden speiste sich aus dem Lager der Kirchlich-Positiven, • Die Deutschen Christen waren zwar zahlenmäßig nicht so stark, hatten aber keine Minderheitenposition und waren keineswegs gemäßigt. • „Die Stärke der BK als neue Organisationsform der Kirchlich-Positiven ermöglichte den eigenartigen kirchenpolitischen Kurs der Karlsruher Kirchenleitung von der Eingliederung in die Reichskirche im Juli 1934 zur Ausgliederung im November 1934“ (378). • Die „theologiepolitischen Motivationen“ der BK Pfarrer waren sehr heterogen. Sie können „nicht pauschal mit Widerständigkeit identifiziert werden“, enthalten „allerdings ein breites Spektrum widerständigen Verhaltens“ (378). • „Einen evangelischen Widerstand, verstanden als Organisations- und Aktionsform politischen Widerstehens und der direkten Aktion gegen den NS-Staat gab es nicht“ (386). Die Kirchen waren keine Organisationen des politischen PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 343 Buchbesprechung Widerstands. Die Geschichte des Widerstands sollte vom „widerständigen Verhalten Einzelner“ (379) ausgehen und arbeitet mit einem biographischen Ansatz. Ursula Baltz-Otto Wovon wir leben. Worte in den Tag Radius-Verlag Stuttgart 2016, 262 Seiten, 18 Euro Dieses nüchterne Fazit macht uns jedenfalls deutlich, dass es damals wie heute auf den Einzelnen ankommt, auf sein Bekenntnis, seine Positionierung, seine Bereitschaft sich zu engagieren, zu organisieren, für eigene Überzeugungen und den eigenen Glauben einzutreten. Unterstrichen wird auch noch einmal, welche immense Bedeutung die staatskirchenrechtliche Absicherung der Selbständigkeit der Kirchen als Institutionen hat und eine klare Regelung des Verhältnisses von Kirche und Staat und des Zusammenwirkens auf der Grundlage der Religions- und Bekenntnisfreiheit. V ier Augen sehen, vier Ohren hören mehr als zwei. Im Gespräch, in der Zwiesprache erschließt sich die Welt. Es ist die Fruchtbarkeit des Dialogs, aus dem schöpferische Einsichten fließen. Das ist der methodische wie auch thematische rote Faden, der sich durch das neue Buch „Wovon wir leben“ von Ursula Baltz-Otto zieht. Wir leben von dem, was uns gesagt ist so gut wie von der Resonanz dessen, was Worte in uns bewegen. In diesem Fall sind es kurze morgendliche Radioansprachen der Autorin, Worte in den Tag, die auf SWR 2 über Jahre ausgestrahlt wurden. Anregende Miniaturen für alle, die den Tag geistvoll beginnen und beleben möchten. Versammelt sind in einer großen Gesprächsrunde Autorinnen und Autoren wie Ingeborg Bachmann und Marie Luise Kaschnitz, Max Frisch und Marc Chagall, Nelly Sachs, Hilde Domin, Erich Fried und Christa Wolf. Bert Brecht ist dabei und Anna Seghers, Rainer Maria Rilke und Martin Buber, Manés Sperber und Rose Ausländer, Pablo Neruda und Kurt Marti. Ein illustrer Freundeskreis von Gesprächspartner, die über die Zeiten hinweg in einen von der biblischen Tradition inspirierten Dialog treten. Nicht zu vergessen natürlich Dorothee Sölle, die langjähriPfarrvereinsblatt 7-8/2016 343 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 344 ge Freundin der Autorin und ihres verstorbenen Mannes, Gert Otto, Professor für praktische Theologie. In ungleichzeitiger Zeitgenossenschaft treffen Schriftstellerinnen und Dichter auf biblische Gestalten wie Isaak und Rebekka, David und Batseba, Josef und seine Brüder, David und Jonathan, Maria und Martha, Zachäus und die Frau am Jakobsbrunnen. Gott ins Gespräch bringen, darum geht es der Autorin, die beides ist, gelernte Germanistin wie studierte Theologin und viele Jahre zuständig war für den Dialog zwischen Religion und Literatur am Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Mainz. Auf Fragen von seelsorgerlich Kraft stößt, wer sich in das Buch vertieft: Was steckt in mir? Welche Vision vom Leben habe ich? Wie gehe ich mit Verlusten