Sambia vor der Wahl Friedlicher Wahlausgang erwartet I Neue Regierung vor wichtigen Entscheidungen von Johannes Kurt In den letzten drei Dekaden ist Sambia weitestgehend unter dem Radar der internationalen Politikbeobachter geblieben. Anders als in seinen Nachbarländern Angola, der Demokratischen Republik Kongo, Mosambik und Simbabwe, hat Sambia Exzesse der politischen Gewalt vermieden. Zuletzt wurde das Land aber zum wirtschaftlichen und politischen Hoffnungsträger im Südlichen Afrika. Das Land wählt am 11. August 2016 zum zweiten Mal innerhalb von 18 Monaten einen neuen Präsidenten. Wahlkampf und –ergebnis bringen für das Land wichtige Weichenstellungen. Über zehn Jahren beeindruckte das Land auf dem zentralafrikanischen Hochplateau nicht nur mit einem jährlichen Wirtschaftswachstum, das zwischen 2005 und 2015 bei durchschnittlich 6,6 % lag. Sambia ist auch eines von nur vier Ländern innerhalb der Southern African Development Community (SADC), die zweimal eine friedliche Transition der Regierungsübergabe an eine Oppositionspartei vollziehen konnten.1 Aufgrund der stabilen politischen Rahmenbedingungen und konnte Sambia im südlichen Afrika nach Südafrika und Angola zur drittgrößten Volkswirtschaft aufsteigen. Rückgrat der sambischen Wirtschaft war und ist der Kupferbergbau, der mit rund 70% zu den Exporteinnahmen beiträgt. Bis 2014 war Kupfer Dank hoher Weltmarktpreise und erhöhter Förderung der treibende Faktor des Wirtschaftswachstums in Sambia. Auch abseits der reichhaltigen Bodenschätze ist Sambia einer der interessantesten Wirtschaftsstandorte im südlichen Afrika und verfügt über ein günstiges Klima, bedeutende ungenutzte landwirtschaftliche Nutzflächen sowie riesige Wasserreserven. Eine kaufkräftige und konsumfreudige Mittelschicht bevölkert die Einkaufszentren der Großstädte Lusaka, Kitwe und Ndola. Sambia wurdeim Laufe des letzten Jahrzehnts zu einem der Staaten des „Afrika der Chancen“.2 Wie die meisten Rohstoffökonomien Afrikas ist Sambia schwer von der schwachen Konjunktur Chinas und den in der Folge niedrigen Weltmarktpreisen für Kupfer getroffen worden. Fast zeitgleich zur wirtschaftlichen Talfahrt des Landes verstarb im Oktober 2014 Sambias Präsident Michael Sata im Amt. Bei den Neuwahlen im Januar 2015 setzte sich mit knapper Mehrheit Edgar Lungu als Kandidat der Regierungspartei durch. Nach 18 Monaten wählt Sambia am 11. August 2016 erneut seinen Präsidenten. Der Wahlgewinner wird vor einer Reihe großer Herausforderungen stehen und wichtige Reformen auf den Weg bringen müssen. Sambia vor der Wahl: Präsident, Herausforderer und eine mögliche Königsmacherin Zur Präsidentschaftswahl 2016 treten neun Kandidaten an, entschieden wird die Wahl aber in einem engen Kopf-an-Kopf Rennen zwischen dem amtierende Präsidenten Edgar Lungu (59) und dem wichtigsten Oppositionsführer Hakainde Hichilema (54). Herausforderer Hichilema ist einer der wohlhabendsten Geschäftsmänner Sambias und seit 2006 Vorsitzender der United Party for National Development (UPND). Er hat eine prominente Allianz von ehemaligen Politikern der Regierungspartei Patriotic Front (PF) hinter sich vereinen können, die gemeinsam mit ihm bei Wahlkampfveranstaltungen in den PF-Hochburgen auftreten. Zulauf hat Hichelema ebenfalls aus der früheren Regierungspartei Movement for Multiparty Democracy (MMD) erhalten, die über internen Machtkämpfen zusammengebrochenen war und in dieser Wahl keine Rolle mehr spielt. Als Vizepräsidenten in spe hat Hichilema den kontroversen Geschäftsmann und Politiker Geoffrey Bwalya Mwamba (56), genannt GBM, ausgewählt. Die Nominierung von GBM könnte sich als 1 Die anderen sind Lesotho, Malawi und Mauritius http://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Maerkte/Dossiers/sambia-neuemaerkte.html?view=renderPdf 2 strategischer Fehler in der Kampagne von Hichilema erweisen. GBM gilt als skandalträchtiger Provokateur, der