JAGDWERKZEUGE IM JAGDREVIER Die erste Flinte: Worauf es ankommt Die Anschaffung der ersten Flinte, insbesondere nach einer Jagdprüfung, ist ein schwieriges Unterfangen, möchte man ja mit seiner Flinte erfolgreich jagen und/oder eine gute Figur auf dem Schießplatz machen. – Das WEIDWERK gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen, die vor dem Kauf der ersten Flinte anstehen! Text & Fotos Norbert Steinhauser E s gibt viele unterschiedliche (Fach-)Meinungen, die den Jungjäger unsicher machen und den Kauf einer geeigneten Flinte erschweren. Neben dem erforderlichen Budget sind es unzählige Fragen, die sich der Jungjäger stellt, um eine Flinte ganz nach seinen persönlichen Bedürfnissen und Ansprüchen erwerben zu können. Nachstehend sollen die wichtigen Fragen, die man sich vor dem Kauf einer Flinte stellen sollte, fachkundig beantwortet werden: Soll die erste Flinte neu gekauft werden oder kann sie auch gebraucht sein? Jungjägern werden oftmals von Weid kameraden nicht mehr benötigte Jagdflinten angeboten. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollte sich der Jungjäger beim Kauf einer ge brauchten Flinte unbedingt an den Fachhandel wenden. Eine Inspektion und Kontrolle der Funktion mit allen Sicherheitseinrichtungen als auch eine Überprüfung der Passform, die letztendlich dem Schützen entsprechen muss, bringt Sicherheit, um nicht nach dem Kauf vor unliebsamen Überraschungen zu stehen. Ansonsten ist gegen den Kauf einer gebrauchten Flinte nichts einzuwenden, wenngleich der Neukauf einer Flinte Sicherheit in der Gewährleistung garantiert. Welches Kaliber soll meine neue Flinte haben und benötigt diese einen Stahlschrotbeschuss? Bevor das Modell der Flinte überhaupt in Erwägung gezogen wird, sollte das Kaliber gewählt werden, welches bei der Jagd oder auf dem Wurfscheibenstand gerade für Neueinsteiger von eminenter Bedeutung ist. Bei der Jagdprüfung haben wir gelernt, dass die Kaliber 12, 16 und 20 für die Jagd tierschutzgerecht eingesetzt werden können. Dabei hat das Kaliber 12 selbstverständlich die leistungsfähigste Performance. Moderne, neue Flinten werden beinahe ausschließlich im Kaliber 12/76 gefertigt. Damit ist sichergestellt, dass die Flinte einen verstärkten Beschuss und bei modernen bzw. eher neueren Modellen auch einen Stahlschrotbeschuss aufweist. Stahlschrot- oder Alternativschrot munition kann damit mit verstärkter Ladung eingesetzt werden, womit wiederum eine bedeutend größere Reichweite beim Stahlschroteinsatz auf Wasserwild einhergeht. Dies ist nicht unwichtig, denn die Verwendung von Stahlschrot ist in Bezug auf die Einsatz entfernung gegenüber Bleischrot grundsätzlich stark eingeschränkt. Sollte das Kaliber der Flinte 12/70 aufweisen, sollte abgeklärt werden, ob auch ein verstärkter Beschuss der Flinte inklusive Stahlschrotbeschuss vorhanden ist, ansonsten kann der Jäger beim Einsatz von Stahlschrot nur normal geladene Munition ver wenden (siehe Stahlschrotverordnung). Das Kaliber 16 kommt bei etwas älteren, gebrauchten Flinten häufig zum Einsatz. Bei neuen Flinten ist das Kaliber derzeit fast schon „out“. Am Gebrauchtmarkt findet man viele solcher Flinten zu relativ günstigen Preisen. Achtung: Beim Kaliber 16 gibt es keinen verstärkten Flintenbeschuss und auch keine verstärkt geladene Munition! Daher können Flinten im Kaliber 16 nur mit normal geladener Stahlschrotmunition bei der Jagd auf Wasserwild verwendet werden, womit die Einsatzentfernung erheblich reduziert wird. Beim Einsatz von Bleischrot, welcher derzeit noch die beste tierschutzgerechte Tötungswirkung bei physisch schwachem Wild aufweist, leistet auch das Kaliber 16 bei der Jagd gute Dienste. Trotzdem muss die Schussentfernung im Vergleich zum Kaliber 12 deutlich reduziert werden, Die Lilie (roter Pfeil) ist das Beschusszeichen für den Stahlschrotbeschuss. 