um? Was hilft mir Lebensübergänge zu bewältigen? Was bleibt schlussendlich, wenn nichts mehr zu machen ist? Und grundsätzlich: wer oder was trägt mich? Es sind Texte, die Augenblicke evozieren, „in denen etwas licht und klar wird, wo wir etwas Anderes sehen und verstehen“, die „Momente verdichteten Glücks“ aufspüren (S. 81). „Worte in den Tag“ in wörtlichem Sinn, die – mit einer Formulierung von Dorothee Sölle – „Fenster zum Himmel“ öffnen. Und wirklich – im Dreieck von biblischer Tradition, literarischen Zeugen der Gegenwart und dem fragenden Ich der Autorin gelingt, was Ziel und Absicht ist: dem alten Glauben neuen Atem einzuhauchen. ❚ Klaus Nagorni, Karlsruhe 344 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 345 Buchbesprechung Helmut Schwier (Hrsg.) Ethische und politische Predigt. Beiträge zu einer homiletischen Herausforderung Eine Veröffentlichung des Ateliers Sprache e.V. Braunschweig, Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2015, 232 Seiten, 24 Euro W ie kann man heute ethisch predigen? Welche Formen politischer Predigt gibt es? Wo liegen Chancen, wo Gefahren? Diesen Fragen stellte sich das Internationale Bugenhagen-Symposium im Jahr 2014. Die Vorträge dieses Symposiums finden sich in dem hier angezeigten Buch. Sie behandeln die Fragestellungen aus praktisch-theologischer, neutestamentlicher und systematisch-theologischer Perspektive. Helmut Schwier formuliert sieben eindrucksvolle Thesen zur ethischen Predigt. Ethische bzw. politische Predigt soll Zuspruch und Anspruch, Deutungen und Orientierungen in der jeweiligen gesellschaftlichen Situation liefern. Johan Cilliers gibt einen Überblick über ethisch-politische Predigten in Südafrika – damals und heute. Es gelingt ihm allein durch die Überschriften seiner Abschnitte das breite Spektrum politischer Predigt zu umreißen: zwischen Schweigen und Streiten, zwischen Scheiden und Staunen, zwischen Seufzen und Sehnen, zwischen Schämen und Spielen. Matthias Konradt fragt nach der Ethik des Neuen Testaments. Sie erschöpft sich nicht in einem Katalog von Verhaltensanweisungen. Auch narrative Texte sind ethisch relevant. Allein der Gesamtzusammenhang einer Schrift kann den Deutungsrahmen für ethische Aussagen bieten. So sind z. B. die strikten Texte der Ablehnung jeder Art von Scheidung eingebettet in Texte, die von der unbegrenzten Güte und Barmherzigkeit Gottes erzählen. Darum müssen ethische Aussagen im NT sowohl auf die übergreifenden ethischen Grundsätze als auch auf die Lebenswirklichkeit des antiken Umfelds hin analysiert und interpretiert werden. Diese Übersetzungsarbeit ist dann auch für die gegenwärtige Situation von Kirche und Welt zu leisten. Marco Hofheinz zeigt am Beispiel des Songs von Tim Bendzko „nur noch kurz die Welt retten“ das Problem der Hybris politischer Predigt. Sie kann und muss durch methodische Reflexion eingezäunt werden. Dazu gehören: Problemwahrnehmung, Situationsanalyse, Verhaltensoptionen, Prüfung von Normen und von Verbindlichkeit, mündend in einen Urteilsentscheid. Alexander Deeg, vielen bekannt durch seine dramaturgische Homiletik, geht von der Grundthese aus, dass jede Predigt ethisch und politisch ist. Er bietet unter dem Titel „Ethisch predigen und die Bibel inszenieren“ eine Fülle von dramaturgisch-homiletischen Reflexionen zur ethischen Predigt. Angela Rinn widmet sich der ethischen Predigt aus der Sicht der NeurowissenPfarrvereinsblatt 7-8/2016 345 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 346 In memorian schaft. Sie zeigt am Beispiel der Wirkung von Erzählungen, das Menschen soziales Verhalten und Einfühlungsvermögen aus Erzählungen lernen können. Überraschend ihr Rat: Predigende können von Kriminalromanen lernen, nicht nur, wie man Spannung aufbaut, sondern auch, wie man gesellschaftliche Schichten sachgemäß beschreiben