im Falle eines Rücktritts oder Ablebens von Hichilema aber ins Präsidentenamt nachrücken würden. Nachdem in Sambia zwei der bisher sieben Präsidenten im Amt verstorben sind, sind, schlachtet die PF dieses Szenario in ihrem Wahlkampf gnadenlos aus. Dennoch sollte Hichilema im Süden, Westen und Nord-Westen des Landes dominieren. Präsident Edgar Lungu muss sich also nach nur 18 Monaten im Amt wieder einem harten Wahlkampf stellen. Nach dem Tod seines Vorgängers Michael Sata, ging er überraschend aus den internen Machtkämpfen der PF als Präsidentschaftskandidat hervor und konnte sich bei der Wahl im Februar 2015 in einem hauchdünnen Sieg gegen Hichilema durchsetzen. Nach seinem ebenso kometenhaften wie von Zufällen bedingten Aufstieg ins Amt des Präsidenten, hat Lungu mittlerweile seine Position innerhalb der PF konsolidiert und führt die Partei unangefochten an. Lungu hat die amtierende Vize-Präsidentin Inonge Wina (75) auch für eine mögliche zweite Amtszeit in ihrer Position bestätigt. Damit setzt er nicht nur ein Zeichen für Kontinuität sondern hofft auch auf Wählerstimmen aus dem Westen des Landes, der Heimat von Wina. Die PF führt ihren Wahlkampf mit dem Slogan 'Sonta Epowabomba' was so viel bedeutet wie „Zeigt auf das was Du erreicht hast“. Mit dem Verweis auf die Fertigstellung von Hospitälern, Straßen und Schulen wirbt der amtierende Präsident mit einigem Erfolg um eine weitere Amtszeit. Edith Nawakwi (58) tritt für das „Forum for Democracy and Development“ als Präsidentschaftskandidatin an. Obwohl sie unter den drei Kandidaten mit Abstand die erfahrenste Politikerin ist, hat sie keinerlei Aussichten auf die Präsidentschaft. Die ehemalige Finanzministerin wird als Wahldritte vermutet. Sollte es zu einer Stichwahl kommen, kann Nawakwi zur Königsmacherin werden, da sie wichtige Wählerstimmen mobilisieren kann. In diesem Fall dürfte Edgar Lungu die besseren Karten haben, da er sich schon früh im Wahlkampf die Unterstützung von Edith Nawakwi gesichert hat.3 Angriff auf die Pressefreiheit und Gewalt im Vorfeld der Wahl In den letzten Jahren lieferte Sambia im Vergleich zu seinen Nachbarn keine Schlagzeilen zu politischer Repression. Dennoch haben sich über die letzte Dekade Sambias Indikatoren zur guten Regierungsführung verschlechtert.4 Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen kommt es nun vermehrt zu gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den sog. Kadern der Regierungspartei und der größten Oppositionspartei. Die Schließung der einzigen unabhängigen Tageszeitung „The Post“ durch Regierungsbehörden und mit großem Polizeiaufgebot hat Sambia nun auch die Aufmerksamkeit der internationalen Presse beschert.5 Die Berichterstattung der Post war zuletzt sehr regierungskritisch und unterstützte zugleich offen den Präsidentschaftskandidaten der UPND, Hakainde Hichilema. Begründet wurde die Schließung mit der ausstehenden Zahlung von Steuerschulden in Höhe von 53 Mio. Kwacha (rund 5 Mio. US-Dollar). Fred M`membe, Herausgeber der Post weist diese Anschuldigungen zurück. Ein erst kürzlich erwirkter Gerichtsbeschluss habe ihm sogar die Fortsetzung der Produktion garantiert, bis der Streit um die Steuerschuld beigelegt sei, sagt M´membe. Die Post wird seit der Schließung aus dem Untergrund heraus publiziert und erscheint in einer reduzierten, nur acht Seiten starken Auflage. Der Angriff auf die verfassungsrechtlich garantierte Pressefreiheit wurde durch Amnesty International scharf verurteilt und eine sofortige 3 http://zambianeye.com/archives/44869 http://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/zambia 5 http://www.economist.com/news/middle-east-and-africa/21702179-lively-government-critic-feels-heat-crypress-freedom?zid=304&ah=e5690753dc78ce91909083042ad12e30 4 Rücknahme der Schließung gefordert.6 Das International Press Institute werte die Schließung als „Angriff auf die