36 WEIDWERK 7 | 2016 ww0716_s3638.indd 36 21.06.2016 11:31:15 Eine Patrone im Kaliber 20 steckte im Übergangskonus und wurde durch eine Patrone im Kaliber 12 aufgeschossen. Die Sprengung des Flintenlaufs und eine schwere Handverletzung waren die Folge. damit die Schock wirkung auch mit Bleischrot am Wild gewährleistet werden kann. Das Kaliber 20 wird gerne von erfahrenen und mit guter Schützenleistung ausgestatteten Jägern ver wendet. Dies ist auch notwendig, denn es werden bereits eklatant weniger Schrotkörner ins Ziel gebracht als dies beim Kaliber 12 der Fall ist. Das heißt, dass das Kaliber 20 bei einem nur geringfügig schlechteren Treffer enorme Probleme hat, die notwendige tödliche Schockwirkung zu leisten, welche aus möglichst hoher Auftreffgeschwindigkeit der Schrote (Schussentfernung) und vor allem möglichst vielen gleichzeitig auf dem Wildkörper auftref fenden Schrotkörnern resultiert. Das Kaliber 20/76 kann diesen Rückstand beim Einsatz von Bleischrot fast vollständig kompensieren und mit dem Kaliber 12 beinahe gleichziehen. Doch beim Einsatz von Stahl- oder Alter nativschrot hat auch dieses Kaliber das Problem, dass der Jungjäger maximal einen Halbchoke verwenden kann, wenn Schrotgrößen über 3,25 mm verwendet werden, welches eindeutig für die Jagd auf Wasserwild notwendig ist (siehe Stahlschrotverordnung). Ein weiterer Punkt ist die Sicherheit in Bezug auf die Handhabung der Flinte. Wenn irgendwann einmal eine 12er-Flinte in den Besitz eines Jung jägers übergeht und dieser schon im Besitz einer 20er-Flinte ist, dann darf auf keinen Fall eine Verwechslung der Munition passieren. Schrotpatronen im Kaliber 20 fallen bis in den Bereich des Übergangskonus in den Lauf der 12erFlinte und bleiben dort stecken. Wenn dann die Flinte nachgeladen wird, weil sich „offensichtlich keine Patrone im Patronenlager befindet“, kommt es zu einem Aufschießen der Patrone im Kaliber 12 auf die im Übergangskonus steckende Patrone im Kaliber 20. Das Ergebnis ist eine Sprengung der Flinte mit schwerwiegenden Ver letzungen, die im Bild oben augenscheinlich werden. Das Flintenkaliber für Jungjäger ist eindeutig das Kaliber 12/70 mit der Option eines verstärkten Beschusses und Stahlschrotbeschusses oder gleich das Kaliber 12/76 mit Stahlschrot beschuss, womit alle Optionen für den Einsatz bei der Jagd und auf dem Schießstand für den Jungjäger offen gehalten werden. Wo liegen die Vor- und Nachteile einer Bockflinte (Over & Under) bzw. einer Doppelflinte (Side by Side)? Bockflinten oder Over & Under-Flinten weisen eine Laufschiene von der Basküle bis zur Laufmündung auf, welche über dem oberen Lauf angebracht ist. Damit hat der Schütze im Anschlag ein wesentlich größeres Gesichtsfeld als dies bei einer Doppel flinte der Fall ist, da ihm keine Läufe das Gesichtsfeld einengen. Die rasche Visiererkennung und Objektaufnahme sowie der nahezu freie Blick auf das dynamisch bewegte Ziel sind als große Vorteile der Bockflinten gegenüber dem eingeschränkten Gesichtsfeld der vertieft ausgeführten Schiene zwischen den Läufen von Doppelflinten zu nennen. Wer jagdlich und sportlich punkten und hohe Trefferquoten erzielen will, wird um eine Bockflinte nicht herumkommen. Wer in erster Linie jagdlich unterwegs ist, kann mit genügend Trainingsaufwand auch mit einer Doppelflinte eine gute Leistung erzielen. Soll meine neue Flinte mit einem Ein- oder einem Doppelabzug ausgestattet sein? Doppelabzüge werden (außer bei Doppelflinten) bei neuen Flinten kaum noch angeboten. Die Schusshand sollte immer auf derselben Stelle der Flinte verbleiben, womit alles für einen Einabzug spricht. Durch ein abgespeichertes Griffmuster im Gehirn des Schützen hat dieser die Sicherheit, die Flinte immer gleich zu greifen, egal, ob es sich um Boden- oder Turmziele handelt. Der Einabzug garantiert insbesondere bei Schäften mit Pistolengriff eine gleichbleibende Abzugstechnik, ohne die Schusshand auf dem Schaft verändern zu müssen. Bedenken muss man allerdings, dass im Vorhi nein die Laufoption (oberer oder unterer Ein gleichbleibendes Griffmuster am Pistolengriff garantiert mit dem Einabzug eine hohe Trefferquote. Bei einem Doppelabzug mit Pistolengriff muss dieser sehr flach nach