kann, und wie wichtig die Wahrnehmung der Lesenden bzw. Hörenden ist, die auf das Gelesene mit Vergnügen, mit Entsetzen, mit Ablehnung oder mit Mitgefühl reagieren. Manuel Stetter bietet Überlegungen zu drei Verfahrensweisen ethischer Predigt: anschauliche Darstellung in narrativer Form, diskursive Argumentation, die auf Überzeugung und Akzeptanz zielt, und schließlich Glaubwürdigkeit in der Vertretung ethischer Positionen. Kathrin Oxen fragt nach der Bedeutung politischer Predigt für die homiletische Ausund Fortbildung, die eine genaue Wahrnehmung und Wachsamkeit von Christinnen und Christen erfordert, und zeigt die Gründe, warum es dagegen Widerstände gab und gibt. Eine besondere Zugabe des Symposiums war ein homiletischer Stadtrundgang zu den Kanzeln von. Martini und des Doms zu Braunschweig, auf denen Auszüge aus Predigten, die in diesen Kirchen in einem Zeitraum von der Reformation bis ins 20. Jahrhundert gehalten worden waren, gelesen wurden. Dieter Rammler gestaltete und dokumentiert in diesem Band diesen Stadtrundgang. ❚ Jürgen Kegler, Plankstadt 346 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 Hannelis Schulte * 20. Dezember 1920 † 12. April 2016 I m April dieses Jahres ist Hannelis Schulte im Alter von 95 Jahren gestorben. PD Dr. theol. Johanna Elisabeth Schulte war die erste Frau im Talar, die ich gesehen habe. Sie hielt einen Gottesdienst im Matthias-Claudius-Heim in Heidelberg-Ziegelhausen, in dessen Nachbarschaft sie wohnte. Lange bevor ich sie in diesem kleinen Raum hatte predigen hören, hatte ich schon von ihr gehört. Sie hatte mit meinem Vater, der Gemeindepfarrer geworden war, studiert. Noch wusste ich nicht, dass Frau und Kanzelrecht in meiner Kirche bis 1971 unvereinbar miteinander waren. Wurde in den 1950er und 60er Jahren in Kirchenkreisen von Hannelis Schulte gesprochen, dann mit kritischem Respekt. Sie war Theologin und sie vertrat in der Öffentlichkeit ihre von der herrschenden politischen Position abweichende Entscheidung. Das waren gleich zwei mit dem Predigtamt der Landeskirchen unvereinbare Voraussetzungen. Sie arbeite von 1950 bis 1981 als Religionslehrerin an verschiedenen Gymnasien. Von 1982 an war sie Dozentin der theologischen Fakultät der Universität Heidelberg. Hannelis Schulte bezog als Theologin eine friedenspolitische Position von Anfang an. Als Mitglied der DFG (Deutsche Friedensgesellschaft, gegründet 1892, älteste Organisation der deutschen Friedensbewegung), deren Bundesvorsitzende Hannelis Schulte von 1966 bis 1974 war, verortete sie sich auch frauenpolitisch in der PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 347 älter als 100jährigen Tradition der internationalen Frauenfriedenskongresse. Im Unterschied zum Mainstream der allgemeinen deutschen und evangelischen Frauenbewegung sprachen sich diese bereits vor den beiden Weltkriegen ausdrücklich gegen Kriege als Mittel zur Durchsetzung nationaler Interessen aus. Im badischen Komitee „Freiheit für Wort und Dienst in der Kirche” (gegründet im April 1975 in Frankfurt als Reaktion auf die Übernahme des „Radikalenerlass” in verschiedenen Landeskirchen) haben wir zusammengearbeitet. In den 1980er Jahren hat sie mich angefragt, bei Friedensdemonstrationen öffentlich das Wort zu ergreifen. Ihr verdanke ich die Einsicht, dass der Kampf ums Kanzelrecht ein Nebenschauplatz ist, wenn es um Krieg und Frieden, wenn es um das Zusammenleben aller auf Erden geht. Dieser Kampf ist öffentlich auszutragen. Das Thema verpflichtet und berechtigt zu öffentlicher Rede. Die Initiativen der Frauenarbeit der Ev. Landeskirche in Baden „Von nun an” 1982, der „Bittgang für das Leben” 1983 und von 1984 an „Unterwegs für das Leben” sind, was mich als eine der Initiatorinnen dieser Aktionsformen betrifft, von meiner Zusammenarbeit mit Hannelis Schulte geprägt worden. Immer