Demokratie“ die insbesondere im Vorfeld der Wahl „verstörend“ sei.7 Ähnliche Bedenken wurden von der EU-Botschaft, der Botschaft der Vereinigten Staaten sowie der Organisation Common Market for Eastern and Southern Africa (COMESA) geäußert - bisher ohne Reaktion seitens der Regierung. Eine vermeintliche Wahlkampfstrategie der PF wurde bereits vor einigen Monaten offengelegt, als über die Plattform „Open Zambia“ ein Dokument veröffentlicht wurde, in dem die PF eine „Brutalisierung“ des Wahlkampfs über die Parteikader, die Schließung der Oppositionsmedien und die Zerstörung der Wahlkampfplakate der UPND als Strategie ankündigte.8 Die Echtheit des Dokuments darf angezweifelt werden. Fakt ist allerdings, dass in den dicht besiedelten Armutsvierteln, den sog. Compounds, regelmäßig brutale Straßenschlachten der Parteikader stattfinden und die Wahlplakate der UPND in der gesamten Stadt systematisch zerstört werden. Aus den UPND-Hochburgen werden ebenfalls gewaltsame Übergriffe auf die Parteizentralen der PF gemeldet. Die Sicherheitslage in Sambia ist trotz der Ausschreitungen weiterhin gut, dennoch mehren sich die Zeichen dafür, dass die Regierungspartei anscheinend mit allen Mitteln den Wahlausgang beeinflussen will. Wahlbeobachtungsmissionen der EU, der SADC und der Afrikanischen Union haben mittlerweile ihre Posten in Sambia bezogen, um die faire Durchführung der Wahl zu überwachen. Sambias Wirtschaft angeschlagen Die angespannte politische Lage ist auch Ergebnis einer nunmehr anderthalbjährigen ökonomischen Talfahrt. Das Rückgrat der sambischen Wirtschaft, der Kupferbergbau, wird über direkte und indirekte Folgewirkungen des Konjunkturklimas maßgeblich beeinflusst. Die geringere Nachfrage aus China sorgte 2015 für eine spürbare Abkühlung: das Wachstum sank nach Prognosen unter 4%. Dieser Wachstumspfad wird sich mittelfristig konstant fortsetzen, bis 2020 soll die durchschnittliche Steigerungsrate bei etwa 4% liegen.9 Die kurzfristigen Effekte sind allerdings schwerwiegend: In Sambias Bergbausektor sind rund 15.000 Arbeiter entlassen worden. Jedes Gehalt eines Kumpels versorgt weitere 15 Personen in dessen Familie und Freundeskreis, wodurch die Bergbauregionen des Landes vor massive Probleme gestellt sind.10 Der niedrige Kupferpreis lässt die Exporterlöse einbrechen und sorgt für einen Wechselkursverfall der Landeswährung Kwacha, die Inflationsrate lag im Juni 2016 bei 20%. Für die importabhängige Wirtschaft verteuern sich die Preise. Die Regierung erhöhte seit 2011 die Kreditaufnahme, u.a. mit drei Eurobonds von insgesamt 3 Mrd. US$ sowie vielen projektbezogenen Krediten. Die Nettoverschuldung hat sich seit 2011 beinahe verdoppelt (2015: etwa 57% des BIP) und das Haushaltsdefizit betrug 2015 rund 7%. Mehre Delegationen des Internationalen Währungsfonds waren in den letzten Monaten in Sambia. Es gilt als sicher, dass sich das Land ungeachtet des Wahlausgangs spätestens im ersten Quartal 2017 unter den Schirm des IWF begeben muss, um seine angeschlagene Währung zu stabilisieren.11 Wichtigste Aufgabe nach den Wahlen wird es sein, die Diversifizierung des Landes voranzutreiben und die Wirtschaft von externen Schwankungen an den Rohstoffmärkten unabhängiger zu machen. 6 https://www.amnesty.org/en/latest/news/2016/06/zambia-closure-of-independent-newspaper-a-ploy-tocrackdown-on-freedom-of-the-press/ 7 http://www.freemedia.at/zambia-shutters-the-post-newspaper-ahead-of-elections/ 8 http://www.openzambia.com/2016/06/exclusive-operation-777-pfs-strategy-to-rig-results-and-brutalizeopposition/ 9 http://country.eiu.com/zambia 10 http://www.nytimes.com/2015/12/03/world/africa/zambia-china-economic-slowdown.html 11 http://www.economist.com/news/finance-and-economics/21695939-africa-discovers-downside-foreignborrowing-ante-upped Das Glas ist halb voll - Erhöhter Druck zur Diversifizierung „Das Glas ist halb voll“, wird die Wirtschaftsministerin