hinten ausgeführt sein. ww0716_s3638.indd 37 21.06.2016 11:31:21 JAGDWERKZEUGE IM JAGDREVIER Lauf) durch die unterschiedliche Chokeausbildung bereits vor der Schussabgabe gewählt werden muss, damit abgehende oder ankommende Ziele mit der idealen Schrotgarben ausdehnung effizient getroffen werden können. Bei Doppelabzügen sollte die Flinte eine Schäftung aufweisen, die es der Schusshand ermöglicht, geradlinig zum hinteren Abzugszüngel zu gleiten. Dies wird in erster Linie durch eine englische Schäftung oder durch einen sehr flach nach hinten gezogenen Pistolengriff garantiert. Doppelabzüge weisen fast ausschließlich eine fix zugewiesene Laufanordnung auf, daher kann man bei der Jagd sehr kurzfristig entscheiden, welchen Lauf man zuerst abfeuern möchte. Daher ist insbesondere für Jungjäger der Einabzug – mit all seinen Vorteilen – dem Doppel abzug vorzuziehen. Was muss bei der Sicherung beachtet werden? Grundsätzlich verfügen alle Flinten über eine Sicherungseinrichtung. Diese hat den Zweck, eine unabsicht liche Schuss abgabe zu verhindern. Allerdings sollte die Sicherung, die beinahe immer als Schiebesicherung am Kolbenhals ausgeführt ist, leichtgängig sein, aber trotzdem sicher einrasten. Das heißt, bei einer Schuss abgabe sollte der Sicherungsschieber durch den Rückstoß nicht wieder in die gesicherte Stellung zurückgleiten – dies ist oftmals bei gebrauchten Flinten zu bemängeln. Der Grad an Sicherheit steigt, je näher die bolzen wirkt. Sicherung zum Schlag Daher sind reine Abzugssicherungen dann problematisch, wenn die Flinte aus der Hand rutscht, zu Boden stürzt und die Abzugsstange aus der Raste gehebelt wird, was eine un beabsichtigte Schussabgabe zur Folge hat. Daher sind zu sätzliche innere Sicherungen, wie Abzugs stangen sicherungen, Fangstangensicherungen oder sogar Schlagbolzensicherungen, reinen Abzugssicherungen vorzuziehen. Ob automatische Sicherungen besser sind oder der Sicherungsvorgang vom Schützen selbst durchgeführt werden soll, ist zweitrangig. Ab dem Zeitpunkt, an dem die Flinte geladen ist, muss sie auch gesichert werden. Ob dies der Schütze selbst ausführt oder die Flinte dies automatisch mit dem Brechen der Flinte erledigt, ist unerheblich. Braucht eine Jungjägerflinte einen Ejektor? Ejektoren haben den Vorteil, die Nachladegeschwindigkeit zu erhöhen, da die leeren Patronenhülsen selbstständig von der Flinte ausgeworfen werden. Ich nehme an, dass dies für einen Jung jäger bei der Jagd (zumindest in Österreich) zunächst zweitrangig ist. Damit Seitenschloss-Doppelflinte mit hochwertiger Fang stangensicherung. 38 sollte der Jungjäger genügend Zeit haben, die leeren Patronenhülsen auch selbst aus dem Patronenlager nehmen zu können. Für Jagden, die wirklich viel Niederwild bereithalten, bringt der Ejektor natürlich eklatante Vorteile. Wenn wir uns allerdings das Nieder wild vorkommen in Österreich vor Augen halten, werden wir auch in Zukunft ohne Ejektor auskommen können. Wenn bei einer Jagd schon Ejektoren verwendet werden, dann sollte nicht vergessen werden, dass die auf dem Boden liegenden Patronenhülsen auch wieder eingesammelt werden, egal, ob es sich um Patronenhülsen aus Pappe oder aus Kunststoff handelt. Auf dem Schießplatz sieht man Flinten, die vielfach mit Ejektoren ausgerüstet sind. Hier ist der Effekt des Ejektors nicht erkennbar, fast schon nachteilig. Manche Schützen halten die Flinte nach der Schussabgabe (auch nur nach einem Schuss) so unsicher mit dem Patronenlager in die Ent sorgungsbox, dass die Laufmündung irgendwo hinzeigt, nur mit dem Ziel, die leeren Patronenhülsen in die Box oder den Kübel zu verbringen. Dies ist ein schwerer Verstoß gegen die Sicherheitsregeln! Nach der Schussabgabe ist die Flinte mit der Laufmündung in Schuss richtung zu brechen und der Auswurf der leeren Patronenhülsen mit der Hand zu bremsen! Bockflinte mit Ejektoren ermöglichen eine hohe Nachlade geschwindigkeit. WEIDWERK 7 | 2016 ww0716_s3638.indd 38 21.06.2016 11:31:24
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