wieder sind wir uns bei Aktionen für Frieden und Gerechtigkeit auf der Straße begegnet. Ihr begegnen, ermutigte zum öffentlichen politischen Dialog, nötigte zur eigenen Stellungnahme. Von 1999 bis 2004 war sie Mitglied des Heidelberger Gemeinderats. Sarah Mirow von Die Linke/Piraten schreibt im Heidelberger Stadtblatt „Wir werden Hannelis' Stimme vermissen“. So geht es auch mir. In Erinnerung an Hannelis Schulte kommt mir ein Satz von Simone Weil in den Sinn „ ... nicht glauben, Rechte zu haben. Das bedeutet nicht die Gerechtigkeit in Frage zu stellen oder zu deformieren, aber wir können nicht mit Recht erwarten, dass die Dinge gemäß der Gerechtigkeit geschehen, zumal wir doch selbst weit davon entfernt sind, gerecht zu sein. Es gibt eine schlechte Art zu glauben Rechte zu haben, und eine schlechte Art zu glauben, keine zu haben“ (Leitwort zum Buch „Wie weibliche Freiheit entsteht“ Eine neue politische Praxis, herausgegeben von Libreria della donne di Milano, 1987) Mehr zu Hannelis Schulte findet sich bei wikipedia. ❚ Eva Loos, Heidelberg Traueransprache für Hannelis Schulte Liebe Trauergemeinde, liebe Freundinnen und Freunde! In den Basisgemeinden Lateinamerikas werden die verstorbenen Schwestern und Brüder geehrt, indem man ihren Namen ruft, worauf die Gemeinde mit einem „Presente!“ antwortet: „Sie sind da!“ in dem, was wir in ihrem Sinne und zu ihren Ehren weiter tun. Wenn wir uns nun von Hannelis Schulte verabschieden, sollte ihr Vermächtnis noch einmal lebendig werden, ihr lebenslanges Engagement für Gerechtigkeit und Frieden, das sie an uns weiterPfarrvereinsblatt 7-8/2016 347 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 348 gibt, und wer mag, kann in den Ruf einstimmen: Companera Hannelis, Presente! Lassen Sie mich Hannelis Schulte also für einen Augenblick herbeirufen und präsent sein lassen, als Lehrerin und Theologin, als politische Aktivistin und Frauenrechtlerin und schließlich als Ikone der Friedensbewegung, nicht nur in Heidelberg. Am Wochenende hat die Internationale Christliche Friedenskonferenz auf der Frauenkonferenz in Berlin ihrer gedacht, darunter einige alte Mitstreiterinnen aus den Tagen der ersten großen Friedensbewegung gegen die Wiederbewaffnung der BRD. Unzählige Kilometer hat sie seit damals zurückgelegt, bei Ostermärschen, Menschenketten, Großdemonstrationen und Umzingelungen von Militärdepots, gegen die Logik des Wettrüstens, die Gefahren des „Kalten Krieges“, gegen die Strukturen von Ungerechtigkeit und Gewalt. Sie stand für den Dialog von Christen und Marxisten, gehörte zu den Christen für den Sozialismus und stand am Ende im Heidelberger Stadtrat für eine linke Alternative, um denen eine Stimme zu geben, die in unserer Gesellschaft so oft im doppelten Sinne „nichts zu sagen haben.“ Zugleich war sie Teil der weltweiten Bewegung für die Gerechtigkeit, ohne die es keinen Frieden geben kann. Die Nähnadelfabrik in Vietnam und die Solidaritätskonzerte für Chile sind mit ihrem Namen und ihrer Sammelbüchse aufs Engste verbunden. Schließlich verkörperte sie in ihrer Person die drei großen Ziele des „Konziliaren Prozesses“ in einer ökumenischen Bewegung für „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“. 348 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 Manches davon ist bereits Geschichte und doch nach wie vor von brennender Aktualität. Dass es ohne Gerechtigkeit keinen Frieden geben wird, dass das System von Feudalkapitalismus und Neoliberalismus auch den christlichen Werten Hohn spricht, war Hannelis Überzeugung, und die uns alle bedrängenden gegenwärtigen Herausforderungen haben sie darin bestätigt. Dass sie aber dabei nie resigniert und ihre kritische Haltung bis zuletzt nicht aufgegeben hat liegt vor allem daran, dass die tiefsten Wurzeln ihres politischen Engagements in den großen biblischen