der PF, Margaret Mwanakatwe (48), nicht müde bei jeder Gelegenheit zu wiederholen.12 Während des ökonomischen Booms sind rund 8 Mrd. US-Dollar an Direktinvestitionen ins Land geflossen und haben Arbeitsplätze geschaffen und den Infrastrukturausbau vorangetrieben. Auch Wirtschaftsführer sind sich einig, dass die letzten zehn Wachstumsjahre unter stabilen politischen Bedingungen Sambia nachhaltig transformiert haben. Dennoch hat die sambische Wirtschaft noch nicht den Diversifizierungsgrad erreicht, der die notwendige Widerstandskraft bringt, um externe Schocks wie den jüngsten Kupferpreisverfall abfedern zu können. Das während des ökonomischen Höhenflugs Sambias immer wieder bemühte Narrativ von „Africa Rising“ relativiert sich also. Aktuell zeigt sich, welcher Reformstau in Sambia entstanden ist. Durch die außerordentliche Präsidentschaftswahl 2015 ist ein fast zweijähriger Dauerwahlkampf entstanden und viele schwierige Themen sind nicht konsequent angegangen worden. Subventionen für Strom- und Treibstoffpreise müssen reduziert werden. Das Ausbildungswesen muss verbessert und die Produktivität erhöht werden. Die zentralistisch organisierte staatliche Verwaltung zeichnet sich bei personeller Überbesetzung und steigenden Gehältern immer mehr durch Inneffizienz, Korruption und fehlende Qualifikation aus. Haupthindernisse für eine effiziente Reformpolitik waren in den letzten Monaten vor allem die langwierigen Entscheidungsprozesse der Behörden. Aufgrund der Angriffe auf die Pressefreiheit und die anhaltende Gewalt unter den Parteikadern wird Sambia nicht ohne Schrammen am demokratischen Image aus der Wahl gehen. Wichtig ist es, diese nicht als Kollateralschäden einer Wahl hinzunehmen, die höchstwahrscheinlich ohne größere Gewaltexzesse ablaufen wird und dennoch schon jetzt nicht den Standards eines Rechtsstaates genügt, den Sambias Bevölkerung verdient und den der Wirtschaftsstandort Sambia benötigt. Die neue Regierung muss nach der Wahl dringend eine Verbesserung der erodierenden Parameter der guten Regierungsführung angehen, ohne die Impulse für ein Ende des Reformstaus schwer möglich sein werden. Nach den Wahlen steht die dann gewählte Regierung vor einer Reihe von Herausforderungen. Aus wirtschaftspolitischer Perspektive sind vor allem zusätzliche Impulse zur Diversifizierung der Wirtschaft nötig, um zukünftig die direkte und indirekte Abhängigkeit von Rohstoffpreisen zu reduzieren. Für eine erfolgreiche Diversifizierung der Wirtschaft bestehen angesichts des hohen Entwicklungspotentials sowie der konkreten Geschäftschancen alle Möglichkeiten. Es wird entscheidend sein, die eine kohärente Strategie der wirtschaftlichen Diversifizierung zu entwickeln und diese nicht nur wie zuletzt mehr wortreich als tatendurstig zu verfolgen. Für die Zusammenarbeit mit einer auf fünf Jahre gewählten Regierung stellt sich auch für die deutsch-sambische Wirtschaftskooperation die Frage nach dem Fokus der Zusammenarbeit. Im Energiesektor, in der Landwirtschaft sowie im Wassermanagement bestehen nicht nur Geschäftsmöglichkeiten sondern auch große unternehmerische Expertise in Deutschland. Der Energie- und Landwirtschaftssektor bieten erhebliches wirtschaftliches Wachstumspotential, die Bedeutung des Wassermanagements in Sambia und der Region steigt von Jahr für Jahr. Eine Umfrage der AHK südliches Afrika hat ergeben, dass 50% der südafrikanischen Kammermitglieder bereits Geschäfte in Sambia machen und über 30% an einem Neugeschäft in Sambia interessiert sind. Aus diesem großen Interesse gilt es ein konkretes, auf strategisch wichtige Sektoren zugeschnittenes Angebot an Sambias Regierung zu formulieren, um Beteiligungsmöglichkeiten an der Weiterentwicklung der sambischen Wirtschaft zu schaffen. 12 http://www.zambiapretoria.net/zambia-south-africa-business-council-launched/
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