Gerechtigkeits- und Befreiungstraditionen liegen, die über die Erfolge und Niederlagen des Tages hinausreichen. Der in der hebräischen Bibel so zentrale Begriff des Schalom als eine Zusage Gottes an die gesamt Schöpfung, dass es Befreiung geben soll von Ungerechtigkeit und Krieg, Ausbeutung und Gewalt, ist und bleibt die Hoffnung derer, die sich in einer Welt der Gewalt nicht zu den Siegern zählen können oder wollen. Diesem Schalom hat sich Hannelis verschrieben und sie hat ihn praktiziert, nicht nur bei Friedensdemonstrationen. Viele von uns wissen um ihre Liebe zur Natur und ihre Fürsorge für Pflanzen und Tiere, um ihre auch persönlich praktizierte Solidarität, um ihren liebevollen Umgang mit Schulkindern und Studierenden. In all dem war sie ganz sie selbst, gehörte keiner wissenschaftlichen, kirchlichen, gesellschaftlichen oder politischen Fraktion an, sie folgte keinem Mainstream und keiner Mode. Sie fand ihren Weg und ihre Weisung für diesen Weg PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 349 aus der Schrift, die sie am besten kannte und am meisten liebte, aus der hebräischen Bibel. Ihre Abschiedsvorlesung an der Theologischen Fakultät trug den Titel „Warum ich das Alte Testament lieb habe“, und so wie der Titel sind auch ihre Ausführungen eine Liebeserklärung an dieses Buch der Weisungen – hören wir noch einmal ein wenig ihre Stimme: „Ich liebe das AT, weil es so viele schöne Erzählungen enthält.“ Hannelis war eine wunderbare Erzählerin! Als ich als ihre Nachfolgerin an der Gesamtschule Weinheim den Religionsunterricht übernahm, hörte ich ihr einige Stunden zu, denn ich war dazu verdonnert, diese von den Kindern geliebte Tradition fortzusetzen. Und ich habe dabei begriffen, wie sehr unsere jüdisch-christliche Tradition eine erzählte Erinnerungstradition ist, bei der die Erinnerung zugleich eine Vergegenwärtigung von Befreiungserfahrungen sein soll. Diese „große Erzählung“ lebendig zu halten als eine Vision, die „Zukunft und Hoffnung“ geben kann, darin war mir Hannelis ein Vorbild, sowohl in der Schule als auch danach in der Hochschule. Hannelis fährt fort: „Was zeichnet die Geschichten des AT aus? Als erstes … ihre tiefe Menschlichkeit. Da werden keine tadellosen Menschen vorgeführt, sondern Menschen wie wir, mit ihren Fehlern und Stärken.“ Es geht um Menschheitswissen, um Männer- und vor allem Frauenerfahrungen, nachvollziehbar bis heute. In Hannelis Erzählungen tauchten keine frommen Legenden auf, sondern ohne Tabus das Leben, wie es ist, voller Widersprüche und doch in ihnen voller Hoffnung. In ihrem Buch mit dem Titel „Und dennoch gingen sie aufrecht“ zeigte sie die Frauen des AT, die im Patriarchat und zugleich gegen das Patriarchat ihre Würde zu wahren wussten. Dabei galt ihre besondere Liebe und Bewunderung der Sklavin Hagar, die, als Alleinerziehende in der Wüste, die Freiheit der Sicherheit im Haus des Patriarchen Abraham vorzog. Zwischen den Zeilen wird eine diebische Freude sichtbar darüber, dass Hagar darin bestärkt wurde durch eine göttliche Verheißung für sie und ihren Sohn. Das fand Hannelis richtig gut, war es doch die Erfahrung ihrer Frauengeneration, dass selbstbestimmtes Leben manchmal nur möglich war, wenn frau einem potentiellen Patriarchen den Laufpass gab – um stattdessen auf Augenhöhe, im sportlichen Kleppermantel, mit den Patriarchen der Friedensbewegung, Gustav Heinemann und Martin Niemöller, zusammen zu arbeiten und zu demonstrieren. Am meisten bewunderte und verehrte Hannelis jedoch die Prophetengestalten, vor allem den Propheten Jeremia mit seinem „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ und seinem historischen Auftrag. „Ich liebe das AT, weil es weithin unmythologisch und stattdessen geschichtlichpolitisch redet … Der Glaube ist im AT auf das Reden Gottes bezogen, ob im Traum oder im Wachtraum, der Vision.“ Ihre eigene Erfahrung mit der Stimme Gottes mag dazu beigetragen haben, dass sie der Überzeugung gewesen ist, dass es sich bei dem „prophetischen Wortempfang … nicht um einen Bestandteil eines vergangenen Weltbildes handelt sondern um Phänomene, die in unPfarrvereinsblatt 7-8/2016 349 PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 350 sere Erfahrungswelt gehören.“ Ihre besondere Aufmerksamkeit galt dem prophetischen Wort für Gerechtigkeit, für Ethik statt Opferkult: „Auf die Frage: Wo kann ich Gott begegnen? Antworten sie: nicht im Heiligtum, nicht beim Brandopferaltar, sondern da, wo Witwen und Waisen geholfen wird!“ Und sie fährt fort: „Die Propheten fordern nicht zum Almosen für Witwen und Waisen auf, sondern dazu ihnen ihr Recht zu verschaffen, um die Durchsetzung der Menschenrechte – gerade der sozialen Menschenrechte geht es ihnen“, und damit um die Kritik an anderen Auslegungen des Willens Gottes, die sich ebenso in biblischen Texten finden. Wer aber wird am Ende Recht behalten? Zum Ende ihres Vortrags macht Hannelis deutlich, dass das AT ein einziger Streit um Gott ist, um das Gottesbild, um die Gottesauslegung, und dass die Entscheidung für die prophetische Gerechtigkeitstradition in unserem Verstand und unserer Freiheit und in unserer Praxis liegt. Sie hat sich mit aller Radikalität und mit ihrem ganzen Leben dafür entschieden. Deshalb möchte ich mit einem prophetischen Wort aus dem Buch Daniel enden, mit dem erstmals im AT eine Vision von einer Wirklichkeit auftaucht, die über das Ende eines Lebens hinaus reicht. Es ist ein Wort, das wie für Hannelis Schulte aufgeschrieben wurde: „Die Lehrer und Lehrerinnen der Gerechtigkeit werden leuchten wie die Sterne am Himmel immer und ewig“. Amen. ❚ Renate Wind, Nürnberg 350 Pfarrvereinsblatt 7-8/2016 "Freud und Leid" wurde in der Online-Ausgabe zum Schutz der persönlichen Daten entfernt PV_1682_Pfarrblatt_7 8 2016.qxp_März/April 2015 20.07.16 13:16 Seite 352 Thema Zu guter Letzt Wortgeburten rtgeburt. rtdurchfall ist die Wo Das Gegenstück zum Wo t. eug und überz Hier zeugt das Wort erisch, kreativ. öpf sch ist rt Solches Wo en wird, schafft es. Indem es ausgesproch Welt hervor. ser Kraft. Es bringt die Gottes Wort ist von die rt. (Joh 1,1) Im Anfang war das Wo rde Licht. Und Gott sprach, es we n 1,3) Und es wurde Licht. (Ge Himmels Wasser unterhalb des Dann sprach Gott: Das ar werde. htb sic ne Ort, damit das Trocke sammle sich an einem ) 1,9 So geschah es. (Gen ttes Wort. ht nur geboren aus Go Schöpfung ist aber nic Go em tt unablässig im Dasein bewahrt, ind Schöpfung wird auch Wort spricht. dieses schöpferische „aufrichtend” tend”, „ausrichtend” und Gottes Wort wird „rich Wort nahe. nem sei in n. Gott kommt uns de len vol ng pfu hö Sc die sein Volk, die Kirche. Gottes Wort schafft ntwegt neu: Er schafft sie auch une elle aller Qu die Wort Gottes ist er). (…) rtn Kö .U. (H Kirchenreform orte Gotteswort - Kirchenw schöpferische raut, dieses Der Kirche ist anvert en. hlicher Weise zu sprech nsc me in Gottes-Wort ist üllt gef e ch r Kir Nur wenn das Wort de s, kann sie überzeugen. tte Go rt Wo n de vom zeugen „Mund Gottes”. phetische Tradition – Sie wird dann – gute pro swort und leiht in das zeugende Gotte Sie schmiegt sich ein sch macht. (…) : was allein sie propheti ihrem Gott den Mund Wir wissen zuviel en, dagegen: Wir, die Kirch Doch zunächst halte ich erzeugend. üb ht nic mit da und t, leichtfertig eck ed ung ls ma oft en ort red sw . nicht aber ist es Gotte Es sind Kirchenworte, . wenn wir zuviel wissen Das ist dann der Fall, ). e zur falschen Zeit. (Sir 22,6 Musik zur Trauer ist eine Red , Seiten 26f, 29, 31 flage Aus: Paul M. Zulehner, Wie 2.Au , 1998 g verla chfall. Schwaben Wider den kirchlichen Wort-Dur
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